Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252963/17/BMa/Th

Linz, 29.05.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 20. Juli 2011, SV96-253-2010/Gr, wegen Übertretungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe für jeden der beschäftigten Dienstnehmer auf jeweils 365 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

  II.      Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde erster Instanz wird auf jeweils 36,50 Euro (insgesamt 73 Euro) herabgesetzt. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz  1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010

zu II.: §§ 64 und 65 VStG


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als Inhaberin der Firma X e.U. in  X, X, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keine Bevollmächtigten bestellt hat, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass Sie als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG die Dienstnehmer

  1. Herrn X, geb. X als Spengler und
  2. Herrn X, geb. X als Zimmermann

zumindest vom 14.4.2009 bis zum Kontrollzeitpunkt am 7.7.2009, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt auf der Baustelle beim Einfamilienhaus X in X, X, beschäftigt haben, ohne jeweils vor Arbeitsantritt eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse mit Sitz in 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger zu erstatten, obwohl diese Arbeitnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen waren.

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes Grieskirchen Wels am 7.7.2009 gegen 10.00 Uhr auf der angeführten Baustelle festgestellt.

Sie haben somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des §§ 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§§ 33 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) i.d.g.F.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

 

Geldstrafe von                     falls diese uneinbringlich ist,          Gemäß

jeweils 730,-- Euro                            Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils

(gesamt 1.460,-- Euro)      35 Stunden                                                          § 111 ASVG

                                                               (gesamt 70 Stunden)

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

146,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

                1.606,-- Euro"

 

1.2. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die beiden ungarischen Arbeiter hätten Hilfstätigkeiten durchgeführt und Arbeitsanweisungen vom Spenglermeister der Bw erhalten. Es sei eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit vorgelegen. Von der Bw sei nicht bestritten worden, dass die beiden Arbeiter in ihrem Auftrag tätig geworden seien. Die Strafbemessung beruhe auf geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen. Strafmildernde und straferschwerende Gründe seien nicht hervorgetreten.

 

1.3. Gegen dieses der Bw am 27. Juli 2011 persönlich zugestellte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 10. August 2011, die am selben Tag zur Post gegeben wurde.

 

1.4. Begründend bringt die Bw im Wesentlichen vor, die beiden ungarischen Staatsbürger X und X seien selbstständige Gewerbetreibende gewesen. Sie hätten den Auftrag erhalten, die Montage von vorgefertigten Profilen zu einem Pauschalpreis von 800 Euro exkl. USt in der Kalenderwoche 24 bis 27 vorzunehmen. Eine Aktenwidrigkeit werde auch darin erblickt, dass im angefochtenen Bescheid von einem "X" die Rede sei, der aber nie für die Beschuldigte tätig geworden sei. Die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass die Bw bislang unbescholten sei, was einen wesentlichen Milderungsgrund darstelle. Es habe nie ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorgelegen, sondern ein Werkvertrag mit einem pauschalierten Werklohn. Ein Mitarbeiter der Bw, X, habe sich vor Auftragserteilung bei der zuständigen Behörde erkundigt, ob an die Ungarn Werkverträge erteilt worden seien und sie als selbstständige Unternehmer arbeiten dürften. Ihm wurde die Auskunft erteilt, dass dies möglich und zulässig sei. Damit würde sich die Bw aber selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Ungarn Dienstnehmer der Bw gewesen seien, in einem nicht vorwerfbaren Irrtum befunden haben, der einen Schuldausschließungsgrund bilde. In § 4 Abs.4 ASVG seien ausdrücklich Ausnahmetatbestände angeführt, bei deren Vorliegen eine Strafbarkeit ausgeschlossen sei. Diesbezüglich werde auf die Rechtsprechung des UVS Oberösterreich verwiesen. Demnach sei eine Strafbarkeit gemäß § 111 ASVG zu verneinen, wenn der Beschäftigte zum Tatzeitpunkt bereits nach dem GSVG pflichtversichert gewesen sei. Weiters führt die Berufung aus, selbst wenn eine unselbstständige Tätigkeit vorgelegen sei, hätte mit der Erteilung einer Ermahnung gemäß § 21 VStG das Auslangen gefunden werden können. Es werde auch darauf hingewiesen, dass die Bestrafung der Bw gegen das verfassungsrechtlich verankerte Verbot der Doppelbestrafung verstoße, weil die Bw auch nach den Bestimmungen des AuslBG wegen derselben Angelegenheit bestraft worden sei. Weiters wurde die Unzuständigkeit der Erstbehörde eingewendet und auf Artikel 7 Abs.1 MRK hingewiesen, wonach die rückwirkende Strafgesetzgebung zum Nachteil des Angeklagten und die Ausdehnung der Anwendung des Strafgesetzes zum Nachteil des Angeklagten durch Analogie verbiete. Eine Übertragung eines bereits anhängigen Verfahrens auf eine andere Behörde dürfe deshalb nicht stattfinden. Abschließend wurde der Berufungsantrag gestellt auf Anberaumung einer Berufungsverhandlung und ersatzlose Behebung/Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses sowie Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu auf Erteilung einer Ermahnung im Sinne des § 21 VStG, in eventu auf Herabsetzung der verhängten Strafe.

 

2. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 11. August 2011 die Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

Weil keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat durch Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

Der Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde und hat am 9. März 2012 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Rechtsvertreter der Berufungswerberin und ein Vertreter der Organpartei gekommen sind. Als Zeugen wurden X, X und X sowie FOI X einvernommen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bw ist Inhaberin der Firma X e.U. in  X, X. Vom 14.04.2009 bis zum 07.07.2009 hat sie X und X, jeweils ungarische Staatsangehörige, auf der Baustelle beim Einfamilienhaus X in X, X, beschäftigt und hat nicht vor Arbeitsantritt eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse als zuständiger Sozialversicherungsträger erstattet. Die Arbeitnehmer waren nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen. Die beiden Arbeitnehmer haben für das Unternehmen der Berufungswerberin diverse Hilfs- und Spenglerarbeiten ausgeführt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle haben die ausländischen Staatsangehörigen über eine Gewerbeberechtigung zur Montage und Demontage von vorgefertigten Winkelprofilen und Fachböden durch einfache Schraubverbindungen verfügt und sie haben auch Beiträge nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) gezahlt. Die Angestellten der Bw, X und X, haben sowohl die Gewerbeberechtigung als auch die Bestätigung der Zahlung von Beiträgen zur GSVG vor Arbeitsantritt der beiden Ausländer kontrolliert. Sie haben sich bei der Wirtschaftskammer erkundigt, ob die beiden Ausländer mit der Gewerbeberechtigung in der Firma der Bw arbeiten dürfen. Ein Angestellter der Bw, Herr X, hat über einen persönlichen Kontakt nach Ungarn die beiden Arbeiter angeworben, nachdem der von der Bw angestellte X vorher beim AMS nachgefragt hat, ob Arbeiter zur Verfügung stehen würden. X hat sich auch, nachdem die beiden Ungarn angeworben worden waren, danach erkundigt, ob er eine Beschäftigungsbewilligung für diese bekommen würde, was jedoch verneint wurde.

 

Die beiden Ungarn haben mit X einem Angestellten der Firma X, im Arbeitsverbund, und zwar als Spengler und Zimmermann, gearbeitet. Es hat keinen wesentlichen Unterschied der Arbeit der beiden Ungarn und jener des Angestellten der Firma X gegeben. Die Ungarn wurden durch Herrn X, den Spenglermeister der Firma X, in ihrer Arbeit unterwiesen. Dieser hat ein bis zwei mal pro Woche eine Kontrolle ihrer Arbeit durchgeführt. Das Material und das Gerüst wurde von der Firma X zur Verfügung gestellt, lediglich eine Motorsäge und Spenglerwerkzeug haben die Arbeiter selbst herbeigeschafft. Die Arbeiter haben Stundenaufzeichnungen geführt, die der Firma X zur Nachkalkulation der Baustelle gedient haben. Die Arbeiter haben acht Stunden täglich von Montag bis Freitag gearbeitet. Als Lohn haben sie dafür ca. 400 bis 500 Euro pro Monat erhalten.

Ihre Arbeit wurde durch den Spenglermeister der Firma X, kontrolliert und eine allfällige fehlerhafte Ausführung von diesem auch festgestellt. Die Ungarn waren nicht versiert, die von der Firma X geforderten Arbeiten durchzuführen, sie wurden durch den Spenglermeister unterwiesen. Für allfällige Schäden durch ihre Arbeit mussten sie insoweit haften, als sie den vereinbarten Lohn erst ausbezahlt bekommen haben, wenn sie eine allfällige fehlerhafte Arbeit nachgebessert hatten. Der firmenintern zuständige X, der die Ungarn beauftragt hatte, wusste nicht, ob er mit diesen einen Werkvertrag geschlossen hat, es war für ihn ein "normaler" Auftrag, ein Subunternehmerauftrag.

 

3.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus dem vorgelegten Akt, dem Vorbringen der Berufungswerberin und den in wesentlichen Bereichen übereinstimmenden Aussagen der in der mündlichen Verhandlung am 9. März 2012 vernommenen Angestellten der Firma X ergibt. Soweit diese Aussagen hinsichtlich der Entlohnung der Ausländer den von diesen ausgefüllten Personenblättern entgegenstehen, ist den Angaben der Ausländer in diesen Personenblättern zu folgen, wurden diese doch von den Ausländern unabhängig voneinander ausgefüllt und die Personenblätter sind auch in ungarischer Sprache abgefasst, sodass sich auch keine sprachlichen Missverständnisse ergeben konnten.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 111 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.   Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.   Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.   Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.   gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Nach § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs 4 ASVG vorliegt.

 

Gemäß § 539a Abs 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht können Verpflichtungen nach dem ASVG, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (§ 539a Abs 2 ASVG).

 

Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a Abs 3 ASVG).

 

Gemäß § 4 Abs.4 Z1 lit.a stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich aufgrund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereichs (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, es sei denn, dass sie aufgrund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs.1 Z1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs.1 BSVG oder nach § 2 Abs.1 und 2 FSVG versichert sind.

 

Nach § 4 Abs.6 schließt eine Pflichtversicherung gemäß Abs.1 für dieselbe Tätigkeit (Leistung) eine Pflichtversicherung gemäß Abs.4 aus.

 

3.4. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurden die Ungarn in die betriebliche Organisation der Firma X wie die Angestellten dieser Firma eingebunden, sie waren weisungsgebunden und unterlagen der Kontrolle durch den Spenglermeister des Unternehmens. Für ihre Arbeiten wurde ihnen Material der Firma X zur Verfügung gestellt und sie mussten Stundenaufzeichnungen führen. Sie haben wie der Angestellte der Firma X sechs bis acht Stunden an fünf Tagen in der Woche, im Arbeitsverbund mit den Angestellten des Unternehmens, gearbeitet und sie haben einen fixen Lohn für diese Arbeit bekommen. Auch wenn die beiden Ungarn insofern für ihre Arbeit haften mussten, als sie ihren Lohn erst ausbezahlt bekommen haben, wenn diese ordnungsgemäß erledigt war, so überwiegen dennoch die Merkmale einer unselbstständigen Tätigkeit gegenüber jener eines Werkvertrags. Es ist daher beim gegebenen Sachverhalt davon auszugehen, dass die Tätigkeit der beiden Ungarn im Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erfolgte, weshalb diese Tätigkeit als meldepflichtige Beschäftigung iSd § 33 ASVG zu qualifizieren war. Selbst wenn man den Angaben des Zeugen X folgen würde, wonach die Ungarn teils pauschal entlohnt und teils nach Stunden bezahlt wurden, änderte dies nichts an der Qualifikation der Arbeiter als Dienstnehmer.

 

Nach § 539a ASVG ist bei einem Beschäftigungsverhältnis sowie nach dem § 2 Abs.4 AuslBG der wahre wirtschaftliche Gehalt maßgeblich. Demnach kommt es also auf die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit an und sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes manipulierbare ("formale") Umstände irrelevant.

 

Auch wenn die beiden Ungarn im Besitz einer Gewerbeberechtigung waren und Beiträge nach dem GSVG gezahlt haben, so sind sie gemäß § 4 Abs.6 ASVG nicht von der Pflichtversicherung ausgenommen, weil eine unselbstständige Tätigkeit, also eine Tätigkeit als Arbeitnehmer, wie sie im konkreten Fall festgestellt wurde, eine Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs.4 ASVG, also zB. auch eine Versicherung nach GSVG ausschließt.

Dies unterscheidet den gegenständlichen Fall von dem in der Berufung zitierten Erkenntnis des UVS Oberösterreich, VwSen-252801/3/Gf/Mu, weil in diesem festgestellt wurde, dass die dort bezeichnete Person den Dienstnehmerbegriff nicht erfüllt hat.

 

Zum Berufungsvorbringen, es werde Aktenwidrigkeit darin erblickt, dass im angefochtenen Bescheid von einem Herrn X die Rede sei (Seite 2 der Berufung), wird entgegen gehalten, dass aus dem Kontext des bekämpften Erkenntnisses eindeutig erkennbar ist, um welche betretenen Personen es sich handelt, und die Anführung des Namen "X" in der Begründung offensichtlich auf einem Schreibfehler beruht.

 

Zum von der Berufung angezogenen Doppelbestrafungsverbot, weil wegen des selben Sachverhalts ein Verfahren gemäß AuslBG anhängig ist und die Bw diesbezüglich in erster Instanz bestraft wurde, wird auf die ständige Judikatur des VfGH und des VwGH, zB. VfGH v. 16.12.2010, B343/10; VwGH v. 24.02.2011, 2007/09/0361, verwiesen. So ist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2008/09/0203, in welchem er eine Übertretung des § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG nach erfolgter Verurteilung wegen eines Vergehens nach § 111 ASVG (Unterlassung der Anmeldung zur Sozialversicherung) zu beurteilen hatte, zu dem Schluss gekommen, dass für die Bestrafung nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG andere Aspekte des tatsächlichen Geschehens relevant waren (Nichteinholung einer arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung) als für die erfolgte Verurteilung nach

§ 111 ASVG (Unterlassung der Anmeldung zur Sozialversicherung) und damit die wesentlichen Tatbestandselemente beider Strafnormen divergierten. Dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen ist daher keine Folge zu geben.

 

Das in der Berufung angesprochene Rückwirkungsverbot kommt nicht zur Anwendung, hat sich doch mit Änderung der Bestimmung des § 111 ASVG lediglich die Zuständigkeit der Erstbehörde geändert, nicht jedoch die Strafnorm, auf die das Rückwirkungsverbot abstellt. Die Behörde hat die geltende Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung heranzuziehen. Es ist keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, dass die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zum Zeitpunkt der Geltung des § 111 Abs.5 ASVG über eine Berufungswerberin mit Sitz des Unternehmens in X, also im Bezirk Linz-Land, entschieden hat. Überdies diente die Regelung des derzeit geltenden § 111 Abs.5 ASVG nur zur Klarstellung der Rechtslage, sodass die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land auch bereits im Jahr 2009 gegeben war.

Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Der Bw ist es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie an der Übertretung kein Verschulden trifft. Auch wenn sie sich darauf verlassen hat, dass ihre Angestellten bei der Wirtschaftskammer angefragt haben, ob eine Meldung bei der Oö. GKK gemäß ASVG vorzunehmen sei, so trifft sie zumindest ein Überwachungsverschulden. Von der Bw wurde nicht dargetan, dass sie ihre Angestellten entsprechend kontrolliert hat, dass diese über die entsprechenden Kenntnisse verfügen, um sich bei der zuständigen Stelle der Oö. GKK, zu erkundigen, welcher Meldeverpflichtung nachzukommen ist. Vielmehr hat das Beweisverfahren sogar ergeben, dass der Angestellte der Bw, der für die Beauftragung der Ausländer zuständig war, keine Kenntnis über die Erstellung eines entsprechenden Werkvertrages hatte und die Ungarn einfach wie sonstige Dienstnehmer der Firma angestellt hat.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die im vorliegenden Fall gegebene Ordnungswidrigkeit gemäß § 111 Abs.1 Z1 ASVG ("wer Meldungen oder Anzeigen nicht oder nicht rechtzeitig erstattet") ist gemäß § 111 Abs.2 ASVG als Verwaltungsübertretung grundsätzlich mit Geldstrafe von 730 bis 2.180 Euro zu bestrafen, wobei für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe bis 2 Wochen vorgesehen ist. Nach diesem Strafsatz war die Strafe zu bemessen. Gegen die von der belangten Behörde festgestellten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat die Bw nichts vorgebracht, diese werden auch dem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegt. Entgegen dem angefochtenen Erkenntnis ist als strafmildernd jedoch die absolute verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Bw und die lange Verfahrensdauer zu werten, hat das vorgeworfene Dauerdelikt doch am 7. Juli 2009, also nahezu vor 3 Jahren geendet.

Unter Berücksichtigung der Milderungsgründe war die Strafe entsprechend herabzusetzen.

 

Die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe erfolgte in Relation der Obergrenze der Geldstrafe zur Obergrenze der Ersatzfreiheitsstrafe und war daher entsprechend herabzusetzen.

 

5. Weil die Berufung teilweise Erfolg hatte, ermäßigen sich die Kosten zum Verfahren vor der belangten Behörde entsprechend. Für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag.a Bergmayr-Mann

 

 

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VfGH vom 21. September 2012, Zl.: B 910/12-3

 

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VwGH vom 14.01.2013, Zl.: 2012/08/0252-5

 

 

 

 

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