Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730511/7/SR/MZ/WU

Linz, 21.06.2012

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X geboren am X, Staatsangehöriger der Türkei, vertreten durch X, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 5. September 2011, AZ: 1033268/FRB, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt eines auf zehn Jahre befristeten Einreiseverbots, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, als der Spruch wie folgt zu lauten hat:

 

"Gemäß § 63 Abs. 1, 2 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 100 in der Fassung BGBl I 2012/49, wird gegen Sie ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen."

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 63 Abs. 1, 2 und 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 49/2012).

 

 

Itiraziniz kismen kabul edilmistir ve itiraz edilen karar kismi olarak tasdik edilerek, karar asagidaki gibi cikarilmistir:

 

„Yabancilar Kanunu´nun § 63 Abs.1, 2 ve 3  2005, BGBI  I 100´e, ayrica BGBI  I 2012/49´a göre, aleyhinize sekiz yil  süreli ikamet yasagi verilecektir.“

 

Hukuki dayanak:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 63 Abs. 1, 2 und 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 49/2012).


 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 5. September 2011, AZ: 1033268/FRB, zugestellt am 7. September 2011, wurde gegen den Bw (im Folgenden: Bw) auf der Grundlage der §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG) in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gleichzeitig wurde gemäß § 57 Abs. 1 FPG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

 

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

"A) Sachverhalt:

 

Sie leben seit August 2003 in Österreich. Zuletzt wurde Ihnen am 16.01.2010 eine bis 14.01.2011 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt.

Wie der Magistrat Linz mitteilt, ist am 17.01.2011 ein Verlängerungsantrag per Post eingegangen - da Sie den Antrag bis dato nicht persönlich eingebracht haben, ist er formal nicht richtig gestellt, weshalb Sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

 

Am 21.04.2009 (rk 25.04.2009) wurden Sie vom BG Linz, 18 U 2/2009 f, wegen des Vergehens der öffentlich geschlechtlichen Handlung nach § 218 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von € 2.160,- verurteilt, weil Sie am 02.11.2008 am Hauptplatz in Linz onaniert und somit öffentlich und unter Umständen, unter denen Ihr Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen haben;

ebenfalls am 02.11.2008 haben Sie X einen Schlag ins Gesicht versetzt und dadurch in Form einer Rissquetschwunde an der Unterlippe am Körper verletzt.

 

Am 13.10.2010 (rk 0103.2011) wurden Sie vom LG Linz, 22 Hv 37/2010 x, wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15 Abs. 1, 207 Abs 1 1. und 2. Fall StGB, des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15 Abs. 1, 202 Abs. 1 StGB, des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

 

Aus der Urteilsausfertigung geht hervor, dass Sie am 25.10.2009 in Leonding X mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt haben, indem Sie gegen ihren tätlichen Widerstand - nämlich gegen ihren vergeblichen Versuch, Ihre linke Hand wegzudrängen und trotz ihrer Schläge gegen Ihren Hinterkopf - den Gürtel und den Reißverschluss ihrer Hose öffneten und Ihre linke Hand in ihren Slip schoben und einen Finger in ihre Scheide einführten;

am 19.07.2010 haben Sie in Linz außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der unmündigen X vorzunehmen versucht bzw. versucht, von ihr an Ihnen vorzunehmen lassen, indem Sie sie unter der Kleidung im Bereich ihrer Scheide streicheln wollten und Sie aufforderten, Ihren Penis anzugreifen, wobei die Taten infolge des Widerstandes des Mädchens beim Versuch geblieben sind;

außer den Fällen des § 201 haben Sie X durch gefährliche Drohung, nämlich dadurch, dass Sie sich mit ihr in der Wohnung einsperrten, sohin durch Freiheitsentzug, zur Vornahme oder Duldung von den oben beschriebenen geschlechtlichen Handlungen zu nötigen versucht;

vor der unmündigen X haben Sie eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem Sie, nachdem Sie sie angesprochen hatten, ihr den Penis zeigten, damit manipulierten und ihr € 50,- boten, damit sie mit Ihnen in die Wohnung mitgeht; X haben Sie mit Gewalt zu einer Handlung genötigt, nämlich mit in Ihr Zimmer zu kommen, indem Sie sie fest an der Hand packten und in Ihr Zimmer zerrten.

 

Hier wird auf die ausführliche Urteilsbegründung verwiesen, die an dieser Stelle zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben wird."

 

Im Anschluss zitiert die belangte Behörde einschlägige fremdenpolizeiliche Bestimmungen und führt dann weiter aus:

 

"C) Rechtliche Beurteilung:

 

Aus der durch Ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 15.07.2011 erstatteten Stellungnahme geht u. a. hervor, dass Sie unverheiratet sind. Ihre Eltern und zwei Brüder leben in X.

 

In Österreich haben Sie bei verschiedenen Firmen gearbeitet (It. Versicherungsdatenauszug bis 24.09.2009), wobei Sie auch den Staplerführerschein gemacht haben.

2003 haben Sie einen Deutschkurs mit 100 Unterrichtseinheiten besucht.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat erwogen:

Aufgrund vorstehend angeführter Umstände ist Ihnen eine entsprechende Integration zuzubilligen.

Allerdings ist Ihnen in Anbetracht der von Ihnen begangen Sexualdelikte die für eine Integration wesentliche soziale Komponente völlig abzusprechen.

 

Sie haben einige der schwersten Delikte, die das österreichische Strafrecht kennt, nämlich Vergewaltigung, sexuellen Missbrauch von Unmündigen, und geschlechtliche Nötigung begangen und sohin gezeigt, dass Sie absolut nicht gewillt sind, sich an die Normen, Sitten und Moral Ihres Gastlandes zu halten.

 

Die von Ihnen begangenen Sexualdelikte bedeuten einen schwerwiegenden Eingriff in die sexuelle Integrität der Opfer und beeinträchtigen das gerechtfertigte Sicherheitsempfinden der Öffentlichkeit beträchtlich.

 

Derartige Verbrechen (§ 201 ff StGB) oder anders ausgedrückt, das Abverlangen von zwangsweiser Duldung sexueller Handlungen von anderen Personen (in der Regel Frauen) gehört wohl zu den verwerflichsten und verabscheuungswürdigsten Handlungen gegen das Rechtsgut der Freiheit. Durch diese Verbrechen sind auch die psychischen Folgen für die Opfer unabsehbar.

 

Neben strafrechtlichen Sanktionen müssen daher auch jegliche andere gesetzliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um derartigen Verbrechen entgegenzuwirken.

 

Selbst wenn durch die Rückkehrentscheidung in Ihr Privat- und Familienleben eingegriffen werden sollte, ist in Ihrem Fall deren Erlassung aufgrund der oben näher geschilderten Umstände nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

 

Die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid war abzuerkennen, weil von ihnen eine gewisse Gefährlichkeit ausgeht, dass Sie nicht davor zurückschrecken, beliebige Ihnen unbekannte Opfer zur Befriedigung Ihrer sexuellen Wünsche auszuwählen, und hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Sie weitere Straftaten begehen werden, weshalb Ihre sofortige Ausreise nach Entlassung aus der Haftstrafe im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist."

 

2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde, dem Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung zugestellt am 7. September 2011, erhob der Bw mit E-Mail vom 21. September 2011 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Im Rechtsmittel führt der Bw nach einem Kurzabriss der erstinstanzlichen Erwägungen im Wesentlichen aus, dass die Feststellung der Behörde, wonach er sich derzeit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, insoweit unrichtig bzw. unvollständig sei, als er den Verlängerungsantrag aufgrund der verhängten U-Haft nicht persönlich habe einbringen können, weshalb am 14. Jänner 2011 der Rechtsvertreter des Bw den Verlängerungsantrag persönlich beim Magistrat Linz überreichen wollte. Diesbezüglich sei dem Rechtsvertreter mitgeteilt worden, dass eine Einbringung auf dem Postweg zulässig wäre, weshalb der Verlängerungsantrag schließlich am darauffolgenden Montag (17. Jänner 2011) per Post eingelangt sei. In informellen Kontakten zwischen dem Rechtsvertreter des Bw und dem Magistrat Linz sei das Verfahren auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung bis zu einer Rückkehrentscheidung bzw. einer Entscheidung über ein Einreiseverbot unterbrochen.

 

Die rechtliche Beurteilung der Behörde sei deshalb verfehlt, weil einerseits von einer entsprechenden Integration ausgegangen, in Anbetracht der begangenen Delikte aber die "soziale Komponente" der Integration abgesprochen werde. Die Verurteilungen des Bw würden nicht die von der belangten Behörde gezogenen Schlüsse rechtfertigen. Dass die vom Bw begangenen Verbrechen unabsehbare psychische Folgen für die Opfer nach sich gezogen hätten, sei durch keinerlei Tatsachen gedeckt.

 

Es sei deshalb auch nicht richtig, dass neben strafrechtlichen Sanktionen jegliche anderen gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssten, derartigen Verbrechen entgegenzuwirken. Vielmehr habe der Bw seine Strafe zu verbüßen. Konkrete weitere Sanktionsnotwendigkeiten bestünden nicht.

 

Wie die Behörde auch zutreffend erkannt habe, werde durch die Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben des Bw ganz wesentlich eingegriffen, weshalb letztlich eine Rückkehrentscheidung unzulässig sei. Der Einschreiter halte sich seit August 2003 rechtmäßig in Österreich auf und sei erst zuletzt straffällig geworden. Zuvor habe er sich nahezu sechs Jahre straffrei in die österreichische Gesellschaft integriert und sei aufgrund der nunmehrigen Delikte, welche den Verurteilungen zu Grunde liegen nicht gefordert, eine Rückkehrentscheidung bzw. ein Einreiseverbot "zu erlassen".

 

Schließlich sei es auch nicht erforderlich, einer Berufung gegen den angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, da vom Bw, zumal sich dieser derzeit in Strafhaft befinde, eine gewisse Gefährlichkeit nicht ausginge. Eine derartige Zukunftsprognose sei durch keinerlei Tatsachen gestützt, stehe dem Verhalten des Bw in Haft entgegen und sei deshalb unberechtigt.

 

Aus genannten Gründen stellt der Bw abschließend die Anträge, die Berufungsbehörde wolle

1. in Stattgebung der Berufung den bekämpften Bescheid aufheben

2. der Berufung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

 

3.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vor.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister, durch Einholung eines Versicherungsdatenauszuges sowie durch Kontaktaufnahme mit der Niederlassungsbehörde.

 

Ein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom rechtsfreundlich vertretenen Bw nicht gestellt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte vor allem aber deshalb abgesehen werden, als sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten und vom Bw im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Abweichend von Punkt 1. wird jedoch im weiteren Verfahren von einem rechtmäßigen Aufenthalt des Bw im Inland ausgegangen. Dies deshalb, weil im Zuge des Verfahrens Ungereimtheiten hinsichtlich des Aufenthaltsstatus des Bw aufgetreten sind, woraufhin der Oö. Verwaltungssenat folgendes Schreiben an die zuständige Niederlassungsbehörde richtete:

 

"Im ho. angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde (BPD Linz) aus, Herr X habe bis zum 14.01.2011 eine gültige Niederlassungsbewilligung besessen. Am 17.01.2011 sei beim Magistrat Linz per Post ein Verlängerungsantrag eingegangen. Da dieser von Herrn X nicht persönlich eingebracht wurde, sei der Antrag formal nicht richtig gestellt, weshalb Herr X sich nunmehr nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

 

Im vom ho. zu führenden Verfahren bringt der Rechtsfreund des Berufungswerbers vor, dass die Feststellung der BPD Linz, Herr X halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, insoweit unrichtig bzw. unvollständig sei, als dieser den Verlängerungsantrag aufgrund verhängter U-Haft nicht persönlich einbringen konnte, weshalb der Rechtsvertreter am 14.01.2011 den Verlängerungsantrag persönlich beim Magistrat Linz überreichen habe wollen. Diesbezüglich sei ihm jedoch mitgeteilt worden, dass eine Einbringung auf dem Postweg zulässig wäre, weshalb der Verlängerungsantrag schließlich am 17.01.2011 per Post einlangte. Weiters führt Herr X in seiner Berufung aus: `In informellen Kontakten zwischen dem Rechtsvertreter des Einschreiters und dem Magistrat Linz wurde das Verfahren auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung bis zu einer Rückkehrentscheidung bzw. einer Entscheidung über ein Einreiseverbot unterbrochen.´

 

Auf telefonische Anfrage durch den Unterfertigten hin wurde heute vom Magistrat Linz mitgeteilt, dass der Aufenthaltstitel von Herrn X mit 14.01.2011 abgelaufen ist. Ein Verlängerungsantrag sei nicht offen.

 

Eine Abfrage der Fremdenpolizeilichen Information ergibt hinsichtlich eines allfälligen Verlängerungsantrag keinen Treffer. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass im Sinne des NAG ein als Erstantrag zu wertender verspäteter Verlängerungsantrag offen wäre.

 

Aufgrund dieser Widersprüchlichkeiten wird der Magistrat Linz als nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz sachlich und örtlich zuständige Behörde ersucht, in den betreffenden Akt Einschau zu halten und dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mitzuteilen, ob sich Herr X derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält."

 

Mit Schreiben vom 11. Juni 2012 teilte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daraufhin mit, dass der Bw nach den Bestimmungen des NAG legal in Österreich aufhältig sei.

 

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 49/2012, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

4.2. Im vorliegenden Fall wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich von der örtlich zuständigen Niederlassungsbehörde mitgeteilt, dass der Bw "nach den Bestimmungen des NAG (§ 24 Abs. 2 Ziff. 2 NAG) legal in Österreich aufhältig" ist.

 

Da § 52 Abs. 1 FPG lediglich bei nicht rechtmäßig aufhältigen Fremden zur Anwendung gelangt, kommt in Folge gegen den Bw nur ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 FPG in Betracht.

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

4.3.1. Da sich der Bw rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.

 

Allerdings ist zuvor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen.

 

Die erste Niederlassungsbewilligung für Österreich wurde dem Bw im Juli 2003 erteilt. Bis dato ist der Bw auch rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Mit Urteil des LG Linz vom 13. Oktober 2010 wurde der Bw wegen der unter Punkt 1 dargestellten Verbrechen zu einer dreijährigen Haftstrafe, und bereits zuvor mit Urteil des BG Linz vom 21. April 2009 zu einer bedingten Geldstrafe von 2.160,- Euro verurteilt.

 

Der am X geborene Bw ist somit im Alter von 20 Jahren nach Österreich eingereist und daher keinesfalls im Sinne des § 64 Abs. 1 FPG von klein auf im Inland aufhältig. Er erfüllt(e) auch zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Da der Bw vor Verwirklichung des für ein Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Inhalt niedergelassen war, gelangt im gegenständlichen Fall § 64 Abs. 2 FPG zur Anwendung, und der Bw darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichendem Krankenversicherungsschutz, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgewiesen werden.

 

Die Rechtswohltaten der §§ 64 Abs. 3 ff FPG lassen sich jedoch auf den Bw nicht anwenden, da diese eine zumindest achtjährige rechtmäßige und ununterbrochene Niederlassung vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes voraussetzen, und die vom Bw verübten, hier maßgeblichen Straftaten vor dem Juli 2011 verwirklicht wurden.

 

4.3.2. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG bedarf es zur rechtmäßigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die dort genannte Personengruppe, das aufgrund "bestimmter Tatsachen" die Annahme gerechtfertigt ist, dass deren Aufenthalt entweder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Betreffend der Auslegung der oa. "bestimmten Tatsachen" verweist § 63 Abs. 2 FPG auf § 53 Abs. 2 und 3 FPG.

 

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.  ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.  ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.  ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder gerichtlich strafbaren Handlung im sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.  ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.  aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat,   terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

7.  aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche         Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt        oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale        Sicherheit gefährdet oder

8.  ein Drittstaatsangehöriger öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

4.3.3. Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 Z 1 FPG einschlägig, da nach dem Sachverhalt zweifelsfrei eine strafgerichtliche rechtskräftige Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren gegeben ist.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung bzw. hier mehrere strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung(en) rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden.

 

4.3.4. Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich Sexual- und Gewaltkriminalität zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert. Schon allein die Verurteilung des Bw wegen Vergewaltigung und versuchtem sexuellem Missbrauch von Unmündigen, wo der Bw zur eigenen Triebbefriedigung mehrere Personen zu von ihnen nicht gewollten sexuellen Handlungen zwang bzw. bringen wollte, zeugt nicht nur von einem hohen Maß an Gleichgültigkeit im Hinblick auf die geltenden strafrechtlichen Bestimmungen, sondern auch davon, dass der Bw weit von den in der hiesigen Gesellschaft geltenden moralischen Werten entfernt ist. Dass derartige Handlungen bei den Opfern unabsehbare psychische Folgen bewirken können und diese vom Bw auch bewusst in Kauf genommen wurden, steht nach der allgemeinen Lebenserfahrung für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich – wenn der Bw im Rechtsmittel dies auch in Abrede stellt – völlig außer Zweifel.

 

Wenn auch die Verurteilung des LG Linz vom 13. Oktober 2010 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung, des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung, des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren und des Vergehens der Nötigung den Ausschlag für das Tätigwerden der belangten Behörde gegeben haben mag, ist bei der Frage, ob vom Bw in Hinkunft eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, jedoch unzweifelhaft das gesamte Vorleben in Betracht zu ziehen. Es ist im gegenständlichen Verfahren daher insbesondere auch die Verurteilung durch das BG Linz vom 21. April 2009 wegen des Vergehens der öffentlich geschlechtlichen Handlung und der Körperverletzung von Relevanz. Es steht für die erkennende Behörde im gegebenen Zusammenhang damit außer Zweifel, dass der Bw nicht gelernt hat, seine sexuellen Neigungen auf eine aus strafrechtlicher Sicht unproblematische Art und Weise auszuleben. Darüber hinaus scheut er auch nicht vor Eingriffen in die körperliche Integrität seiner Mitmenschen zurück.

 

Zusammengefasst hat der Bw aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich mehrfach in verschiedenster Art und Weise (Delikte gegen die Freiheit, die körperliche Integrität, die sexuelle Selbstbestimmtheit) zu erkennen gegeben, dass er nicht gewillt ist, die Rechtsordnung der Republik Österreich und die dieser immanenten Werte zu achten. Als besonders verwerflich ist zudem anzusehen, dass der Bw auch nicht davor zurückscheut, seinen sexuellen Trieb unter Belästigung von Minderjährigen zu befriedigen sowie dass der Bw trotz der vorangegangen Verurteilung und dem damit einhergegangenen Strafübel nicht davor zurückgeschreckt ist, sein Bestreben nach sexueller Befriedigung ohne diesbezügliche Einwilligung seiner "Sexualpartner" beizubehalten und dieses sogar unter Einsatz von bzw. Drohung mit körperlicher Gewalt durchzusetzen.

 

Vor diesem Hintergrund steht fest, dass der Bw auch in Hinkunft nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen wird, sondern das persönliche Verhalten (wie oben ausführlich umschrieben) eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr bedeutet, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

4.3.5. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich kann angesichts der gefestigten kriminellen Verhaltensweisen des Bw und der im vorigen Punkt angestellten diesbezüglichen Erwägungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschlossen werden, dass das oben beschriebene Gefährdungspotential vom Bw aktuell nicht mehr ausgeht und die unbestritten in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich kommt somit zum Ergebnis, dass das persönliche Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet und dieses eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.

 

4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.5.2.1. Der Bw befindet sich seit Juli 2003 und somit seit knapp neun Jahren im Bundesgebiet. Dass dieser Aufenthalt nicht rechtmäßig gewesen wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

4.5.2.2. Der Bw ist unverheiratet und kinderlos. Ein tatsächliches Familienleben besteht insofern, als die Eltern des Bw und zwei Brüder in X leben.

 

4.5.2.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Bw alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Dem Höchstgericht zufolge hat der dem § 61 Abs. 2 FPG (neu) vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG (alt) schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Im konkreten Fall ist der Bw seit nicht ganz neun Jahren in der Republik Österreich aufhältig. Die in die Rechtsgüterabwägung zugunsten des Bw einfließende Aufenthaltsdauer liegt damit noch knapp unter der höchstgerichtlich judizierten Schwelle von etwa zehn Jahren.

 

Hinzu tritt, dass vom Beschwerdeführer im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zudem neun Jahre lang ein Beruf in Österreich ausgeübt wurde und der Gerichtshof das Vorliegen weiterer Integrationsmerkmale fordert. Wie aus dem im Akt befindlichen Versicherungsdatenauszug des Bw hervorgeht, ist dieser zwar immer wieder einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Über weite Strecken hat der Bw jedoch auch Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen. Von einer – wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorliegenden – nahezu durchgehenden Erwerbstätigkeit während des Aufenthaltes kann daher keine Rede sein.

 

Schließlich ist – mangels gegenteiliger Hinweise im zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis – davon auszugehen, dass im verwaltungsgerichtlich entschiedenen – und damit entgegen dem hier zu beurteilenden – Fall eine strafrechtliche Bescholtenheit des Beschwerdeführers nicht vorlag.

 

4.5.2.4. Gewisse Merkmale sozialer Integration sind dem Bw schon durch seine mehrjährige Aufenthaltsdauer durchaus zuzubilligen. Entsprechende Nachweise bezüglich der behaupteten Kenntnisse der deutschen Sprache wurden nicht beigebracht, wobei die Kenntnisse vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht in Zweifel gezogen werden. Eine der sozialen Integration besonders dienliche Erwerbstätigkeit wurde vom Bw – wie dargestellt – teilweise ausgeübt. Vom Bw wurden daher durchaus einige Integrationsschritte gesetzt und es besteht zweifellos ein gewisses Interesse desselben am weiteren Aufenthalt in Österreich. Aufgrund der mehrfach begangenen strafbaren Handlungen ist jedoch davon auszugehen, dass eine Identifikation mit den in der österreichischen Gesellschaft verankerten Werteordnung und damit eine tiefgehende Integration ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht vorliegt.

 

4.5.2.5. Festzustellen ist weiters, dass der heute 29-jährige Bw den überwiegenden Teil seines Lebens, nämlich 20 Jahre, in seinem Herkunftsstaat verbracht hat und dort sozialisiert wurde. Er beherrscht die dortige Sprache, genoss eine schulische Ausbildung und es ist davon auszugehen, dass er mit den dortigen gesellschaftlichen Werten und der Kultur vertraut ist.

 

4.5.2.6. Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen durch das LG Linz und das BG Linz nicht gegeben.

 

4.5.2.7. Ein weiterer Verstoß des Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren nicht hervor.

 

4.5.2.8. Vor dem Hintergrund der in den obigen Punkten getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.

 

Zwar ist dem Bw durch seine Aufenthaltsdauer von etwa neun Jahren, seinen ins Treffen geführten Deutschkenntnissen, der von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit und insbesondere auch durch die Tatsache, dass seine Eltern und zwei Brüder in Österreich aufhältig sind, ein bestimmtes Maß an Integration bzw. ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen.

 

Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten des Bw ist jedoch, dass er durch die von ihm mehrfach getätigten strafrechtlichen Vergehen und Verbrechen eine enorm hohe kriminelle Energie bewiesen hat. Es zeugt fraglos von einer solchen, (insbesondere) in einem fremden Staat, von welchem man sich Aufnahme und Integration erhofft, die Straftatbestände der Vergewaltigung, des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, der versuchten geschlechtlichen Nötigung, der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren, der öffentlichen geschlechtlichen Handlung, der Körperverletzung sowie der Nötigung zu verwirklichen. Schon die brutale Vorgehensweise des Bw bei der Vergewaltigung (Schläge gegen den Hinterkopf) zeugt davon, dass der Bw weit von den Werten der hiesigen Gesellschaft entfernt ist und es eines längeren Zeitraumes bedarf, bis von einer Gefahr durch den Bw nicht mehr ausgegangen werden kann. Die vom Bw ausgehende besondere Gefahr wird vor allem aber auch darin erblickt, als er offensichtlich nicht in der Lage ist, seine sexuellen Triebe zu kontrollieren, was sich durch die wiederholte Tatbegehung in diesem Bereich manifestiert.

 

Aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich existieren auch keine Anhaltspunkte, dass durch die Strafhaft das Gefahrenpotential des Bw maßgeblich verringert wird. Der Bw gibt weder zu erkennen, die von ihm verübten Taten zu bereuen, noch macht er geltend, in psychotherapeutischer Behandlung zu stehen, um seines Sexualproblems Herr zu werden. Vielmehr macht er in seinem Rechtsmittel geltend, dass die Annahme der belangten Behörde, seine Verbrechen hätten unabsehbare psychische Folgen für die Opfer nach sich gezogen, "durch keinerlei Tatsachen gedeckt und deshalb unberechtigt" seien. Wenn der Bw derlei Aussagen tätigt, gibt er nach Auffassung der erkennenden Behörde zu erkennen, dass ihm völlig das Problembewusstsein bezüglich der Folgen seiner Taten fehlt – was in weiterer Folge freilich einen ehebaldigen Rückfall erwarten lässt.

 

Auch ist eine Reintegration im Heimatland des Bw, in welchem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat und in dem er sozialisiert wurde, nicht unzumutbar.

 

Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.6. Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes gibt der Gesetzgeber in § 63 Abs. 3 FPG eine Untergrenze von 18 Monaten vor. Da der Bw im Sinne des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG verurteilt wurde, besteht eine gesetzliche Obergrenze für die Befristung des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren.

 

Aufgrund des doch recht langen Aufenthalts des Bw in Österreich, dessen Sprachkenntnissen, seiner in Österreich stattgefundenen (zeitweiligen) Teilnahme am Erwerbsleben sowie deshalb, weil seine Eltern und Brüder hier aufhältig sind, geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich davon aus, dass hier nicht die Gesamtdauer von zehn Jahren ausgeschöpft werden muss, sondern mit einem auf acht Jahre befristeten Aufenthaltsverbot das Auslangen gefunden werden kann.

 

Dies auch deshalb, weil die Schwelle, bei deren Überschreitung der Gesetzgeber schließlich die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes vorsieht, bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe liegt, und der Bw "lediglich" zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

 

4.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 220.- Euro dilekçe harcı ödenilir.

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

Beschlagwortung:

Rückkehrentscheidung, Aufenthaltsverbot, § 63 Abs. 1, 2, 3 FPG

 

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