Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281375/2/Kl/REI

Linz, 15.06.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn X, X, vertreten durch X Rechtsanwälte GmbH, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. November 2011, Ge96-76-2011/HW, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

  II.      Der Berufungswerber hat einen Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 580 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und  51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. November 2011, Ge96-76-2011/HW, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 1) 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tagen), 2) 600 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und 3) 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) wegen Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz iVm 1) § 59 Abs.3a Z1 lit.b BauV, 2) § 17 Abs.4 BauV und 3) § 22 Abs.1 zweiter Satz BauV verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Arbeitgeberin X mit Sitz in X, Geschäftsanschrift X, X, folgende Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung zu verantworten hat:

 

"Der Arbeitsinspektor X vom X hat bei einer Baustellenüberprüfung am 7.7.2011 festgestellt, dass am 7.7.2011 auf der Baustelle X, X, mehrere Arbeitnehmer der XGmbH., X, X mit Rohbauarbeiten (z.B. Verlegung der Fertigteilelemente zur Herstellung der Decke über 1.OG) beschäftigt waren, wobei folgende Übertretungen vorgefunden wurden:

 

1.  bei dem in Höhe der Decke über EG angebrachten Fanggerüst mit Gerüstbelägen aus ca. 22 cm breiten, lose verlegten einlagigen Pfosten und einer Fallhöhe von ca. 2,5 m betrug der Abstand der Unterstützungen (Konsolen) ca. 3,5 m.

 

Dadurch wurde § 59 Abs. 3a/1b BauV übertreten, wonach bei Fanggerüsten mit Gerüstbelägen aus lose verlegten, mindestens 20 cm breiten Pfosten und einer Fallhöhe zwischen 2 und 3 m der Abstand der Unterstützungen höchstens 1,10 m betragen darf!

 

2.  Die Stiegenhausöffnung in der Geschoßdecke im 1. OG war mit Schaltafeln abgedeckt.

 

Dadurch wurde § 17 Abs. 4 BauV übertreten, wonach die vom Hersteller oder Vertreiber vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten sind. Laut Angaben des Herstellers bzw. Vertreibers von Schaltafeln, dürfen diese nicht als Abdeckung von Öffnungen verwendet werden.

 

3.  Von keinem der mit dem Versetzen der Deckenelemente mittels Mobilkran beschäftigten Arbeitnehmern, inklusive Polier!, wurde der zur Verfügung gestellte Schutzhelm verwendet. Eine Überwachung der zweckentsprechenden Schutz-ausrüstung ist nicht erfolgt.

 

Dadurch wurde § 22 Abs. 1, 2. Satz BauV übertreten, wonach eine zweck-entsprechende Verwendung der Schutzausrüstung zu überwachen ist."

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass es richtig sei, dass der Beschuldigte die Übertretung eingestanden habe und aber gleichzeitig darauf hingewiesen habe, dass in seinem Unternehmen vielfache Maßnahmen getroffen worden seien, um Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung zu vermeiden bzw. gänzlich auszuschließen. Er habe neben einer externen Sicherheitsfachkraft, Herrn X auch eine Betriebsärztin, Frau Dr. X, welche laufend Unterweisungen in punkto Sicherheit auf der Baustelle tätigen. Hätte die belangte Behörde weitere Erhebungen durchgeführt bzw. den Beschuldigten zur Konkretisierung seiner diesbezüglichen Angaben aufgefordert, wäre sie zu einem anderen Ergebnis gelangt. Der Beschuldigte sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH, welche insgesamt ca. 160 Mitarbeiter beschäftige, worunter sich 7 Bauleiter, 20 Poliere und 3 Sicherheitsvertrauenspersonen, die jeweils eine gesonderte Ausbildung absolviert hätten, befänden. Regelmäßig würden ca. 20 bis 25 Baustellen bestehen, sodass jeder Bauleiter für etwa 3 Baustellen zuständig sei und diese 2-mal wöchentlich kontrolliere. Für jede Baustelle gäbe es einen verantwortlichen Polier, der sich täglich auf einer Baustelle befinde und ebenfalls für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zuständig sei. Von den 3 Sicherheitsvertrauenspersonen werde 1-mal pro Jahr ein internes Seminar abgehalten, bei dem sämtliche Bauleiter und Poliere teilzunehmen hätten und eine Unterweisung hinsichtlich der einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften erhalten würden. Auch im Unternehmen beschäftigte Vorarbeiter würden diesem Seminar verpflichtend beigezogen. Neben diesen internen Maßnahmen würden die Sicherheitsfachkraft Mag. X sowie die Arbeitsmedizinerin Dr. X gemeinsam mit den Sicherheitsvertrauenspersonen 1-mal pro Monat verschiedene Baustellen besichtigen und dort die Einhaltung der Sicherheitsanweisungen überprüfen. Es habe daher der Beschuldigte alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft um die von der Judikatur geforderte Kontrolle sicherzustellen. Schließlich wurde geltend gemacht, dass die verhängte Strafe deutlich überhöht sei. Der Beschuldigte habe Sorgepflichten für 2 Kinder, die beide studieren. Auch sehe das Gesetz im Wiederholungsfalle bereits eine erhöhte Geldstrafe vor, weshalb die mehrfache Übertretung nicht zusätzlich als erschwerend gewertet hätte werden dürfen. Auch seien die objektiv geringen Folgen zu berücksichtigen.

Zum Verfahren wurde geltend gemacht, dass § 9 Arbeitsinspektionsgesetz die Möglichkeit vorsehe, dass das Arbeitsinspektorat Arbeitgeber zu beraten habe und formlos schriftlich aufzufordern habe, innerhalb einer angemessenen Frist den den Rechtsvorschriften entsprechenden Zustand herzustellen. Nur für den Fall, dass dieser Aufforderung nicht entsprochen werde, sehe das Gesetz eine Anzeige an die zuständige Strafbehörde vor. Der Beschuldigte habe die Übertretungen eingestanden und beseitigt und es sei daher nicht nachvollziehbar, warum es überhaupt zu einer Anzeige gekommen sei. Auch habe die Behörde keine weiteren Erkundigungen eingeholt, wie sich die genauen Maßnahmen zur Einhaltung der Sicherheitsanweisungen des Beschuldigten darstellen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da in der Berufung lediglich die rechtliche Beurteilung und die Strafhöhe angefochten wurden und eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.3 Z1 und Z2 VStG unterbleiben.

 

Im Grunde des Eingeständnisses des Berufungswerbers steht der im Straferkenntnis vorgeworfene Sachverhalt bzgl. die näher ausgeführten im Spruch dargelegten Übertretungen am 07.07.2011 fest. Danach waren mehrere Arbeitnehmer der X GmbH auf der Baustelle "X in X" mit Rohbauarbeiten beschäftigt, wobei bei dem in Höhe der Decke über dem Erdgeschoss angebrachten Fanggerüst mit Gerüstbelägen aus ca. 22 Zentimeter breiten, lose verlegten einlagigen Pfosten und einer Fallhöhe von ca. 2,5 Meter der Abstand der Unterstützungen (Konsolen) ca. 3,5 Meter betrug, obwohl der Abstand der Unterstützungen höchstens 1,10 Meter betragen darf. Die Stiegenhausöffnung in der Geschoßdecke im ersten Obergeschoß war mit Schaltafeln abgedeckt, obwohl lt. Angaben des Herstellers bzw. Vertreibers von Schaltafeln diese nicht als Abdeckung von Öffnungen verwendet werden dürfen. Von keinem der mit dem Versetzen der Deckenelemente mittels Mobilkran beschäftigten Arbeitnehmer, inklusive Polier, wurde der zur Verfügung gestellte Schutzhelm verwendet.

Lt. Firmenbuchauszug ist der Berufungswerber handelsrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH mit Sitz in X.

Gegen den Berufungswerber liegen zahlreiche rechtskräftige Vorstrafen auf, darunter 4 rechtskräftige einschlägige Vorstrafen nach der BauV sowie eine rechtskräftige Vorstrafe nach dem BauKG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro, zu bestrafen ist, wer als ArbeitgeberIn nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 17 Abs.4 BauV sind die vom Hersteller (Erzeuger) oder Vertreiber vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten, dies gilt insbesondere für die Verwendung von Arbeitsstoffen, Betriebseinrichtungen und sonstigen mechanischen Einrichtungen.

Nach § 22 Abs.1 BauV müssen, wenn der Schutz der Arbeitnehmer während der Arbeit nicht durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen, Methoden oder Verfahren erreicht wird, persönliche Schutzausrüstungen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung ist zu überwachen.

Gemäß § 59 Abs.3a BauV darf bei Fanggerüsten mit Gerüstbelägen aus lose verlegten Pfosten (Pfostenbelag) der Abstand der Unterstützungen höchstens die nachstehenden, in Z1 bis 3 angeführten Werte betragen, wobei als Fallhöhe der lotrecht gemessene Abstand von der Absturzkante zur Belagoberfläche, bei mehr als 45 Grad geneigten Flächen der lotrecht gemessene Abstand vom Arbeitsplatz zur Belagoberfläche gilt. Bei Fallhöhen über 3 Meter ist die Verwendung von Pfostenbelägen nicht gestattet. Gemäß Z1 lit.b hat der Abstand der Unterstützungen bei Verwendung von mindestens 20 Zentimeter breiten Pfosten 1,10 Meter bei einlagigen Gerüstpfosten und einer Fallhöhe von nicht mehr als 3 Metern zu betragen.

 

Im Grunde des festgestellten, im Spruch konkretisiert ausgeführten, Tatverhaltens und des diesbezüglichen Eingeständnisses des Berufungswerbers ist der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretungen erfüllt. Diese sind auch durch die der Anzeige und dem Straferkenntnis beigeschlossenen Beweisfotos untermauert. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher nach außen vertretungsbefugtes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG ist der Beschuldigte auch verwaltungsstrafrechtlich dafür zur Verantwortung zu ziehen.

Da mehrere voneinander unabhängige Bestimmungen der BauV nicht eingehalten wurden, stellt jede Missachtung einer Vorschrift ein gesondertes Delikt dar und war für jedes Delikt auch eine Verwaltungsstrafe zu verhängen (§ 22 VStG).

 

5.2. Wenn hingegen der Beschuldigte in seiner Berufung ein Verschulden ausschließt und hiezu insbesondere Unterweisungen und die Bestellung von Sicherheitsvertrauenspersonen und externen Sicherheitsfachkräften geltend macht, so ist ihm die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten. Das Vorbringen des Beschuldigten kann ein Verschulden nicht ausschließen.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Auch hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst wieder darauf hingewiesen, dass es für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreichend ist, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter und Poliere mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind (VwGH 26.9.2008, 2007/02/0317). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinne dieser aufgezeigten Judikatur, auf welche sich auch bereits die belangte Behörde beruft, reicht das Vorbringen des Berufungswerbers nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere ist nicht ausreichend, dass vor Ort ein Polier eingesetzt wird und dass für je 3 Baustellen 1 Baustellenleiter vorhanden ist, welcher zweimal wöchentlich die Baustelle kontrolliert. Dies allein ist noch kein lückenloses wirksames Kontrollsystem. Weitere ständige lückenlose Kontrollen werden aber vom Berufungswerber nicht einmal behauptet und es werden dazu auch keine Beweise geltend gemacht. Es waren daher auch diesbezügliche Beweise nicht aufzunehmen. Nach der Judikatur ist – entgegen dem Vorbringen des Beschuldigten – die Behörde nicht gehalten, von Amts wegen allfällige Beweise zu erkunden und solche Erkundungsbeweise aufzunehmen. Vielmehr ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Berufungswerber gehalten, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat daher selbst ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu machen und entsprechende Beweismittel namhaft zu machen bzw. beizubringen bzw. konkrete Beweisanträge unter Benennung des Beweismittels zu stellen. Die Behörde ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Auslegung des § 5 Abs.1 VStG daher nicht gehalten Erkundungsbeweise aufzunehmen. Im Sinne dieser Judikatur hat es der Berufungswerber verabsäumt, konkrete Maßnahmen und konkrete Beweise für die Maßnahmen zu benennen, durch welche gewährleistet sein soll, dass die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften garantiert werden könnte. Es fehlt an einem entsprechenden Vorbringen, welche Maßnahmen im einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweiligen übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschrift auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (VwGH vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097/5). So wurde ein Kontrollsystem durch den Berufungswerber selbst oder durch einen von ihm Beauftragten der Firma nicht in lückenloser Weise konkret für die Baustelle dargestellt und unter Beweis gestellt. Das Vorbringen allein, dass Anweisungen und Anordnungen bestehen bzw. dass jährlich Schulungen im Unternehmen stattfinden, reicht nicht aus. Vielmehr hat der Arbeitgeber alle Maßnahmen dahingehend zu treffen, dass die Anordnungen und Anweisungen auch tatsächlich konkret auf der Baustelle befolgt werden und die Einhaltung der Anweisungen auch zu kontrollieren. Genau dies wurde aber vom Berufungswerber nicht einmal behauptet.

Es ist daher auch von Verschulden, nämlich zumindest fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat auf den Unrechtsgehalt der Tat, insbesondere auf das Gefährdungspotential für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer bei einer Absturzhöhe von ca. 2,5 m Bedacht genommen. Straferschwerend waren 4 einschlägige Verwaltungsvorstrafen. Darüber hinaus wurde hinsichtlich des Faktums 1. erschwerend gewertet, dass der maximal zulässige Abstand von 1,10 Metern um mehr als das Dreifache überschritten wurde und daher eine erhöhte Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer vorlag. Es war daher ein besonders hoher Unrechtsgehalt der Tat gegeben bzw. der Schutzzweck der Norm verletzt. Strafmildernd wurde das Schuldgeständnis gewertet. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse wurde von keinen Sorgepflichten, einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 2.500 Euro und von Immobilienbesitz ausgegangen.

Der Berufungswerber führt in seiner Berufung hingegen die Sorgepflicht für 2 Kinder an. Dieser Umstand allein kann jedoch angesichts der überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Berufungswerbers zu keiner Strafherabsetzung führen. Wie bereits die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, ist ein im Grunde der Absturzgefahr und daher der Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer der Schutzzweck der jeweiligen Strafnorm in erheblichem Ausmaß verletzt, sodass dies auch in der Strafbemessung zu berücksichtigen war. Auch waren 4 einschlägige Verwaltungsvorstrafen nicht geeignet, den Berufungswerber zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen, insbesondere der Kontrolle seiner Baustellen ein erhöhtes Augenmerk zu schenken und die Organisation seines Betriebes so einzurichten, dass weitere Verwaltungsübertretungen nicht mehr begangen werden. Dies war erschwerend bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Auch ist von einem erhöhten Verschulden auszugehen. In Anbetracht der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe von jeweils 7.200 Euro erscheinen die tatsächlich verhängten Geldstrafen nicht überhöht. Vielmehr liegen sie im untersten Drittel des Höchstrahmens. Im Hinblick auf das erhöhte Gefährdungspotential zum Faktum 1. ist auch eine gegenüber den übrigen Übertretungen erhöhte Geldstrafe gerechtfertigt. Entgegen den Ausführungen des Beschuldigten, dass die einschlägigen Vorstrafen doppelt gewertet wurden, ist dem entgegen zu halten, dass die belangte Behörde nicht vom Wiederholungsfall ausgegangen ist und daher die einschlägigen Vorstrafen sehr wohl als Straferschwerungsgrund berücksichtigen darf. Eine Zugrundelegung des Wiederholungstatbestandes ist aus der Begründung des Straferkenntnisses nicht ersichtlich. Hingegen hat die belangte Behörde das Schuldeingeständnis strafmildernd gewertet. Im Grunde der nun vorliegenden Berufung ist ein Schuldeingeständnis wohl nicht mehr gerechtfertigt. Vielmehr wurde in der Berufung ein Verschulden bestritten. Im Grunde all dieser Erwägungen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Es waren daher die je Delikt verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen zu bestätigen. Was jedoch die Verhängung von Geldstrafen für jedes einzelne Delikt anlangt, ist auf § 22 VStG hinzuweisen, wonach jedes Zuwiderhandeln gegen eine Norm ein gesondertes Ungehorsamsdelikt darstellt und für jedes Delikt bzw. jede Tatbegehung auch eine gesonderte Strafe zu verhängen ist. Dies gebietet das in § 22 VStG geregelte Kumulationsprinzip.

 

Da ein Überwiegen von Milderungsgründen nicht festzustellen war, war auch nicht von der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG Gebrauch zu machen.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG sind ebenfalls nicht erfüllt, zumal ein geringfügiges Verschulden nicht vorliegt, weil das Verhalten des Beschuldigten nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt.

 

5.4. Wenn sich der Berufungswerber gegen die Vorgehensweise des Arbeitsinspektorates äußert und dabei § 9 Arbeitsinspektionsgesetz heranzieht, ist ihm entgegen zu halten, dass gemäß § 9 Abs.3 ArbIG 1993 das Arbeitsinspektorat auch ohne vorausgehende Aufforderung nach Abs.1 Strafanzeige wegen Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift zu erstatten hat, wenn es sich um eine schwerwiegende Übertretung handelt. Gleichzeitig hat das Arbeitsinspektorat mit der Anzeige ein bestimmtes Strafausmaß zu beantragen.

 

Da das Verhalten des Berufungswerbers nicht nur geringfügige Abweichungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften darstellt sondern auch erhebliches Gefährdungspotential aufzeigt, hat daher das Arbeitsinspektorat zu Recht vom  gesetzlichen Auftrag gemäß § 9 Abs.3 ArbIG Gebrauch gemacht und Strafanzeige erstattet. Weitergehende Ermittlungspflichten und Aufforderungen sind dem Arbeitsinspektionsgesetz nicht zu entnehmen. Es ist jedenfalls auch im Arbeitsinspektionsgesetz nicht vorgesehen, dass für den Fall des Eingeständnisses einer Verwaltungsübertretung von einer Anzeige abzusehen ist. Diesbezügliche Verfahrensfehler waren daher nicht festzustellen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 580 Euro, festzusetzen.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem, kein Erkundungsbeweis

 

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