Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730335/4/Sr/ER/Jo

Linz, 17.04.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. am X, StA von Kroatien, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 29. April 2011, AZ.: 1026808/FRB, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

§ 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG

 

 

Entscheidungsgründe

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 29. April 2011, AZ.: 1026808/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm. §§ 66 und 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt im Wesentlichen aus, dass der Bw wie folgt während seines Aufenthalts in Österreich rechtskräftig verurteilt worden sei:

"Sie wurden während Ihres Aufenthaltes in Österreich wie folgt rechtskräftig gerichtlich verurteilt:

-          Landesgericht Linz vom 29.09.2005 (29.09.2005), Zahl: 33 Hv 103/2005a, wegen des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1, 2 und 4 (3. Fall) StGB sowie des Verbrechens des Diebstahles durch Einbruch nach §§ 127 und 129 Z. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren - Jugendstraftat;

-           

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass Sie

I.) am 17.02.2005 dadurch, dass Sie den strafunmündigen X und die abgesondert verfolgten X sowie X begleiteten, während diese die Ju­gendlichen X, X und X durch Andrhung von Schlägen einschüchterten und dadurch erreichten, dass sie zum Volksgarten-Park mitkamen und nach neuerlicher Androhung von Schlägen und Versetzen von „Kopfnüssen" Handy und Bargeld von insgesamt € 70,- herausgeben mussten, Sie zudem dabei tatenlos zusahen, es somit mit dem Vorsatz unterlassen haben; dass vorsätzlich mit Strafe bedrohte Handlungen, nämlich das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und das Verge­hen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB begangen werden, indem Sie ihre Ausführung zu verhindern unterließen;

 

II.) am 17.02.2005 dadurch, dass Sie vom strafunmündigen X und den abgesondert verfolgten X sowie X von den unter Punkt I.) erbeuteten € 70,- einen Bargeldbetrag von € 10,- an sich nahmen, somit eine Sache, die andere durch eine mit einer 5 Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt haben, an sich gebracht haben, wobei Sie die Umstände, die diese Strafdrohung begründen, kannten;

 

III.) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt mit dem abgesondert verfolgten X und dem strafunmündigen X in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken bislang unbekannten Geschädigten ca. € 7,- Bargeld durch Aufbrechen von Zeitungskassen, somit fremde bewegliche Sachen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

 

- Landesgericht Linz vom 24.10.2006 (rk: 24.10.2006), Zahl: 25 Hv 99/2006f, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je € 2,- (€ 480,-), im Nichteinbringungsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je € 2,- (€ 200,-), im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren - Jugendstraftat;

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass Sie

I.) am 29.05.2006 in Altmünster nachgenannte Personen, teils schwer am Körper verletzt haben, und zwar:

1.) den X, indem Sie ihm einen Schlag gegen den Hinterkopf versetzten, sodass dieser gegen einen Musikautomaten prallte und eine Prellung am Kopf erlitt; 2.) den X, indem Sie ihm zwei Faustschläge ins Gesicht versetzten, wodurch X eine an sich schwere Verletzung in Form eines verschobenen Nasenbeinbruches erlitt;

 

II.) am 06.05.2006 in Linz ein fremdes Handy der Marke „Motorola V3", welches Sie am Urfahraner Markt gefunden hatten, sich mit dem Vorsatz zugeeignet haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem Sie es für sich behielten und später verkauften.

 

-      Bezirksgericht Linz vom 27.01.2009 (rk: 31.01.2009), Zahl: 14 U 131/2008w, wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 2 (1. und 2. Fall) StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je € 2,- (€ 160,-), im Nichteinbringungsfall 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe - junger Erwachsener;

 

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass Sie am 01.01.2008 in Linz an einem Angriff mehrerer tätlich teilgenommen haben, wobei dieser Angriff Körperverletzungen bei X in Form zweier Rissquetschwunden über dem linken Auge und einer Kopfprellung, bei X in Form von Nasenbluten und bei X in Form einer Rissquetschwunde über dem linken Auge, einer Gehirnerschütterung und Brüche des Unterkiefers und des Unterkieferhalses, sohin eine an sich schwere Verletzung, verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung und Berufungsunfähigkeit verursacht haben.

 

-      Landesgericht Linz vom 30.09.2010 (rk: 25.01.2011), Zahl: 33 Hv 8/2009m, wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und 2 (2. Fall) StGB - gem. §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf 14 U 131/08w des Bezirksgerichtes Linz und unter Anwendung des § 36 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 6 Jahren; im Berufungsverfahren wurde die verhängte Freiheitsstrafe vom Oberlandesgericht Linz, Zahl: 8 Bs 422/1 Of, auf 5 Jahre und 7 Monate herabgesetzt.

 

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass Sie am 28.09.2008 in Linz im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit X, X, X und X dem X dadurch, dass Sie ihm eine Vielzahl heftiger Faustschläge gegen den Kopf versetzen bzw. X X zu diesem Zweck von hinten umklammerte, wodurch dieser zu Boden ging und Sie dem wehrlos am Boden Liegenden dann Fußtritte gegen den Oberkörper und wiederum vor allem gegen den Kopf und das Gesicht versetzten, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1), nämlich einen Trümmerbruch des Nasenbeins, Monokelhämatome an beiden Augen, Hämatome, Abschürfungen und kleine Rissquetschwunden am Kopf, Muskelblutungen auf Höhe des 5. Brustwirbelkörpers und an der rechten seitlichen Thoraxpartie etwa in Höhe der 6. Rippe sowie ein Hirnödem, absichtlich zugefügt haben, wobei die Tat den Tod des X zur Folge hatte.

 

- Bezirksgericht Linz vom 21.10.2010, Zahl: 14 U 245/08k, wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 2 (1. Fall) StGB - unter Bedachtnahme auf 14 U 131/08w des Bezirksgerichtes Linz gem. §§ 31 und 40 StGB - zu einer unbedingten Zusatzgeldstrafe von 40 Tagessätzen (im Uneinbringlichkeitsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)

 

Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass Sie. am 27.07.2009 in Linz an einem Angriff mehrerer, der mit leichten Verletzungen zweier Personen (Schädelprellung, Bruch eines Schneidezahns, Nasenprellung, Prellung eines Arms) endete, tätlich teilgenommen haben. Laut Auskunft des Bezirksgerichtes Linz ist dieses Urteil am 25.10.2010 - hinsichtlich Ihrer Person - in Rechtskraft erwachsen. Eine Übermittlung des Urteils ist nicht möglich, da sich das Verfahren - hinsichtlich anderer Personen - im Stande der Berufung befindet.

 

Im Einzelnen wird auf die Ausführungen der schriftlichen Urteilsausfertigungen verwiesen, die an dieser Stelle, um Wiederholungen zu vermeiden, zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben werden."

 

Die belangte Behörde gibt an, dass der Bw die Tathandlung, die zur letztgenannten Verurteilung geführt hat, am 27. Juli 2009 – also nach der Tat, die zur Verurteilung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge geführt hat, gesetzt habe.

 

Ferner scheine gegen den Bw eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung wegen Störung der öffentlichen Ordnung gemäß § 81 Sicherheitspolizeigesetz auf.

 

Bereits nach seiner ersten Verurteilung vom 29. September 2005 sei dem Bw mittels Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz (im Folgenden: BPD Linz) vom 12. Oktober 2005 mitgeteilt worden, dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen werde, wenn er weiterhin gegen die österreichische Rechtsordnung verstoße.

 

Mit Schreiben der BPD Linz vom 15. Februar 2011 sei ihm mitgeteilt worden, dass aufgrund der genannten Verurteilungen beabsichtigt sei, ein Aufenthaltsverbot gegen ihn zu erlassen. Gleichzeitig sei ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

 

In seiner dazu von seinem rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Stellungnahme vom 21. März 2011 habe der Bw angegeben, dass er im Jahre 2002 im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen sei und bis zuletzt einen Aufenthaltstitel gehabt zu haben. Er habe 4 Jahre Volksschule und 2 Jahre Hauptschule in Kroatien, 2 weitere Jahre Hauptschule in Österreich absolviert. Anschließend habe er eine Kochlehre begonnen und drei Lehrjahre hinter sich gebracht. In weiterer Folge sei er als Arbeiter in verschiedenen Unternehmen beschäftigt gewesen. Er plane, im gelockerten Strafvollzug, die Lehrabschlussprüfung abzulegen.

Zu seinem Herkunftsland habe der Bw keine Bindung mehr, lediglich eine Tante würde dort leben, zu der er kaum Kontakt habe. In Österreich würden seine Eltern und Geschwister leben, die alle kroatische Staatsbürger seien.

Der Bw würde ausgezeichnet Deutsch sprechen und hätte einen Hauptschulabschluss vorzuweisen. In Kroatien würde er weder strafrechtlich noch politisch verfolgt. Eine Abschiebung nach Kroatien greife massiv in das Recht des Bw auf Achtung seines Privat- und Familienlebens ein, zumal er in Kroatien keine Lebensgrundlage und keine Wohnung habe. Seine Kernfamilie lebe in Österreich.

 

Nach Angabe der angewendeten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen aus, dass der Bw während der Dauer seines Aufenthalts in Österreich bereits 5 mal rechtskräftig von österreichischen Gerichten verurteilt worden sei. Sämtliche Verhaltensweisen, die diesen Verurteilungen zugrunde lägen, gingen auf den gleichen Charaktermangel, nämlich die Missachtung der körperlichen Integrität, zurück. Auch im Rahmen seiner ersten Verurteilung sei er unter anderem wegen des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung – nämlich der Verhinderung des Verbrechens des Raubes – rechtskräftig verurteilt worden.

 

Sein gesamtes bisheriges Fehlverhalten, insbesondere aber jenes, das der Verurteilung des Landesgerichts Linz vom 30. September 2010 (bzw. des Oberlandesgerichts Linz vom 25. Jänner 2011) zugrunde gelegen sei, lasse den Bw als besonders aggressiven und gewaltbereiten Menschen erscheinen.

Der zuletzt genannten Verurteilung liege zugrunde, dass der Bw am 28. September 2008 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit 4 weiteren Mittätern dem namentlich genannten Opfer dadurch, dass er ihm eine Vielzahl heftiger Faustschläge gegen den Kopf und das Gesicht versetzte, eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt habe, wobei diese Tat den Tod des Opfers zur Folge gehabt habe.

 

Im Rahmen der Strafbemessung des Landesgerichts Linz sei festgestellt und erschwerend gewertet worden, dass der Bw mit äußerster Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber dem völlig wehrlosen Opfer vorgegangen sei. Er sei grundlos mit seinen Mittätern mit den Fäusten auf das Opfer losgegangen, das ihm keine Veranlassung zur Gewaltanwendung gegeben habe. Nachdem das Opfer zu Boden gegangen sei, habe der Bw heftig auf das Opfer eingetreten, sodass dieses infolge der massiven Gewalteinwirkung verstorben sei. Es sei auch festgestellt worden, dass dem Bw gewaltbereites Handeln nicht fremd sei und er sich bereits mehrmals vor Gericht dafür zu verantworten gehabt habe, ihn jedoch die erfolgten Verurteilungen völlig unbeeindruckt gelassen hätten. Neben der besonderen Brutalität bzw. Grausamkeit hätten sich ferner seine einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen erschwerend zu Buche geschlagen. Mildernd sei lediglich sein teilweises Geständnis gewertet worden.

 

Auch das Berufungsgericht, das diesen Strafbemessungskatalog lediglich geringfügig modifiziert habe, habe ausdrücklich auf die auffällige Brutalität der Vorgehensweise des Bw hingewiesen. Die dreimonatige Reduktion des Strafmaßes sei mit der langen Verfahrensdauer des Strafverfahrens begründet worden.

 

Zusammenfassend kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass aufgrund des bisherigen Gesamtfehlverhaltens des Bw sein Verbleib in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit maßgeblich und nachhaltig gefährden würde. Neben den strafrechtlichen Sanktionen müsse auch jede andere gesetzliche Möglichkeit ausgeschöpft werden, um derartigen Verbrechen entgegen zu wirken. Das gegenständliche Aufenthaltsverbot erscheine nach den Bestimmungen des § 60 FPG (in der damals geltenden Fassung) zulässig.

 

Dass der Bw die genannte Straftat bereits zwei Jahre vor Erlassung des Aufenthaltsverbots begangen habe, ändere nichts an der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots, da der seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeitraum viel zu kurz sei, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der vom Bw ausgehenden Gefahr annehmen zu können, zumal in Haft verbrachte Zeiten nicht als solche des Wohlverhaltens angesehen werden könnten.

Weder die ersten gerichtlichen Verurteilungen noch die Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbots vom 12. Oktober 2005 hätten den Bw davon abhalten können, in derart schwerwiegender Form straffällig zu werden.

 

Weder aus dem Akt noch aus Behauptungen des Bw könne eine Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbots geschlossen werden.

 

Abschließend kommt die belangte Behörde im Zuge der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und des gemäß Art. 8 EMRK gewährleisteten Grundrechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens zum Schluss, dass das Aufenthaltsverbot im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK unter besonderer Berücksichtigung des § 66 Abs. 2 und 3 FPG (in der damals geltenden Fassung) erforderlich sei, um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.

 

Begründend führt die belangte Behörde dazu aus, dass sich der Bw – der erstmals am 10. September 2001 nach Österreich eingereist sei, das Bundesgebiet aber am 4. Jänner 2003 aufgrund einer Ausreiseverpflichtung wieder verlassen habe – seit 24. März 2003 durchgehend legal in Österreich aufhalte. Er habe bis zu seiner Festnahme mit seinen Eltern und drei Geschwistern an gemeinsamer Adresse gewohnt.

 

Aufgrund der Dauer seines Aufenthalts, der gemeinsamen Adresse mit seiner Familie, der teilweisen Ausbildung in Österreich und der Berufstätigkeit sei ihm ein erhebliches Maß an Integration zuzubilligen, weshalb davon auszugehen sei, dass das Aufenthaltsverbot mit einem massiven Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw verbunden sei.

 

Dieser Eingriff relativiere sich jedoch, da der Bw nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften bzw. Rechtsgüter anderer zu respektieren.

 

Infolge der Volljährigkeit des Bw sei – trotz des gemeinsamen Haushalts – die Beziehung des Bw zu seinen Eltern und Geschwistern als relativiert anzusehen.  

 

Entgegen seinen Angaben könne dem Akt nicht entnommen werden, dass der Bw in Österreich eine Kernfamilie im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG habe.

 

Außerdem hätten der Bw und seine Angehörigen, der ständigen Judikatur des VwGH folgend, angesichts der gravierenden Straffälligkeit des Bw und seiner damit einhergehenden Gefährlichkeit, die das öffentlichen Interesse am gegenständlichen Aufenthaltsverbot rechtfertige, eine allfällige Trennung in Kauf zu nehmen. Auch hätten seine Angehörigen die Möglichkeit, den Bw im Herkunftsstaat zu besuchen und mit ihm mittels technischer Mittel in Kontakt zu treten. Ferner habe der Bw selbst nicht behauptet, dass die Fortsetzung seines Familienlebens im Herkunftsstaat nicht möglich sei, insbesondere da alle Familienmitglieder die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen.

 

Die belangte Behörde hält eine Reintegration des Bw im Herkunftsstaat für zumutbar, zumal er den Großteil seines bisherigen Lebens und seiner Schulbildung dort verbracht habe; abgesehen davon werde mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen, in welches Lande der Bw auszureisen habe.

 

Aufgrund der o.g. Verurteilungen und des besonderen Aggressionspotenzials des Bw sei das Aufenthaltsverbot unbefristet zu erlassen gewesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 4. Mai 2011 zugestellt wurde, erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertretung am 17. Mai 2011 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Darin stellt der Rechtsvertreter die Anträge, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Aufenthaltsverbotsverfahren einzustellen; in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbots angemessen herabzusetzen.  

 

Im Wesentlichen wird in der Berufung dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt nicht entgegen getreten. Der Bw gibt an, keinerlei Bindungen zu seinem Heimatstaat zu haben, eine Abschiebung würde einen unzulässigen Eingriff in sein Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellen. In Kroatien habe er keine Lebensgrundlage und keine Wohnung, seine Kernfamilie lebe in Österreich.

 

Sein strafrechtliches Fehlverhalten bedaure der Bw zutiefst, er habe aus seinen Fehlern gelernt und ersuche um eine weitere Chance, seinen Willen, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten, unter Beweis zu stellen.

 

Abschließend macht der Bw geltend, dass die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots unverhältnismäßig sei und keine angemessene Sanktion für seine strafrechtliche Verurteilung darstelle.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt zuständigkeitshalber der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem, durch telefonische Auskunft des BG Linz zum Datum der Tathandlung, die zur Verurteilung des Bw vom 21. Oktober 2010 geführt hat und durch telefonische Auskunft beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz bezüglich der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Bw.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifende Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Ferner stellt der Unabhängige Verwaltungssenat aufgrund des FI-Auszugs fest, dass der Bw zuletzt am 25. Juli 2008 einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels gestellt hat. Nach der telefonischen Auskunft beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz steht fest, dass der Bw den Verlängerungsantrag rechtzeitig im Sinne des § 24 NAG gestellt hat und somit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist.

 

Das Datum der Tathandlung, der die Verurteilung vom 21. Oktober 2010 zugrunde liegt, war laut Auskunft des BG Linz der 27. Juli 2008, und lag also entgegen den Angaben im bekämpften Bescheid bereits vor der Tathandlung, die zur Verurteilung zu einer unbedingten Haftstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten führte.

 

Aus dem Urteil des Landesgerichts Linz, 33 Hv 8/09m, geht hervor, dass sich der Bw von 30. September 2008 bis 13. Februar 2009, 8.00 Uhr und von 14. Februar 2009 17.30 Uhr bis 30. September 2009 in Untersuchungshaft befunden hat. Diese Zeiträume wurden auf die mit Urteil vom 30. September 2009 verhängte Strafhaft angerechnet. Derzeit verbüßt der Bw die Haftstrafe.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich  erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall wurde das Aufenthaltsverbot auf Basis des § 60 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. 38/2011) erlassen, weshalb dieses Aufenthaltsverbot im Sinne des § 63 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist. 

 

4.2.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.         die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.         anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen           zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

4.2.2. Gemäß § 53 Abs. 3 Z. 5 FPG ist ein Einreiseverbot unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Z. 6, 7, 8 [...]

 

4.2.3. Gemäß § 24 Abs. 1 NAG sind Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

 

4.2.4. Wie unter 3.3. festgestellt, hat der Bw rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels gestellt. Der Bw ist demnach gemäß § 24 Abs. 1 NAG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, weshalb § 63 FPG anzuwenden ist.

 

4.3. Es ist – im Hinblick auf die oa. Bestimmung - nun zu prüfen, ob Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Bw die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind die bestimmte Tatsachen im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3 FPG.

 

4.3.1. Durch die Verwirklichung der oben angeführten, nicht getilgten Verurteilung zu fünf Jahren und sieben Monaten unbedingter Freiheitsstrafe hat der Bw eine unter § 63 Abs. 3 iVm. § 53 Abs. 3 Z 5 FPG 2005 zu subsumierende Handlung gesetzt. Vor diesem Hintergrund kann das Aufenthaltsverbot auch unbefristet erlassen werden.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

Es zeugt fraglos von nicht unbeträchtlicher krimineller Energie, dass der Bw in einem relativ kurzen Zeitraum von etwa dreieinhalb Jahren fünf Tathandlungen gesetzt hat, die jeweils zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben. Sämtliche Verurteilungen gehen – wie schon die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat – auf Verhaltensweisen zurück, die dem selben Charaktermangel zugrunde liegen. In jedem der angesprochenen Fälle hat der Bw die körperliche Integrität anderer missachtet. Deutlich zu Tage trat auch die massive Steigerung der kriminellen Energie. Insbesondere die der Verurteilung zu fünf Jahren und sieben Monaten unbedingter Haftstrafe zugrunde liegenden Tathandlung der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge zeugt von einer außergewöhnlichen Brutalität und Gewaltbereitschaft des Bw. Diese fand auch einen besonderen Niederschlag in der Strafbemessung durch das Landesgericht Linz (siehe im Urteil 33 Hv 8/09m). Aussagekräftig ist vor allem das rücksichtlose Verhalten des Bw einer Person gegenüber, mit der er vor der Setzung der Tathandlung nicht in Kontakt gestanden ist und die ihm keinen Anlass zur Gewaltanwendung geboten hat.

 

Aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates besteht die kriminelle Motivation nicht bloß punktuell und kurzfristig sondern ist diese über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Bedeutsam sind die hohe Zahl der Tathandlungen, die gestraffte Abfolge, die Gewaltbereitschaft und die zuletzt deutlich besteigerte Brutalität, die zur Verurteilung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung führte.

 

Auch wenn der Bw vorbringt, sein strafrechtliches Verhalten zutiefst zu bedauern, ist ihm aber entgegen zu halten, dass er alleine im Jahr 2008 drei Tatbestände des StGB betreffend Delikte gegen Leib und Leben verwirklicht hat, die zu drei unbedingten Strafen geführt haben. Wie bereits die belangte Behörde zutreffend feststellt hat, kann angesichts der auch gerichtlich festgestellten massiven Brutalität des Bw und der wiederholt zu Tage getretenen kriminellen Energie nicht angenommen werden, dass vom Bw keine Gefahr mehr ausgehe.

 

An dieser Einschätzung tut auch die Tatsache, dass die letzte Straftat bereits mehrere Jahre zurückliegt, keinen Abbruch. Wie unter 3.3. festgestellt, befindet sich der Bw – mit Ausnahme einer Unterbrechung von wenigen Stunden – seit 30. September 2008 ununterbrochen in Haft. In Haft verbrachte Zeiten können nicht als solche des Wohlverhaltens angesehen werden.

 

Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Gewaltkriminalität zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert. Schon allein die Verurteilung des Bw wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung, die den Tod des Opfers zur Folge hatte, zeugt nicht nur von einem hohen Maß an Gleichgültigkeit im Hinblick auf die geltenden strafrechtlichen Bestimmungen, sondern auch davon, dass der Bw weit von den in der hiesigen Gesellschaft geltenden moralischen Werten entfernt ist.

 

Aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich hat der Bw über mehrere Jahre hinweg zu erkennen gegeben, dass er nicht gewillt ist, die körperliche Integrität anderer Mitglieder der Gesellschaft in Österreich zu achten.

 

Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich kann angesichts der gefestigten kriminellen Verhaltensweisen des Bw und der angestellten diesbezüglichen Erwägungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschlossen werden, dass das oben beschriebene Gefährdungspotential vom Bw aktuell nicht mehr ausgeht und die unbestritten in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgt daher der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.

 

Somit ist § 63 Abs. 1 und 3 FPG erfüllt, weshalb grundsätzlich die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes als zulässig und geboten erscheint.

 

4.4. Allerdings ist bei der Beurteilung des Aufenthaltsverbotes auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der       bisherige         Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.         der Grad der Integration;

5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des     Asyl-   Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem            Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Abs. 3 [...]

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.5. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um massiven Gefährdungen des öffentlichen Interesses effektiv begegnen zu können. Im Sinne dieser Überlegung stellt ein Aufenthaltsverbot fraglos ein adäquates Mittel dar, um dem öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit und der körperlichen Integrität anderer nachzukommen.

 

4.5.1. Bei der Interessenabwägung ist festzustellen, dass der Bw glaubhaft auf ein intensives Verhältnis zu seinen Eltern und Geschwistern, ein gemeinsames Familienleben und ein Zusammenwohnen mit diesen hinwiesen hat. Es ist also sowohl das Privat- als auch das Familienleben des Bw vom Aufenthaltsverbot betroffen.

Andererseits ist der belangten Behörde folgend festzuhalten, dass das intensive Verhältnis des Bw zu seinen Eltern und Geschwistern aufgrund seiner Volljährigkeit als relativiert anzusehen ist. Überdies wird die vormals intensive Bindung derzeit durch die lange Haftstrafe unterbrochen und ist der belangten Behörde zu folgen, wenn sie annimmt, dass der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsland aufgrund der kroatischen Staatsbürgerschaft sämtlicher Familienmitglieder bzw. dem Kontakthalten durch technische Mittel nichts im Wege stünde.

 

4.5.2. Der Bw, der sich etwa seit seinem 15. Lebensjahr rechtmäßig in Österreich aufhält, hat in Österreich seine Schulausbildung abgeschlossen und einen Beruf erlernt und auch gearbeitet. In diesem Zeitraum hat er unbestritte einen diesen Umständen entsprechenden Grad an Integration erreicht.

 

Es ist aber auch festzustellen, dass der Bw bis zu seinem 15. Lebensjahr - also mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens – in seinem Herkunftsstaat gelebt und dort die Volksschule und die Hälfte der Hauptschulzeit absolviert hat, was für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht unwesentlich ist, da er in den ersten 15 Lebensjahren in der Lage war, die Kultur, die Sprache und gesellschaftlichen Gepflogenheiten seiner Heimat kennenzulernen. Eine Reintegration ist daher – wenn auch unter manchen Schwierigkeiten – durchaus zumutbar.

 

4.5.3. Das strafgerichtliche Vorleben des Bw wurde bereits umfassend behandelt.

Angesichts der massiven Straffälligkeiten des Bw und dem damit verbundenen Interesse des Staates an seiner dauerhaften Außerlandesschaffung ist festzuhalten, dass, obwohl von einer nicht unbeachtlichen Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens des Bw durch das Aufenthaltsverbot auszugehen ist, das öffentliche Interesse als noch höherrangig einzuschätzen ist.

 

4.5.4. Allfällige, den Behörden zuzurechnende Verzögerungen in den Verfahren liegen nicht vor.

 

4.5.5. Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen am Schutz der körperlichen Integrität anderer sowie an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten bzw. familiären Interessen des Bw gegeben werden muss.

 

Der Bw kann sich somit nicht erfolgreich auf den Schutz seines Privatlebens berufen.

 

4.6. Bei der konkreten Bemessung der Dauer des über den Bw zu erlassenden Aufenthaltsverbots ist dessen bisheriges gesamtes Verhalten zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Wie unter 4.3.1. dargelegt, hat der Bw durch die Verwirklichung der oben angeführten, nicht getilgten Verurteilung zu fünf Jahren und sieben Monaten unbedingter Freiheitsstrafe eine unter § 63 Abs. 3 iVm. § 53 Abs. 3 Z 5 FPG 2005 zu subsumierende Handlung gesetzt, weshalb das Aufenthaltsverbot auch unbefristet erlassen werden kann.

 

Das kriminelle Verhalten des Bw, das in der Verwirklichung mehrerer gravierender Delikte gegen Leib und Leben innerhalb von nur rund dreieinhalb Jahren zu Tage trat, wobei eines den Tod eines jungen Menschen zur Folge hatte, zeigt – wie unter 4.3.2. dargelegt, dass der Bw nicht gewillt ist, sich der Rechts- und Werteordnung in Österreich zu fügen.

 

Im Lichte der eben getroffenen Feststellungen scheint die Festsetzung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots unbedingt erforderlich und auch verhältnismäßig. Bei Delikten gegen Leib und Leben, noch dazu, wenn sie in der hier vorliegenden Häufigkeit, Aggressivität und Brutalität gegeben sind, bedarf es eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes. Von einer günstigeren Zukunftsprognose kann derzeit nicht ausgegangen werden.

 

Festzuhalten ist, dass die hier getroffene Festsetzung des unbefristeten Aufenthaltsverbots nicht – wie vom Bw in seiner Berufung suggeriert – eine Sanktion für seine strafrechtliche Verurteilung darstellt, da es sich bei Verfahren nach § 63 Abs. 3 iVm. § 53 Abs. 3 Z. 5 FPG um ein Administrativverfahren zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens (Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen) und nicht um ein Strafverfahren, das allenfalls zu einer Verurteilung führt, handelt.

 

5. Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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