Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-523191/2/Bi/Kr

Linz, 19.07.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA X, vom 5. Juni 2012 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 24. Mai 2012, VerkR21-137-2012, wegen der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und eine verkehrspsychologische sowie eine psychiatrische Stellungnahme beizubringen, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 8 und 24 Abs.4 FSG iVm §§ 13 und 17 FSG-GV aufgefordert,

1) sich innerhalb von drei Monaten ab Bescheidzustellung von der Amtsärztin der Erstinstanz hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, für die die Führerscheinklassen AV, A, B, B+E und F vorgeschrieben seien, sowie zum Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen untersuchen zu lassen,

2) zur Erstellung des amtsärztliche Gutachtens innerhalb von drei Monaten ab Bescheidzustellung eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen, und

3) zur Erstellung des amtsärztliche Gutachtens innerhalb von drei Monaten ab Bescheidzustellung eine psychiatrische Stellungnahme beizubringen.  

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 25. Mai 2012.

 


2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, bei der StA Linz sei zu 16 St 115/12 z ein Ermittlungs­verfahren eingeleitet worden, es gebe aber keine rechts­kräftige gerichtliche Verurteilung. Die Behörde treffe ohne Wahrung des Parteiengehörs in unzulässiger und vorgreifender Beweiswürdigung unrichtige Sachverhaltsfest­stellungen, die nicht durch ein Beweisverfahren gedeckt seien. Er habe überdies vollständige Schadenswiedergutmachung geleistet, was von der Erstinstanz nicht gewürdigt worden sei – die angekündigte Beifügung der Bestätigung ist unter­blieben, jedoch hat X die Überweisung des Geldbetrages der PI X gegenüber am 15.5.2012 bestätigt.

Es sei eine unzulässige Unterstellung der Behörde, einen "einmaligen Ausrutscher eines jungen Menschen" als "schwere persönlichkeitsbedingte Störung des Urteils, des Verhaltens und der Anpassung" zu würdigen, was überdies in das Fachgebiet eines medizinischen bzw psychologischen Sachverständigen falle und nicht in das eines Sachbearbeiters. Er habe zum angeführten Tatzeitpunkt bereits drei Halbe Bier konsumiert gehabt, weshalb eine verringerte Hemmschwelle anzunehmen gewesen sei. Unter Berücksichtigung der fehlenden Sachverhalts­fest­stellungen wäre die Erstinstanz zu einem für ihn günstigeren Bescheid­ergebnis gekommen. Beantragt wird die Beischaffung des oben zitierten Aktes der StA Linz.

Die Erstinstanz habe auch nicht berücksichtigt, dass er ein erst kürzlich volljährig gewordener junger Erwachsener sei. Es habe sich um einen, wenn auch völlig unangebrachten aus dem Ruder gelaufenen Jugendstreich mit seinem Freund X und zwei lediglich zusehenden Freunden gehandelt, die durch eine gewisse "Gruppendynamik" mit gegenseitigem "Aufstacheln" und "Imponiergehabe" unter Jugendlichen hervorgerufen worden sei, aber keinesfalls eine bei ihm vorhandene schwere Persönlichkeitsstörung iSd § 13 Abs.2 Z4 FSG-GV. In einem solchen Fall wäre er – vermutlich – bereits mehrfach einschlägig aufgefallen; er sei hingegen völlig unbescholten und diese Tat wäre von ihm keinesfalls alleine ausgeführt worden. Er sei außerdem einsichtig gewesen und habe bei der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt. Die Annahme einer fehlenden gesundheitlichen Eignung sei daher auch im Lichte der Rechtsprechung des VwGH nicht gerechtfertigt. Beim vorgeworfenen Delikt handle es sich auch nicht um ein solches strafbares Verhalten, das ausreichenden Bezug zu kraftfahr- oder straßenverkehrsrechtlichem Fehlverhalten aufweise und daher einen Mangel der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung indizieren könnte. Er habe den unbedingten Willen zur Besserung und sei "jedenfalls" gesundheitlich geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen aller Art. Beantragt wird, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung die Aufhebung des Bescheides .

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Aus dem Abschlussbericht von AI X, PI X, vom 22. Mai 2012 an die StA Linz geht hervor, dass der Bw zusammen mit seinem Freund X (G) in der Nacht vom 29. auf den 30. April 2012, etwa um Mitternacht, in X, unmittelbar bei der "X-Brücke" bei km 3.080 des dortigen Güterweges, den auf X, zugelassenen und nach überein­stimmenden Aussagen von dessen Sohn X bezahlten, dort geparkten Pkw X demolierte, indem der Bw nach eigenen Aussagen mit einem "Holzstaffel" die Seitenscheibe der Fahrertür einschlug und mehrmals auf das Dach einschlug. Nach den Aussagen beider vom 30. April 2012 vor der PI X sind die demolierten übrigen Scheiben des Fahrzeuges, die heruntergeschlagenen Außenspiegel und die weiteren Beschädigungen auf die Kraftausbrüche seines Freundes G zurückzuführen, der auch mit seinem mitgebrachten Luftdruckgewehr mehrmals auf das Fahrzeug schoß, während die Freunde W und P dabei­standen und zusahen. Fest steht nach den übereinstimmenden Aussagen der Genannten, dass der Bw zuvor gegen 23.00 Uhr jedenfalls zwei Halbe Bier getrunken hatte. Der Bw fuhr im Pkw von G zum geparkten Pkw und danach zu P mit. Den Schaden am Pkw in Höhe von 6.000 Euro haben der Bw und G beglichen. Der Bw begründete sein Verhalten vor der Polizei damit, ihm sei plötzlich die Idee gekommen, dass sie den Jugendlichen beim Zeltlager bei der X in X, das sie kurz vorher besucht und angeblich ohne jeden Streit verlassen hatten, einen Streich spielen könnten. Der Bw betonte vor der Polizei, das tue ihm nun leid, das sei Blödsinn gewesen.

Laut Abschlussbericht wurde dem Bw weiters eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit insofern vorgeworfen, als er um ca 00.30 Uhr des 30. April 2012 bei km 2.65 des Güterweges X in X einen neben der Fahrbahn abgelegten betonierten ca 50 kg schweren Schachtstein mitten auf die Fahrbahn gelegt und dort liegengelassen habe.

 


In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Fest steht, dass der am 2. April 1993 geborene Bw im Jahr 2008 einen Moped­ausweis und am 11. April 2011 eine Lenkberechtigung für die Klassen B und B+E und am 12. September 2011 eine solche für die Klassen A und F erworben hat.

Dass er selbst beim genannten Vorfall kein Kraftfahrzeug gelenkt hat, steht ebenfalls fest. Die angezeigten Straftaten sind nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 FSG zu sehen, dh für die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit besteht selbst bei einer strafgerichtlichen Verurteilung kein Anlass.    

 

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist bei Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG einzuholen (und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen). Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung ist ua dann, wenn der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Aufforderungsbescheid zur amtsärztlichen Unter­suchung keine Folge leistet, die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl E 21.9.2010, 2010/1170126, 22.6.2010, 2010/11/0076, 16.4.2009, 2009/11/0020,  17.10.2006, 2003/11/0302) ist ein Aufforderungs­bescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesund­heitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungs­voraussetzung geschlossen werden kann; es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl E 21.9.2010; 2010/11/0105, 28.6.2011, 2009/11/0095).

Der bloße Umstand, das ein Führerscheinbesitzer Alkohol (wenngleich in größeren Mengen) konsumiert hat, ohne dass gleichzeitig Anhaltspunkte für eine Alkohol­abhängigkeit gegeben sind und ohne dass der Alkoholkonsum in einem Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges gestanden ist, begründet noch keine Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG, die die Behörde ermächtigen, den Betreffenden zur amtsärztlichen Untersuchung aufzufordern (vgl E 28.6.2011, 2009/11/0095).  

 

Die vorsätzliche Beschädigung eines Pkw durch den Bw ist aus der Sicht des UVS zwar als Zeichen nicht näher erklärbarer Aggressivität zu sehen, jedoch ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nicht einmal eine gegen nahestehende oder auch unbekannte Personen offen zur Schau gestellte Aggressivität Anlass für Bedenken hinsichtlich des Bestehens der gesundheitlichen Eignung des Inhabers einer Lenkberechtigung, wenn diese nicht im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges stand. Ob eine solche Aktion tatsächlich noch als "Jugendstreich" im Zusammenwirken mit gleichgesinnten oder bloß als Publikum anwesenden, aber nicht eingreifenden Personen oder als bloßes "Zeichen überbordender Lebenslust" zu bezeichnen ist, bleibt dahingestellt.

 

Tatsache ist, dass die Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG nur dann zulässig ist, wenn begründete Bedenken bestehen, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die Voraussetzungen des § 5 Abs.1 FSG-GV nicht mehr erfüllen könnte. Anzeichen für einen gehäuften Alkoholmissbrauch als Grund für befürchtete Mängel der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen sind beim Bw objektiv nicht greifbar. Da von einer mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nur bei einem Verhalten gesprochen werden kann, bei dem es zu relativ schwer wiegenden Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften gekommen ist oder das bereits innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu mehreren Vorentziehungen geführt hat und das Fehlverhalten des Bw in keinem erkenn­baren Zusammen­hang zu kraftfahr­- oder straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stand, lassen sich daraus Bedenken gegen seine gesundheitliche Eignung nicht ableiten (VwGH 30.9.2002, 2002/11/0120).

 

Die Beurteilung, ob nun zur Erstellung eines Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 17 Abs.1 FSG-GV eine verkehrspsycholo­gische Stellungnahme oder gemäß § 13 Abs.2 FSG-GV (außer­dem noch) eine psychiatrische Facharzt-Stellungnahme erforderlich wäre, obliegt allein dem Amtsarzt, weshalb die jeweiligen Auf­forderungen im angefochtenen Bescheid ohne entsprechendes Verlangen des Amtsarztes unzulässig waren.      

 

Abgesehen davon besteht bei strafgerichtlicher Verurteilung die Möglichkeit, erwiesener bedenklicher Aggressivität des Bw über entsprechende Weisungen entgegenzuwirken.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Mit Holzstück Scheiben bei geparkten Auto eingeschlagen + Betonklotz (50 kg) auf Fahrbahn eines Güterweges gelegt -> § 24 Abs.4 – Aufforderung nicht haltbar -> Aufhebung

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum