Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252812/6/Lg/Ba

Linz, 03.07.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 19. Dezember 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des J J K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B K, C, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Braunau am Inn vom 6. April 2011, Zl. SV96-15-2011-Sc, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkennt­nis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.          Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 2.000 Euro bzw. eine Ersatzfrei­heitsstrafe von 65 Stunden verhängt, weil er die nigerianische Staatsangehörige F T von Anfang September 2010 bis 21.9.2010 im "C-C", T, B, als Prostituierte beschäftigt habe, ohne dass die für eine legale Ausländerbe­schäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorge­legen seien.

 

In der Begründung bezieht sich das angefochtene Straferkenntnis auf den Strafantrag des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 27.9.2010, die Recht­fertigung des Bw vom 24.2.2011 und die Stellungnahme des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 14.3.2011.

 

Die Beschäftigung sei aufgrund der fremdenpolizeilichen Niederschrift mit der Ausländerin vom 22.9.2010 als erwiesen anzusehen. Weiters wird ausgeführt:

 

"Sie haben auch nicht bestritten, dass Frau T in Ihrem C gearbeitet hat. Sie bestreiten in diesem Zusammenhang jedoch, dass sie von Ihnen beschäftigt wurde bzw. bei Ihnen angestellt war. Diesbezüglich behaupten Sie, dass Frau T das Gewerbe der Prostitution selbstständig ausgeübt hat.

 

Zunächst ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgeblich. Dazu wird seitens der Behörde auf die jahrelange einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) verwiesen. Der VwGH hat bereits vielfach erkannt, dass eine Tätigkeit als Animierdame und Prostituierte in einem Bordell in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wird wie in einem Arbeitsverhältnis. In einem solchen Fall ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis oder von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, somit von einer Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegen stehen. Angesichts der planmäßigen Eingliederung der Ausländerinnen in die Betriebsorganisation des Beschuldigten ist ihre Tätigkeit diesem zuzurechnen. Dabei ist es letztlich unerheblich, ob sie neben einer ihnen für Getränkeanimation zustehenden Provision ein umsatzunabhängiges Fixum erhalten haben und für die Benützung der Zimmer einen Anteil des Lohns an den Beschuldigten abführen mussten (VwGH vom 29.11.2007, Zl. 2007/09/0231). Atypische Umstände, die das Vorliegen einer tatsächlich selbstständigen Tätigkeit untermauern würden, konnten von Ihnen nicht angeführt werden.

 

Nach ständiger VwGH-Judikatur ist die Tätigkeit der Ausländerinnen in ihrer Gesamtheit hinsichtlich aller Aspekte der wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfung mit dem Betrieb des Beschuldigten zu beurteilen. Anhaltspunkte für eine derartige Verknüpfung sind zum Beispiel das zur Verfügung Stellen von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution und die Vorgabe eines 'Preisniveaus'. Dabei tut es nichts zur Sache, ob das 'Preisniveau' bloß vorgegeben wird und die Damen den genauen Preis selbst bestimmen. Ebensowenig der Umstand, dass die Damen ihren 'Dienstplan' in der Art und Weise selber erstellen, dass während der Geschäftszeiten Prostituierte zur Verfügung stehen müssen (VwGH vom 30.06.2004, Zl. 2004/09/0026). In diesem Zusammenhang sei auch auf das Erkenntnis des UVS Oberösterreich vom 05.03.2009, Zl. VwSen-251923/17/Kü/Ba verwiesen, in dem über einen ganz ähnlich gelagerten Fall erkannt wurde. Auch hier sind die Ausländerinnen selber auf den Lokalinhaber zugekommen, um dort die Prostitution auszuüben. In diesem Fall wurden die Zimmer von den Damen sogar angemietet, das Entgelt für die Dienstleistungen wurde von den Damen selber bestimmt und auch kassiert, sie erhielten jedoch keine Beteiligung am Getränkekonsum. Auch bestand für die Damen keine Anwesenheitspflicht und sie konnten ihre Arbeitszeiten selber bestimmen. Unabhängig davon, dass die Prostituierten in ihrer Zeiteinteilung völlig frei waren, erkannte der UVS in der Gesamtheit ihrer Tätigkeiten eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung mit dem Betrieb des Beschuldigten dahingehend, dass sich die Attraktivität des vom Beschuldigten betriebenen Lokales ausschließlich aus der Anwesenheit von Prostituierten ergibt.

 

Wenn bereits bei einem derart gelagerten Fall von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis ausgegangen wird, so ist im gegenständlichen Fall umso mehr von einer zumindest arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen. Dies insbesondere deshalb, da Frau T in ihrer Aussage vom 22.09.2010 angab, dass es einen Hauspreis für Geschlechtsverkehr gibt, der vom C vorgegeben wird. Weiters musst sie - auch wenn es keinen festen Dienstplan gab - dem Chef mitteilen, ob sie Tag- oder Nachtschicht arbeitet. Hinzu kommt auch, dass der Gast nicht bei ihr selbst, sondern beim Kellner zahlte, der dann später mit ihr abrechnete. Frau T gab zudem an, dass sie keine Getränke konsumierte und daher auch nichts bekommen hat. Dies widerspricht den Ausführungen in Ihrer Rechtfertigung vom 24.02.2011, in der Sie behaupten, dass Frau T einen pauschalierten Getränkekostenbeitrag für Eigenkonsum zu entrichten hatte. Auch hier sieht die Behörde keinen Grund, warum Frau T diesbezüglich nicht wahrheitsgemäß aussagen sollte.

In ihrer Gesamtheit rechtfertigen diese Umstände jedenfalls die Annahme einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit. Daran ändern auch die Tatsachen nichts, dass Frau T in ihrer Zeiteinteilung grundsätzlich relativ frei war und dass sie eine tägliche Wohnungsmiete von 10 Euro zu entrichten hatte.

 

Die Behörde hat daher keine Zweifel, dass Sie Frau F T von Anfang September 2010 bis 21.09.2010 ohne Vorliegen einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung als Prostituierte beschäftigt haben und dass Sie somit die Ihnen vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen und auch zu verantworten haben."

 

 

2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:

 

"Auffallend ist zum ersten, dass zwar angeblich ein Dolmetscher namens Karl Haas bei der Einvernahme der Frau F T, geb. X, anwesend war, jedoch sich kein Hinweis findet, dass es sich hierbei um einen zugelassenen, gerichtlich beeideten Sachverständigendolmetscher handelte.

 

Die Niederschrift, die diesem Straferkenntnis zugrunde liegt, beinhaltet ebenfalls keine Unterschrift der Einvernommenen, sodass darauf zu schliessen ist, dass sie jedenfalls mit dem Inhalt der aufgenommenen Niederschrift nicht einverstanden gewesen ist.

 

Insbesondere ist aus den bisherigen Handlungen der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn in diesen Angelegenheiten keine gewisse Gleichartigkeit zu sehen, welche auch hier entgegen den Tatsachen auffällig ist.

 

So wurden zwei handgeschriebene 'Zettel' beigelegt, wobei sich kein Hinweis darauf befindet, wer diese geschrieben haben soll. Jedenfalls lassen die Differenzen zum tatsächlichen Geschehen im 'C-C', T, B darauf schliessen, dass die Einvernommene aus gutem Grund die Unterschrift verweigert hat.

 

Es gibt keinen vom Betreiber vorgegebenen Hauspreis, sondern vereinbaren die jeweils die dort anwesenden Prostituierten aufgrund einer von ihnen gewünschten Gleichförmigkeit der Preisgestaltung diverse unterschiedliche Liebeslöhne. Ein Einfluss des Berufungswerbers auf diese Liebeslöhne besteht keinesfalls.

 

Die Dauer der Tätigkeit der Prostituierten ist nicht vorbestimmt und existiert, auch keine Aufzeichnungspflicht über Gäste, etc. Der Berufungswerber muss sich auf die Angaben der dort arbeitenden Prostituierten verlassen.

 

Die Bar, die vom Berufungswerber betrieben wird (wurde), ist prinzipiell von 16.00 Uhr nachmittags bis 06.00 Uhr früh geöffnet; die Häuser, in welchen die Prostituierten ihre Tätigkeiten ausüben, unterliegen keiner Öffnungsver­pflichtung.

 

Es gibt auch tatsächlich keinen festen Plan und daher auch keine Anwesenheitspflicht der Prostituierten, sodass es auch passieren kann, dass sich keine Prostituierte im Bereich der Bar aufhält.

 

Es gab überhaupt keine regelmäßigen Besuche des Berufungswerbers in den prostitutionsdienenden Räumlichkeiten, sondern wird von diesem lediglich eine Bar in einem anderen Haus betrieben.

 

Richtig ist, dass es keine Getränkeprozente gibt und die in der Bar anwesenden Gäste auch nicht zum Trinken, etc. animiert werden müssen. Im Übrigen gab es und gibt es keinen Kellner, jede Prostituierte kassiert ihren Liebeslohn selbst.

 

Wie in der Rechtfertigung bereits festgehalten, haben die Prostituierten für das Bewohnen ihres Zimmers € 10,00 täglich an Miete abzuführen; für die im Falle ihrer Benützung notwendigen Säuberungsarbeiten und zur Verfügungsstellung von Wäsche, etc., ist ein Betrag von € 30,00 abzuführen. Hierfür wird die Reinigung und Wechsel der Bettbezüge und ähnliche Arbeiten durchgeführt.

 

Der Berufungswerber betrieb zum damaligen Zeitpunkt lediglich die Bar und das Reinigungsservice, weitere Arbeiten wurden nicht verrichtet.

 

Die ausländische Staatsbürgerin F T, geb. X war daher zu keinem Zeitpunkt als unselbstständige Beschäftigte anzusehen, welche eine Niederlassungsbewilligung gebraucht hätte.

 

Weiters ist festzuhalten, dass die Tätigkeit als Prostituierte nicht in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wird, sohin die Damen als 'Selbständige' einzustufen sind und stehen diese in keiner wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit zum Berufungswerber, es besteht keine Verknüpfung mit dem Betrieb. Der Berufungswerber ist sohin kein 'Arbeitgeber'.

 

Es wird daher

beantragt

 

der Berufung Folge zu geben, den Bescheid ersatzlos aufzuheben und das gegenständliche Verfahren einzustellen, in eventu eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den Berufungswerber einzuvernehmen."

 

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Strafantrag des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 27.9.2010 liegt folgende, mit der Ausländerin am 22.9.2010 vor der Fremdenbehörde unter Beisein eines Dolmetschers aufgenommene Niederschrift bei:

 

"Ich bin vor ca. 5 Monaten mit einem großen Schiff aus Nigeria ausgereist. Die Reise erfolgte mit einem großen Schiff auf dem viele Personen waren. Welches Schiff es war kann ich nicht sagen. Die Reise nach Europa dauerte ca. 30 Tage. Zu der Reise gebe ich an, dass ich mich am Schiff versteckt habe und mich vom übriggebliebenen Essen anderer Passagiere ernährt habe. Der Grund weshalb ich aus Nigeria ausgereist bin ist, dass ich geflohen bin weil in Josjust gekämpft wurde. Ein Freund hat mich mit einem LKW zum Hafen gebracht. Ich bin dann allein an Bord gegangen.

 

Zu meiner Ausreise vom Schiff in Europa gebe ich an, dass ich illegal das Schiff verlassen habe. Ich kann nicht angeben in welchem Land es war. Ich bin mit einer Personengruppe durch die Kontrolle gegangen und bin nicht kontrolliert worden. Einen Reisepass besitze ich nicht. Ich habe auch in Nigeria kein Personaldokument besessen. Ich habe auch keine Geburtsurkunde.

 

Nach dem Verlassen des Schiffes habe ich gebettelt und mir auf diese Art und Weise Lebensmittel verschafft. Ich war bereits beim Verlassen von Nigeria mittellos. In der Tschechischen Republik habe ich den Reisepass gefunden.

 

Es ist richtig, dass ich gestern, 21.9.2010, von Beamten der PI Braunau im Nachtclub CC, T, b kontrolliert wurde. Ich wurde mit dem Ausweis Nr. x angetroffen und habe diesen den kontrollierenden Beamten vorgewiesen. Dabei wurde festgestellt, dass ich nicht die Inhaberin dieses Ausweises bin. Weiters wies ich den Ausweis zur gesundheitlichen Überwachung vor. Dieser ist ebenfalls auf den Namen Reppe ausgestellt. Diese Person bin ich jedoch nicht. Ich habe diesen Ausweis verändert indem ich das Lichtbild ausgewechselt habe. Im CC in B arbeite ich ca. 3 Wochen. Vorher habe ich noch nicht gearbeitet. Wenn ich gefragt werde wie ich zu der Arbeit als Prostituierte gekommen bin, so gebe ich an, dass ich in der Tschechischen Republik in der Bahnstation ein Mädchen getroffen habe und sie sagte mir, dass ich in Braunau als Prostituierte arbeiten kann, aber nur mit Dokumente.

 

Wenn ich gefragt werde, ob ich jemals in Graz gearbeitet habe, so verneine ich dies.

 

Zu meiner persönlichen Situation gebe ich an, dass meine Mutter getötet wurde und von meinem Vater weiß ich nichts. Meine Mutter erzählte mir, dass mein Vater auch gestorben ist. Ich habe keine Geschwister. Die Schule habe ich Josjust besucht. Die Schule heißt Queens College. Der Name meines Klassenlehrers war Herr P. Die Schule habe ich 6 Jahre lang besucht. Ich kann mich nicht an die Adresse der Schule erinnern. Einen Beruf habe ich nicht erlernt. Ich habe von 'Lockenwickeln' gelebt.

 

Ich habe nur 10 Euro an Barmitteln. Eine Krankenversicherung habe ich auch nicht.

Ich habe kaum Kunden gehabt und das Geld, das ich bisher verdient habe, habe ich für mich selbst verbraucht.

 

Zu den Arbeitsbedingungen im C gebe ich an, dass es einen Hauspreis für Geschlechtsverkehr gegen Entgelt gibt. Dieser wird vom C festgesetzt. Eine halbe Studne kostet 110,00 Euro davon bekomme ich 50,00 Euro, eine Stunde kostet 150,00 Euro, davon bekomme ich 90,00 Euro. Von jenem Anteil, den ich an den C abliefere sind 10,00 Euro Miete enthalten. Den letzten Klienten hatte ich am 21.9.2010. Der Bezahlungsmodus ist so, dass der Kellner beim Klienten kassiert und mit mir dann abrechnet wird. Bezüglich des Getränkekonsums gebe ich an, dass ich nichts trinke und somit auch nichts bekomme. Der C hat feste Öffnungszeiten, täglich von 14.00 Uhr bis ca. 6.00 Uhr offen. Gestern habe ich um 16.00 Uhr meine Arbeit begonnen, kurz bevor die Polizei gekommen ist. Es gibt im C sowohl eine Tag- als auch eine Nachtschicht und ich habe sowohl Tag- als auch Nachtschicht gearbeitet. Einen festen Plan gibt es zwar nicht, ich musste jedoch dem Chef sagen ob ich Tag- oder Nachtschicht arbeite.

 

Mir wird zur Kenntnis gebracht, dass die Indentität nicht feststeht. Aufgrund des Umstandes, dass ich illegal eingereist bin, kein Dokument besitze und auch keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel besitze werde ich mit sofortiger Wirkung in Schubhaft genommen. Weiters ist beabsichtigt gegen mich ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren zu erlassen. Weiters ist beabsichtigt mich nach Nigeria abzuschieben. Ich mache dazu keine Angaben."

 

Beigelegt sind die Kopien zweier Zettel mit handschriftlichen Eintragungen:

Im ersten Zettel ist eingetragen:

"whirpool – 260 E (150 E), Sauna – 260 E (150 E)."

Im zweiten Zettel ist eingetragen:

"1 Hour – 190 E (120 E), 45 min. – 150 E (90 E), 30 min. – 110 E (70 E), 20 min. – 75 E (45 E), 1 Coctail – 25 % (8 E), 1 pikolo – 20 E (5 E), Halbe flasche – 40 E (10 E), Große flasche – 110 E (30 E)."

 

Zur Rechtfertigung aufgefordert äußerte sich der Bw mit Schriftsatz vom 24.2.2011 wie folgt:

 

"Die dem Einschreiter zur Last gelegte Verwaltungsübertretung wurde von diesem nicht begangen.

 

F T ist nicht Beschäftigte oder Angestellte des Einschreiters. Sie übt das Gewerbe der Prostitution selbstständig aus. Richtig ist, dass sie ihm Geschäftslokal des Einschrei­ters tätig war, jedoch ohne an zeitlichen Vorgaben gebunden zu sein. Sie war nicht ver­pflichtet, zu bestimmten Öffnungszeiten anwesend zu sein oder überhaupt dort ihre Tä­tigkeit zu verrichten. Auch die Dauer ihrer Tätigkeit ist nicht vorbestimmt. Sie ist am 10.09.2010 nach Österreich gekommen, wobei nicht bestimmt war, wie lange und wo sie ihre Tätigkeit ausübt.

 

Die Zeugin F T übt das Gewerbe der Prostitution selbstständig aus, den Preis für ihre Tätigkeiten bestimmt sie selbstständig und ohne fremde Vorgabe. Für die Benutzung des Geschäftslokals des Einschreiters entrichtet die Zeugin T eine tägliche Woh­nungsmiete in Höhe von € 10,00 darüber hinaus einen pauschalierten Getränkekostenbei­trag für die Eigenkonsumation. Die Kund­schaften müssen sich selbst mit Getränken ver­sorgen.

 

Zusammengefasst ist demnach von einer selbstständigen Ausübung ihrer Tätigkeiten durch die Zeugin F T auszugehen und demnach hat dieser die dem Einschreiter zur Last gelegte Verwaltungsübertretung defakto nicht begangen."

 

Dazu nahm das Finanzamt Braunau Ried Schärding mit Schriftsatz vom 14.2.2011 wie folgt Stellung:

 

"Die Anzeigenlegung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erfolgte aufgrund der niederschriftlichen Einvernahme der Frau F T, geb. X, am 22.09.2010 durch FOI X von der BH Braunau am Inn. Die hö. Behörde kann nur auf die in der Niederschrift gemachten Aussagen von Frau T F verwiesen. Für das arbeitnehmerähnliche Verhältnis iSd AuslBG sprechen unter anderem

·         die Beteiligung an den Einnahmen aus der sexuellen Dienstleistung

·         das Festlegen der Preise und Beteiligungen durch die Betreiber

·         die Zahlungsabwicklung und etwaigen Preisverhandlungen mit dem Kellner

·         die Bindung an die Öffnungszeiten.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen Erkenntnissen (z.B. 2005/09/0112) dargelegt hat, handelt es sich bei der Tätigkeit einer Tabledancerin oder Animierdame, aber auch von Prostituierten in Barbetrieben oder vergleichbaren Etablissements um eine bewilligungspflichtige, arbeit­nehmer­ähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 lit b AuslBG (siehe heiligende VwGH-Erkenntnisse)."

 

 

4. Zur öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte die Ausländerin mangels bekannter Adresse nicht geladen werden.

 

Der Bw führte aus, er habe das gegenständliche Lokal bis 20.12.2010 betrieben. Es habe sich um einen Barbetrieb mit Zimmervermietung für Prostituierte gehandelt. Tanzdarbietungen habe es im Lokal nicht gegeben. Die Damen hätten natürlich den Barbetrieb frequentiert. Sie seien dazu nicht verpflichtet gewesen, jedoch aus Eigeninteresse anwesend gewesen, um Kundschaft anzuwerben. Eine angestellte Kellnerin habe die Getränke serviert und kassiert. Die Prostituierten seien von den Gästen zu Getränken eingeladen worden, hätten aber keine Getränkeprozente bekommen.

 

Der Prostitutionspreis sei von den Damen selbst, möglicherweise koordiniert, festgelegt worden. Der Bw habe den Preis nicht beeinflusst und sei daher auch nicht darüber informiert, welche Preise die Damen für welche Leistungen im Einzelnen verlangten. Die Prostituierten hätten den Liebeslohn selbst kassiert (keineswegs sei die Kellnerin involviert gewesen) und in voller Höhe behalten. Das finanzielle Interesse des Bw habe ausschließlich im Barbetrieb und in der Zimmervermietung bestanden. Für das Zimmer zur Ausübung der Prostitution hätten die Damen ein Tagespauschale von 10 Euro bezahlt. Im Fall der tatsäch­lichen Benutzung sei für Reinigung, Bettwäsche usw. ein Tagespauschale von 20 Euro zu bezahlen gewesen (in dem die Zimmermiete dann enthalten gewesen sei). An Sondereinrichtungen habe es einen Whirlpoolraum und eine Sauna gegeben. Auch hier sei im Fall der tatsächlichen Benützung ein Tagespauschale, und zwar in Höhe von 30 Euro verlangt worden.

 

Es habe keine Vorschriften hinsichtlich Anwesenheit, Kleidung, Kondom­benutzung usw. gegeben. Es habe eigentlich überhaupt keine Vorschriften bzw. Weisungen irgendwelcher Art gegeben.

 

Die Damen hätten in einem Nebengebäude vom Bw möblierte Zimmer mit Bad und Kühlschrank gemietet.

 

Die Verträge für die Miete beider Zimmertypen seien wegen der hohen Fluktuation täglich geschlossen worden. Schon daraus erkläre sich, dass es keine Anwesenheitspflicht gegeben habe.

 

Sonderleistungen des Bw, wie die Zurverfügungstellung von Lebensmitteln, Gratisgetränke udgl., habe es nicht gegeben. Die Arztbesuche und die Sozialver­sicherung hätten die Damen selbst organisiert. Das "Pauschale" sei durch das Finanzamt vom Bw verlangt worden, ohne dass (wegen der Fluktuation) gesichert war, dass die Prostituierten tatsächlich einen bestimmten Zeitraum anwesend waren; das diesbezügliche Konzept des Finanzamtes habe eigentlich nicht funktioniert.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Die Ausführungen des Bw in der öffentlichen mündlichen Verhandlung waren schlüssig und konsistent und blieben unwidersprochen. Im Hinblick darauf sowie unter Berücksichtigung des Unmittelbargrundsatzes war der Darstellung des Sachverhalts durch den Bw im Zweifel zu folgen. Im Übrigen ist darauf zu ver­weisen, dass dem Strafantrag keine Kontrolle durch zeugenschaftlich befragbare Organe zugrund lag, sondern eine fremdenpolizeiliche Niederschrift, zu der die Befragte (die gegenständliche Ausländerin) die Unterschrift verweigert hatte. Die beigelegten Zettel sind nicht geeignet, die Zweifel am Tatvorwurf im nötigen Ausmaß auszuräumen.

 

Beurteilt man diesen Sachverhalt im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 25.3.2010, Zl. 2009/09/0310 und vom 16.9.2010, Zl. 2010/09/0069) so zeigt sich, dass nur wenige Momente für eine Beschäftigung sprechen: der indirekte wirtschaftliche Nutzen für den Barbetrieb und aus der Zimmervermietung sowie die Abführung des "Pauschales" an das Finanzamt. Die Vermietung von Privatzimmern ist neutral einzustufen. Dem gegenüber stehen die auf Selbstständigkeit deutenden Elemente: die reine Zimmermiete (des "Arbeitszimmers"), die fehlende Bindung an Öffnungszeiten, das Fehlen jeglicher Weisungsbindung, das Fehlen der Vereinbarung eines Zeitraumes der Tätigkeit (sodass von einem Dauerschuld­verhältnis gesprochen werden könnte), das Fehlen einer Aufzeichnungspflicht hinsichtlich der Benützung gemieteter Einrichtungen (der Bw verließ sich nach eigener Auskunft in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auf die Angabe der Mädchen), die selbstständige Bestimmung und vollständige Lukrierung des Liebeslohns durch die Prostituierten sowie die strikte wirtschaftliche Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber jenen des Lokalbetreibers.

 

Da unter diesen Umständen von einem deutlichen Überwiegen der für die Selbstständigkeit sprechenden Umstände vorliegt – bzw. die in der Rechtspre­chung des Verwaltungsgerichtshofes angesprochenen "atypischen Umstände" gegeben sind – war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

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