Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730329/6/SR/Wu

Linz, 18.06.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, slowenische Staatsangehörige, X, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 1. April 2011, AZ.: 1033526/FRB, mit dem über die Berufungswerberin ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich nach dem Fremdenpolizeigesetz verhängt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das gegen die Berufungswerberin auf sieben Jahre befristet erlassene Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf eine Befristung von drei Jahren herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 1. April 2011, AZ.: 1033526/FRB, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) gemäß      § 86 Abs. 1 iVm. § 66 FPG idgF. ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. Gemäß § 86 Abs. 3 FPG wurde von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Begründend hat die belangte Behörde wie folgt ausgeführt:

A) Sachverhalt:

Über Sie scheinen folgende Verurteilungen auf:

 

1) BG Linz am 10.11.2006 (rk 14.11.2006), 18 U 407/2006 k, wegen Vergehens nach § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG, Geldstrafe € 300,-;

 

2) LG Linz am 25.03.2010 (rk 25.03.2010) wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG, des Verbrechens des

Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z. 3 SMG, teilweise als Beitragstäterin gem. § 12 3. Fall StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall 2 SMG, Freiheitsstrafe 20 Monate bedingt auf 3 Jahre, Geldstrafe € 1.200,-.

 

Den Verurteilungen liegen nachstehende Sachverhalte zu Grunde:

 

1)       Sie haben im Zeitraum von März 2006 bis Anfang Mai 2006 Suchtgift in Form von insgesamt ca. 5g Amphetamin konsumiert, sohin den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen;

 

2)       Sie haben vorschriftswidrig in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit X Suchtgift in einer die Grenzmenge (§28b) mehrfach übersteigenden Menge von Slowenien aus- und nach Österreich eingeführt, nämlich X in vier Schmuggelfahrten insgesamt 130 Gramm Heroin und 6 Gramm Kokain, und Sie haben in zwei Schmuggelfahrten insgesamt 70 Gramm Heroin und 1 Gramm Kokain jeweils nach X transportiert;

ferner haben Sie in X Suchtgift in einer die Grenzmenge (§28b) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 301,3 bis 332,4 Gramm Heroin, anderen Personen überlassen, wobei Sie die Straftat nach Abs. 1 in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) begingen; weiters haben Sie in X und andernorts Suchtgift - nicht ausschließlich zum persönlichen Gebrauch - erworben und besessen.

 

Um Wiederholung zu vermeiden, wird im Einzelnen auf die schriftliche Urteilsausfertigung verwiesen, die an dieser Stelle zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben wird.

 

B) Rechtslage:

 

Gemäß § 86 Abs. 1 FPG 2005 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige rechtfertigt, kann nach ständiger Rechtssprechung des VwGH auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG 2005 als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden. § 60 Abs. 2 FPG 2005 enthält eine demonstrative Aufzählung solcher bestimmter Tatsachen, welche die Annahme des Vorliegens eines Grundes für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 1 FPG 2005 rechtfertigen.

 

Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG 2005 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr ais einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG 2005 ist eine Ausweisung trotz eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des Fremden zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 FPG 2005 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

der Grad der Integration;

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 FPG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 60 Abs. 6 FPG 2005 ist vorgenannte Bestimmung auch auf Aufenthaltsverbote anzuwenden, wobei diese Verweisung im § 86 FPG 2005 dezidiert nicht vorgenommen wird - aus der Systematik des FPG 2005 jedoch auch auf Aufenthaltsverbote gem. § 86 FPG 2005 anzuwenden ist.

 

Gem. § 86 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

 

C) Rechtliche Beurteilung:

 

Mit Schriftsatz vom 21.02.2011 erstattet Ihr Rechtsvertreter zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes folgende Stellungnahme:

Richtig ist, dass die Einschreiterin mit Urteil des BG Linz vom 10.11.2006, 18 U 407/06k wegen § 27 Abs. 1 SMG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a' € 5,00 verurteilt wurde. Diese Geldstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25.03.2010, 27 Hv 13/1 Od wurde die Einschreiterin wegen der Delikte nach § 28a Abs. 1, 2., 3. und 5. Fall, Abs. 2 Ziffer 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten und einer Geldstrafe von 240 Tagesätzen a' 5,00 verurteilt. Die durch dieses Urteil verhängte Freiheitsstrafe von 20 Monaten wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

 

Richtig ist weiters, dass die Einschreiterin slowenische Staatsbürgerin ist und sohin als Fremde im Sinne des § 2 FPG gilt.

 

Ebenso entspricht es den Tatsachen, dass gem. § 60 Abs. 1 FPG gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann, wenn aufgrund bestimmter Tatsache die Annahme gerechtfertigt ist, dass der weitere Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, oder den Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Gem. § 60 Abs. 2 FPG hat als bestimmte Tatdache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten , zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist. Trotz der gegen die Einschreiterin ausgesprochenen Verurteilung zu 27 Hv 13/1 Od des LG Linz kann dies die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Einschreiterin nicht rechtfertigen.

 

Aus § 60 FPG geht zwar hervor, dass im Falle einer Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten ein Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden verhängt werden kann. Eine zwingende Folge ist dies jedoch nicht. Die Einschreiterin hält sich bereits mehrere Jahre in Österreich auf und steht insbesondere die Verurteilung vom 25.03.2010 im krassen Widerspruch zum sonstigen Lebenswandel der Einschreiterin. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wird die erkennende Behörde zum Schluss kommen müssen, dass es sich bei der gegenständlichen Verurteilung zwar um eine grobe Fehlleistung der Einschreiterin handelte, diese jedoch nur aufgrund der spezifischen persönlichen Umstände ereignet handelte und nunmehr ausgeschlossen ist, dass sich eine solche Handlung wiederholen wird. Die Einschreierin ist durchaus in der Lage, sich an die in Österreich geltenden Gesetze zu halten. Durch den weiteren Aufenthalt der Einschreiterin im Bundesgebiet wird weder die öffentliche Ordnung noch die Sicherheit gefährdet.

 

Bei Beurteilung des Gesamtverhaltens der Einschreiterin seit sich diese in Österreich aufhält zeigt, dass ihr Aufenthalt keine erhebliche Gefahr begründet, die den Grundinteressen der Gesellschaft widersprechen würde. Nach Rechtsprechung des VwGH ist hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilung immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten eines Fremden abzustellen. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden allein abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild. Auf Grundlage dieses Gesichtspunktes muss eine Prognoseentscheidung über das künftige Verhalten der Einschreiterin getroffen werden.

 

Die Einschreiterin lebt bereits seit dem 2. Quartal 2003 in Österreich. Die Einschreiterin ist in dieser Zeit beinahe durchgehend einer voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Auch leben sämtliche nahen Angehörigen der Einschreiterin in Österreich. Sowohl ihre Mutter X, geb. X, als auch ihr Bruder X, geb. X, leben in der X. Der Vater der Einschreiterin ist im Jahr 2010 verstorben. Der gesamte Freundeskreis der Einschreiterin ist ebenso in Österreich aufhältig.

 

Zur gegenständlichen Verurteilung der Einschreiterin ist auszuführen, dass dieses Fehlverhalten durch den ehemaligen Lebensgefährten der Einschreiterin, Herrn X verursacht wurde. Die Einschreiterin hat die Lebensgemeinschaft mit Herrn X umgehend nach der Verurteilung aufgelöst. Der ehemalige Lebensgefährte der Einschreiterin wurde bereits mehrfach wegen Suchtmitteldelikten verurteilt. Ohne die Beeinflussung ihres ehemaligen Lebensgefährten, zu der es künftig aufgrund einer Haftstrafe nicht mehr kommen kann, ist eine neuerliche strafrechtliche Delinquenz der Einschreiterin auszuschließen. Allein auf Basis dieses Gesichtspunktes muss eine Prognoseentscheidung jedenfalls zu Gunsten der Einschreiterin ausfallen. Zudem absolviert die Einschreiterin eine psychosoziale Beratung bei der Drogentherapiesteile Point."

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat erwogen:

 

Nachdem Sie seit 8 Jahren in Österreich leben, bis 15.05.2010 (laut Versicherungsdatenauszug vom 31.03.2011) einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind, Ihre Mutter und Ihr Bruder hier leben, wird durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zweifellos in erheblicher Weise in Ihr Privat- und Familienleben eingegriffen.

 

Auch ist Ihnen eine der Dauer des Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen. Allerdings ist im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, die Erfassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse (an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit) in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das private Interesse des Fremden.

 

Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte, ganz gleich in welcher Form, ist schon deshalb dringend geboten, da der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen, führt.

Außerdem nimmt die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen.

Nicht zuletzt bezeichnet auch der EuGH Suchtgifte als „Geisel der Menschheit". Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, und hier vor allem wiederum der Jugendlichen, die diesen Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt sind, ist eine derartige Maßnahme dringend erforderlich.

 

Durch den Handel mit Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, die als solche geeignet ist, eine große Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, wird gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität mit erfahrungsgemäß innewohnender Wiederholungsgefahr handelt, verstoßen.

Der missbräuchliche Umgang mit Rauschgift stellt eine enorme Gefahr für die Volksgesundheit und die innere Sicherheit dar. Da es sich bei der gefährdeten Zielgruppe häufig um junge Menschen und Minderjährige handelt, denen eine wichtige Rolle in einem geordneten Gemeinwesen zukommt, muss der Staat alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Allgemeinheit vor den Folgen des Suchtgiftmissbrauches und der Begleitkriminalität zu schützen.

 

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen straffällige Fremde nach dem Suchtmittelgesetz ist eine solche Maßnahme.

Die schwerwiegenden sozialen, psychischen und körperlichen Folgen des Konsums von Rauschgiften sind oft nicht mehr abzusehen.

 

Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass Ihr oben näher geschildertes persönliche kriminelle Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und der Kriminalität überhaupt.

 

Zusammenfassend gelangt die Behörde daher zur Ansicht, dass die Eriassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund der oben näher geschilderten Umstände nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 66 Abs. 2 FPG zulässig ist.

 

2. Gegen diesen dem Rechtsvertreter der Bw am 6. April 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig vom Rechtsvertreter per E-Mail am 19. April 2011 eingebrachte Berufung vom 18. April 2011.

 

Einleitend verweist der Rechtsvertreter auf die Stellungnahme vom 21. Februar 2011 und hält diese Angaben vollinhaltlich aufrecht.

 

Anschließend setzt sich der Rechtsvertreter mit der Begründung der belangten Behörde auseinander und kommt zum Ergebnis, dass sich diese ausschließlich von generalpräventiven Erwägungen leiten habe lassen. Individuelle Gründe, weshalb die Erlassung eines siebenjährigen Aufenthaltsverbotes gegen die Bw geboten sei, habe die belangte Behörde nicht vorgebracht. Daher sei der angefochtene Bescheid grob rechtswidrig.

 

Weiters habe die belange Behörde keine Prognose erstellt, wie sich die Bw in Zukunft in die österreichische Gesellschaft integrieren könne.

 

Die Kernfamilie der Bw lebe in Österreich, im Herkunftsstaat habe die Bw keine weitere Bezugsperson. Sämtliche Verwandte und Bekannte würden in Österreich aufhältig sein, die Bw habe in Slowenien keine beruflichen Erfahrungen sammeln können und daher wäre eine berufliche Integration im Herkunftsstaat unmöglich.

 

Beide Vorstrafen würden in direktem Zusammenhang mit dem ehemaligen Lebensgefährten X stehen. Nur durch ihn habe die Bw Kontakt mit Suchtgift gehabt. Nach dem letzten Vorfall habe sie die Lebensgemeinschaft gelöst. Seit der Auflösung der Lebensgemeinschaft habe sie kein Suchtgift mehr konsumiert und sei in ständiger Beratung bei der Beratungsstelle X. Dadurch werde die Bw keine Suchtgiftdelikte mehr setzen. Wäre dies von der belangten Behörde berücksichtigt worden, hätte sie kein Aufenthaltsverbot erlassen dürfen. Weiters sei die Interessensabwägung anhand der konkreten Situation zwingend erforderlich gewesen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde gehe die Bw seit 23. März 2011 einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach.

 

Abschließend wurde die ersatzlose Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beantragt.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt irrtümlicherweise der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Im Zuge dieser wurde der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem sowie durch Anfrage beim LG Linz (Weisungsverpflichtung der Bw).

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifende Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

Ferner stellt der Unabhängige Verwaltungssenat aufgrund der ZMR-Anfrage fest, dass die Bw seit 11. Mai 2010 in X, wohnhaft ist und es sich beim Unterkunftgeber um ihren (laut Rechtsvertreter ehemaligen) Lebensgefährten X handelt. Dieser verbüßt seit dem 1. September 2011 seine Haftstrafe in der JA X.

 

Laut Versicherungsdatenauszug vom 31. Mai 2012 war die Bw in den letzten Jahren in der Zeit vom 13. Juli bis zum 30. September 2009, vom 1. Oktober 2009 bis zum 11. Mai 2010, vom 23. bis zum 28. März 2011 und am 18. Juli 2011 beschäftigt.

 

Seit Oktober 2010 kommt die Bw der Weisungsverpflichtung (siehe Beschluss des LG Linz vom 25. März 2010, 27 Hv 13/10d) nicht mehr nach. Punkt 2 des zitierten Beschlusses lautet wie folgt:

 

"Gemäß §§ 50, 51 StGB wird der Angeklagten die Weisung erteilt, die begonnene stationäre Drogenentzugstherapie im X fortzusetzen, anschließend an deren Beendigung eine ambulante Nachbehandlung bezüglich der Drogenabhängigkeitstherapie zu beginnen und dem Gericht darüber jeweils unaufgefordert Bestätigungen vorzulegen, und zwar unverzüglich über den Beginn und sodann vierteljährlich."

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

 

4.1.2. Bei der Bw handelt es sich um eine slowenische Staatsangehörige, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machte, indem sie sich in Österreich niederließ, also um eine Person des in § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises.

 

4.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten der Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden und das Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt.

 

Nachdem die Bw seit Juli 2003 im Bundesgebiet aufhältig ist, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1, 2. Satz FPG zum Tragen.  

 

Hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Das FPG legt, bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer, ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So verlangt § 67 Abs 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") im Verhältnis zu § 64 Abs 4 FPG ein höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem nach dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG ("nachhaltige und maßgelbliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") noch weiter steigert (vgl. VwGH vom 20. November 2008, 2008/21/0603; E vom 3. April 2009, 2008/22/0913).

 

Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände  ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten der Bw ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloß sonstiges öffentliches Interesse sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft, dass darin gelegen ist, strafbare Handlungen gegen das SMG zu verhindern.

 

Die mehrfach qualifizierten Straftaten der Bw wurden in den unter Punkt 1. wiedergegebenen Urteilen als Verbrechen und Vergehen eingestuft.

 

Im Sinne der wiedergegeben Judikatur (VwGH, EGMR, EuGH) ist nicht primär maßgeblich, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Im konkreten Einzelfall ist zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Besonders aussagekräftig sind daher die einzelnen Strafzumessungsbegründungen. Diese lassen eindeutige Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Bw zu.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß ist und der eine große Sozialschädlichkeit innewohnt (vgl. VwGH vom 4.10.2006, 2006/18/0306; VwGH vom 27.6.2006, 206/18/0092).

 

4.2.2. Aus dem Vorlageakt und der Berufung lassen sich Rückschlüsse auf den verwerflichen Charakter der Bw ziehen. Diese Beurteilung und die Gefährlichkeitsprognose konnte die Bw durch ihr Vorbringen nicht entkräften.

 

Die strafbaren Handlungen der Bw zeigen ihre kriminelle Energie auf und lassen auch die deutliche Steigerung erkennen.

 

Am 10. November 2006 wurde die Bw verurteilt, weil sie im Zeitraum März bis Mai 2006 Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider erworben, besessen und konsumiert hatte. Im Hinblick auf die Unbescholtenheit und das Geständnis verhängte das zuständige Bezirksgericht lediglich eine bedingte Geldstrafe. Bereits damals wurden die Tatwiederholungen erschwerend gewertet.

 

Aus dem Verhalten der Bw ist zu ersehen, dass die Einhaltung von Rechtsvorschriften für sie keinen hohen Stellenwert einnimmt, da sie trotz der bedingten Strafe in der Folge schwere Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz (Verbrechen) begangen hat.

 

Der Tatzeitraum erstreckte sich dabei von Mitte April bis Mitte Dezember 2009. Die kriminelle Energie, die seit der ersten Verurteilung Ende 2006 eine wesentliche Steigerung erfuhr, kommt besonders im Tatverhalten der Bw zum Ausdruck. In bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit ihrem Lebensgefährten X führte die Bw Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge in zwei Schmuggelfahrten von Slowenien aus- und nach Österreich ein.

 

In X überließ die Bw Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 301,3 bis 332,4 Gramm Heroin, anderen Personen, wobei die Straftat nach Abs. 1 in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) begangen wurde. Dabei handelte die Bw als unmittelbare Täterin, indem sie Suchtgift im Zeitraum Mitte April bis Mitte August und etwa Mitte Oktober 2009 an mehrere Abnehmer verkaufte und übergab.

 

Weiters trug die Bw auch an den Tathandlungen ihres Lebensgefährten bei, indem sie die gemeinsame Wohnung zur Lagerung des Heroins zur Verfügung stellte ("Bunker"), Anrufe der Abnehmer entgegennahm und Treffen zur Abwicklung der Verkäufe organisierte.

Darüber hinaus konsumierte die Bw im Zeitraum Sommer 2009 bis Mitte Dezember 2009 ca. 50 Gramm Heroin.

 

Wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z. 3 SMG, teilweise als Beitragstäterin gemäß § 12 3. Fall StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG wurde die Bw zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten und einer Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt.

 

Mildernd wurde ausschließlich das umfassende Geständnis gewertet. Erschwerend wirkte sich die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen aus.

 

Die Tathandlungen und die nachfolgende Verantwortung lassen eindeutige Rückschlüsse auf seinen besonders verwerflichen Charakter zu und zeigen über einen langen Zeitraum (2006 und April bis Dezember 2009) auf, dass sie nicht geneigt ist, die Rechtsordnung ihres Gastlandes zu respektieren. Die kriminelle Motivation bestand nicht bloß punktuell und kurzfristig. Auch wenn die Bw in der Berufungsschrift ihre Verbrechen und Vergehen abzuschwächen sucht, indem sie ihr strafrechtlich relevantes Verhalten auf die Lebensgemeinschaft mit X zurückführt, darf nicht übersehen werden, dass sie einen Großteil der Verbrechen als unmittelbare Täterin und nur einen geringen Anteil als Beitragstäterin begangen hat. Die umfassenden Tathandlungen (Bereitstellen der Wohnung als Lagerraum, Entgegennahme der Anrufe, Organisation der Treffen zur Abwicklung der Verkäufe, ...) zeigen die Einbindung der Bw in den Suchtgiftverkauf und deren eigenständiges Agieren auf.

 

In der Berufungsschrift behauptet die Bw allgemein gehalten, dass sie die Lebensgemeinschaft mit X unmittelbar nach der Betretung mit dem Suchtgift beendet habe. Bedenklich an dieser Aussage erscheint, dass die Bw nach wie vor an der gemeinsamen Wohnadresse gemeldet ist und der (ehemalige) Lebensgefährte als Unterkunftgeber aufscheint. Im Hinblick darauf, dass der Lebensgefährte aufgrund seiner Verbrechen nach dem SMG eine dreijährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, ist eine "Lebensgemeinschaft" in ihrer typischen Ausprägung überhaupt nicht möglich.

 

Die Bw hat in der Berufungsschrift "eine ständige Beratung bei der Beratungsstelle X" behauptet, diesbezügliche Nachweise darüber ist sie aber schuldig geblieben. Selbst wenn diese stattgefunden haben mögen, hatten diese lediglich den Charakter eines "Beratungsgespräches". Bedeutsamer und aussagekräftiger wäre die Absolvierung einer "Drogenabhängig-keitstherapie". Entgegen der gerichtlichen Weisung vom 25. März 2010 ist die Bw ab Oktober 2010 ihrer Verpflichtung nicht mehr nachgekommen und hat keinerlei Nachweise über die Teilnahme an der Therapie vorgelegt. Im Hinblick auf die Berufungsausführungen ist davon auszugehen, dass die Bw Beratungsgespräche der Drogenabhängigkeitstherapie vorgezogen hat. Dass die Bw der gerichtlichen Weisung auch noch nach dem Sommer 2010 Folge geleistet habe, hat sie nicht einmal ansatzweise in der Berufungsschrift behauptet. Die Missachtung der gerichtlichen Weisung ist daher evident. Damit zeigt die Bw aber erneut ihre negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung auf.

 

Mit ihrem teilweise allgemein gehaltenen Vorbringen ist es der Bw auch nicht gelungen, darzulegen, dass das beschriebene Gefährdungspotential gegenwärtig und auch zukünftig von ihr nicht mehr ausgehen werde.

 

Ein geradezu klassisches Beispiel für eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr bildet fraglos der Suchtgifthandel. Dies hat nicht nur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof festgestellt. "Die Suchtgiftdelinquenz stellt – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes Interesse angesichts dessen ist es nicht rechtswidrig in diesen Fällen die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1" (nunmehr § 67 Abs. 1) "FPG anzusehen" (VwGH vom 12. Oktober 2010, 2010/21/0335).

 

Dies gilt wohl nicht so sehr für den Drogen-Eigenkonsum, sondern insbesondere für den Handel mit Suchtgiften.

 

Es muss auch weiterhin von einem erheblichen Gefährdungspotential für die Sicherheit der Republik Österreich ausgegangen werden, weshalb die Tatbestände des § 67 Abs. 1 FPG als gegeben anzunehmen sind.

 

Auch wenn die Bw seit der letzten Tatbegehung wegen keiner einschlägigen Tat zur Anzeige gelangte, lässt das Persönlichkeitsbild der Bw aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens (u.a. Missachtung der gerichtlichen Weisung seit zumindest Oktober 2010) keinesfalls den Schluss zu, dass sie nunmehr als geläutert anzusehen ist.

 

4.3. Im in Rede stehenden Fall ist darüber hinaus besonders auf das Privat- und Familienleben der Bw im Sinne einer Interessensabwägung Bedacht zu nehmen.

 

4.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.2. Zur Aufenthaltsdauer der Bw im Bundesgebiet ist zunächst festzuhalten, dass diese knapp neun Jahre beträgt. Der Aufenthalt der Bw ist durchgehend rechtmäßig.

 

4.4.3. Weiters hat das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens in die Beurteilung einzufließen.

 

Abgesehen von mehreren längeren Unterbrechungen stellten Familienmitglieder der Bw Unterkünfte zur Verfügung bzw. scheinen als Unterkunftgeber auf. Seit dem 11. Mai 2010 lebt die Bw in der Wohnung ihres (ehemaligen) Lebensgefährten. Zum Zeitpunkt der Einreise in Österreich war die Bw bereits volljährig. Ein Familienleben im engeren Sinn wurde von der Bw weder behauptet noch ist ein solches aktenkundig. Im Berufungsverfahren wurde lediglich darauf hingewiesen, dass sich die Kernfamilie und sämtliche Verwandte in Österreich befinden würden. Das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ist nicht hervorgekommen. Derzeit besteht auch kein gemeinsamer Wohnsitz mit einem Familienmitglied.

 

Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt darüber hinaus die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar.

 

Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine "Ausweisung" gemäß § 66 Abs. 1 FPG – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Im konkreten Fall ist die Bw seit knapp neun Jahren in der Republik Österreich aufhältig. Auch wenn die Bw bis Mai 2010 überwiegend einer Beschäftigung nachgegangen ist, war sie seit 15. Mai 2010 insgesamt nur mehr sieben Tage beschäftigt. Anzumerken ist dabei, dass das vorletzte Beschäftigungsverhältnis (sechs Tage) knapp vor der Berufungseinbringung eingegangen wurde. In der Berufung wies der Rechtsvertreter zwar auf ein bestehendes sozialversicherungspflichtiges Verhältnis hin, dieses hatte die Bw aber vor der Schriftsatzerstellung bereits wieder beendet. Zuletzt war die Bw nur einen Tag – am 18. Juli 2011 – als Arbeiterin tätig (siehe Versicherungsdatenauszug vom 31. Mai 2012). Kurz nach der Urteilsverkündung hat die Bw das letzte mehrmonatige Beschäftigungsverhältnis aufgegeben und sich seither nicht mehr in das Berufsleben eingegliedert.

 

Merkmale für eine weitere soziale Integration der Bw in Österreich sind im Verfahren kaum hervorgekommen. Die Bw bringt zwar – was vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in keinster Weise angezweifelt wird – vor, dass die Kernfamilie, die Verwandten und Bekannten in Österreich leben würden. Diese allgemein gehaltene Aussage lässt jedoch gerade nicht auf intensive Kontakte schließen. Sie vermag auch keine entsprechende Beteiligung am gesellschaftlichen Leben (Vereinszugehörigkeit oä) nachzuweisen. Gegen die soziale Integration der Bw sprechen hingegen insbesondere die von ihr begangenen strafbaren Handlungen, bei welchen die Bw im erhofften künftigen Heimatstaat zumindest Suchtmittel missbrauchte und wiederholt Suchtgifte verkaufte bzw. am Handel nicht unwesentlich beteiligt war.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung gelangt man daher zum Ergebnis, dass eine tiefgehende Integration der Bw ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht gegeben ist.

 

Festzustellen ist weiters, dass die heute knapp 29-jährige Bw den überwiegenden Teil ihres Lebens, nämlich 20 Jahre, in dem von ihr bezeichneten Staat verbracht hat. Sie beherrscht die dortige Sprache und ist mit dem kulturellen Umfeld vertraut. Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht gegeben. Ein Verstoß der Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren nicht hervor.

 

Im Hinblick auf das strafrechtlich relevante Verhalten ist festzuhalten, dass im Allgemeinen die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß ist (siehe statt vieler VwGH 29.9.1994, 94/18/0370).

 

Zumindest bei dem von der Bw zuletzt verübten Verbrechen handelt es sich unzweifelhaft nicht um einen Fall von "Kleinkriminalität". Es zeugt fraglos von großer krimineller Energie und längerfristigem, eine Unbesonnenheit völlig ausschließendem Engagement, entsprechende Kontakte in der einschlägigen Szene anzubahnen, derartige wie die durchgeführten Verbrechen zu planen und diese dann auch auszuführen.

 

Das öffentliche Interesse an der Unterbindung des Suchtgifthandels ist besonders hoch anzusiedeln. Im Fall der Suchtgiftkriminalität ging es nicht "bloß" um den Eigenbedarf.

 

Zwar ist der Bw durch ihre Aufenthaltsdauer im Inland von knapp neun Jahren ein untergeordnetes Maß an Integration bzw. ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen. Die vorhandene, zuletzt schwach ausgeprägte soziale Integration ist jedoch schon dadurch zu relativieren, als seit der letzten rechtskräftigen Verurteilung die Ausübung einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit de facto nicht bestanden hat. Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten der Bw ist jedoch vor allem, dass sie durch die von ihr mit beachtlicher krimineller Energie verwirklichten strafrechtlichen Delikte unter Beweis gestellt hat, von einer Integration in die Rechts- und Gesellschaftsordnung des Gastlandes weit entfernt zu sein. Dies stellt sie auch durch die Missachtung der gerichtlichen Weisung eindeutig unter Beweis. Darüber hinaus scheint eine Reintegration im Heimatland der Bw, in welchem sie den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, keineswegs unzumutbar.

 

Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen der Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher dem Grunde nach zulässig und die Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz ihres Privat- und Familienlebens berufen.

 

Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt man zu den eben dargestellten Überlegungen, wodurch grundsätzlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Bw gerechtfertigt ist.

 

Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens der Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.

 

4.5.1. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden.

 

Im angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde – gestützt auf die vorgehende Rechtslage – ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

 

4.5.2. In Anbetracht des Gefährdungspotentials und der Verwerflichkeit des Tuns der Bw muss die Republik Österreich vor weiteren kriminellen Aktivitäten der Bw geschützt werden. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde wird die Verhängung eines auf drei Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes als ausreichend angesehen. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass vor diesem Zeitpunkt eine positive Zukunftsprognose erstellt werden könnte.

 

4.6. Auf eine Übersetzung des Spruchs bzw. der Rechtsmittelbelehrung konnte in Hinblick auf § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG verzichtet werden, da die Bw offenkundig der deutschen Sprache mächtig ist.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Mag. Stierschneider

Beachte:

Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

VwGH vom 13. Dezember 2012, Zl.: 2012/21/0181-8

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