Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-590294/8/Gf/Rt

Linz, 06.07.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des D P, vertreten durch RA Dr. W N, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 16. August 2011, Zl. SanRL01-8-2011, wegen der Vorschreibung von Pflegegebühren für einen Krankenhausaufenthalt (Mitbeteiligte Partei: Oö. Gesundheits- und Spitals-AG als Rechtsträgerin des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses X) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 AVG.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 16. August 2011, Zl. SanRL01-8-2011, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 und 2 des Oö. Krankenanstaltengesetzes, LGBl.Nr. 132/1997, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl.Nr. 85/2009 (im Folgenden: OöKAG), für anlässlich des Aufenthaltes seines Vaters im Allgemeinen Öffentlichen Krankenhaus X (im Folgenden: KH X) im Zeitraum zwischen dem 11. und dem 19. August 2009 entstandene Aufwendungen ein Ersatz von Pflege-(Sonder-)gebühren in einer Höhe von 96,48 Euro vorgeschrieben (bzw. seinem gegen die Gebührenvorschreibung in dieser Höhe durch das KH X erhobenen Einspruch keine Folge gegeben).

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Rechtsmittelwerber seinem Vater gegenüber abstrakt zur Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen sei, weshalb er deshalb, weil die aushaftenden Gebühren bei seinem Vater selbst nicht hereingebracht werden konnten, zu deren Ersatz herangezogen werden müsse.

 

1.2. Gegen diesen ihm am 22. August 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 29. August 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin sowie in seinem Einspruch gegen die Gebührenvorschreibung wird eingewendet, dass die belangte Behörde nicht geprüft habe, auf welcher Rechtsgrundlage tatsächlich eine Unterhaltsverpflichtung des Rechtsmittelwerbers bestanden habe; vielmehr sei sein Vater zum Zeitpunkt der Entstehung bzw. Fälligkeit der Gebührenschuld durchaus im Stande gewesen, sich selbst zu erhalten.

 

Infolge Nichtbestehens einer Anspruchsgrundlage wird daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie ein Absehen von der Vorschreibung eines Gebührenersatzes beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den von der BH Gmunden zu Zl. SanRL01-08-2011 vorgelegten Akt sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung, zu der (lediglich) Mag. M G-H als Vertreterin der Mitbeteiligten Partei erschienen ist.

 

2.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt, dass das die Rechnung legende KH X keine Ermittlungen darüber angestellt hat, ob der von ihr per Zahlungsvorschreibung in Anspruch genommene Angehörige auch konkret zur Unterhaltsleistung verpflichtet war; vielmehr wird dem Beschwerdeführer seitens der Mitbeteiligten Partei durchaus zugestanden, dass sein Vater im Zeitpunkt seines Ablebens selbsterhaltungsfähig und daher nicht auf Unterhalt des Rechtsmittelwerbers angewiesen war.

 

Allerdings vertritt der Rechtsträger des KH X – d.i. die Oö. Gesundheits- und Spitals-AG – die Rechtsansicht, dass die Bestimmung des § 55 Abs. 2 OöKAG dahin auszulegen ist, dass ein Angehöriger dann, wenn der Versuch der Einbringung der Pflegegebühren beim Patienten selbst erfolglos war, jedenfalls in Anspruch genommen werden kann, und zwar unabhängig davon, ob den Angehörigen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld auch eine konkrete Unterhaltspflicht traf oder nicht.

2.3. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die glaubwürdige und in sich widerspruchsfreie Aussage der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Vertreterin der Mitbeteiligten Partei.

 

2.4. Gemäß § 56 Abs. 8 OöKAG kann gegen Bescheide einer Bezirksverwaltungsbehörde, mit denen nach § 56 Abs. 7 OöKAG einem Verpflichteten Pflege-(Sonder‑)gebühren vorgeschrieben werden, eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden; dieser hat hierüber mangels anderslautender spezieller Anordnung im OöKAG gemäß § 67a Abs. 1 AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 45 Abs. 1 OöKAG konnte in öffentlichen Krankenanstalten neben der allgemeinen Gebührenklasse auch eine Sonderklasse errichtet werden.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 OöKAG war zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere Person z.B. auf Grund gesetzlicher Vorschriften hierzu verpflichtet war oder hierfür Ersatz zu leisten hatte.

 

Konnten die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst eingebracht werden, so waren nach § 55 Abs. 2 OöKAG zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen, wobei § 47 Abs. 3 Z. 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes, LGBl.Nr. 82/1998, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl.Nr. 41/2008 (im Folgenden: OöSHG) sinngemäß anzuwenden war, d.h. dass die Großeltern und Enkelkinder des Patienten einerseits und dessen minderjährige Kinder andererseits keinesfalls zur Ersatzleistung verpflichtet werden konnten. Darüber hinaus sah § 47 Abs. 1 erster Satz OöSHG allgemein vor, dass "gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Angehörige des Empfängers sozialer Hilfe" nur "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Ersatz zu leisten" haben, wobei eine Ersatzpflicht dann und insoweit nicht bestand, als "der Ersatz wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber der unterhaltspflichtigen Person sittlich nicht gerechtfertigt" gewesen wäre oder "wenn durch den Ersatz der Erfolg der Hilfe, insbesondere im Hinblick auf die nach § 2 zu beachtenden Grundsätze, gefährdet" worden wäre.

 

Nach § 56 Abs. 1 OöKAG waren die Pflege-(Sonder‑)gebühren mit dem Entlassungstag abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall ist zwischen den Verfahrensparteien ausschließlich die Rechtsfrage strittig, ob die Heranziehung einer unterhaltspflichtigen Person i.S.d. § 55 Abs. 2 OöKAG – wie der Beschwerdeführer meint – lediglich dann in Betracht kommt, wenn diese Unterhaltspflicht zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld bzw. im Zeitraum der Erfüllung der Leistungsverpflichtung auch tatsächlich bestanden hat oder ob diese Möglichkeit – wovon die belangte Behörde und die Mitbeteiligte Partei ausgehen – davon unabhängig und sohin abstrakt gegeben ist.

 

3.2.1. Die Regelung des § 55 Abs. 1 und 2 OöKAG deckt sich inhaltlich mit § 35 Abs. 1 und 2 OöKAG in der Stammfassung des § 35 Abs. 1 und 2 des Oö. Krankenanstaltengesetzes, LGBl.Nr. 19/1958. Schon von ihrer Textierung her besehen deuten beide Bestimmungen dahin, dass darunter jeweils eine konkrete Unterhaltspflicht zu verstehen ist, wenn explizit darauf abgestellt wird, dass "die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen" sind. Wäre hingegen dem Gesetzgeber daran gelegen gewesen, in diesem Zusammenhang eine bloß abstrakte Unterhaltspflicht ausreichen zu lassen, dann hätte er dies unschwer dadurch zum Ausdruck bringen können, dass er eine Formulierung wie etwa "die für ihn dem Grunde nach zum Unterhalt verpflichteten Personen heranzuziehen" o. Ä. gewählt hätte.

 

3.2.2. In dieselbe Richtung zielt auch der in § 55 Abs. 2 OöKAG enthaltene Verweis auf § 47 OöSHG (bzw. früher: § 51 des OöSHG, LGBl.Nr. 66/1973). Zwar bezieht sich dieser explizit nur auf "§ 47 Abs. 3 Z. 1 und 2" des OöSHG im Sinne eines kategorischen Ausschlusses der Heranziehung von Großeltern, Enkeln und minderjährigen Kindern des Hilfeempfängers; im Kontext besehen ordnet die Bestimmung des § 47 OöSHG jedoch schon in ihrem ersten Satz des Abs. 1 an, dass die gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten Angehörigen des Empfängers sozialer Hilfe nur "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Ersatz zu leisten" haben. Daraus geht jedoch zweifelsfrei hervor, dass im Anwendungsbereich des OöSHG und damit auch im Anwendungsbereich des OöKAG nicht bloß eine abstrakte, sondern – entgegen der Meinung der belangten Behörde und der Mitbeteiligten Partei – jeweils eine konkrete Unterhaltspflicht gemeint ist.

 

3.2.3. Unterhaltspflichtige können daher nur dann und insoweit zur ersatzweisen Leistung der entstandenen Pflege-(Sonder-)Gebühren herangezogen werden, als diese infolge mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit des Patienten im Zeitpunkt der Vorschreibung bzw. Fälligkeit der Gebühren nicht selbsterhaltungsfähig ist; dies war jedoch hier – allseits unbestritten – nicht der Fall.

 

3.3. Davon ganz abgesehen findet sich im erstbehördlichen Akt auch kein Hinweis darauf, dass hier zuvor eine Hereinbringung der Pflege-(Sonder‑)gebühren beim Patienten selbst – und zwar gegebenenfalls auch im Wege der Exekution – bereits versucht worden wäre.

 

3.4. Aus diesen Gründen war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

VwSen-590294/8/Gf/Rt vom 6. Juli 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

Oö. KAG 1997 §55 Abs1;

Oö. KAG 1997 §55 Abs2;

Oö. SHG 1998 §47

 

Sowohl aus dem Normtext des § 55 Abs 1 und 2 Oö. KAG als auch aus dem darin enthaltenen Verweis auf § 47 Oö. SHG ergibt sich, dass im Anwendungsbereich des Oö. SHG und damit auch im Anwendungsbereich des Oö. KAG nicht bloß eine abstrakte, sondern jeweils eine konkrete Unterhaltspflicht gemeint ist. Unterhaltspflichtige können daher nur dann und insoweit zur ersatzweisen Leistung der entstandenen Pflege-(Sonder-)Gebühren herangezogen werden, als der Patient infolge mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit im Zeitpunkt der Vorschreibung bzw Fälligkeit der Gebührenvorschreibung nicht selbsterhaltungsfähig ist.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum