Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730592/29/Wg/WU

Linz, 03.07.2012

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung der X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 21. Februar 2012, GZ: Sich40-20490, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

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Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG)

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn erließ mit Bescheid vom 21. Februar 2012, GZ: Sich40-20490, gegen die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) in Spruchabschnitt I. gemäß § 52 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetz (FPG) eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum. In Spruchabschnitt II. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Durchsetzbarkeit dieses Bescheides festgelegt. Die Behörde argumentierte, mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz vom 17. August 2010, Zahl 1005.253-BAL, sei der Asylantrag der Bw vom 17. Juni 2010 gemäß §§ 3 und 8 Asylgesetz abgewiesen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass ihre Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 und Abs. 5 Asylgesetz vorübergehend unzulässig sei. Mittlerweile habe sich herausgestellt, dass ihr Lebensgefährte im Asylverfahren eine unrichtige Identität angegeben habe. Gegen ihn und das gemeinsame Kind seien jeweils Verfahren zu Aberkennung des subsidiären Schutzes eingeleitet und auch entsprechende Bescheide erlassen worden. Eine Anfrage beim Bundesasylamt habe ergeben, dass ihre Ausweisung nunmehr zulässig sei. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung würden die privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt überwiegen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 9. März 2012. Darin wird beantragt, der UVS möge der Berufung Folge geben und den bekämpften Bescheid der BH Braunau am Inn ersatzlos aufheben, in eventu den bekämpften Bescheid insofern abändern, als von einem Einreiseverbot abgesehen wird und keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt wird.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Die Bw wurde am X geboren und ist eigenen Angaben zufolge Staatsangehörige von Armenien.

 

Sie reiste am 17. November 2003 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und stellte am selben Tag unter AZ: 0335.665 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gemäß § 3 Asylgesetz. Dabei gab sie an, den Nahmen X zu führen und Staatsangehörige der russischen Förderation zu sein (demgegenüber ist sie laut dem Berufungsvorbringen Staatsangehörige von Armenien).

 

Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Februar 2004 abgewiesen und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die russische Förderation für zulässig erklärt. Die dagegen rechtzeitig eingebrachte Berufung wurde im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31. Mai 2010 als unbegründet abgewiesen.

 

Am 17. Juni 2010 brachte sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz iSd. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz ein.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. August 2010, AZ 1005.253-BAL, wurde in Spruchabschnitt I. ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 17. Juni 2010 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 abgewiesen. In Spruchabschnitt II. wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat russische Förderation abgewiesen. In Spruchabschnitt III. wurde festgestellt, dass ihre Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 und Abs. 5 Asylgesetz vorübergehend unzulässig ist. Das Bundesasylamt führte zu Spruchabschnitt III. begründend aus:

"Sie leben mit Ihrer Familie zusammen. Die gesamte Familie einschließlich Ihrer Person besteht aus

 

Vater: X, X geboren, AZ: 03 35.663

Mutter: X, X geboren, AZ: 03 35.665

Kind: X, X geboren, AZ: 04 22.822

 

In Österreich lebt die Schwester Ihres Mannes Frau X, 27.12.2957 geboren, AT: 03 35.667 - Ihr Verfahren ist noch in der Berufung anhängig.

 

X hat mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes D10 258740-0/2008/8E vom 31.05.2010 den subsidiären Schutz im Familienverfahren vom Vater X (Erkenntnis des Asylgerichtshofes D10 247200-0/2008/28E vom 31.05.2010) erhalten. Sie sind mit dem Vater von X nicht verheiratet bzw. besteht kein Familienverfahren in Bezug auf Herrn X (den Vater von X).

 

Es liegt somit ein iS von Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vor, Ihre Ausweisung stellt zurzeit einen Eingriff in Ihr Familienleben dar. Deshalb war die Ausweisung als vorübergehend unzulässig zu beurteilen.

 

Sollte Ihrem Lebensgefährten und Ihrem Kind die Rückkehr in die Heimat wiederum möglich sein, wird die Fremdenpolizei über die Ausweisung neu zu entscheiden haben.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden."

 

Der im eben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes erwähnte X (alias X) stellte ebenfalls am 17. November 2003 einen Asylantrag. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Jänner 2004 abgewiesen. Dagegen erhob er Berufung. Mit Erkenntnis des AGH vom 31. Mai 2010 wurde festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die russische Förderation nicht zulässig ist. Es wurde ihm eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres erteilt. In Spruchabschnitt I. des Bescheides des Bundesasylamt vom 25. November 2011, AZ 0335.663-BAL wurde ihm der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31. Mai 2010 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz von Amts wegen aberkannt. In Spruchabschnitt II. dieses Bescheides wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen. Dagegen erhob er Beschwerde. Laut Schreiben der IOM Vienna vom 7. Mai 2012 hat er am 3. Mai 2012 freiwillig unter Gewährung von Rückkehrhilfe das Bundesgebiet verlassen und ist in den Herkunftsstaat zurückgereist. Der Asylgerichtshof stellte daraufhin mit Verfahrensanordnung vom 31. Mai 2012, Zahl E 14247.200-2/2011-9 E, das anhängige Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs. 2 Asylgesetz ein.

Aus der Beziehung der Bw mit X ging die armenische Staatsangehörige X, geb. X, hervor. Sie wurde in Österreich geboren und stellte am 19. November 2004 beim Bundesasylamt einen Antrag gemäß § 3 Asylgesetz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Jänner 2005 wurde das Asylgesuch abgewiesen. Dagegen wurde Berufung erhoben. Der Asylgerichtshof stellte mit Erkenntnis vom 31. Mai 2010 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die russische Förderation nicht zulässig ist und es wurde ihr eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres erteilt. Diese Entscheidung wurde mit dem Familienverfahren begründet. Im weiteren Verfahrenslauf wurde bekannt, dass es sich bei ihren Eltern um armenische Staatsbürger handelt. In Spruchabschnitt I. des Bescheides des Bundesasylamt vom 25. November 2011, AZ 0422.822-BAL, wurde X der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31. Mai 2010 zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 2005 von Amts wegen aberkannt. In Spruchabschnitt II. wurde sie gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen. Dagegen wurde Beschwerde erhoben. Das Beschwerdeverfahren ist nach wie vor beim Asylgerichtshof anhängig.

 

Die Bw lebt nach wie vor mit ihrer Tochter X an der Adresse X in Familiengemeinschaft. X besucht die Volksschule in X. Die Leiterin der VS X führte dazu mit beim Verwaltungssenat am 11. Mai 2012 eingelangter Eingabe Folgendes aus:

"Als Leiterin der VS X möchte ich Sie herzlich bitten in Ihrer Entscheidungsfindung bzql. X folgendes zu bedenken:

         X wurde in X geboren und sie ist nur hier zu "Hause"

         Das Kind ist hier mit Freundinnen aufgewachsen und hat auch in der Schule neue Freunde gefunden.

         X ist in der Klasse bestens integriert

         Sie ist eine sehr tüchtige Schülerin

         X ist eine Bereicherung für die Klassengemeinschaft

         Sowohl X als auch die Mutter haben schon gut Deutsch gelernt

         X Mutter möchte endlich arbeiten dürfen und sich selbst und ihre Tochter erhalten.

         Bei der Abschiebung des schizophrenen Vaters hat er gedroht, Mutter und Kind "fertig" zu machen, wenn sie nach Armenien zurückkommen.

 

Wenn Sie in Ihrem Verfahren all diese Punkte bedenken, dann hoffe ich, dass Sie auch zu der Meinung kommen müssen: Für diese tüchtigen Menschen ist das "Humanitäre Bleiberecht" anzuwenden."

 

Diesem Schreiben ist weiters eine auf den 28. Februar 2012 datierte Unterstützungserklärung der Klassenlehrerin der X angeschlossen.

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen der Bw und den angeführten Unterlagen. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits nach der Aktenlage feststeht, war eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Gemäß dem rechtskräftigen Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. August 2010 ist die Ausweisung der Bw aus dem österreichischen Bundesgebiet vorübergehend unzulässig. Das Asylamt begründete seine Entscheidung vor allem mit den familiären Verhältnissen der Bw. Die im bekämpften Bescheid getroffene Rückkehrentscheidung würde voraussetzen, dass eine Ausweisungsentscheidung – infolge einer nachträglich eingetretenen Änderung der familiären Verhältnisse – nunmehr zulässig geworden ist.

 

Einzuräumen ist, dass der Lebensgefährte der Bw das Bundesgebiet mittlerweile verlassen hat. Die mj. Tochter der Bw hält sich aber nach wie vor in Österreich auf. Der AGH hat über die gegen die Ausweisungsentscheidung vom 25. November 2011 erhobene Beschwerde noch nicht entschieden. Eine zwangsweise Beendigung des Aufenthaltes der X ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Bei einer Gesamtbetrachtung ist daher keine wesentliche Änderung der bei Erlassung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 17. August 2010 vorhandenen familiären Verhältnisse eingetreten. Damals – wie auch jetzt – kommt eine Trennung der Bw von ihrer mj. Tochter nicht in Betracht. Genau dazu würde aber die bekämpften Bescheid getroffene Rückkehrentscheidung führen.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. einer Ausweisung gegenüber der Bw ist jedenfalls bis zum Abschluss des Asylverfahrens ihrer mj. Tochter vorübergehend unzulässig.

 

Spruchabschnitt III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 17. August 2010 ist nach wie vor gültig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

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Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

 

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