Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-390327/3/Gf/Hue/Rt

Linz, 14.06.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Gróf über die Berufung des U W, vertreten durch RA Dr. W Sch, gegen das aus Anlass einer Übertretung des Telekommunikationsgesetzes erlassene Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg vom 30. Jänner 2012, Zl. BMVIT-635540/0541/11, zu Recht:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg vom 30. Jänner 2012, Zl. BMVIT-635540/0541/11, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 1.740 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage; Verfahrenskostenbeitrag: 174 Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: 1.914 Euro) verhängt, weil er es als Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, dass von dieser am 13. Mai 2011 um 12:38 Uhr ein Anruf zu Werbezwecken bei einer Dritten ohne deren vorangehender Einwilligung durchgeführt worden sei. Dadurch habe er eine Übertretung des § 107 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes, BGBl.Nr. I 70/2003, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 23/2011 (im Folgenden: TKG), begangen, weshalb er nach § 109 Abs. 4 Z. 8 TKG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass jene von einer Servicefirma im Auftrag des Beschwerdeführers kontaktierte Dritte deshalb Anzeige erstattet habe, weil sie zu dem deren Teilnahme an einem Gewinnspiel intendierenden Werbeanruf keinesfalls ihre vorherige Zustimmung erteilt habe.

 

Da die GmbH des Rechtsmittelwerbers den diesbezüglichen Datensatz von einem ausländischen Unternehmen offensichtlich ohne nähere Vergewisserung über das tatsächliche Vorliegen der gesetzlich erforderlichen Einwilligung angekauft habe, liege sohin zumindest fahrlässiges und damit auch schuldhaftes Handeln vor.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei sein Geständnis als mildernd, eine wegen einer gleichartigen Gesetzesverletzung bereits erteilte Ermahnung hingegen als erschwerend zu berücksichtigen gewesen. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien entsprechend berücksichtigt worden.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 3. Februar 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. Februar 2012 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass seine GmbH die Vertragsanbahnungen in der Regel über als eigenständige juristische Personen organisierte Call-Center im Wege von telefonischen Kontaktaufnahmen durchführen lasse. In diesem Zusammenhang gehöre es zu seinen vorrangigen Geschäftsprinzipien, nur mit solchen Kunden in Kontakt zu treten, die hierzu auch eine vorherige Einwilligung erteilt haben. Eine solche sog. "Opt-in-Erklärung" sei auch im gegenständlichen Verfahren deshalb vorgelegen, weil sich die kontaktierte Fernsprechpartnerin anlässlich ihrer Teilnahme bei einem früheren Gewinnspiel explizit mit einer weiteren "telefonischen Angebotsunterbreitung" betreffend "Glücks- und Gewinnspiele" auch durch Partner und Sponsoren des damaligen Veranstalters einverstanden erklärt habe, wobei damals u.a. auch die Unternehmen des Beschwerdeführers ausdrücklich als derartige Partner und Sponsoren genannt worden seien; zum Beweis dafür, dass jene hier die Anzeige erstattet habende Gesprächsteilnehmerin häufig via Internet an Gewinnspielen teilnehme und in diesem Zuge immer wieder auch entsprechende Opt-in-Erklärungen abgebe, würden mit der Berufung entsprechende Nachweise vorgelegt. Dessen ungeachtet würde der Rechtsmittelwerber alle Unternehmen, von denen er Adressdaten beziehe, auch vertraglich dazu verpflichten, ihn nur mit rechtmäßig erhobenen Daten zu beliefern. Davon ausgehend habe er auch im vorliegenden Fall darauf vertrauen dürfen, dass den übermittelten Datensätzen ausschließlich ordnungsgemäße Opt-in-Erklärungen zu Grunde liegen, sodass seinerseits keinerlei Verschulden vorliege.

 

Daher wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Geldstrafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg zu Zl. BMVIT-635540/0541/11; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. dazu jüngst EGMR vom 5. Juni 2012, 34721/09, m.w.N., wonach eine Verhandlung auch dann, wenn bloß eine gerichtliche Instanz entscheidet, entfallen kann, wenn – wie hier [vgl. unten, 3.2.] – ausschließlich Rechtsfragen zu entscheiden sind).

 

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis auch keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

 

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

 

3.1. Gemäß § 109 Abs. 4 Z. 8 i.V.m. § 107 Abs. 1 TKG beging u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und war mit einer Geldstrafe bis zu 58.000 Euro zu bestrafen, der Anrufe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers tätigte.

3.2. Im vorliegenden Fall wurde auch vom Beschwerdeführer selbst nicht in Abrede gestellt, dass der verfahrensgegenständliche Anruf ausschließlich zu Werbezwecken erfolgte; strittig ist hingegen lediglich, ob hierzu eine vorangehende Einwilligung der kontaktierten Gesprächsteilnehmerin vorlag.

3.2.1. Diesbezüglich hat der Oö. Verwaltungssenat bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2011, Zl. VwSen-390301, ausgesprochen, dass es grundsätzlich dem Anrufer obliegt, einen Nachweis für das Bestehen einer solchen Einwilligung zu erbringen.

3.2.2. Davon ausgehend hat der Rechtsmittelwerber im gegenständlichen Fall zugleich mit seiner Berufung auch Auszüge von zwei Internet-Seiten vorgelegt, aus denen jeweils hervorgeht, dass sich die hier kontaktierte Person auf diesen Homepages jeweils mit ihren Daten (und zwar am 17. Dezember 2010 bzw. am 29. Juli 2011, also einmal vor bzw. einmal nach dem hier maßgeblichen Tatzeitpunkt) registrieren ließ und dabei u.a. auch sowohl einer künftigen telefonischen Kontaktierung durch diese Unternehmen sowie deren Partner und Sponsoren – zu denen jeweils die GmbH des Beschwerdeführers zählte – ausdrücklich zugestimmt hat.

Wenngleich dies zwar keinen direkten Beweis dafür darstellt, dass die Angerufene damit eine auch die im vorliegenden Fall erfolgte Kontaktaufnahme umfassende Einwilligung erteilt hat, ist dieser Umstand aber doch geeignet, ihre per e‑mail vom 14. November 2011 an die belangte Behörde ergangene Äußerung (auf die sich das hier angefochtene Straferkenntnis allein stützt), dass ihr "nichts bekannt" sei, "einem Eintragungsdienst eine Zustimmung erteilt" zu haben bzw. sich nicht erinnern zu können, diesbezüglich "jemals gefragt worden zu sein", bezüglich deren Glaubwürdigkeit entscheidend zu relativieren: Selbst wenn es nämlich zutreffen sollte, dass – wie dies von der belangten Behörde vorgebracht wird – sog. Eintragungsdienste die ihnen auf welche Art immer zugekommenen Personaldaten jeweils ohne Verifizierung in Bezug auf deren Richtigkeit oder auf das Vorliegen einer Opt-in-Einwilligung an Unternehmen wie jenes des Rechtsmittelwerbers weiter veräußern, bedeutet dies nicht, dass der Erwerber deshalb in jedem Fall gleichsam "automatisch" dazu verhalten wäre, eine ihm vertraglich zugesicherte Unbedenklichkeit dieser Daten gleichsam "sicherheitshalber" stets dennoch zu hinterfragen. Eine derart überhöhte Sorgfaltspflicht würde nicht nur die alltägliche Geschäftspraxis, die auf dem Grundsatz der prinzipiellen Vertrauenswürdigkeit der Vertragspartner basiert, in einem unverhältnismäßigen Ausmaß beeinträchtigen bzw. geradezu in ihr Gegenteil verkehren, sondern auch das in einem Rechtsstaat auf dem Verschuldensprinzip fußende Verwaltungsstrafrecht in ein System einer bloßen Gefährdungshaftung pervertieren.

Davon ausgehend konnten daher bloß vereinzelte, zudem in einem anderen zeitlichen Zusammenhang sowie mit einem anderen Datensatz-Anbieter allenfalls zu Tage getretene Unregelmäßigkeiten (abgesehen davon, dass der diesbezügliche, im Schreiben der belangten Behörde vom 4. März 2011 enthaltene Hinweis entgegen der Darstellung in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zweifelsfrei ebenso wenig eine förmliche "Ermahnung" i.S.d. § 21 VStG wie die Einvernahme des Rechtsmittelwerbers am 13. Dezember 2011 eine [kontradiktorische] "Verhandlung" verkörperte) nicht dazu führen, dass der Beschwerdeführer aus verwaltungsstrafrechtlicher Sicht (auch) dazu verpflichtet gewesen wäre, jene ihm von dem im gegenständlichen Verfahren involvierten Unternehmer zur Verfügung gestellten Daten im Einzelnen darauf hin zu überprüfen, ob die zugesicherte Opt-in-Einwilligung auch jeweils tatsächlich vorliegt.

3.2.3. Dies sowie die relativierte Glaubwürdigkeit der konkret kontaktierten Person berücksichtigend liegt daher im gegenständlichen Fall im Ergebnis kein rechtsstaatlich-verwaltungsstrafrechtlichen Anforderungen genügender Nachweis einer tatbestandsmäßigen und schuldhaften Handlung des Beschwerdeführers vor.

Im Zweifel war daher gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK vom Nichtbestehen eines Verschuldens des Rechtsmittelwerbers auszugehen.

3.5. Deshalb war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

 

VwSen-390327/3/Gf/Rt vom 14. Juni 2012

 

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

EMRK Art6 Abs2;

TKG 2003 §107 Abs1

 

 

Grundsätzlich obliegt es dem Anrufer, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass vor der Durchführung des Anrufes zu Werbezwecken eine entsprechende Einwilligung des kontaktierten Gesprächsteilnehmers – zB im Wege einer sog "Opt-in-Erklärung" durch Registrierung auf einer Internet-Homepage – vorlag (vgl UVS OÖ 27.6.2011, VwSen-390301).

 

Wenn der Beschuldigte zugleich mit seiner Berufung entsprechende Auszüge von zwei Internet-Seiten vorgelegt, aus denen jeweils hervorgeht, dass sich die kontaktierte Person auf diesen Homepages jeweils mit ihren Daten (und zwar einmal vor bzw einmal nach dem hier maßgeblichen Tatzeitpunkt) registrieren ließ und dabei ua sowohl einer künftigen telefonischen Kontaktierung durch dieses Unternehmen sowie deren Partner und Sponsoren – zu denen jeweils die GmbH des Beschwerdeführers zählte – ausdrücklich zugestimmt hat, so stellt dies zwar noch keinen direkten Beweis dafür dar, dass der Angerufene damit eine auch die im vorliegenden Fall erfolgte Kontaktaufnahme umfassende Einwilligung erteilt hat. Allerdings ist dieser Umstand durchaus geeignet, die pauschal-generalisierende Äußerung der kontaktierten Person, dass ihr "nicht bekannt" sei, "einem Eintragungsdienst eine Zustimmung erteilt" zu haben bzw sich nicht erinnern zu können, diesbezüglich "jemals gefragt worden zu sein", bezüglich deren Glaubwürdigkeit entscheidend zu relativieren: Selbst wenn es nämlich zutreffen sollte, dass sog (Daten-)"Eintragungsdienste" die ihnen auf welche Art immer zugekommenen Personaldaten jeweils ohne Verifizierung in Bezug auf deren Richtigkeit oder auf das Vorliegen einer Opt-in-Einwilligung an Unternehmen wie jenes des Rechtsmittelwerbers weiter veräußern, bedeutet dies nicht, dass der Erwerber deshalb in jedem Fall gleichsam "automatisch" dazu verhalten wäre, eine ihm vertraglich zugesicherte Unbedenklichkeit dieser Daten gleichsam "sicherheitshalber" in jedem Einzelfall stets dennoch hinterfragen zu müssen. Eine derart überhöhte Sorgfaltspflicht würde nicht nur die alltägliche Geschäftspraxis, die auf dem Grundsatz der prinzipiellen Vertrauenswürdigkeit der Vertragspartner basiert, in einem unverhältnismäßigen Ausmaß beeinträchtigen bzw geradezu in ihr Gegenteil verkehren, sondern auch das in einem Rechtsstaat auf dem Verschuldensprinzip fußende Verwaltungsstrafrecht in ein System einer bloßen Gefährdungshaftung pervertieren.

 

 

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