Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231306/3/Gf/Rt

Linz, 10.07.2012

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des A H, vertreten durch RA Mag. H T, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 12. Juni 2012, Zl. Sich96-394-2010, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.      

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 12. Juni 2012, Zl. Sich96-394-2010, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 120 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 12 Euro) verhängt, weil er am 11. April 2010 in der Zeit zwischen 3:15 Uhr und 3:25 Uhr in der Rudolfstraße in Linz trotz mehrmaliger Abmahnung eine Amtshandlung durch ständiges Beschimpfen der Beamten sowie durch aggressives Nähertreten zu und provokantes Aufbauen vor diesen bis zu seiner Festnahme behindert habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 133/2009 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten auf Grund entsprechender zeugenschaftlicher Wahrnehmungen der einschreitenden Sicherheitsorgane als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei eine einschlägige Vormerkung als erschwerend zu werten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien; die von ihm angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 15. Juni 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 29. Juni 2012 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass er die einschreitenden Exekutivorgane keineswegs lautstark angeschrien und sich auch aus deren Zeugenaussagen ergebe, dass er sich ihnen gegenüber nicht aggressiv verhalten habe. Außerdem habe er die Amtshandlung nicht behindert, sondern er sei vielmehr der Aufforderung, das Lokal zu verlassen, unverzüglich nachgekommen, wobei er dann auch seine Personaldaten bekannt gegeben habe; daher sei es auch nicht erforderlich, sondern vielmehr unverhältnismäßig gewesen, ihn mit ausgestreckten Armen gegen die Wand zu drücken. Schließlich habe es die belangte Behörde auch verabsäumt, den seiner Entlastung dienenden Akt der Staatsanwaltschaft Linz zu Zl. 15 St 78/10y beizuschaffen; denn aus diesem ergebe sich, dass er die ihm angelastete Übertretung nicht begangen habe.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. Sich96-394-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

3.2.1. Im gegenständlichen Fall hat das Stadtpolizeikommando Linz wegen des Vorfalles vom 11. April 2010 nicht nur eine Anzeige wegen des Verdachtes einer Übertretung des § 82 Abs. 1 SPG (vgl. Zl. D1/18902/2010 vom 11. April 2010), sondern auch eine Anzeige wegen des Verdachtes einer Beleidigung gemäß § 115 StGB (vgl. D1/17670/2010 vom 11. April 2010) erstattet, wobei die Staatsanwaltschaft Linz das letztere Verfahren gegen den Beschwerdeführer mit Benachrichtigung vom 3. August 2010, Zl. 15 St 78/10y–1, gemäß § 190 Z. 1 StPO eingestellt hat.

 

3.2.2. In seinem Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nunmehr klargestellt, dass eine Verletzung des Verbotes der Doppelverfolgung (bzw. der Doppelbestrafung) i.S.d. Art. 4 des 7.ZPMRK stets dann vorliegt, wenn wegen ein und desselben Sachverhalts ("identical or substantially the same facts") eine mehrfache behördliche und/oder gerichtliche Ahndung vorgenommen wird. In Abkehr von seiner früheren, sog. "essential elements"-Judikatur ist daher eine parallele Verfolgung nach unterschiedlichen, wenngleich in ihrer rechtspolitischen Zielsetzung (Intention) entsprechend divergierenden Rechtsvorschriften nicht mehr zulässig, wenn und soweit dieser jeweils dieselbe Faktenlage zu Grunde liegt (vgl. näher VwSen-231262 vom 27. Juni 2011 sowie A. Grof, Ne bis in idem – das "Zoltukhin-Urteil" des EGMR, Spektrum der Rechtswissenschaft 1/2011,V&VJ, 1 ff). Insbesondere lässt auch der Umstand, dass im gerichtlichen Verfahren eine strafrechtliche Inanspruchnahme – aus welchen Gründen auch immer – effektiv ausscheidet, eine ursprünglich allenfalls vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit nicht wieder aufleben (vgl. in diesem Sinne schon z.B. VwGH v. 22. März 1999, 98/17/0134).

 

Gerade dies trifft jedoch – wie sich aus der Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Linz vom 3. August 2010, Zl. 15 St 78/10y–1, ergibt – bezüglich des mit dem vorliegend bekämpften Straferkenntnis geahndeten Vorfalles zu.

 

3.3. Davon ausgehend war der gegenständlichen Berufung sohin schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 

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