Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166788/7/Bi/Kr

Linz, 05.07.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, X, X, vom 13. Februar 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Ried/Innkreis vom 2. Februar 2012, VerkR96-10302-2011, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 5. Juli 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 24 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 120 Euro (34 Stunden EFS) verhängt, weil er am 13. August 2011 um 13.24 Uhr den Pkw, Kz. X (D), auf der B148 bei Strkm 8.416, Gemeinde St. Georgen bei Obernberg am Inn, in Fahrtrichtung Altheim gelenkt und die durch Straßen­verkehrszeichen in diesem Bereich kund­gemachte zulässige Höchstge­schwindig­keit von 70 km/h um 33 km/h über­schritten habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 12 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 5. Juli 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, für die sowohl der Bw als auch der Vertreter der Erstinstanz entschuldigt waren. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er anerkenne die Strafe nicht, weil er das Fahrzeug zum damaligen Zeitpunkt nicht gelenkt habe.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die schriftlichen Ausführungen beider Parteien berücksichtigt wurden.

 

Dem Verfahren zugrunde liegt eine Anzeige des Landespolizeikommandos, Landesverkehrsabteilung Oberösterreich, vom 21. November 2011, wonach das Fahrzeug X (D) am 13. August 2011, 13.24 Uhr, bei km 8.416 der B148 Altheimer Straße im Gemeindegebiet St. Georgen bei Obernberg am Inn im Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h mittels stationärem Radar MUVR 6FA 1075 Nr.4 mit einer Geschwindig­keit von 109 km/h gemessen wurde; abzüglich einer vom Hersteller vorgeschriebenen Toleranz von 5% wurde der Anzeige eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 103 km/h zugrunde gelegt.

Auf dem Radarfoto ist das Kennzeichen des in Deutschland  laut KZA Flensburg auf den Bw zugelassenen Fahrzeuges, Marke VW, mit  "X" zu erkennen. Gegen die an ihn seitens der Erstinstanz als Tatortbehörde ergangene Strafverfügung vom 29. September 2011 wegen Übertretung gemäß §§ 52 lit.a Z.10 lit.a iVm 99 Ab.2d StVO 1960 erhob der Bw fristgerecht Einspruch und begründete diesen damit, es kämen vier Familienangehörige als Lenker in Frage, er selbst sei nicht unterwegs gewesen. Wer mit dem Fahrzeug jeweils fahre, sei ihm nicht bekannt und wolle er das auch nicht preisgeben. Er mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und werde die Strafe nicht bezahlen.

Mit Schreiben der Erstinstanz vom 18. Oktober 2011 wurde der Bw unter Übermittlung des Radarfotos samt den genauen Daten gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 als Zulassungsbesitzer des Pkw X aufgefordert, binnen zwei Wochen ab dessen Zustellung bekanntzugeben, wer das  Fahrzeug am 13. August 2011 um 13.24 Uhr gelenkt habe oder wer diese Auskunft erteilen könne. Unter Wiedergabe des Wortlauts der genannten Gesetzesbestimmung wurde der Bw auch darauf hingewiesen, dass eine ungenaue oder unvollständige Auskunft oder deren Verweigerung als Verwaltungsübertretung strafbar sei.

 

Der Bw hat darauf trotz eigenhändiger Zustellung am 24. Oktober 2011 nicht reagiert. Auf die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. November 2011 machte er geltend, ihm sei der Lenker am genannten Tag nicht bekannt und er wolle auch keine weiteren Angaben machen.

Daraufhin erging das angefochtene Straferkenntnis.   

In der Berufungsverhandlung wurde der gesamte Akteninhalt verlesen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 zeigt das Vorschriftzeichen "Geschwindig­keits­beschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Gemäß § 99 Abs.2d StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist unter Zugrundelegung dieses Strafrahmens zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet.

 

Auf der B148 Altheimer Straße ist im Kreuzungsbereich mit der Weilbacherstraße im Abschnitt zwischen km 8.325 und km 8.647 in beiden Fahrtrichtungen eine Geschwindigkeitsbe­schrän­kung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) auf 70 km/h verordnet, die zur Verhinderung von Verkehrsunfällen mit hohen Geschwindig­keiten durch das genannte stationäre Radargerät überwacht wird.

 

Dass im ggst Fall österreichisches Recht anzuwenden ist – was selbstverständlich auch bedeutet, dass sich ein deutscher Lenker an in Österreich geltende Geschwindigkeits­beschränkungen zu halten hat – müsste dem Bw nach dem auch in Deutschland geltenden Territorialitätsprinzip klar sein. Danach richtet sich auch das für die Nichtbeachtung von Bestimmungen der Straßenverkehrs­ordnung vorgesehene (Straf-)Verfahren.

 

Richtig ist, dass das Radarfoto nicht den Lenker zeigt, zumal es von hinten aufgenommen wurde. Allerdings sieht die österreichische Rechts­ordnung, konkret § 103 Abs.2 Kraft­fahr­gesetz 1967, explizit vor, dass im Fall der Nichterkenn­barkeit eines Lenkers der Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges, dessen Kennzeichen mit dem Radarfoto zweifellos eindeutig erfasst wurde, auf ausdrückliche Aufforderung der Strafbehörde tätig zu werden hat.

 

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraft­fahr­zeug ge­lenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger ver­wendet hat bzw zu­letzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der be­treffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Aus­kunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Aus­kunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten er­scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeich­nun­gen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Ver­fassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunfts­verweigerung zurück.

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zu­grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines KFZ jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (vgl VwGH 18.11.1992, 91/03/0294 ua). Im Übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nicht als rechts­wid­rig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines einge­brachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem ande­ren Staat aufhältig ist, ge­richtet wird.

 

Der Einwand des Bw, er selbst habe den Pkw zwar nicht gelenkt, diesen aber an möglicherweise vier Familienangehörige verliehen, sodass er von "seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache", geht schon damit ins Leere, dass es in Österreich kein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich Familienangehörigen  gibt. Der letzte Satz der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967, die dem Bw in der Lenkeraufforderung zur Kenntnis gebracht wurde, steht im Verfassungsrang und geht daher Aussageverweigerungsrechten ebenso wie dem Schweigerecht des Beschuldigten vor. Im übrigen hat der österreichische Verfassungs­gerichts­hof in seiner Rechtsprechung (Vgl E 22.9.2011, B1369/10) ausgeführt, dass zwar eine Überwälzung der Beweislast auf den Beschuldigten entgegen der Unschuldsvermutung des Art.6 Abs.2 EMRK unzulässig sei, allerdings die Behörde sich ein Bild von der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu machen habe. Der Bw ist ohne jegliche Angaben von Gründen zur Verhandlung nicht erschienen. Selbst wenn der Bw im Ergebnis zur Bekanntgabe der Lenkereigenschaft eines Familienangehörigen verpflichtet war, hätte dieser jederzeit die Möglichkeit gehabt, sich im Rahmen eines MRK-konformen Verwaltungsstrafverfahrens zum Vorwurf einer Geschwindigkeitsüber­schreitung um 33 km/h zu verteidigen. 

Der von der Erstinstanz aus den eher inhaltsleeren und lapidaren Äußerungen des Bw gezogene Schluss auf seine eigene Lenkereigenschaft ist daher auch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl E 22.9.2011, B1369/10) nicht als rechtswidrig anzusehen und lässt auch nach dem Dafürhalten des Unabhängigen Verwaltungs­senates die Verantwortung des Bw  durchaus den logischen Schluss zu, dass er selbst unter Verwendung des auf ihn zugelassenen Pkw die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Da der Bw zur Verhandlung, wie angekündigt aber ohne Angaben von Gründen, nicht erschienen ist, war seine bisherige Verantwortung zu berücksichtigen, wobei allerdings sein pauschaler Hinweis auf die "Familienangehörige" in keiner Weise auch nur glaubhaft gemacht wurde. Aufgrund der bloßen Behauptung des Bw, er habe den Pkw nicht selbst gelenkt und lehne weitere Angaben dazu ab, für die er aber seine eigene Lenkereigenschaft nachvollziehbar ausschließenden Beweise nicht einmal angeboten hat, geht der Unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass es sich um eine bloße Schutzbehauptung handelt und der Bw selbst den auf ihn zugelassenen Pkw zum maßgebenden Zeitpunkt gelenkt hat.

 

Die Geschwindigkeitsübertretung hat der Bw nie explizit bestritten. Damit war davon auszugehen, dass bei einer erlaubten Höchst­geschwindigkeit von 70 km/h im oben genannten Kreuzungsbereich die vom Bw tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit 103 km/h betrug, dh es lag eine Überschreitung um immerhin 33 km/h vor.

Im Übrigen werden auch in Deutschland Geschwindigkeits­beschränkungen penibel überwacht und selbstverständlich Verstöße auch geahndet. Auch wenn in Deutschland bestimmte rechts­kräftige österreichische Verwaltungsstrafen entgegen dem Rechtshilfe­abkommen nicht vollstreckt werden sollten, bleiben sie in Österreich (zB im Rahmen einer Verkehrskontrolle) vollstreckbar.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zur Auffassung, dass der Bw selbst den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da ihm die Glaubhaft­machung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2d StVO 1960 von 70 Euro bis 2.180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Bw ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, was die Erstinstanz auch als Milderungsgrund gewertet hat. Erschwerende Umstände waren nicht zu berücksichtigen. Die finanziellen Verhältnisse des Bw wurden mit 1.300 Euro und dem Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten angenommen; zumal sich der Bw dazu nicht geäußert hat, waren diese auch der Berufungs­ent­scheidung zugrunde zu legen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuld­gehalt der Übertretung (unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes) und ist auch den unbestritten gebliebenen finanziellen Verhältnissen des Bw ange­messen. Die festgesetzte Strafe hält general­präventiven Überlegungen stand und soll vor allem den Bw zur Beachtung von Geschwindigkeitsbeschränklungen auf österreichischen Straßen anhalten.

 

Ansätze für eine Strafherabsetzung fanden sich nicht und wurden auch nicht geltend gemacht. Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer Ermahnung  gemäß § 21 VStG waren mangels Vorliegens eines geringfügigen Verschuldens nicht gegeben. Bei 33 km/h Überschreitung ist sogar Vorsatz in Form von dolus eventualis anzunehmen – gemäß § 5 Abs.1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe angemessen.

Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 


Beschlagwortung:

 

deutscher Zulassungsbesitzer = Lenker = strafbar wegen der Geschwindigkeitsübertretung

 

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