Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 04.06.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufungen der X (alias X), geb. X, X (alias X), geb. X, X (alias X), geb. X und X (alias X), geb. X, alle vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen die Bescheide der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. Februar 2012, AZ: 1071478/FRB, 1071475/FRB, 1071474/FRB und 107477/FRB, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2012, zu Recht erkannt:

 

I.                  Den Berufungen wird stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden ersatzlos behoben.

 

II.              Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlagen :

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG)

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bundespolizeidirektion Linz erließ mit den angefochtenen Bescheiden vom 10. Februar 2012, AZ: 1071478/FRB, 1071475/FRB, 1071474/FRB und 107477/FRB, gegen die Genannten gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) eine Rückkehrentscheidung. In Spruchpunkt II. wurden gegen sie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) auf die Dauer von 18 Monaten befristete Einreiseverbote für den gesamten Schengenraum erlassen. In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 55 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 1 Monat ab Durchsetzbarkeit des Bescheides festgelegt. Die Behörde argumentierte, die Bw würden sich seit negativem Abschluss des Asylverfahren unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten.

 

Dagegen richten sich die Berufungen vom 27. Februar 2012. Die Bw stellten darin die Anträge, der Berufung Folge zu geben und die Bescheide der BPD Linz vom 10. Februar 2012 aufzuheben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat führte als zuständige Berufungsbehörde am 7. Mai 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

 

Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete eingangs folgendes Vorbringen:

 

"Wie aus den vorgelegten Dokumenten hervorgeht, lautet der Familienname der Berufungswerber nicht 'X', sondern 'X'. Der volle Name des Herrn X lautet richtigerweise X. Begründend ist auszuführen, dass vor den österreichischen Behörden nur deshalb ein falscher Familienname angegeben wurde, weil die Familie X Angst hatte, im Falle einer Rückkehr Repressalien oder sonstigen Nachteilen ausgesetzt zu sein, wenn der richtige Familienname X von vornherein angegeben worden wäre. Es war keinesfalls beabsichtigt, gegenüber österreichischen Behörden die tatsächlichen Verhältnisse zu verschleiern. Im Übrigen wird auf das Berufungsvorbringen verwiesen und die dort gestellten Anträge ausdrücklich aufrecht erhalten."

 

Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete abschließend folgendes Schlussvorbringen:

 

"Wesentlich ist die Feststellung, dass die 3 Kinder wesentlich besser deutsch sprechen als georgisch. Die Familie X, insbesondere die 3 Kinder, sind in Österreich vorbildlich integriert. Die Straftaten des X liegen bereits mehrere Jahre zurück. Er hat sich seit der Entlassung aus der Haft wohlverhalten. Es ist eine positive Zukunftsprognose zu erstellen. Im Übrigen wird auf das Berufungsvorbringen verwiesen. Die letzte Straftat liegt mittlerweile schon 6 Jahre zurück."

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

X (alias X alias X alias X alias X, Vorname X alias X alias X alias X) wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Georgien.

 

Er schloss in Georgien die Mittelschule erfolgreich ab. Danach war er 7 bzw. 8 Jahre bis 1993 Ringkämpfer. In der Zeit nach 1993 war er einerseits in einer Bäckerei tätig, andererseits machte er eine Ausbildung für die Tätigkeit bei einem Zollamt. Er war daraufhin in einer Zollamtsabteilung tätig und arbeitete dort etwa 1 Jahr. Im Anschluss daran war er auch selbständig erwerbstätig.

 

Am 13. Dezember 2002 reiste er illegal in das Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend in Österreich auf.

 

Am 13. Dezember 2002 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies diesen Asylantrag gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz mit Bescheid vom 18. September 2003 ab. Dagegen erhob er Berufung. Der Unabhängige Bundesasylsenat wies die Berufung mit Bescheid vom 5. Oktober 2007 als unbegründet ab. Dagegen erhob er Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Mit Beschluss des VwGH vom 16. November 2007, Zl. AW 2007/19/0805-4, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des VwGH vom 27. April 2011, Zl. 2008/23/1159-7, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Das Asylverfahren des X ist seit 24. Mai 2011 negativ abgeschlossen. Österreich gewährt ihm kein Asyl. Im Asylverfahren wurde keine Ausweisung ausgesprochen.

 

X ehelichte am 5. April 1994 die georgische Staatsbürgerin X. Aus dieser Ehe gingen die georgischen Staatsbürger X, geb. X, X, geb. X und X, ebenfalls geboren am X, hervor.

 

X reiste gemeinsam mit dem Sohn X am 13. April 2004 in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein. Die beiden Töchter wurden in Österreich geboren.

 

X und X beantragten am 13. April 2004 gemäß
§ 10 Asylgesetz 1997 die Erstreckung des X zu gewährenden Asyls. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies der Unabhängige Bundesasylsenat diese Asylerstreckungsanträge gemäß §§ 10 und 11 Asylgesetz 1997 ab. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 27. April 2011 abgelehnt. Gegen X und X wurde keine Ausweisung gem. AsylG angeordnet.

 

X und X stellten am 25. Juli 2006, vertreten durch X, einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren, welcher mit Bescheiden des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 23. August 2006 gemäß § 3 Abs.1 Asylgesetz abgewiesen und der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt wurde (Spruchteil I.). Gemäß § 8 Abs.1 Z1 Asylgesetz 2005 wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchteil II.) und die beiden Töchter gemäß § 10 Abs.1 Z2 Asylgesetz 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen (Spruchteil III.). Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Oktober 2007 keine Folge gegeben und diese zur Gänze abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 27. April 2011 hinsichtlich Spruchpunkt III. der Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates Folge gegeben und der angefochtene Bescheid diesbezüglich behoben. Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Der Asylgerichtshof hat daraufhin mit Erkenntnis vom 6. Juni 2011 der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. stattgegeben und diese gemäß § 66 Abs.4 AVG ersatzlos behoben. Begründend führte der Asylgerichtshof aus, mit Erkenntnis des VwGH vom 27. April 2011 sei die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Oktober 2007 hinsichtlich Spruchpunkt III. betreffend die Ausweisung der Beschwerdeführerinnen behoben worden, weil weder betreffend die Eltern noch betreffend den Bruder der Beschwerdeführerinnen seitens des Bundesasylamtes eine Ausweisung ausgesprochen worden sei und darin eine Verletzung von Artikel 8 EMRK erblickt wurde. Diesem Erkenntnis folgend sei auch der Beschwerde (vormals Berufung) gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. August 2006 hinsichtlich Spruchpunkt III. Folge zu geben und dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.

 

Zur Dauer der Familiengemeinschaft in Österreich ist festzustellen, dass X gemeinsam mit seiner Gattin seit deren Einreise im Jahr 2004 durchgehend in Familiengemeinschaft lebt. Gleiches gilt sinngemäß für den gemeinsamen Sohn X und die im Bundesgebiet geborenen Zwillinge X und X.

 

Zur Ausbildung der X ist festzustellen, dass sie nach erfolgreichem Schulabschluss in Georgien dort 10 Jahre als Krankenschwester und im Anschluss auch als voll ausgebildete Zahnärztin tätig war. Dies bis zum Jahr 2004, als sie nach Österreich einreiste.

 

X meldete mit 1. September 2010 das freie Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigen" an. Laut Gewerberegisterauszug vom 26. März 2012 entstand die Gewerbeberechtigung am 1. September 2010. Es handelt sich dabei um einen Paketdienst. Die Ehegatten X verfügen über ein eigenes Kraftfahrzeug. X ist tagsüber mit diesem Kraftfahrzeug unterwegs, um die Pakete zuzustellen. X arbeitet im Unternehmen seiner Gattin im Rahmen der gegenseitigen familiären Unterstützung bzw. Unterhaltsleistung mit. Er hielt in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich fest, dass nicht nur er mit dem Auto unterwegs ist, sondern oft auch seine Gattin alleine fährt. Die Beiden fahren auch gemeinsam.

 

Die drei Kinder sind in der Schule bzw. im Hort untergebracht, was laut Angaben des X die Gewerbeausübung eigentlich erst ermöglicht. Vom Verhandlungsleiter zum genauen Tagesablauf befragt, gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass die Kinder in der Früh zu Fuß zur Schule gehen. Alle drei sind soweit selbständig, dass sie dabei die Unterstützung der Eltern nicht benötigen. Sobald die Kinder außer Haus sind, beginnen die Ehegatten X mit der Paketzustellung. Die Kinder sind bis 16.00 Uhr bzw. 17.00 Uhr im Hort bzw. in der Schule untergebracht. Um 16.00 Uhr bzw. um 17.00 Uhr kehren die Ehegatten X zurück, um die Kinder zu Hause empfangen zu können.

 

X ist in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG laut Versicherungsbestätigung vom 3. Mai 2012 seit 1. September 2010 bis laufend pflichtversichert. X und X sind laut Versicherungsbestätigung der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft Landesstelle Oberösterreich vom 3. Mai 2012 in der Krankenversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) über X vom 1. September 2010 bis laufend mitversichert. X ist laut Versicherungsbestätigung vom 4. Mai 2012 über X in der Krankenversicherung nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) vom 22. März 2012 bis laufend mitversichert. Gleiches gilt laut Teilversicherungsbestätigung vom 4. Mai 2012 für X.

 

Laut Angaben des X wird aus dem angeführten Gewerbe monatlich ein Reingewinn von 2.000 bis 2.200 Euro erzielt. Dieser Reingewinn steht der Familie X monatlich zur Verfügung.

 

X ist laut KSV 1870 Privatinformation vom 26. März 2012 Kreditnehmerin eines Abstattungskredites in der Höhe von 6.500 Euro. Ablaufdatum des Kredits ist der 15. Dezember 2013. Es sind monatliche Raten in der Höhe von 300 Euro, beginnend mit 15. Jänner 2012 zurückzuzahlen. Laut KSV 1870 Privatinformation vom 3. Mai 2012 ist X Bürge für diesen Kredit.

 

X verfügt über ein Sprachzertifikat Deutsch auf dem Niveau A2 vom 8. Jänner 2011. X verfügt über ein A2 Deutsch-Zertifikat, ausgestellt am 5. März 2011.

 

X besuchte im Schuljahr 2011/2012 die Schwerpunktklasse Hauptschule X (7. Schulstufe). Das Verhalten in der Schule war laut Schulnachricht vom 7. Februar 2012 sehr zufriedenstellen. Er wurde im Pflichtgegenstand Deutsch III. Leistungsgruppe mit befriedigend beurteilt. Auf die Frage, welche Zukunftspläne er habe, gab X an, noch lernen zu wollen.

 

Die beiden Zwillinge X und X besuchen die Vorschule.

 

Vom Verhandlungsleiter befragt, wie er das Verhältnis zu seinen Kindern beschreiben würde, gab X an, dass er seine Kinder liebe.

 

Vom Verhandlungsleiter befragt, welche Sprache in der Familie verwendet wird, gab X an, dass er und seine Gattin georgisch und manchmal deutsch sprechen. Die Kinder sprechen schon georgisch. Die drei Kinder sprechen aber wesentlich besser deutsch als georgisch. Die drei Kinder können nicht auf georgisch schreiben.

 

Abgesehen von den Genannten halten sich keine Familienangehörigen des X in Österreich auf. In Georgien leben die Eltern und ein Bruder des X. Der Vater der X ist bereits verstorben. Ihre Mutter lebt mit den Geschwistern der X noch in Georgien.

 

X telefoniert etwa 1 – 2 mal monatlich mit seinen in Georgien aufhältigen Angehörigen.

 

Es scheinen drei rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen des X (damals noch unter dem Namen "X") auf.

 

X lebt gemeinsam mit X und den drei Kindern an der Adresse X in einer Mietwohnung. Hauptmieterin ist laut dem Mietvertrag vom 1. Juli 2011 X.

 

Die BPD erließ gegen X, X und die 3 Kinder mit Bescheiden vom 10. Februar 2012 Rückkehrentscheidungen samt Einreiseverboten. Dagegen wurde Berufung erhoben.

 

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt, dem Vorbringen des Berufungswerbers und den vorgelegten Dokumenten. Aufgrund der vorgelegten Dokumente steht insbesondere fest, dass der Familienname nicht "X", sondern "X" lautet.

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Gegen X und X wurde keine Ausweisung gem. AsylG angeordnet. Die asylrechtliche Ausweisung der X und X wurde vom AGH behoben. Es ist daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) vorliegen.

 

Der UVS entscheidet über die Berufung des X in einem gesonderten Erkenntnis.

 

Gegen einen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 52 Abs 1 FPG, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

X, X, X und X halten sich seit negativem Abschluss des Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzung für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist damit erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

X wusste spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung ihres Asylantrages – auch wenn sie subjektiv berechtigte Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende gehabt haben sollte – in Hinblick auf die negative behördliche Entscheidung ihres Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthaltsstatus ausgehen. Dies entspricht der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen, worauf auch der EGMR in seiner Judikatur abstellt (vgl. VwGH vom 29. Februar 2012, GZ: 2010/21/0233). Negativ fällt weiters ins Gewicht, dass X erst am 7. Mai 2012 ihren tatsächlichen Familiennamen bekannt gab und damit im Asylverfahren eine falsche Identität verwendete.

 

Das Fehlverhalten der Eltern ändert nichts daran, dass die Zwillinge X und Xbereits seit ihrer Geburt in Österreich aufhältig sind. Sie besuchen hier die Vorschule. Sie sprechen georgisch, sind der georgischen Schrift aber nicht mächtig. In diesem noch sehr jungen Lebensalter kann ihnen ohne Weiteres zugemutet werden, in Georgien neu Fuß zu fassen und dort die Schule zu besuchen.

 

Anderes gilt für X. Dieser kam mit 5 1/2 Jahren nach Österreich. Er absolvierte somit die gesamte bisherige schulische Laufbahn in Österreich und besucht mittlerweile hier die Hauptschule (7. Schulstufe). Er hat damit wesentliche Teile der kindlichen und jugendlichen Sozialisationsphase im Bundesgebiet verbracht. Auch wenn er georgisch spricht, ist er doch der georgischen Schrift nicht mächtig. Das persönliche Interesse des X an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet überwiegt das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes. Das Grundrecht auf Wahrung des Familienlebens im Sinn des Artikel 8 Abs. 1 EMRK macht damit auch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen seine Mutter X und seine beiden Schwestern dauerhaft unzulässig.

 

Anderes gilt für seinen Vater X. Darauf wird im Erkenntnis bezüglich der Berufung des X eingegangen.

 

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 72,80 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

 

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