Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523185/11/Bi/Kr

Linz, 17.07.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 6. Juni 2012 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 18. Mai 2012, VerkR21-108-2012 Ga, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, aufgrund des Ergebnisses der am 10. Juli 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsent­scheidung) zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid im Anfechtungsumfang bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1 und 3, 7 Abs.1 und 3, 25 Abs.1, 26 Abs.2 Z1, 8 Abs.1, 30 und 32 Abs.1 Z1 FSG die von der BH Wels-Land am 3. Februar 2011 FS-Nr.X, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrs­zuverlässigkeit für die Dauer von 10 Monaten, gerechnet ab 29. Februar 2012 (Zustellung des Mandatsbescheides), entzogen und für den gleichen Zeitraum das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen verboten und ihm das Recht aberkannt, von einer allfällig erworbenen aus­ländischen Lenkberechtigung (gemeint wohl: einem darüber ausgestellten Führerschein) in Österreich Gebrauch zu machen. Ihm wurde auferlegt, den Führerschein unverzüglich bei der PI X abzuliefern. Weiters wurde ihm gemäß § 24 Abs.3 FSG auferlegt, sich auf seine Kosten einer Nachschulung bei einer vom Landeshauptmann ermächtigten Stelle zu unterziehen und ein vom Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG, das auf "geeignet" oder "bedingt geeignet" zu lauten hat, sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer etwaigen Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 24. Mai 2012.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Am 10. Juli 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­­­verhandlung in Anwesenheit des Bw – sein Rechtsvertreter Herr X hat am 9. Juli 2012 die Auflösung des Vollmachts­verhältnisses mitgeteilt – und der Zeugen Meldungsleger Insp. X (Ml), PI X, und X (S) durchgeführt. Die Vertreterin der Erst­instanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe im erstinstanzlichen Verfahren einen Beweisantrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins gestellt zur selben Zeit, zu der sich der Unfall ereignet habe, zum Beweis dafür, dass der Zeuge den Lenker nicht habe erkennen können. Die "Nichtstattgebung" des Beweisantrages sei damit begründet worden, der Zeuge sei 100%ig sicher gewesen, dass er den Pkw zur Unfallzeit gelenkt habe. Er sei dadurch in seinen Verteidigungsrechten verletzt. Die Aussagen des Zeugen S seien wider­sprüchlich und ergebe sich daraus seine Lenkeigenschaft nicht. Auch wenn er beim stehenden Fahrzeug ausgestiegen sei, rechtfertige das nicht die Annahme, er habe den Pkw auch gelenkt.

Die Aufforderung zur Atemluftprobe sei rechtswidrig gewesen. Dies vor allem weil er diese nicht verweigert sondern nur argumentiert habe, das interessiere ihn nicht. Sonst sei keine Aufforderung erfolgt; ob diese Wortwendung tatsächlich einer Verweigerung gleichkomme, sei zu hinterfragen, möglicher­weise habe er die Aufforderung nicht richtig verstanden. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bestehe aus Scheinbegründungen.

Die Entziehungsdauer sei zu hoch gegriffen – es gehe nicht aus dem Bescheid hervor, dass er bereits einmal Verwaltungsübertretungen begangen hätte.

Beantragt wird Bescheidaufhebung, in eventu Herabsetzung der Entziehungs­dauer auf höchstens 7 Monate.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der aufgrund des Nichterscheinens beider Parteien deren bisherige schriftlichen Ausführungen berück­sichtigt und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einver­nommen wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Zeuge S nahm am 23. Februar 2012 gegen 22.20 Uhr vom Balkon seiner Wohnung in X, die gegenüber des Veranstaltungszentrums gelegen ist, lautes Motorengeräusch sowie ein Anstoßgeräusch wahr. Nach seiner Schilderung hatte er den Eindruck, als ob nach dem Anstoß der Pkw zurück­gesetzt würde und dann die Fahrt fortgesetzt hätte. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Zeuge S dar, dass der Pkw, der nach dem Anstoß an seinem Haus vorbeigefahren sei, bei der Weiterfahrt massiv gequietscht habe, wobei ihm aufgefallen sei, dass ein Rad vermutlich infolge eines Achsschadens seitlich etwas weggestanden sei und der Lenker möglicherweise deshalb Schwierigkeiten hatte. Der Pkw sei – auch später im Zuge der Nachfahrt – "hin und hergeschlenkert". Der Zeuge S betonte aber, er könne nicht sagen, ob das auf den Zustand des Lenkers oder den Zustand des Pkw zurückzuführen gewesen sei. Er notierte sich auch das Kennzeichen. Vor Beginn der Nachfahrt sah er, dass zwei beim Veranstaltungs­zentrum abgestellte Pkw, mit denen der Pkw offenbar kollidiert war, beschädigt waren. Er fuhr daraufhin dem Pkw nach, der sich inzwischen entfernt hatte, und fuhr ab der "Xkreuzung" direkt hinter dem Pkw mit dem auffällig quietschenden Reifen nach, wobei er ihn bei der Xstraße durch Zeichen mit der Lichthupe fast zum Anhalten brachte, der Lenker setzte dann aber die Fahrt fort bis zum Haus X Straße X. Dort beobachtete der Zeuge S aus der Position hinter dem Pkw, dass der Lenker Schwierigkeiten hatte auszusteigen; außer dem Lenker stieg aus dem Fahrzeug niemand aus.  

 

Schon während der Nachfahrt verständigte die Lebensgefährtin des Zeugen S die PI X. Der Ml und sein Kollege fuhren sofort los und der Ml telefonierte auf der Fahrt mit dem Zeugen S, der ihm seine Fahrstrecke mitteilte. Beim Haus X Straße X teilte der Zeuge S dem Ml kurz mit, was er gesehen hatte, und fuhr dann zum Veranstaltungszentrum zurück, wo er die Lenker der beiden beschädigten Pkw verständigte.

 

Der Ml, dem der Bw aus Erzählungen bekannt war und den er auch der Adresse X Straße X zuordnete, läutete daraufhin bei der Haustür, worauf der (Stief-)Vater des Bw öffnete und erklärte, er sei mit dem Firmenbus heimge­kommen und der bei der Garage abgestellte Pkw sei zwar auf seine Gattin zugelassen, werde aber ausschließlich vom Sohn gelenkt, da seine Gattin keine Lenkberechtigung habe. Der herbeigerufene Sohn, der nunmehrige Bw, war laut Ml erkennbar alkoholisiert und antwortete auf seine Frage, ob er gerade mit dem Pkw von X heimgefahren sei, sofort "Ja, und?" Er hielt ihm vor, er habe im Bereich des Veranstaltungszentrums zwei Fahrzeuge beschädigt, was der Bw bestritt. Der Ml forderte den Bw insgesamt dreimal zum Alkomattest auf, worauf dieser dreimal antwortete, das interessiere ihn nicht. Daraufhin kündigte  ihm der Ml eine Anzeige wegen Alkotestverweigerung an und besichtigte den beschädigten Pkw, der einen Achs-Schaden rechts vorne hatte. Der Bw hat dem Ml gegenüber aber eine Beschädigung abgestritten und gesagt, daran sei er nicht beteiligt gewesen.        

 

In der Berufungsverhandlung legte der Ml die Verkehrsunfallsanzeige vom
27. Februar 2012 vor, die sowohl Zeugenvernehmungsprotokolle als auch eine Lichtbildbeilage beinhaltet. Darauf ist zum einen der Schaden am Pkw X beim rechten Vorderrad eindeutig erkennbar, zum anderen die Schäden an den beiden beim Veranstaltungszentrum parallel zum Fahrbahnrand abgestellten Pkw – beim (in Fahrtrichtung des Bw) ersten beim linken Vorderrad und im Bereich der Fahrertür, beim zweiten mit der Front zum ersten geparkten im Bereich der rechten vorderen Stoßstangenecke.

 

Der Ml führte außerdem aus, er habe beim Gasthaus X, X­straße X, nachgefragt und dort in Erfahrung gebracht, dass der Bw an diesem Abend dort schon alkoholisiert erschienen sei und dann noch ein Seidel Bier getrunken und eine Pizza gegessen habe.

Da ihn der Bw auf den Zeugen X hingewiesen habe, der bestätigen könne, dass er den Pkw am 23. Februar gegen 22.22 Uhr nicht selbst gelenkt habe, ersuchte der Ml auch den in X wohnenden Zeugen zunächst telefonisch, zur PI X zu kommen. Der Zeuge habe ihm am Telefon gesagt, er sehe den Bw gelegentlich beim Fischen in X und dieser habe ihn am nächsten Tag angerufen und ihm den Vorfall erzählt. Er sei an diesem Abend von X über X heimgefahren, könne aber eine zweite Person nicht bestätigen.

Bei der Zeugeneinvernahme (Protokoll vom 3. März 2012) führte der Zeuge aus, er sei beim Gasthaus X vorbeigefahren und habe den Pkw des Bw und diesen zusammen mit einer zweiten ihm unbekannten Person gesehen, wobei diese Person bei der Fahrertür und der Bw bei der hinteren Tür gestanden seien, aber er habe niemanden tatsächlich einsteigen gesehen. Er sei selbst auch nicht stehengeblieben – der Ml bemerkte in der Verhandlung, damit erkläre sich der angeblich vom Zeugen X gefahrene Umweg nicht und er halte dessen Aussage für eine Gefälligkeit. Für ihn sei aufgrund der Aussage des Bw "Ja, und?" auf seine Frage, ob er gerade von X heimgefahren sei, klar gewesen, dass der Bw selbst den auf seine Mutter zugelassenen Pkw gelenkt habe. Der Zeuge S habe den Lenker als ca 30 bis 35 Jahre alt und mit dunklen Haaren beschrieben. Eine andere Person sei konkret nicht als Lenker genannt worden und auch nach den Aussagen der Eltern sei nur der Bw in Frage gekommen – die Zulassungs­besitzerin des Pkw, die Mutter des Bw, habe bestätigt, dass der Sohn kurz vor Eintreffen der Polizei heimgekommen sei.

 

Aus der Sicht des UVS bestehen keine Zweifel daran, dass der Bw selbst der Lenker des auf seine Mutter zugelassenen Pkw X am 23. Februar 2012 gegen 22.22 Uhr war. Zum einen lässt sich aus der glaubwürdigen Aussage des Ml, dem im an der Adresse Xstraße gelegenen Gasthaus die Anwesenheit, die Konsumation und die einem Wirt durchaus geläufige körperliche Verfassung des Bw bestätigt wurde, und der Fahrstrecke von dort zum Haus X Straße X, die beim Veranstaltungszentrum vorbeiführt, sowie aus der Beschreibung des Pkw samt Kenn­zeichen durch den Zeugen S, einem gelernten Autospengler, dem auch die durch den Anstoß an den geparkten Fahrzeugen entstandene auffällige Quietschen aufgrund der beschädigten Achse und dem dadurch bedingten Schleifen des Reifens charakteristische Fahrweise des Pkw auffiel und der dem Pkw dann bis zur Wohnadresse des Bw nachfuhr, wo vom (Stief-)Vater bestätigt wurde, dass der Pkw nur vom Sohn, dem Bw, gelenkt wird, der gerade nach Hause gekommen sei, die eindeutige Aussage treffen, dass allein der Bw als Lenker in Frage kommt. Abgesehen davon hat der Bw in der Berufung den Zeugen X – der im Übrigen zwar die Anwesenheit einer ihm unbekannten zweiten Person auf dem Gasthausparkplatz, aber nicht deren Lenkereigenschaft bestätigen konnte – nicht einmal erwähnt. Auf die beantragte Durchführung eines Ortsaugenscheins bei Dunkelheit beim Veranstaltungs­zentrum bzw auf dem Balkon des Zeuge S konnte daher verzichtet werden; dieser hat in der Verhandlung auch das Vorhandensein einer über Bewegungs­melder gesteuerten Beleuchtung auf dem Vorplatz seines Hauses bestätigt, sodass kein Zweifel besteht, dass er den ihm gänzlich unbekannten Lenker zumindest kurz gesehen hat, sich aber im übrigen bei der Nachfahrt auf den Pkw konzentriert hat. Dieser hatte auch zum Anstoß, der sich aus den Fotos vom Unfallort und den Schäden an den beiden geparkten Pkw von der Anstoßstelle und der Intensität her rekonstruieren lässt, passende Schäden. Im Übrigen hat der Bw, wie der Ml in der Verhandlung glaubwürdig darlegte, auf die Frage, ob er gerade mit dem Pkw X heimgekommen sei, geantwortet: "Ja, und?" – daraus lässt sich ersehen, dass er zum damaligen Zeitpunkt gar nicht auf die Idee kam, seine Lenkereigenschaft abzustreiten. Ebenso glaubwürdig sind auch die Aussagen des Zeugen S, wonach in der kurzen Zeitspanne zwischen dem für ihn hörbaren Anstoß und der Weiterfahrt sowie seiner Nachfahrt und dem Einholen des Pkw bei der Xkreuzung keine Zeit für einen Fahrer­wechsel blieb und er ihm ab dort bis nach Hause unmittelbar nachfuhr, wo er beobachtete, dass außer dem Bw – der aufgrund seines offensichtlich illuminierten Zustandes erhebliche Schwierigkeiten dabei hatte – niemand aus dem Pkw ausstieg. Die Verantwortung des Bw im Rechtsmittel war keinesfalls geeignet, Zweifel an seiner damaligen Lenkereigenschaft und damit auch an der Verursachung des Verkehrsunfalls mit Sachschaden an zwei abgestellten Fahrzeugen und anschließender Fahrerflucht zu erwecken. Die Tatsache seiner Verweigerung des Alkotests – von einem Vortest war nie die Rede – auf dreimalige ausdrückliche Aufforderung durch den – selbstverständlich für derartige Amtshandlungen speziell geschulten und behördlich ermächtigten – Ml durch die wiederholte Antwort, das interessiere ihn nicht, steht ohnehin außer Zweifel. Die diesbezüglichen Ausführungen im Rechtsmittel sind realitätsfremd. Die Voraussetzungen für eine derartige Aufforderung lagen vor, weil dafür sogar der bloße Verdacht des Lenkens ausreicht (vgl VwGH 23.3.2012, 2011/02/0244; uva), die hier für den Ml schon aufgrund der Schilderungen des Zeugen S und der deutlichen Alkoholisierungsmerkmale des Bw eindeutig gegeben war. 

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraft­fahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 sind ua besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht (außerdem) berechtigt, die Atemluft von Personen, 1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder 2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unter­ziehen.

 


Auf der Grundlage des oben angeführten Beweisverfahrens ist aus der Sicht des UVS davon auszugehen, dass der Bw den Pkw X am 23. Februar 2012, ca 22.22 Uhr, in X, Xstraße X, lenkte, dort einen Verkehrs­unfall mit Sachschaden verursachte  und anschließend ohne anzuhalten die Fahrt fortsetzte und auch nicht ohne unnötigen Aufschub eine Meldung an die zuständige Polizeidienststelle erstattete. Am 23. Februar 2012 um 22.47 Uhr verweigerte er in X Straße X, nach Aufforderung durch den Ml, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, den Alkotest. Er hat damit zweifellos eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z1 verwirklicht.

 

Gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG ist, wenn beim Lenken oder der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird – also auch bei Verweigerung der Alkomatuntersuchung – die Lenk­berechtigung auf mindestens sechs Monate zu entziehen.

Diese Entziehungsdauer steht sohin für die Behörde gar nicht zur Disposition.

 

Im gegenständlichen Fall war zu prüfen, ob die darüber hinausgehende Dauer, also vier Monate mehr als die Mindestentziehungsdauer, den Wertungskriterien des § 7 Abs.4 FSG gerecht wird. 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehen die in § 26 Abs. 1 und 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum dann nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Die Festsetzung einer über die Mindestzeit des § 26 FSG hinausreichenden Entziehungsdauer hat nach der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 3 FSG zu erfolgen, dh die Behörde darf über eine solche Mindestentziehungszeit nur insoweit hinausgehen, als der Betreffende für einen die Mindestentziehungsdauer überschreitenden Zeitraum verkehrsunzuverlässig ist (vgl E 29.3.2011, 2011/11/0039; 28.4.2011, 2010/11/0217).

 

Die Verweigerung der Alkomatuntersuchung an sich stellt naturgemäß ein reines Formaldelikt dar und hat daher per se keine Auswirkungen auf die Verkehrs­sicherheit. Der Gesetzgeber hat aber unbeschadet dessen solchen Delikten einen hohen Unrechtsgehalt unterstellt. Dies ist leicht nachzuvollziehen, da ein Fahrzeuglenker, der die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert, dem öffentlichen Interesse, alkoholbeeinträchtigte Fahrzeuglenker umgehend feststellen zu können, diametral entgegenwirkt. Im vorliegenden Fall kommt zu diesen allgemeinen Erwägungen noch hinzu, dass der Bw einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldete – er vermochte den schlüssigen und glaubhaften Ausführungen des Zeugen S über das Zustandekommens des Anstoßes nichts entgegenzusetzen – und danach die Fahrt ohne anzuhalten fortgesetzt und auch die nächste Polizeidienststelle nicht verständigt hat, obwohl es nicht zu einem Identitätsnachweis mit den Lenkern der beiden beschädigten Pkw, die sich nebenan im Veranstaltungszentrum befanden, gekommen war. Gerade in einem solchen Fall ist die Abklärung der Frage einer allfälligen Alkohol­beeinträchtigung von Bedeutung. Außerdem hat der Bw unmittelbar vor Fahrtantritt ein Gasthaus besucht, wobei dem Wirt bei seiner Ankunft schon eine Alkoholisierung aufgefallen ist und er dort noch ein Seidel Bier getrunken hat. Die Gefährlichkeit der Verhältnisse liegt also quasi im Umfeld der Übertretung. Bei einer anderen Betrachtungsweise von Ver­weigerungen der Alkomatuntersuchung würde man diesem Wertungskriterium des § 7 Abs.4 FSG die Sinnhaftigkeit absprechen, was dem Gesetzgeber aber keinesfalls unterstellt werden darf. Damit kann nach Ansicht des UVS nicht jede Verweigerung der Alkomat­untersuchung gleichgesetzt und jeweils – Ersttäter­schaft vorausgesetzt – nur die Mindestentziehungsdauer der Lenkberechtigung verfügt werden.

 

Seitens der Erstinstanz wurde die Entziehungsdauer mit zehn Monaten festgesetzt, wobei die Verursachung des Verkehrsunfalls und die Fahrerflucht zusätzlich in die Wertung miteinbezogen wurden.

Nach Ansicht des UVS ist dieser Zeitraum, der der Prognose entspricht, wann der Bw in Zukunft wieder verkehrszuverlässig sein wird, angesichts der nunmehr (nach der letzten 2005 wieder) erstmaligen Begehung eines Alkoholdelikts ohne jeden Zweifel als vertretbar anzusehen.   

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema (vgl E 30.5.2001, 2001/11/0081; 23.4.2002, 2000/11/0182; ua).

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrs­teilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (vgl VfGH 14.3.2003, G203/02; 11.10.2003, B1031/02; 26.2.1999, B 544/97; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062; 22.11.2002, 2001/11/0108; ua).

 

Insgesamt gesehen wird die Festsetzung einer über die gesetzliche Mindest­zeit hinausgehenden Entziehungsdauer mit (nur) 10 Monaten nicht nur als sachlich gerecht­­fertigt, sondern im Sinne einer Prognose, wann der Bw die Verkehrs­zuver­lässigkeit wieder­erlangt haben wird, für ausreichend, aber zweifel­los auch geboten und unabdingbar erachtet. Da im ggst Fall keine vorläufige Abnahme des Führerscheins erfolgt war, war die Frist ab Zustellung des Mandats­bescheides, dh ab 29. Februar 2012, zu berechnen. Nach Mitteilung des Ml in der Berufungsverhandlung hat der Bw über seinen damaligen Rechtsvertreter nach der offensichtlich falschen Behauptung, der Führerschein sei ihm gestohlen worden, diesen doch (nach rechtskräftiger Bestrafung wegen §§ 37 Abs.1 iVm 29 Abs.3 FSG) bei der Erstinstanz abgeliefert.

 

Die Dauer der prognostizierten Verkehrsunzuverlässigkeit ist naturgemäß auch auf das Verbot, Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invaliden­kraft­fahr­zeuge zu lenken, und die Aberkennung des Rechts, von einem allfällig bestehenden ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, zu übertragen.  

 

Gemäß § 24 Abs.3 2.Satz FSG hat die Behörde unbeschadet des Abs.3a eine Nachschulung anzuordnen, 3. wenn die Entziehung wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 oder 1a StVO 1960 erfolgt. ... Bei einer Übertretung gemäß   § 99 Abs.1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs.3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrs­psychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde ua eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt, endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

Die auf diese Bestimmung gegründeten Anordnungen im angefochtenen Bescheid sind zwingend und stehen nicht zur Disposition.

 

Gemäß § 64 Abs.2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß dieser Bestimmung im Fall des Entzuges der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf Grund des Interesses des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug immer  geboten (vgl VwGH v 20.2.1990, 89/11/0252, uva).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Lenkeigenschaft aufgrund Zeugenaussagen als gegeben erachtet, Verweigerung 6 Monate + VU 2 Monate + FF 2 Monate = 10 Monate bestätigt

 

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