Linz, 01.06.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, polnische Staatsangehörige, unbekannter Aufenthalt, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 24. Februar 2012, GZ.: Sich40-39523, mit dem über die Berufungswerberin eine Ausweisung nach dem Fremdenpolizeigesetz verhängt wurde, zu Recht erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG; §§ 61, 66 und 68 FPG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 24. Februar 2012, GZ.: Sich40-39523, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) gemäß § 66 Abs. 1 FPG idgF. eine Ausweisung erlassen und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
2. Gegen diesen der Bw am 29. Februar 2012 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig von der Bw eingebrachte Berufung vom 6. März 2012, die am 7. März 2012 bei der belangten Behörde einlangte.
Begründend führte die Bw aus, dass sie sich am "16.12.2012" (gemeint wohl 2011) abgemeldet und ihren Aufenthalt in Österreich beendet habe, da es ihr nicht gelungen sei, eine Arbeit zu finden. Am 7. Februar 2012 sei sie in Österreich eingereist und habe sich angemeldet. Sofort habe sie mit der Arbeitssuche begonnen und sich am 28. Februar 2012 beim AMS gemeldet und für den 1. März 2012 einen Termin erhalten. Ein weiterer Termin sei für den 8. März 2012 vorgesehen. Mangels Mobilität sei die Arbeitssuche schwierig. Sie habe auch eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Da sie alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen möchte, ersuche sie um Aufhebung des Bescheides. Sobald sie eine Arbeit gefunden habe, werde sie sich wieder melden. Sie sei der Ansicht gewesen, dass alles rechtens sei, wenn sie sich bei der Gemeinde und dem AMS abmelde. Die mündlich vereinbarte Arbeit sei nicht zustande gekommen, da sich der Saisonbeginn verschoben habe. Deshalb habe sie auch eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Finanziell werde sie von den Angehörigen unterstützt. Da sie in Österreich alle Vorschriften erfüllen wolle, ersuche sie um positive Erledigung.
3.1. Mit Schreiben vom 12. März 2012 legte die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den gegenständlichen Verwaltungsakt vor.
Am 10. April 2012 gab die belangte Behörde bekannt, dass sich die Bw am 3. April 2012 von der bisherigen Adresse abgemeldet habe, eine Neuanmeldung im Bundesgebiet bis dato nicht erfolgt sei und die Bw noch über die Anmeldebescheinigung der belangten Behörde verfüge.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und ergänzende Erhebungen gepflogen.
Eine ZMR-Anfrage am 30. Mai 2012 verlief negativ. Laut ZMR ist die Bw nach Polen verzogen.
Trotz Kenntnis des laufenden Verfahrens hat die Bw keine Abgabestelle bekannt gegeben.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1., 1.2., 2. und 3.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.
Der relevante Sachverhalt wird auch von der Bw nicht bestritten.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4 In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
4.1.2. Bei der Bw handelt es sich um eine polnische Staatsangehörige, die sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
Befindet sich der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet, hat der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 68 Abs. 1 FPG nur festzustellen, ob die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war.
4.1.3. Besteht ein Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 NAG nicht, weil die Nachweise gemäß § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die zuständige Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde.
4.2. Da die Voraussetzungen des § 51 NAG (u.a. Arbeitnehmer in Österreich) vorlagen, stellte die belangte Behörde der Bw am 13. Jänner 2009 auf Antrag eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG aus. Bereits am 2. April 2009 wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Der nach dem NAG bestehenden Meldeverpflichtung ist die Bw nicht nachgekommen. Bis zum Verlassen des Bundesgebietes (Abmeldung am 26. April 2011) war die Bw in Österreich weder Arbeitnehmerin, Selbständige noch als arbeitsuchend beim AMS gemeldet.
Zu Recht ist die zuständige Niederlassungsbehörde davon ausgegangen, dass das Aufenthaltsrecht gemäß § 51 NAG nicht mehr besteht, da die Voraussetzungen für dieses nicht mehr vorliegen.
Am 4. Oktober 2011 begründete die Bw neuerlich einen Wohnsitz in Österreich und beabsichtigte unter Berufung auf die Freizügigkeitsrichtlinie einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten in Österreich. Unbestritten wurden die Voraussetzungen des § 51 NAG nicht erfüllt.
Erst nach Kenntnisnahme der beabsichtigten Ausweisung wies die Bw auf die Arbeitssuche in Österreich, einen bestehenden privaten Krankenversicherungs-schutz, die Kontaktaufnahme mit dem AMS und die finanzielle Unterstützung durch Verwandte in Polen hin. Trotz Fristerstreckung erbrachte die Bw die notwendigen Nachweise nicht.
Ohne sich weiter um das laufende Verfahren zu kümmern, gab die Bw am 16. Dezember 2011 den Wohnsitz in Österreich auf. Im Berufungsverfahren begründete sie diesen Schritt damit, dass die Arbeitssuche negativ verlaufen sei.
Zuletzt begründete die Bw am 7. Februar 2012 einen Wohnsitz in Österreich; wiederum mit dem Wunsch in Österreich eine unselbständige Arbeit zu finden. Bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides versuchte die Bw privat eine Arbeitsstelle zu erlangen. Die Kontaktaufnahme mit der belangten Behörde unterließ die Bw; ebenso wenig legte sie dieser Nachweise über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel vor. Auch der Berufungsschrift wurden keine entsprechenden Beweismittel beigelegt.
Bedingt durch die Aufgabe des Wohnsitzes in Österreich und der Nichtbekanntgabe einer Abgabestelle können Unterlagen, die allenfalls das Vorbringen der Bw belegen, nicht beigeschafft werden.
Im Hinblick darauf, dass sich die Bw nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, hat der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 68 Abs. 1 FPG nur die Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Erlassungszeitpunkt zu beurteilen.
Wie die belangte Behörde rechtlich zutreffend und umfassend ausgeführt hat, kam der Bw aus Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr zu.
Auch wenn die Bw zuletzt wiederum ausgeführt hat, dass sie zur Arbeitssuche eingereist sei, ist dieses Vorbringen nicht erfolgversprechend. Diese Äußerung ist wenig glaubhaft, da sich die Bw bereits wiederholt (teilweise jahrelang) ohne Beschäftigung im Bundesgebiet aufgehalten und dabei auch keine der sonstigen Voraussetzungen des § 51 NAG erfüllt hat. Erst nach Kenntnisnahme beabsichtigter behördlicher Maßnahme wies sie auf die ergebnislose "private" Arbeitssuche, geplante Besprechungen beim AMS und das Bestehen einer privaten Krankenversicherung (die trotz Zusagen nie nachgewiesen wurde) hin.
Abgesehen von der behaupteten Arbeitssuche brachte die Bw zu keinem Zeitpunkt vor, dass sie begründete Aussicht habe, eingestellt zu werden.
Zu Recht ist daher bereits die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die in § 68 Abs. 1 FPG genannten Gründe, die eine Ausweisung unzulässig machen würden, nicht vorliegen.
4.3. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Im Sinne der zitierten Normen hat die belangte Behörde eine Interessensabwägung basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung vorgenommen, der auch die Bw nicht widersprochen hat.
Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und eine Ausweisung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.
Der Aufenthalt der Bw in Österreich bis zum 3. April 2012 war von zahlreichen Unterbrechungen geprägt und ist (soweit dies dem Vorlageakt entnommen werden kann) großteils als rechtmäßig zu beurteilen.
Ein relevantes Familien- bzw. Privatleben hat sich während der Anwesenheitszeiten im Bundesgebiet nicht entwickelt und wurde auch von der Bw nicht behauptet. Dies trifft auch auf die soziale und berufliche Integration zu, wobei letztere kaum zum Tragen kommt, da das einzige Dienstverhältnis nur wenige Monate gedauert hat. Auch wurde keine entsprechende Beteiligung am gesellschaftlichen Leben (Vereinszugehörigkeit oä) vorgebracht. Gegen die soziale Integration des Bw sprechen hingegen insbesondere die von ihr begangenen strafbaren Handlungen. Bei einer Gesamtbetrachtung gelangt man daher zum Ergebnis, dass eine tiefgehende Integration der Bw ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht gegeben war. Festzustellen ist weiters, dass die Bw den überwiegenden Teil ihres Lebens in Polen verbracht hat. Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht gegeben.
Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens der Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.
4.4. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen ist festzustellen, dass die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.
4.5. Auf eine Übersetzung des Spruchs bzw. der Rechtsmittelbelehrung konnte in Hinblick auf § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG verzichtet werden, da die Bw offenkundig der deutschen Sprache mächtig ist.
5. Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs.2 leg. cit., soweit es die Verfahrensvorschriften nicht anders vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung (siehe diesbezüglich § 23 ZustG) ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Dass die Bw im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung in Kenntnis des fremdenpolizeilichen Verfahrens war, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Entgegen dem § 8 Abs. 1 ZustG hatte es die Bw, welche am 3. April 2012 nach unbekannt verzogen ist, jedoch unterlassen, dem Oö. Verwaltungssenat oder der belangten Behörde eine neue Abgabestelle zu nennen. Eine solche konnte auch nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden, zumal die Abfrage des Zentralen Melderegisters vom 30. Mai 2012 ergab, dass die Bw seit 3. April 2012 über keinen Wohnsitz in Österreich verfügt.
Der gegenständliche Bescheid wird daher gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG (Hinterlegung ohne Zustellversuch) ohne vorherigen Zustellversuch im gegenständlichen Akt des Oö. Verwaltungssenats hinterlegt und für den Bw zur Abholung bereitgehalten.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Mag. Christian Stierschneider