Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420742/9/Br/Ai

Linz, 02.07.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Dr. Bleier über die Beschwerde des Herrn x, geb. x, x x vertreten durch Rechtsanwalt Mag. x, x, x, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abnahme der Zulassungsbescheinigung und der Kennzeichentafeln, durch ein dem Bezirkshauptmann des Bezirkes Wels-Land  zurechenbares Organ, nach der am 2. Juli 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.      Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.     Der Beschwerdeführer hat der Republik Österreich (Bund – Verfahrenspartei Bezirkshauptmann des Bezirkes Wels-Land) 426,20 Euro an Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 67c Abs. 1 u. 3 und § 67d Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG;

Zu II.: § 79a AVG iVm § 1 Z3 u. Z4 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Schriftsatz vom 24.5.2012 erhebt der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, wegen Abnahme des Zulassungsscheines (konkret gemeint wohl der Zulassungsbescheinigung Teil I) und der Kennzeichentafeln, die auf Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG gestützte und hier am 29.5.2012 einlangende Beschwerde mit nachfolgendem Inhalt:

"1. Der Beschwerdeführer gibt bekannt, dass er Herrn Rechtsanwalt Mag. x, x, x, mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt hat.

 

2. Zwei Polizeibeamte der Polizeiinspektion Lambach als Organe des Bezirkspolizeikommandos Wels haben am 17. April 2012 den Zulassungsschein (Kraftfahrzeugschein) und die Kennzeichentafeln des KFZ des Beschwerdeführers, Marke x, deutsches Kennzeichen x bei seiner Wohnung in x, x abgenommen.

 

Beweis: Bestätigung der Polizei vom 17. April 2012.

 

3. Durch diese Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde der Beschwerdeführer in seinem einfach gesetzlich gewährleisteten Recht auf Abnahme des Zulassungsscheines (Kraftfahrzeugscheines) und der Kennzeichentafeln nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 82 Abs.8 KFG und in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Der Beschwerdeführer erhebt daher in offener Frist durch seinen bevollmächtigten Vertreter

 

B E S C H W E R D E

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes und stellt die

 

A N T R Ä G E,

 

der Unabhängige Verwaltungssenat als zuständige Behörde möge

a) den angefochtenen Verwaltungsakt, nämlich die Abnahme des Zulassungsscheines  (Kraftfahrzeugscheines) und der Kennzeichentafeln für rechtswidrig zu erklären,

b)   gemäß § 79a AVG dem Bund den Ersatz der Kosten gemäß UVS-AufwandersatzV 2008 zu Händen des Rechtsvertreters binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen,

c)   gemäß § 67d AVG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

B E G R Ü N D U N G

 

Zwei Polizeibeamte der Polizeiinspektion Lambach haben am 17.04.2012 gegen 14:40 Uhr dem Beschwerdeführer an seinem Wohnsitz in x aufgesucht.

 

Mit dem Hinweis auf fehlende österreichische Zulassung wurden der Zulassungsschein (Kraftfahrzeugschein) und die Kennzeichentafeln abgenommen.

 

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsbürger und derzeit bei der Fa. x GesmbH, x, x, beschäftigt. Seit 14.10.2011 ist er an der Adresse x, x, mit einem Nebenwohnsitz gemeldet. Der Beschwerdeführer hat seinen Hauptwohnsitz in der x, x, in x.

 

Der Beschwerdeführer hat daher in Österreich keinen Hauptwohnsitz, sondern nur einen Nebenwohnsitz. Der Beschwerdeführer hält sich in Österreich ausschließlich zur Erwerbszwecken auf und hat seinen Lebensmittelpunkt nicht in Österreich sondern in Deutschland, wo auch seine Lebensgefährtin aufhältig ist.

 

Beweis: Meldebestätigung aus dem Zentralen Melderegister; PV;

 

Gemäß § 82 Abs 8 sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis das Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

 

§ 82 Abs 8 KFG ist aber nur dann einschlägig, wenn Personen einen Hauptwohnsitz im Inland haben, was aber auf den Beschuldigten aufgrund der obigen Darstellungen nicht zutrifft. Die Abnahme des Zulassungsscheines (Kraftfahrzeugscheines) und der Kennzeichentafeln war eine gesetzeswidrige Ausführung einer unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt und wird daher wie oben beantragt.

 

Nachstehende Urkunden werden vorgelegt:

- Bestätigung der Polizei vom 17.04.2012

- Meldebestätigung aus dem ZMR vom 14.10.2011

 

x, am 24.05.2012                                                                  x."

 

 

 

1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat forderte die belangte Behörde am 29. Mai 2012 zur Aktenvorlage binnen vier Wochen und  zur Erstattung einer Gegenschrift auf. 

 

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 11.6.2012 übermittelte die Behörde erster Instanz folgende Stellungnahme:

"Zur gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde von Herrn x, geboren am x, x (richtig wohl: x), x, vertreten durch Herrn Mag. x, Rechtsanwalt in x, x, wegen einer behaupteter Verletzung seiner Rechte im Zuge der Abnahme der Kennzeichentafeln x sowie des für diese ausgestellten Zulassungsscheines am 17.04.2012 ist unsererseits Folgendes auszuführen:

 

Der Beschwerdeführer ist seit 04.08.2010 bis dato an der Adresse x, x, polizeilich gemeldet. Bis 14.10.2011 stellte diese seinen Haupt-, seit diesem Zeitpunkt seinen Nebenwohnsitz dar. Er ist bei der Fa. x GmbH in x, x, beschäftigt, pendelt somit offensichtlich zumindest während der Woche täglich zwischen seinem Nebenwohnsitz und seinem Arbeitsplatz. Die Entfernung zwischen x im Landkreis x (x) und x beträgt weit über 400 km, eine Distanz, die realistischerweise keinesfalls täglich zu bewältigen ist. Die Behörde geht somit davon aus, dass der Beschwerdeführer den Großteil der Woche im Bundesgebiet (respektive in x bzw. x) verbringt und hier deshalb auch den objektiven Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat. Daran vermag auch der Umstand, dass er an den Wochenenden zu seiner Lebensgefährtin nach x fährt, nichts zu ändern. Eine andere Interpretation würde die Frage der Zulässigkeit der Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen völlig in die Disposition dessen Halters verlagern und der Norm des § 82 Abs. 8 KFG 1967 jeglichen substanziellen Gehalt nehmen.

 

Stellt somit ein Polizist etwa im Zuge einer Kontrolle fest, dass jemand mit zweifelsfreiem inländischen Hauptwohnsitz das Kraftfahrzeug mit ausländischen Kennzeichen unstrittig länger als einen Monat seit der erstmaligen Einbringung ins Bundesgebiet verwendet, ist der Tatbestand des § 36 lit. a KFG 1967 erfüllt. Es ist daher durch geeignete Maßnahmen dieser fortlaufende Verstoß gegen die inländischen Zulassungsverpflichtung zu unterbinden. Als geeignete Maßnahme kommt (unter anderem) die Abnahme der Kennzeichen in Betracht (VwGH vom 21.05.1996, Gz. 95/11/0378).

 

Da der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz zwar nicht formell, sehr wohl jedoch materiell im Bundesgebiet hatte und auch noch hat, kommt § 82 Abs. 8 KFG 1967 zur Anwendung. Die Verwendung des Kraftfahrzeuges mit dem bundesdeutschen Kennzeichen x war deshalb nur bis 04.09.2010 rechtmäßig, die Abnahme der Kennzeichentafeln sowie des Zulassungsscheines durch die polizeilichen Organe am 17.04.2012 erfolgte nach Ansicht der Behörde eindeutig zu Recht.

 

Zur Frage des Beginns des Fristenlaufes des § 82 Abs. 8 KFG 1967 aufgrund von Wochenendheimfahrten wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.01.2010, Gz. 2009/16/0107, verwiesen.

 

Zusammengefasst gesehen kann die Behörde beim gegenständlichen Vorgehen der Beamten insbesondere im Hinblick auf die in der Bestimmung des § 82 Abs. 8 letzter Satz KFG 1967 normierten Ablieferungspflicht betreffend den ausländischen Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln kein rechtswidriges Handeln feststellen.

 

Anbei die bezughabenden Verwaltungs(straf)akte VerkR30-1-54-2012 Le und  VerkR96-2903-2012 Om. Aktenteile die vom Einsichtsrecht des Beschwerdeführers auszuschließen wären, liegen nicht vor.

 

Weiters wird seitens der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land festgestellt, dass auch seitens der belangten Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung erwünscht wird.

 

Im Falle einer Ab- oder Zurückweisung bzw. Zurückziehung der gegenständlichen Beschwerde wird seitens der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land der in § 79a AVG dem Grunde nach normierte Kostenersatz geltend gemacht.

 

 

3. Gemäß Art 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

Der Bezirkshauptmann des Bezirkes Wels-Land hat am 11. Juni 2012 eine mit dem Verfahrensakt eine Gegenschrift übermittelt. Dies mit dem Inhalt, dass die belangte Behörde den in der Beschwerde erhobenen Vorwurf der rechtswidrigen Abnahme des Kennzeichens verneine. Auch die belangte Behörde hat die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung und den Zuspruch der gemäß der AufwErsV vorgesehenen Kosten beantragt. Dem vorgelegten Verfahrensakt fand sich u.a. eine gegen den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 82 Abs.8 2. Satz KFG erlassene Strafverfügung vom 24.4.2012, Zl.: VerkR96-2903-2012 – offenbar nicht rechtskräftig – angeschlossen.

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einholung einer Gegenschrift und Aktenvorlage im Wege der Behörde erster Instanz. Ferner wurden Erhebungen beim Gemeindeamt in Möggingen in Deutschland und beim Meldeamt der Gemeinde Stadl-Paura sowie eine Anfrage beim Arbeitgeber des Beschwerdeführers durchgeführt.

Im Rahmen der beidseitig beantragten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde das ergänzende Beweisergebnis verlesen. Der persönlich zur Verhandlung erschienene Beschwerdeführer wurde zur Sache befragt. Ein Vertreter der belangten Behörde erschien trotz ausdrücklich beantragter Verhandlung ohne Angaben von Gründen nicht. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger-/innen nach § 51 Abs.1 Z1 NAG, Zahl Sich40-249-2011 vorgelegt.

 

 

4. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist laut Mitteilung seines Arbeitgebers, der Firma x in x (h. Anfrage v. 21.6.2012),  seit 1.8.2010 in der Produktion beschäftigt. Laut Gemeindeamt Stadl-Paura handelt es sich bei der Unterkunft um eine Wohngemeinschaft mit x und x, wobei Letzterer lt. zentralem Melderegister als Unterkunftgeber ausgewiesen ist. Gemeldet ist der Beschwerdeführer an der genannten Adressse seit 4.8.2010, wobei, angeblich über Empfehlung der Sozialversicherung, dieser Wohnsitz ab dem 14.10.2011 als Nebenwohnsitz erklärt wurde. Dies laut Beschwerdeführer vor dem Hintergrund, weil sonst seine in Deutschland bestehende Versicherung nicht aufrecht zu erhalten gewesen wäre.

 

 

4.1. Der Beschwerdeführer legt im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung dar, dass er für eine Leasingfirma gearbeitet habe und er in diesem Zusammenhang zur Firma x verliehen worden sei. Im Zuge der Beschäftigung bei der Leasingfirma habe er sich vier Monate vor der Meldung in Stadl-Paura am Wohnsitz seines Bruders in x angemeldet. An seinem ursprünglicher Wohnsitz in x lebe noch seine Freundin.

Die zeitliche Präsenz in x bzw. x beschreibt der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Befragung dahingehend, dass er - nunmehr direkt in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber - im "Sechserschichtbetrieb" arbeite. Dies sieben Tage lang durchgehend, wobei er dann 48 Stunden frei habe. Einmal im Monat habe er ein Wochenende frei.

In dieser Freizeit fahre er mit seinem etwa fünf Jahre alten und etwas über 100 PS starkem Fahrzeug regelmäßig nach Mögglingen um dort etwa die Post zu sichten und nach dem Rechten zu sehen. Die Feststellung betreffend das KFZ lässt den Schluss zu, dass dessen Verwendung mit der deutschen Zulassung nicht zwingend abgabenrechtlich motiviert war, sondern wirklich auf einen Rechtsirrtum beruhen könnte.

Zwischenzeitig habe er das Fahrzeug nach Deutschland verbracht. Die Fahrten dorthin würde er bis zu Klärung dieser Rechtssache mit dem Fahrzeug des x als Mitglied der Wohngemeinschaft bewerkstelligen.

Zur Hauptmeldung in Österreich sei es ursprünglich über seinen Unterkunftgeber x gekommen. Weil er angeblich in Deutschland nicht mehr sozialversichert gegolten hätte, wurde ihm von einem Bediensteten der österreichischen Sozialversicherung zur Ummeldung auf einen Zweit- oder Nebenwohnsitz in Österreich geraten. So habe er laut seiner Darstellung auch in Deutschland versichert bleiben können.

Insgesamt vermeint der Beschwerdeführer in recht glaubwürdig gehaltenem Vortrag, dass er sich zu keinem Zeitpunkt einer Verfehlung gegen eine kraftfahrrechtliche Bestimmung bewusst gewesen sei. Vielmehr habe er sich unter Hinweis auf seine nachgewiesenen Kontakte mit den zuständigen Behörden an alle Vorschriften gehalten, sodass er letztlich die Vorgehensweise der Abnahme der Kennzeichentafel als nicht gerechtfertigt erachte.

Obwohl er in Österreich sein Geld verdiene sehe er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen an seiner Wohnadresse in Deutschland.

 

 

4.2. Obwohl die Darstellung des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Gutgläubigkeit durchaus nachvollziehbar anmuten, vermag ihm dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Keine Zweifel bestehen nämlich am Zeitpunkt der Einbringung des KFZ nach Österreich  schon am 1.8.2010. Dieser ist mit dem Datum der Arbeitsaufnahme bei der Firma x als ident anzusehen.  Unbestritten ist ebenfalls auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers der dauernde Standort seines KFZ in Österreich. Dies folgt aus der Arbeitszeit, welche den zeitlich weitaus überwiegenden Standort des Fahrzeuges in Österreich erwiesen erscheinen lässt. 

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist gemäß § 1 Abs.7  erster Satz  Meldegesetz  1991, BGBl. Nr. 9/1992 idF BGBl. I Nr. 135/2009 an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen. Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Meldung nach dem Meldegesetz aber nicht von entscheidender Bedeutung (VwGH 15.12.2008 2007/10/0272, mit Hinweis auf VwGH 21. Juni 2007, Zl. 2004/10/0109); treffen etwa diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat der Meldepflichtige jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.  

Für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen sind ferner insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften (VwGH 15.12.2008, 2007/10/0272 mit Hinweis auf VwGH 21. Juni 2007, Zl. 2004/10/0109).

Demnach muss, objektiv betrachtet einerseits vom (Haupt-)Wohnsitz des Beschwerdeführers in Österreich und ebenfalls auch seit Begründung dieses Wohnsitzes vom überwiegenden Kraftfahrzeugstandort an dieser Adresse ausgegangen werden.

 

 

5.1. Gemäß § 79 KFG ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurde und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 eingehalten werden.

Dies besagt, dass spätestens nach diesem Zeitpunkt von keiner gültigen Zulassung mehr ausgegangen werden kann.

Die hier zum Tragen kommenden Bestimmungen des KFG 1967 haben folgenden Inhalt: Gemäß § 36 lit.a KFG dürfen u.a. Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des § 82 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39). Gemäß § 79 Abs.1 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden (und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 eingehalten werden).

Gemäß § 82 Abs.8 sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig (geändert von ursprünglich drei Tagen durch BGBl. I Nr. 132/2002, gültig ab 14.8.2002). Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

Für die Frage, wie lange ein im Ausland zugelassenes KFZ im Inland verwendet werden darf, kommt es darauf an, wo das Fahrzeug seinen dauernden Standort hat. Entsprechend der Vermutung des § 82 Abs.8 KFG ist dafür entscheidend, WER das KFZ im Inland verwendet: Wäre dies etwa eine Person ohne Hauptwohnsitz im Inland, so käme § 79 Abs.1 KFG (mit seiner Jahresregel), ist es hingegen eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland (und wohl auch einem als solchen zu qualifizierenden), so kommt § 82 Abs.8 KFG zum Tragen. Die Abnahme von Zulassungsschein und Kennzeichentafeln um den Lenker an der Weiterfahrt zu hindern, nachdem die Zulassung des Fahrzeuges infolge Zeitablaufes bereits erloschen war, findet im § 102 Abs.12 KFG ihre gesetzliche Grundlage (VwGH 21.5.1996, 95/11/0378).

Auch die deutsche Rechtslage stellt für die Zulassung auf den "regelmäßigen Standort"  des Fahrzeuges  ab; nämlich wo der Wagen stationiert und vorwiegend  zum Verkehr eingestellt wird (Quelle: www.autosieger.de/article14348.html). Ebenso gilt nach Art. 6 Abs.1 der RL 83/183/EWG als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person jener Ort, an dem sie sich an mehr als 185 Tagen im Jahr aufhält. Bei Pendlern verweist die Rechtsprechung des EuGH, C-262/99 v. 12.07.2001, auf die "bei einer Gesamtwürdigung aller die Bindung betreffenden Begebenheiten als den ständigen Mittelpunkt der Interessen."

Vor all diesem Hintergrund kann hier daher dem Beschwerdeführer nicht darin gefolgt werden, wenn er vermeint die objektive Beurteilung seiner Bindungen an den österreichischen Wohnsitz und sein Fahrzeugstandort wäre nicht in Österreich zu sehen.

Die Zulassung seines Fahrzeuges war sohin in Österreich erloschen, was im Rahmen der Gesetzesvollziehung die Berechtigung der Polizeiorgane (deren Verpflichtung) zur Abnahme der Kennzeichentafel nach sich zog. Der Beschwerdeführer wäre nämlich gemäß der einschlägigen Rechtslage längst verpflichtet gewesen die Kennzeichentafeln der deutschen Zulassungsbehörde zurückzustellen und das Fahrzeug gegebenenfalls in Österreich anzumelden.

Auf die Ausführungen betreffend den Eingriff in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ist daher angesichts der bloßen Abnahme von öffentlichen Urkunden nicht weiter einzugehen.

 

6.  Die Kostenentscheidung zugunsten der obsiegenden belangten Behörde, die

als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung tätig geworden ist,  ist gemäß ihrem Antrag der Vorlage- und Schriftsatzaufwand – nicht jedoch der Verhandlungsaufwand – der entsprechend den Pauschbeträgen gemäß § 1 Z3, 4 und 5 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 entstanden ist, gemäß § 79a Abs.3 AVG (Schriftsatzaufwand 368,80 Euro und Vorlageaufwand 57,40 Euro)  zuzusprechen gewesen.

Da die belangte Behörde an der öffentlichen Verhandlung nicht teilnahm entfällt naturgemäß der diesbezügliche Kostenzuspruch.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 26,00 Euro angefallen [Eingabegebühr 14,30 Euro u. 3 Beilagen a´3,90].

 

2. Die im Punkt II. zugesprochen Gebühren in Höhe von 426,20 Euro u. die sonstigen Gebühren sind im Wege der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 


 

VwSen-420742/9/Br/Ai vom 2. Juli 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

KFG 1967 §82 Abs8;

KFG 1967 §103 Abs12

 

Nach § 82 Abs 8 KFG 1967 besteht nach Ablauf eines Monats die Verpflichtung zur Ablieferung des Kennzeichens (hier eines Kennzeichens eines bisher in Deutschland zugelassenen KFZ), wenn der dauernde Standort in das Inland verlegt wurde.

Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Zulassungsbesitzer in Österreich seinem Erwerbsleben nachgeht und dort ständig wohnt, unabhängig davon, ob er laut Melderegister den Hauptwohnsitz im Ausland und nur den Zweitwohnsitz in Österreich gemeldet hat. Die Zulassung ist nach dem o.a. Zeitraum in Österreich als erloschen anzusehen.

 

Dabei ist es unbeachtlich, ob der Betroffene subjektiv den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in seinem Heimatland zu sehen vermeint. Vielmehr ist auf objektive Kriterien des überwiegenden Aufenthaltes abzustellen (Hinweis auch auf Art 6 Abs 1 der RL 83/183/EWG, welche als gewöhnlichen Wohnsitz jenen Ort erblickt, an dem sich der Betroffene mehr als 185 Tage im Jahr aufhält; siehe auch EuGH 12.7.2001, C-262/99).

 

Die Rechtsgrundlage zur Zwangsmaßnahme ergibt sich aus § 102 Abs 12 KFG 1967, der eine bloß demonstrative Aufzählung enthält (VwGH 21.5.1996, 95/11/0378).

 

 

 

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