Linz, 08.06.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, deutscher Staatsangehöriger, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 21. Juli 2011, AZ.: 1-1032408/FP/11, mit dem über den Berufungswerber ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich nach dem Fremdenpolizeigesetz verhängt wurde, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das gegen den Berufungswerber auf zehn Jahre befristet erlassene Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf eine Befristung von fünf Jahren herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Dem Berufungswerber wird von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
§ 70 Abs. 3 FPG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 21. Juli 2011, AZ.: 1-1032408/FP/11, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG idgF. ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub erteilt.
Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:
2. Gegen diesen dem Rechtsvertreter des Bw am 25. Juli 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig vom Rechtsvertreter per Post am 8. August 2011 eingebrachte, Berufung.
Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt wird nicht in Frage gestellt und der Rechtsvertreter macht ausschließlich unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.
Begründend führt der Rechtsvertreter aus, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde beim Bw keine "große Wiederholungsgefahr" vorliege. Zutreffend sei ausgeführt worden, dass die Behörde eine eigenständige Zukunftsprognose zu erstellen habe. Zu bedenken sei aber, dass sich die belangte Behörde an die Bewertung des Gerichtes zu halten habe, bzw. die Zukunftsprognose des Gerichts auch als Maßstab heranzuziehen sei.
Aufgrund der positiven Zukunftsprognose sei der Bw nur zu einer äußerst geringfügigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bis zum gegenständlichen Vorfall sei der Bw unbescholten gewesen und habe niemals Drogendelikte begangen. Lediglich von den Bekannten (Frau X und Herrn X) habe sich der Bw zu einem straffälligen Verhalten verleiten lassen. Seit seiner Verurteilung habe der Bw keinen Kontakt mehr zu diesen Bekannten. Aus diesem Grund liege "überhaupt keine" Wiederholungsgefahr mehr vor. Diesen Umstand hätte die belangte Behörde werten müssen. Richtig sei, dass von der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit ausgehe. Die Gefährlichkeit bestehe nur dann, wenn Wiederholungsgefahr bestehe. Beim Bw bestehe diese nicht, er werde auch keine Drogendelikte mehr setzen und sich auch künftig davor hüten. Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, eine medizinische Begutachtung des Bw vorzunehmen, aus welcher sich ergeben hätte, dass der Bw seit seiner Inhaftierung absolut keine Drogen mehr zu sich genommen hat. In diesem Sinn sei eine medizinische Befundung zum Beweis dafür, dass der Bw seit dem Strafverfahren keine Drogen mehr zu sich genommen hat und auch künftig keine mehr zu sich nehmen werde, zu veranlassen.
Abschließend wurde die ersatzlose Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beantragt. Ergänzend wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 16. August 2011 dem Unabhängigen Verwaltungssenat vor.
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem, das Zentrale Melderegister und den Versicherungsdatenauszug.
3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, dieser nicht bestritten wurde, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifende Klärung der Sache nicht erwarten lässt.
3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.
Ferner stellt der Unabhängige Verwaltungssenat aufgrund der ZMR-Anfrage fest, dass der Bw seit 29. Dezember 2011 in X, als "obdachlos" gemeldet ist.
Laut Versicherungsdatenauszug vom 31. Mai 2012 war der Bw in Österreich wie folgt beschäftigt:
19.09.2007 bis 27.02.2009 Arbeiter
X
01.10.2007 bis 31.12.2007 vorläufige Schwerarbeit gem. §1 Abs.1 Z4
28.02.2009 bis 31.07.2009 Krankengeldbezug
X
06.08.2009 bis 19.08.2009 Arbeitslosengeldbezug
20.08.2009 bis 28.08.2009 Krankengeldbezug, Sonderfall
29.08.2009 bis 01.01.2010 Arbeitslosengeldbezug 02
01.09.2009 bis 18.01.2011 geringfügig beschäftigter Arbeiter
X
04.09.2010 bis 18.01.2011 Selbstvers. § 19a ASVG Arbeiter
X
13.04.2011 bis 17.07.2011 Selbstversicherung § 16 ASVG - Wartezeit X
18.07.2011 bis 07.09.2011 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
08.09.2011 bis 17.10.2011 Krankengeldbezug, Sonderfall
07.11.2011 bis 17.02.2012 Arbeiter
X
07.11.2011 bis 31.12.2011 Vorläufige Schwerarbeit gem. §1 Abs.1 Z4
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:
4.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
4.1.2. Bei dem Bw handelt es sich um einen deutschen Staatsangehörigen, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er sich in Österreich niederließ, also um eine Person des in § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises.
4.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden und das Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt.
Nachdem der Bw seit Oktober 2009 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1, 2. Satz FPG zum Tragen.
Hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Das FPG legt, bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer, ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So verlangt § 67 Abs 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") im Verhältnis zu § 64 Abs 4 FPG ein höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem nach dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG ("nachhaltige und maßgelbliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") noch weiter steigert (vgl. VwGH vom 20. November 2008, 2008/21/0603; E vom 3. April 2009, 2008/22/0913).
Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.
Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloß sonstiges öffentliches Interesse sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft, dass darin gelegen ist, strafbare Handlungen gegen das SMG zu verhindern.
Die mehrfach qualifizierten Straftaten des Bw wurden in dem unter Punkt 1. wiedergegebenen Urteil als Verbrechen und Vergehen eingestuft.
Im Sinne der wiedergegeben Judikatur (VwGH, EGMR, EuGH) ist nicht primär maßgeblich, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Im konkreten Einzelfall ist zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Besonders aussagekräftig sind u.a. die einzelnen Strafzumessungs-begründungen. Diese lassen eindeutige Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Bw zu.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß ist und der eine große Sozialschädlichkeit innewohnt (vgl. VwGH vom 4.10.2006, 2006/18/0306; VwGH vom 27.6.2006, 206/18/0092).
4.2.2. Aus dem Vorlageakt und der Berufung lassen sich Rückschlüsse auf den verwerflichen Charakter des Bw ziehen. Die Beurteilung und die Gefährlichkeitsprognose der belangten Behörde konnte der Bw durch sein Vorbringen nicht entkräften.
Die strafbaren Handlungen des Bw zeigen deutlich seine kriminelle Energie auf und aus seinem Verhalten ist zu ersehen, dass die Einhaltung von Rechtsvorschriften für ihn keinen hohen Stellenwert einnimmt, da er über einen langen Zeitraum schwere Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz (Verbrechen und Vergehen) begangen hat.
Der Tatzeitraum erstreckte sich dabei von Sommer 2009 bis Dezember 2010. Bemerkenswert ist, dass die kriminelle Laufbahn zu dem Zeitpunkt begann, als er nach Österreich übersiedelte und keine Vollzeitbeschäftigung mehr ausgeübt hat. In der Zeit Februar 2009 bis Jänner 2010 bezog der Bw abwechselnd Kranken- und Arbeitslosengeld und war von September 2009 bis Jänner 2011 geringfügig beschäftigt. Da der Bw vermutlich seinen angepeilten Lebensstandard nicht halten konnte, sah er sich, wie von ihm selbst ausgeführt, um einen „netten Zuverdienst" (Gewinn aus dem Drogenverkauf) um. Anders als im Berufungsschriftsatz dargestellt, ging die Initiative zum Drogenhandel nicht von den Bekannten sondern vom Bw aus.
Bezugnehmend auf die Verurteilung ist festzuhalten, dass dem Bw zwar seine vorherige Unbescholtenheit, sein Geständnis und die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes mildernd angerechnet wurde, wesentlich zu Buche schlägt sich aber, dass das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen als Erschwerungsgrund gewertet worden ist.
Die Tathandlungen und die nachfolgende Verantwortung lassen eindeutige Rückschlüsse auf seinen besonders verwerflichen Charakter zu und zeigen über einen langen Zeitraum (Sommer 2009 und bis Dezember 2010) auf, dass der Bw nicht geneigt ist, die Rechtsordnung seines Gastlandes zu respektieren. Die kriminelle Motivation bestand nicht bloß punktuell und kurzfristig. Auch wenn der Bw in der Berufungsschrift seine Verbrechen und Vergehen abzuschwächen sucht, indem er sein strafrechtlich relevantes Verhalten auf die Mittäter (Bekannte) überwälzen möchte, darf nicht übersehen werden, dass er einen Großteil des Verbrechen als Initiator und Organisator begangen hat.
Mit dem teilweise allgemein gehaltenen Vorbringen ist es dem Bw aber nicht gelungen, darzulegen, dass das beschriebene Gefährdungspotential gegenwärtig und auch zukünftig von ihm nicht mehr ausgehen werde.
Ein geradezu klassisches Beispiel für eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr bildet fraglos der Suchtgifthandel. Dies hat nicht nur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof festgestellt. "Die Suchtgiftdelinquenz stellt – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes Interesse Angesichts dessen ist es nicht rechtswidrig in diesen Fällen die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1" (nunmehr § 67 Abs. 1) "FPG anzusehen" (VwGH vom 12. Oktober 2010, 2010/21/0335).
Dies gilt wohl nicht so sehr für den Drogen-Eigenkonsum, sondern insbesondere für den Handel mit Suchtgiften.
Es muss auch weiterhin von einem erheblichen Gefährdungspotential für die Sicherheit der Republik Österreich ausgegangen werden, weshalb die Tatbestände des § 67 Abs. 1 FPG als gegeben anzunehmen sind.
Auch wenn der Bw seit der letzten Tatbegehung wegen keiner einschlägigen Tat zur Anzeige gelangte, lässt das Persönlichkeitsbild des Bw aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens und seines persönlichen Umfeldes keinesfalls den Schluss zu, dass er nunmehr als geläutert anzusehen ist.
Im in Rede stehenden Fall ist darüber hinaus besonders auf das Privat- und Familienleben des Bw im Sinne einer Interessensabwägung Bedacht zu nehmen.
4.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
4.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
4.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.
4.4.2. Zur Aufenthaltsdauer des Bw im Bundesgebiet ist zunächst festzuhalten, dass dieser seit Sommer 2009 im Österreich niedergelassen ist. Zuvor hat sich der Bw ca. zwei Jahre berufsbedingt in Österreich aufgehalten, jedoch keinen Wohnsitz begründet. Der Aufenthalt des Bw ist durchgehend rechtmäßig.
4.4.3. Weiters hat das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens in die Beurteilung einzufließen.
Der Bw hat in Österreich kein Familienleben geführt und ein solches auch nicht behauptet.
Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt darüber hinaus die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar.
Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine "Ausweisung" gemäß § 66 Abs. 1 FPG – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).
Im konkreten Fall nimmt der Bw seit knapp drei Jahren in der Republik Österreich sein Niederlassungsrecht war. In diesem Zeitraum war der Bw nur teilweise und dabei nur geringfügig beschäftigt. Über einen ansehnlichen Zeitraum bedurfte der Bw des Kranken und Arbeitslosengeldes. Zuletzt war der Bw ca. drei Monate als Arbeiter beschäftigt. Seit Februar 2012 verfügt der als obdachlos gemeldete Bw weder über ein bestehendes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis noch über eine umfassende Krankenversicherung.
Merkmale für eine weitere soziale Integration des Bw in Österreich sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Er vermag auch keine entsprechende Beteiligung am gesellschaftlichen Leben (Vereinszugehörigkeit oä) nachzuweisen. Gegen die soziale Integration des Bw sprechen hingegen insbesondere die von ihm begangenen strafbaren Handlungen, bei welchen der Bw im erhofften künftigen Heimatstaat zumindest Suchtmittel missbrauchte und wiederholt Suchtgifte verkaufte bzw. am Handel nicht unwesentlich beteiligt war.
Bei einer Gesamtbetrachtung gelangt man daher zum Ergebnis, dass eine tiefgehende Integration des Bw ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht gegeben ist.
Festzustellen ist weiters, dass der heute 54-jährige Bw fast den gesamten Teil seines Lebens in Deutschland verbracht hat.
Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht gegeben. Ein Verstoß des Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren nicht hervor.
Im Hinblick auf das strafrechtlich relevante Verhalten ist festzuhalten, dass im Allgemeinen die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß ist (siehe statt vieler VwGH 29.9.1994, 94/18/0370). Dass eine solche im vorliegenden Fall nicht gegeben sein soll, hat der Bw nicht glaubhaft vorgebracht.
Zumindest bei dem vom Bw zuletzt verübten Verbrechen handelt es sich unzweifelhaft nicht um einen Fall von "Kleinkriminalität". Es zeugt fraglos von großer krimineller Energie und längerfristigem, eine Unbesonnenheit völlig ausschließendem Engagement, entsprechende Kontakte anzubahnen, derartige wie die durchgeführten Verbrechen zu planen und diese dann auch auszuführen.
Das öffentliche Interesse an der Unterbindung des Suchtgifthandels ist besonders hoch anzusiedeln. Im Fall der Suchtgiftkriminalität ging es nicht "bloß" um den Eigenbedarf.
Zwar ist dem Bw ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen. Die schwach ausgeprägte soziale Integration ist dadurch zu relativieren, als seit der rechtskräftigen Verurteilung die Ausübung einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit zeitlich beschränkt und teilweise nur geringfügig bestanden hat. Verstärkt wird dieser Ansatz auch dadurch, dass der Bw über keinen festen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt und lediglich als "obdachlos" gemeldet ist.
Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten des Bw ist jedoch vor allem, dass er durch die von ihm mit beachtlicher krimineller Energie verwirklichten strafrechtlichen Delikte unter Beweis gestellt hat, von einer Integration in die Rechts- und Gesellschaftsordnung des Gastlandes weit entfernt zu sein. Darüber hinaus scheint eine Reintegration im Heimatland des Bw, in welchem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, keineswegs unzumutbar.
Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.
Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt man zu den eben dargestellten Überlegungen, wodurch grundsätzlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw gerechtfertigt ist.
Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.
4.5.1. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist auf § 67 Abs. 2 FPG zu verweisen.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden.
Im angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde – gestützt auf die vorgehende Rechtslage – ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.
4.5.2. In Anbetracht des Gefährdungspotentials und der Verwerflichkeit des Tuns des Bw muss die Republik Österreich vor weiteren kriminellen Aktivitäten des Bw geschützt werden. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde wird die Verhängung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes als ausreichend angesehen. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass vor diesem Zeitpunkt eine positive Zukunftsprognose erstellt werden könnte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4.6. Im Hinblick auf die Nichterteilung des Durchsetzungsaufschubes war der Berufung stattzugeben und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen. Abgesehen davon, dass sich die belangte Behörde nur allgemein gehalten auf § 70 Abs. 3 FPG gestützt hat, sah sie es nicht für erforderlich an, einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung gemäß § 68 Abs. 3 FPG abzuerkennen. Da der vorliegende Fall somit die Ausnahme des § 70 Abs. 3 FPG nicht erfüllt, war der gesetzlich vorgesehene Durchsetzungsaufschub zu gewähren.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.
Mag. Stierschneider