Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730496/12/Sr/ER/Jo

Linz, 16.04.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, StA der Dominikanischen Republik, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 24. September 2010, AZ.: 1009158/FRB, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbots gegen die Berufungswerberin nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und

§ 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 24. September 2010, AZ.: 1009158/FRB, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm § 66 und § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Anführung der relevanten Rechtsgrundlagen zunächst zum Sachverhalt folgende rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen der Bw an:

 

"1.) Landesgericht Linz vom 27.07.2007 (rk: 27.07.2007), Zahl: 34 Hv 100/2007w, we­gen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146 und 148 1. Fall StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241 e Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahles nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 und 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren;

 

2.) Landesgericht Linz vom 08.07.2010 (rk: 26.07.2010), Zahl: 26 Hv 38/201 Oy, we­gen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Faii SMG als Beitragstäte-rin nach § 12 3. Alternative StGB, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall sowie Abs. 2 SMG sowie des Vergehens des unerlaub­ten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 7. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

 

Diesen Verurteilungen liegt zugrunde, dass Sie:

 

Ad 1.) I.) gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannten Verfügungsberechtigten durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet haben, die diese oder einen anderen um einen Betrag von insgesamt € 2.820,- am Vermögen schädigten, und zwar:

1.) in Linz

a) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Mai 2007 X durch Vorgabe der Vermittlung eines Flugtickets München - Puerto-Plata zur Leistung einer Anzahlung von € 200,-;

b) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Mai 2007 X durch Vor­gabe der Vermittlung eines Flugtickets München - Puerto-Plata zur Übergabe einer Anzah­lung von € 280,-;

c) am 25.05.2007 X und X durch Vorgabe der Vermittlung von 9 Flugtickets München - Puerto-Plata zur Übergabe einer Anzahlung von € 1.500,-;

d) im Zeitraum von 09. bis 10.06.2007 x durch Vorgabe Ihrer Zahlungs­fähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Ausfolgung von insgesamt 6 Stück Telefonwertkarten {5 Stück ä € 11,- und 1 Stück ä € 5,-) im Gesamtwert von € 60,-;

2.) in Salzburg X

a) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Anfang Mai 2007 durch Vorgabe der Vermittlung eines Flugtickets von München nach Puerto-Plata zur Ausfolgung von € 340,-Anzahiung;

b) am 11.05.2007 durch Vorgabe Ihrer Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswil­ligkeit zur Ausfolgung von € 500,- mit der Vereinbarung der Darlehensrückzahlung binnen einer Woche

II.) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im März 2007 ein fremdes unbares Zahlungsmittel, über das Sie nicht verfügten dürfen, nämlich die VISA-Kreditkarte des X durch Wegnahme mit dem Vorsatz sich verschafft haben, dass Sie oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werden;

III.) gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt € 3.000,- über­steigenden Wert dem X mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.) im Zeitraum von 03.03. bis zum 13.04.2007 Bargeld in der Höhe von insgesamt € 7.670,-, indem Sie die zu II.) entfremdete Kreditkarte des X dazu verwendeten, in ins­gesamt 40 Angriffen Bargeldbeträge zwischen € 20,- und € 400,- von Bankomaten in Linz zu beheben, und zwar:

a) vom Bankomat der Bank Austria Creditanstalt X in 3 Behebungen insgesamt €650,-;

b) vom Bankomat der Oberbank X € 300,-;

c) vom Bankomat der Hypo-Bank X in 14 Behebungen insgesamt € 2.100,-;

d) vom Bankomat der Sparkasse Xin 7 Behebungen insgesamt € 1.220,-;

e) vom Bankomat der Sparda-Bank Xin 3 Behebungen insgesamt €550,-;

f) vom Bankomat der Raiffeisenlandesbank X € 200,-;

g) vom Bankomat der Volksbank X in 8 Behebungen insgesamt € 1.600,-;

h) vom Bankomat der Volksbank X € 250,-;

i) vom Bankomat der Raiffeisenlandesbank X € 400,-; j) vom Bankomat der Raiffeisenlandesbank X € 400,-;

 

Ad 2.) in Linz und andernorts

A)l) dazu beitrugen (§ 12 3. Alternative StGB), dass vorschriftswidrig Suchtgift in ei­ner die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen Personen überlassen wird, und zwar zum Verkauf von Kokain in einer unbekannten, jedoch die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge im Zeitraum vom 27.01.2008 bis 06.02.2008, indem Sie im Auftrag des abgesondert verfolgten X alias X (Spitzname: „X") wiederholt aus Suchtgiftverkäufen stam­mende Bargeldbeträge von zumindest € 9.541,88 in Ihrem Namen via x in die Niederlande, die Dominikanische Republik, Kolumbien, Frankreich und Italien transferierten und Sie wussten, dass es sich bei dem Geld um Erlöse aus den von X (X) getätigten Suchtgiftverkäufen handelte;

A)ll) im Zeitraum von 01.10.2008 bis 06.11.2008 zum Verkauf in einer die Grenz­menge übersteigenden, insgesamt unbekannten Menge von Kokain durch die abgesondert verfolgten (teils rechtskräftig verurteilten) X (Spitzname: „X"), X und X (Spitzname: „X") beitrugen, indem Sie wiederholt aus Suchgiftverkäufen stammende Bargeldbeträge in Ihrem Namen über Auftrag von X via x ins Ausland transferierten und Sie wussten, dass es sich um Erlöse aus den von X bzw. X getätigten Suchtgiftgeschäften handelte, wobei Sie von X pro Über­weisung einen Betrag von € 100,- als Entlohnung erhielten, und zwar am 01.10.2008 € 2.462,50, am 06.10.2008 € 2.746,-, am 03.11.2008 € 2.262,50 und am 06.11.2008 € 2.202,50;

B)l) im Zeitraum von 1992 bis 09.07.2007 und von 18.07.2007 bis zumindest Dezem­ber 2009 / Jänner 2010 vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen haben, wobei Sie die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begingen, und zwar geringe Men­gen Kokain - maximal 1 Gramm Kokain pro Monat - von verschiedenen Personen, unter anderem von X (X), X (Spitzname: „X") zum Eigenkonsum;

B)ll) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2007 (ausgenommen jenen Zeitraum, indem Sie sich in Haft befanden (10.07.2007 bis 27.07.2007)) in Linz im Lokal „X" bei zwei Angriffen eine insgesamt unbekannte Menge an Kokain besessen und dieses an die abgesondert verfolgte X unentgeltlich zum Eigenkonsum überlassen haben;

C) im Dezember 2009 vorschriftswidrig Suchtgift anderen Personen zum Kauf ange­boten haben, und zwar dem abgesondert verfolgten X, dem Sie Kokain zum Grammpreis von € 30,- anboten."

 

Die belangte Behörde erhebt, um Wiederholungen zu vermeiden, die schriftlichen Urteilsausfertigungen zum integrierenden Bestandteil des bekämpften Bescheids.

 

Weiters gibt die belangte Behörde an, dass gegen die Bw einige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen aufscheinen.

 

Mit Schreiben vom 7. September 2010 sei der Bw mitgeteilt worden, dass aufgrund der oa. Verurteilungen beabsichtigt sei, gegen sie ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gleichzeitig sei ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

 

In ihrer Stellungnahme habe die Bw im Wesentlichen angegeben, am 10. Juli 1992 nach Linz gekommen zu sein, seither halte sie sich durchgehend in Österreich auf und hätte einen bis 2015 gültigen Aufenthaltstitel.

In der Dominikanischen Republik hätte sie den Beruf der Friseurin erlernt, ihre gesamte Familie würde dort leben. Die Bw hätte Visa für ihre beiden Töchter für deren Einreise nach Österreich beantragt.

Die Bw hätte zuletzt Arbeitslosengeld bezogen, von dem sie ihre Töchter im Herkunftsland unterstützt hätte. Vor der Arbeitslosigkeit hätte sie als Zimmermädchen und Reinigungskraft gearbeitet, in Österreich könne sie mehr verdienen als in ihrem Herkunftsland.

In Österreich hätte die Bw einen großen Freundeskreis, zu dem auch Österreicher zählen würden. Auch ihr Ex-Freund, mit dem sie eine fünfjährige Beziehung geführt hätte, sei Österreicher.

Die Bw verstünde gut deutsch, lediglich bei der Grammatik hätte sie Probleme. Sie wollte in Österreich bleiben, da sie hier bereits seit 18 Jahren aufhältig wäre und sich beheimatet fühle. Außerdem wären ihr ihre Freunde in Österreich sehr wichtig und sie würde nach ihrer Entlassung aus der Justizanstalt wieder zu arbeiten beginnen.

 

Nach Wiedergabe der relevanten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen aus, dass die Bw bereits zwei Mal einschlägig rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei - zuletzt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

 

Dadurch sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) zweifellos als erfüllt anzusehen.

 

Das Fehlverhalten der Bw, insbesondere auch ihre Beteiligung am Suchtgifthandel sei schwer zu gewichten und lasse die Art und Schwere der von ihr gesetzten Verbrechen ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zweifellos als eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen.

 

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folgend sei im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (auch in Form der Beitragstäterschaft) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten völliger sozialer Integration dringend geboten, da das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wöge als das private Interesse des Fremden.  

 

Nach weiteren Erwägungen zur Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass das geschilderte kriminelle Verhalten der Bw eine erhebliche Gefahr darstelle, die wesentlichen Grundinteressen der Gesellschaft berühre, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung von Suchtgiftdelikten und der Kriminalität. Neben strafrechtlichen Sanktionen seien daher auch alle anderen gesetzlichen Möglichkeiten – nämlich die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots – auszuschöpfen, um derartigen Verbrechen entgegen zu wirken.

 

Zur möglichen Unzulässigkeit des gegenständlichen Aufenthaltsverbots führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund der zuletzt ergangenen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten feststehe, dass ein weiterer Aufenthalt der Bw eine schwere Gefahr im Sinne des § 56 Abs. 2 Z. 1 und 2 FPG (in der damals geltenden Fassung) darstellen würde und dass somit auch in weiterer Folge die Bestimmungen des § 61 Z. 2 und 3 FPG (in der damals geltenden Fassung) der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots nicht entgegenstünden.

 

Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahme und des Eingriffs in das gemäß Art. 8 EMRK gewährleistete Grundrecht auf den Schutz des Privat- und Familienlebens führt die belangte Behörde aus, dass das Aufenthaltsverbot aufgrund der langen Aufenthaltsdauer der Bw und ihres in Österreich aufgebauten Freundeskreises mit einem nicht unerheblichen Eingriff in das Privatleben der Bw verbunden sein möge. Ein Eingriff in das Familienleben der Bw liege aber nicht vor, da sich die Töchter der Bw nach ihren eigenen Angaben in der Dominikanischen Republik aufhalten würden. In Österreich habe die Bw keine familiären Bindungen behauptet.

 

Der Eingriff in das Privatleben relativiere sich dahingehend, dass eine berufliche Integration nicht gegeben sei, da die Bw nur kurzzeitig versicherungspflichtig erwerbstätig gewesen sei. Aufgrund ihres Gesamtfehlverhaltens könne nicht von einer gelungenen sozialen Integration ausgegangen werden, auch ihren Freunden sei nicht gelungen, die Bw von strafbaren Handlungen abzuhalten.

 

Die Bw sei erst im Alter von etwa 23 Jahren nach Österreich gekommen und habe in ihrem Heimatland eine Lehre absolviert. Auch ihre Töchter würden sich weiterhin in der Dominikanischen Republik aufhalten, weshalb die belangte Behörde davon ausgehe, dass der Bw nach wie vor eine Nahebeziehung zu ihrem Heimatland zuzusprechen und eine Reintegration zumutbar und möglich sei.

 

Zusammenfassend sei anzunehmen, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Bw. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinne des Art. 8 abs. 2 EMRK erforderlich.

Die belangte Behörde schließt mit Erwägungen zur Dauer des Aufenthaltsverbots.  

 

2. Gegen diesen Bescheid, der der Bw am 28. September 2010 zugestellt wurde, erhob sie am 4. Oktober 2010 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Darin gibt sie im Wesentlichen an, die meiste Zeit ihres Aufenthalts selbstständig und unselbstständig beschäftigt gewesen zu sein und immer Steuern gezahlt zu haben. Auch entspreche es nicht den Tatsachen, dass sie seit 1992 Suchtgift erworben habe, für die Taten, die sie begangen habe, sei sie geständig gewesen.

Die Bw gibt an, keine kriminellen Handlungen mehr zu setzen und nach ihrer Entlassung wieder als Reinigungskraft tätig sein zu wollen.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

3.1. Mit Bescheid vom 30. März 2011, E1/25013/2010, hat der Sicherheitsdirektor von Oberösterreich der Berufung keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 iVm. § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 63 und 66 FPG (in der damals geltenden Fassung) bestätigt.

 

3.2. Mit Bescheid vom 30. August 2011, GZ-BMI-1039252/0004-II/3/2011, hat die Bundesministerin für Inneres den Bescheid des Sicherheitsdirektors von Oberösterreich vom 30. März 2011 von Amts wegen für nichtig erklärt und sich bei der Entscheidung auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG gestützt.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0097-5, nunmehr offenkundig sei, dass der Sicherheitsdirektor für Oberösterreich für die Erlassung des vorliegenden Bescheides sachlich unzuständig gewesen sei und der Bw daher in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden wäre.

 

Bedingt durch die Nichtigerklärung des Berufungsbescheides sei das Berufungsverfahren wieder offen und der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich für das fortgesetzte Verfahren zuständig.

 

 

4. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 9. September 2011 zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

4.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67 d Abs. 1 Z. 1 AVG).

 

4.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Ferner steht aufgrund eines entsprechenden Eintrags in das Elektronische Polizeiliche Informationssystem fest, dass der Bw mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Urfahr-Umgebung vom 30. März 2005, Zl. Sich40-6240, ein unbefristeter Niederlassungsnachweis erteilt worden ist.

Dieser wurde – nach Abweisung der Berufung gegen das Aufenthaltsverbot durch den Sicherheitsdirektor für Oberösterreich vom 30. März 2011 – am 11. April 2011 widerrufen.

 

Aus dem Zentralen Melderegister geht hervor, dass die Bw derzeit nicht im Bundesgebiet gemeldet ist.

 

4.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

5. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1.1. Gemäß § 125 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer.

 

5.1.2. Im vorliegenden Fall wurde das Aufenthaltsverbot auf Basis des § 60 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. 38/2011) erlassen, weshalb dieses Aufenthaltsverbot im Sinne des § 63 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist. 

 

5.2.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.         die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.         anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen           zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

5.2.2. Gemäß § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

5.2.3. Gemäß § 10 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG, idF. BGBl I, Nr. 2011/30, werden Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig wird. Solche Fremde verlieren ihr Recht auf Aufenthalt. Ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb ihrer ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung im Rechtsweg nachträglich behoben wird.

 

Wie unter 4.3. festgestellt, wurde – nach Abweisung der Berufung gegen das Aufenthaltsverbot durch den Sicherheitsdirektor für Oberösterreich vom 30. März 2011 – am 11. April 2011 der unbefristete Niederlassungsnachweis der Bw widerrufen.

 

Mit Bescheid vom 30. August 2011, GZ-BMI-1039252/0004-II/3/2011, hat die Bundesministerin für Inneres den Bescheid des Sicherheitsdirektors von Oberösterreich vom 30. März 2011 von Amts wegen für nichtig erklärt und sich bei der Entscheidung auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG gestützt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1. NAG lebt somit von Gesetzes wegen der unbefristete Niederlassungsnachweis der Bw durch die nachträgliche Nichtigerklärung des Aufenthaltsverbots durch die Bundesministerin für Inneres wieder auf.

 

Aus diesem Grund sind im vorliegenden Fall die Bestimmungen über Aufenthaltsverbote für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel anzuwenden.

 

5.3. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen Drittstaatsangehörige, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden.

 

Aufgrund des aktuellen Auszugs aus dem Zentralen Melderegister steht fest, dass sich die Bw zum Entscheidungszeitpunkt nicht im Bundesgebiet aufhält.

 

Anders als § 52 Abs. 1 letzter Satz FPG, wonach im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden ist, wenn sich der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, fehlt in § 63 FPG eine derartige Regelung.

 

Die Rechtsmittelbehörde hat bei ihrer Entscheidung auf die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Sachlage und auch auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage abzustellen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts, 6. Auflage, Kommentar, S. 915, RN 158c).

Da sich die Bw zum Entscheidungszeitpunkt nicht im Bundesgebiet aufhält, gemäß § 63 Abs. 1 FPG ihr Aufenthalt aber zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung für die Beurteilung der in § 63 Abs. 1 Z. 1 und 2 geregelten Tatbestandsmerkmale erforderlich ist, kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht auf § 63 FPG gestützt und kein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 FPG erlassen werden. Der Berufung war stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

 

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