Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-101119/14/Bi/Rd

Linz, 15.09.1993

VwSen - 101119/14/Bi/Rd Linz, am 15.September1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des J A, R, N, vom 9. Dezember 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft R vom 9. Dezember 1992, VerkR96/1655/1991, aufgrund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 15. September 1993 zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.

Hinsichtlich Punkt 1. wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, daß der letzte Halbsatz zu lauten hat:"obwohl andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende Fahrzeuglenker, gefährdet oder behindert werden konnten." II. Der Rechtsmittelwerber hat im Punkt 1. zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz den Betrag von 80 S (20% der verhängten Geldstrafe) als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

In Punkt 2. sind keine Verfahrenskosten zu entrichten. Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 45 Abs.1 Z1 und 19 VStG, §§ 16 Abs.1a, 18 Abs.1 und 99 Abs.3a StVO 1960. Zu II.: §§ 64 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft R hat mit Straferkenntnis vom 9. Dezember 1992, VerkR96/1655/1991, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 16 Abs.1a und § 99 Abs.3a StVO 1960 und 2) § 18 Abs.1 und § 99 Abs.3a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 400 S und 2) 300 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 24 Stunden und 2) 18 Stunden verhängt, weil er am 5. Mai 1991 um ca. 18.10 Uhr mit dem PKW R auf der R Bundesstraße Nr.bei km ein Fahrzeug überholt hat, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten.

Weiters hat er beim Fahren hinter einem Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug vorschriftsmäßig plötzlich abgebremst wurde. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenersatz von 70 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Am 15. September 1993 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, der Zeugen M A und Insp. J R sowie des technischen Amtssachverständigen Ing. H T durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber hat nach der mündlichen Verkündung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mündlich Berufung erhoben und beantragt, den Strafbescheid aufzuheben. Er macht geltend, er habe die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen und verweist auf seine bisherigen Angaben. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung hat er ausgeführt, es habe dort seiner Meinung nach kein Grund bestanden, nicht zu überholen, zumal die Kolonne eine Geschwindigkeit von ca. 80 km/h einhielt und äußerst rechts fuhr, genügend Platz vom Seitenabstand her gegeben war und er die Sperrlinie in der darauffolgenden Kurve nicht überfahren habe. Er habe sich am Ende des Überholmanövers gefahrlos wieder eingeordnet, ohne den nachfolgenden PKW-Lenker irgendwie zu gefährden oder zu behindern.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, in deren Rahmen ein Lokalaugenschein bei 23,9 der B 127 durchgeführt wurde. Der Rechtsmittelentscheidung wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zugrundegelegt:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 5. Mai 1991 gegen 18.10 Uhr den PKW R auf der B Richtung L, wobei er im Bereich zwischen km und eine aus mehreren PKW bestehende Kolonne trotz Gegenverkehr überholte. Der Richtung L führende Fahrstreifen weist bei km eine Breite von 4,9m auf, der PKW des Rechtsmittelwerbers (VW-Golf) hat im Spiegelbereich eine Breite von 1,80m. Weiters wird eine Kolonnengeschwindigkeit von 80 km/h und der vom Rechtsmittelwerber selbst angegebene seitliche Sicherheitsabstand zwischen seinem und den überholten PKW von ca. 1m zugrundegelegt. Die B weist im Überholbereich zwei Fahrstreifen auf, die zunächst durch eine Leitlinie getrennt sind, die im Bereich der in Fahrtrichtung des Rechtsmittelwerbers gesehenen Linkskurve zwischen km und km in eine Sperrlinie übergeht.

Während die Zeugin M Ai, die Gattin des Rechtsmittelwerbers, von ihrem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch machte, gab der Meldungsleger zunächst an, sich an den konkreten Vorfall aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr erinnern zu können, rekonstruierte dann aber seine Anzeige unter Zugrundelegung der Angaben des Rechtsmittelwerbers in der Weise, daß er als Lenker eines Dienstmotorrades, Marke BMW-R80RT, vom Kreuzungsbereich der in Fahrtrichtung des Rechtsmittelwerbers von links in die B einmündenden Querstraße aus, weil ihm der Beginn des vorschriftswidrigen Überholvorganges des Rechtsmittelwerbers aufgefallen war, diesem nachfuhr und so das Ende des Überholmanövers bei km beobachtete. Im Rahmen des Lokalaugenscheins wurde vom technischen Sachverständigen zum einen die Zeit gestoppt, die der Meldungsleger von der Beobachtung des Verkehrsgeschehens bis zur Fahrbereitschaft (zunächst mit abgenommenem dann mit aufgesetztem und zugemachtem Helm) benötigte, und welche Wegstrecke der Zeuge in den 15 sec. zurücklegte, in denen der Rechtsmittelwerber bei einer Überholgeschwindigkeit von 95 km/h das Überholmanöver bei km abschloß. Bei aufgesetzem Helm ergab sich eine Zeit von 4,4 sec., bis das Motorrad gestartet und fahrbereit war; in 15 sec. wurde mit einer Geschwindigkeit von 130 bis 135 km/h die Straßenstelle erreicht, von der aus schon bei der Annäherung uneingeschränkte Sicht auf das Ende der Sperrlinie bei km besteht. Daraus folgt, daß der Meldungsleger aus dem Stillstand auf eine Geschwindigkeit von 130 bis 135 km/h beschleunigt hat, während sich der Rechtsmittelwerber in den 4,4 sec. um weitere 134m entfernt hat. Es ergibt sich somit ein Gesamtabstand zwischen dem PKW des Rechtsmittelwerbers und dem Motorrad des Meldungslegers von 194m. Der Annahme des Meldungslegers, er habe danach den Helm mit Sicherheit aufgehabt, da sich das Funkgerät im Mai 1991 noch im Helm und nicht am Motorrad befunden habe, ist aus dem Beweisverfahren nichts entgegenzusetzen.

Unter Zugrundelegung einer Fahrzeugbreite im Spiegelbereich von 1,80m sowohl beim PKW des Rechtsmittelwerbers als auch bei den überholten PKW, sowie eines seitlichen Abstandes von 1m, verblieben auf dem Richtung Linz führenden Fahrstreifen noch ganze 30cm für den Abstand des überholten PKW vom rechten Fahrbahnrand, wobei die exakte Einhaltung einer derartigen Fahrlinie in einer Linkskurve laut Sachverständigengutachten äußerst schwierig ist. Demnach ist aufgrund der Blicktechnik beim Linkskurvenfahren das seitliche Abschätzen zum rechten Fahrbahnrand und Einhalten eines konstant geringen seitlichen Sicherheitsabstandes für die überholten Fahrzeuglenker über eine größere Wegstrecke unzumutbar. Sowohl laut eigenen als auch nach den Angaben des Meldungslegers hat der Rechtsmittelwerber die Sperrlinie im Kurvenbereich nicht überfahren. Hinsichtlich des Abstandes, den der Rechtsmittelwerber zum Vordermann beim Wiedereinordnen nach Abschluß des Überholmanövers einhielt, hat sich bei der mündlichen Verhandlung zwar ergeben, daß der Rechtsmittelwerber einen Abstand von 8 bis 13m für durchaus ausreichend hält, jedoch hat er bestritten, den vom Meldungsleger bereits in der Anzeige angegebenen Abstand von 5m eingehalten zu haben. Laut Feststellung des technischen Sachverständigen war der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen von 195m unter Berücksichtigung der Fahrsituation des Meldungslegers (130 km/h Geschwindigkeit bei einem Überholmanöver) nicht geeignet, eine Abstandsschätzung nach der vom Meldungsleger zumindest für den Regelfall geschilderten Vorgangsweise (hiebei wird ein Bezugspunkt ins Auge gefaßt und beobachtet, in welcher Entfernung voneinander dieser von zwei hintereinander fahrenden Fahrzeugen passiert wird) exakt durchzuführen. Selbst der Meldungsleger hat angegeben, er führe solche Abstandsschätzungen höchstens bis zu einer Entfernung von 100m durch, wobei ein derart geringer Abstand nur bei uneingeschränkter Sicht und größter Aufmerksamkeit möglich ist.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zur Übertretung gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960: Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 17. Juni 1981, 3097/80) bezieht sich der Inhalt der Bestimmung des § 16 Abs.1a StVO tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende des Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, sondern auf ein den überholenden Fahrzeuglenker erkennbares GEFÄHRDEN - oder BEHINDERN KÖNNEN BZW. EINEN PLATZMANGEL. Der Lenker darf grundsätzlich nur dann überholen, wenn er in der Lage ist, die Überholstrecke zu überblicken und sich von der Möglichkeit eines gefahrlosen Überholens zu überzeugen, und hat den Versuch eines Überholmanövers abzubrechen und sich wieder hinter das vor ihm fahrende Fahrzeug einzureihen, sobald er auf der Überholstrecke ein Hindernis oder sonst die Möglichkeit einer Gefährdung erkennt.

Der Rechtsmittelwerber hat selbst ausgeführt, daß er zum Zeitpunkt des Überholvorganges Gegenverkehr hatte, der jedoch ebenfalls rechts fuhr.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates war es für den Rechtsmittelwerber aufgrund der zum Zeitpunkt der Einleitung des Überholmanövers für ihn unübersichtlichen Linkskurve nicht auszuschließen, daß auch der Gegenverkehr überholt werden konnte, wobei in diesem Fall die Fahrbahnbreite von zweimal 4,90m wegen des unmöglich einzuhaltenden Seitenabstandes zur Fahrbahnmitte zu gering war, um ein gefahrloses Überholen zu ermöglichen. Da das Überholmanöver vor einer unübersichtlichen Linkskurve eingeleitet und erst unmittelbar nach der Kurve beendet wurde, konnte der Rechtsmittelwerber nicht ausschließen, daß ein nicht äußerst rechtsfahrender oder gar überholender Gegenverkehr durch sein eigenes Fahrverhalten gefährdet oder behindert werden könnte. Abgesehen davon war nicht auszuschließen, daß im Gegenverkehr ein LKW Richtung R fahren könnte.

Der Rechtsmittelwerber hat daher den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und als Verwaltungsübertretung zu verantworten, wobei die Ergänzung des Spruches im Hinblick auf die gemäß § 44a Z1 VStG erforderliche Konkretisierung erfolgt.

Ein Überholen trotz des geringfügigen Seitenabstandes zum überholten Fahrzeug und trotz der zu geringen Tiefenabstände zwischen den überholten Fahrzeugen wurde dem Rechtsmittelwerber nicht vorgeworfen.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz verhängte Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung sowie den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers (13.000 S netto monatlich, sorgepflichtig für die Gattin und zwei Kinder, kein Vermögen) unter Bedachtnahme auf den Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO (der bis 10.000 S bzw. zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht) entspricht. Die verhängte Strafe ist derart gering bemessen, daß eine weitere Herabsetzung im Hinblick auf den general- bzw. sowie vor allem spezialpräventiven Strafzweck ausgeschlossen war.

Zur Übertretung gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 26. April 1991, 91/18/0070) darf ein Vorausfahrender sich zwar auf die Einhaltung eines entsprechenden Sicherheitsabstandes durch den Nachfahrenden, dieser sich aber nicht auf das Unterlassen eines überraschenden Bremsmanövers durch den Vorausfahrenden verlassen. Der Nachfahrende hat unter Berücksichtigung aller gegebenen Umstände, wie etwa Straßen- und Sichtverhältnisse, vorliegen von Ortsdurchfahrten sowie die Art des vorne fahrenden Fahrzeuges dafür zu sorgen, daß er auch bei einem überraschenden Bremsmanöver des vor ihm fahrenden sein Kraftfahrzeug rechtzeitig zum Anhalten bringen kann.

Laut den Ausführungen des technischen Sachverständigen bestand zwischen dem Fahrzeug des Rechtsmittelwerbers und dem Motorrad des Meldungslegers ein Abstand von ca. 190m, der für die einigermaßen verläßliche Schätzung des Sicherheitsabstandes zwischen dem Rechtsmittelwerber und dessen vorausfahrenden Fahrzeug wesentlich zu groß war. Außerdem mußte sich der Meldungsleger, der ja bei 130 km/h gerade selbst ein Überholmanöver in einer unübersichtlichen Linkskurve durchführte, auf sein eigenes Fahrverhalten konzentrieren, sodaß nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ein Einprägen eines Bezugspunktes unter Beobachtung der beiden Fahrzeuge und deren Abstand zueinander nicht mit der erforderlichen Sicherheit durchführbar war. Der vom Meldungsleger angeführte Sicherheitsabstand von 5m ist daher nicht nachvollziehbar. Weiters fraglich ist, ob der Rechtsmittelwerber im km-Bereich zwischen und (wie in der Anzeige angeführt) ständig hinter dem selben PKW nachgefahren ist (davon ist gemäß der Formulierung in der Anzeige auszugehen) oder ob er auch in diesem Bereich Fahrzeuge überholt hat und zu mehreren Fahrzeugen den genannten Sicherheitsabstand eingehalten hat (wie der Rechtsmittelwerber behauptet). Aufgrund der Tatsache, daß sich der Meldungsleger an den konkreten Vorfall nicht mehr erinnern konnte, war eine Beurteilung des Verhaltens des Rechtsmittelwerbers im Hinblick auf die angegebene Kilometerstrecke nicht mehr möglich; aufgrund der gutachtlichen Ausführungen des technischen Sachverständigen war eine Beurteilung des Sicherheitsabstandes bei km nicht verläßlich möglich, sodaß das Verfahren im Zweifel einzustellen war. Die äußerst fragwürdige Ansicht des Rechtsmittelwerbers, ein Abstand von 8 bis 13m zum Vordermann reiche für das Einordnen nach einem Überholvorgang durchaus aus, konnte diesem durch die exakten Berechnungen des Sachverständigen im Hinblick auf spezialpräventive Überlegungen deutlich gemacht werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum