Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222609/2/Kl/TK

Linz, 05.06.2012

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des X, X, vertreten durch X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 16.1.2012, GZ 52313/2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994            zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44 a, 45 Abs 1 Z 3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 16.1.2012, GZ 52313/2011, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 47 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 2 iVm § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X mit dem Sitz in X am 29.11.2011 um 10.15 Uhr eine nach § 74 Abs. 2 Z 2 GewO genehmigungspflichtige Betriebsanlage, nämlich ein Gastlokal (ca. 127 , 19 Verabreichungsplätze, 15 Spielautomaten, 1 Kühlschrank, 1 Kaffeeautomat, 4 Fernseher) im Standort X, X betrieben hat, ohne im Besitz einer hiefür erforderlichen Betriebsanlagengenehmigung gewesen zu sein.

Diese Betriebsanlage ist aufgrund ihrer Betriebsart (Gastraum mit Verabreichungsplätzen, Spielautomaten, Fernseher) geeignet, Nachbarn durch Lärm zu belästigen und bedarf somit einer Bewilligung durch die Behörde.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten sowie die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Tatvorwurf, dem Konkretisierungsgebot des § 44 a Z 1 VStG nicht genüge, weil die ohne erforderliche Genehmigung errichtete und betriebene genehmigungspflichtige Betriebsanlage genau zu umschreiben sei. Dies sei deshalb von Bedeutung, weil das Vorhandensein von 19 Verabreichungsplätzen, einem Kühlschrank und einem Kaffeeautomaten nicht schlechthin bereits eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage darstellt. Auch sei durch den nicht näher konkretisierten Vorwurf das Tatbestandselement der "örtlich gebundenen Einrichtung" gemäß § 74 Abs. 1 GewO, der eine Eignung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO zukommt, nicht in ausreichender Weise erfasst. Auch ist im Spruch eine konkrete Bezugnahme auf die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mit den Merkmalen der Selbständigkeit, Regelmäßigkeit und Ertragsabsicht fehlend. Darüber hinaus wurde dargelegt, dass jedenfalls seit Ende Jänner 2012 lediglich der Ausschank von nichtalkoholischen Getränken in verschlossenen Gefäßen, der durch Automaten systematisiert ist, betrieben werde und daher der rechtwidrige Zustand beseitigt worden sei. Auch wurde nicht ausreichende Sachverhaltsermittlung geltend gemacht. Schließlich fehle dem Beschuldigten auch schuldhaftes Verhalten.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51 e Abs. 2 Z 1 VStG.

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in Z 1 bis 5 näher umschriebenen Interessen verletzen.

 

4.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus.

 

Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen.

 

Die belangte Behörde wirft dem Berufungswerber sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.12.2011 als erster Verfolgungshandlung sowie im nachfolgenden angefochtenen Straferkenntnis vom 16.1.2012 vor, am 29.11.2011 um 10.15 Uhr eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage, nämlich ein Gastlokal (ca. 127 m², 19 Verabreichungsplätze, 15 Spielautomaten, 1 Kühlschrank, 1 Kaffeeautomat, 4 Fernseher), im Standort X, X, zu betreiben, ohne im Besitz einer hiefür erforderlichen Betriebsanlagengenehmigung gewesen zu sein.

Diese Betriebsanlage ist aufgrund ihrer Betriebsart (Gastraum mit Verabreichungsplätzen, Spielautomaten, Fernseher) geeignet, Nachbarn durch Lärm zu belästigen. Eine weitere Verfolgungshandlung wurde nicht gesetzt.

 

Im Spruch des Straferkenntnisses ist zwar die vorgeworfene genehmigungspflichtige Betriebsanlage als Gastlokal mit näher angeführten Merkmalen und sohin als eine örtlich gebundene Einrichtung umschrieben. Allein der Umstand, dass diese näher umschriebene Örtlichkeit als Gastlokal bezeichnet wurde, ohne dass weiters konkret ausgeführt wurde, welcher gewerblichen Tätigkeit diese Betriebsanlage regelmäßig zu dienen bestimmt ist, erfüllt aber schon die gesetzliche Voraussetzung des § 74 Abs. 1 GewO 1994 nicht zur Gänze. Allein aus der Bezeichnung Gastlokal bzw. aus der Beschreibung von 19 Verabreichungsplätzen und einem Kühlschrank und einem Kaffeeautomaten kann noch nicht geschlossen werden, dass diese Einrichtung gewerblichen Zwecken bzw. der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit dient. Darüber hinaus fehlt aber auch die Bezeichnung der Betriebsart, in der das Gastlokal geführt wurde.

Weiters stellt die Umschreibung des Gastlokales lediglich die Errichtung einer Betriebsanlage dar. Worin die Tätigkeit des Betreibens gelegen ist, ist ebenfalls dem Spruch des Straferkenntnisses nicht zu entnehmen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH vom 25.6.1991, 90/04/0216) ist es aber erforderlich, "mit dem Tatvorwurf, im angeführten Standort einen Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart Bar betrieben zu haben, trotz der Beifügung, es handle sich um eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage, jenes Tatverhalten, mit welchem der Beschwerdeführer den Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart Bar in einer die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage begründeten Weise ausgeübt habe," darzustellen. Es ist daher auch erforderlich, das "Betreiben" durch eine nähere Tatumschreibung im Spruch anzuführen.

Es gehört nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 28.6.1988, 88/04/0047 und VwGH vom 2.10.1989, 88/04/0001) zu den Elementen der entsprechenden spruchgemäßen Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat gemäß § 44 a Z 1 VStG hinsichtlich des Tatbestandes der Verwaltungsübertretung des § 366 Abs. 1 Z 2 GewO die Anführung, in welcher "örtlich gebundenen Einrichtung" welche gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. Es ist im Sinne des § 44 a Z 1 VStG erforderlich, im Spruch des Bescheides anzuführen, hinsichtlich welcher – konkreten – gewerblichen Tätigkeit von der Annahme des Vorliegens des Tatbestandsmerkmales einer Betriebsanlage ausgegangen wird. Auch im Hinblick auf diese Judikatur lässt das angefochtene Straferkenntnis jene Umstände vermissen, aus denen geschlossen werden kann, dass eine gewerbliche Tätigkeit und welche gewerbliche Tätigkeit in der "örtlich gebundenen Einrichtung" ausgeübt wird. Allein aus der konkreten Umschreibung des Lokales kann noch nicht auf eine gewerbliche Tätigkeit geschlossen werden. Es kann daher aus dieser Bezeichnung allein auch nicht auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales einer Betriebsanlage geschlossen werden.

 

4.3. Da innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist eine den Judikaturanforderungen entsprechende Verfolgungshandlung nicht gesetzt wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Es war daher gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG wegen eingetretener Verfolgungsverjährung das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs. 1 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Ilse Klempt

 

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

Beschlagwortung:

 

Tatkonkretisierung