Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750001/2/SR/WU

Linz, 12.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, kosovarische Staatsangehörige, unbekannter Aufenthalt (seit 29. Juli 2011 nach unbekannt verzogen), gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 28. Juni 2011, GZ Sich96-1060-2011, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

 

I.  Aus Anlass der Berufung wird das in Rede stehende Straferkenntnis    aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 44a und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: § 64ff. VStG

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 28. Juni 2011, GZ Sich96-1060-2011, wurde die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

Sie hielten sich am 19.05.2011 um 18:12 Uhr als Fremder außerhalb des Gebietes in dem Sie gem. § 12 Abs. 2 AsylG 2005 geduldet waren, auf, da Sie - laut Ihrer eigenen Aussage - am 19.05 nach X (Frankreich) ausreisten. Sie wurden dort von der deutschen Polizei bei der Rückreise am 23.05.2011 kontrolliert und aufgegriffen. Am 24.05.2011 wurden Sie von Deutschland nach Österreich zurückgeschoben.

 

Sie haben daher folgende Rechtsvorschrift verletzt:

 

§ 121 Abs. 2 i.V.m §12 Abs. 2 Asylgesetz 2005

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe gem. § 121 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz:

Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall 100 Stunden................€ 1.000,00

abzüglich Sicherheitsleistung:..................................................... -€        0,00

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG)

als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10% der Strafe

zu zahlen:                                                                                       €    100,00

 

Sie haben daher folgenden Betrag einzuzahlen:….............................€ 1.100,00

 

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.

 

Der vorgeschriebene Betrag ist - unter Angabe des Aktenzeichens - auf folgendes Konto der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck einzuzahlen:

 

         Bank: ALLGEMEINE SPARKASSE OO BANK AG

         Bankleitzahl: 20320

         Konto-Nr.: 06100-001435

         BIC: ASPKAT2L

         IBAN AT982032006100001435

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des FPG ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie stellten am 02.05.2011 einen Antrag auf Internationalen Schutz (Asyl) in Österreich. Am 19.05.2011 um 18:12 Uhr reisten Sie gemeinsam mit Ihrem Ehemann X und Ihren minderjährigen Kindern X und X - laut eigener Aussage - nach X (Frankreich) aus. Bei der Rückreise wurden Sie am 23.05.2011 in Deutschland von der Polizeiinspektion X aufgegriffen und am 24.05.2011 von Deutschland nach Österreich zurückgeschoben.

 

Am 24.05.2011 wurden Sie wegen der Übertretung der Gebietsbeschränkung gemäß § 121 Abs. 2 von Beamten der PI X angezeigt. Im Zuge der Anzeige machten Sie als Verdächtiger folgende Angaben: Sie hätten nicht gewusst, dass Sie den Bezirk X nicht verlassen dürfen. Sie hätten auch nicht gewusst, dass der Aufenthalt außerhalb der EAST-X zeitlich beschränkt ist.

 

Mit Schreiben vom 30.05.2011, Ihnen am 31.05.2011 nachweislich zugestellt, wurden Sie aufgefordert zu im Spruch genannter Verwaltungsübertretung Stellung zu nehmen. Dieses Schreiben blieb bisher unbeantwortet.

 

In rechtlicher Hinsicht und zur Strafbemessung führte die belangte Behörde wie folgt aus:

 

Obwohl Ihnen nachweislich die Gebietsbeschränkung für den Bezirk X zur Kenntnis gebracht wurde, kam es Ihnen geradezu darauf an, die Gebietsbeschränkung zu verletzen, indem Sie den Bezirk X verließen und sich mit dem PKW nach Frankreich begaben. Bei der Rückreise wurden Sie schließlich in Deutschland kontrolliert und aufgegriffen.

 

Ihr Äußerung anlässlich der Anzeige, Sie hätten nicht gewusst, dass Sie den Bezirk X nicht verlassen dürfen und dass der Aufenthalt außerhalb der EAST-X zeitlich beschränkt sei, sind als reine Schutzbehauptung zu werten, da Ihnen im Rahmen Ihrer Asylantragsstellung Informationsmaterial zum Bezirk, zur Gebietsbeschränkung, ein Merkblatt über die Rechte und Pflichten von Asylwerbern, die Hausordnung der EAST-X und mehrere andere Informationsblätter in der Ihnen verständlichen Sprache Serbokroatisch ausgefolgt wurden. Zudem wird darauf hingewiesen, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt.

 

Zur Strafhöhe wird ausgeführt, dass diese im untersten Bereich (Mindeststrafe) des Strafrahmens angesiedelt ist.

Vom außerordentlichen Milderungsrecht gem. § 20 VStG 2001 konnte daher kein Gebrauch gemacht. Die Strafbemessung entspricht dem Tatbild sowie der zur Last gelegten Schuld.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

2. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis, das der Bw am 28. Juni 2011 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende rechtzeitige Berufung vom 30. Juni 2011, eingelangt bei der belangten Behörde am 5. Juli 2011.

In der Begründung führte die Bw aus, dass sie sehr wohl eine Stellungnahme abgegeben habe. Diese habe sie bei der Einlaufstelle der Polizei in der EAST-X abgegeben. Dem Bescheid könne nicht entnommen werden, welche Handlung sie an welchem Ort zu welchem Zeitpunkt gesetzt habe.

Eine etwaige Gebietsverletzung sei ihr nicht vorzuwerfen, da sie eine Vielzahl von schriftlichen Informationen erhalten habe; die Erfassung des umfangreichen und komplizierten Inhalts sei ihr jedoch nicht möglich gewesen. Verständliche mündliche Erklärungen habe sie nicht erhalten. Mangels verständlicher Informationen sei ihr die Übertretung subjektiv nicht vorwerfbar. Als rechtlich und sprachlich unkundigen und unvertretenen Fremden sei sie auf die Anleitung und Information durch die Behörde angewiesen.

Im Straferkenntnis werde ihr lediglich die Tatzeit "19.5.2011, 18:12 Uhr" vorgeworfen. Dieser Zeitraum sei sehr kurz und müsse bei der Verschuldensabwägung und der Abwägung der Schwere der Verletzung der Vorschriften berücksichtigt werden.

In der Folge bringt die Bw verfassungsrechtliche Bedenken zur Mindeststrafe vor, setzt sich mit der Angemessenheit der verhängten Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe auseinander und weist auf die Möglichkeit der Anwendung des § 20 VStG hin.

Abschließend wird die Aufhebung des Straferkenntnisse in eventu die Herabsetzung der Strafe beantragt.

3.1. Mit Schreiben vom 5. Juli 2011 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und die Berufungsschrift. Ergänzend dazu wurde am 11. Juli 2012 eine ZMR-Anfrage getätigt.

Demnach ist die Bw seit dem 29. Juli 2011 im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet und wird im ZMR als "verzogen nach Kosovo" geführt. 

 

3.3. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hat die belangte Behörde der Bw vorgeworfen, dass sie sich am "19. Mai 2011 um 18.12 Uhr" außerhalb des Gebietes, in dem sie gemäß § 12 Abs. AsylG geduldet war, aufgehalten habe, da sie am 19. Mai 2011 nach X ausreiste.

 

Wie der Anzeige der PI X vom 24. Mai 2011 zu entnehmen ist, hat die Bw am "19.05.2011 um 18.12 Uhr" das "Areal der EAST-X" verlassen. Da sich die Erstaufnahmestelle nicht in unmittelbarer Nähe zur Bezirksgrenze befindet, kann sich die Bw um 18.12 Uhr- zum Zeitpunkt des Verlassens der Unterkunft - nicht außerhalb des Gebietes, in dem sie geduldetet war, aufgehalten haben.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 VStG zuständig, über Berufungen im Verwaltungsstrafverfahren zu entscheiden. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 51c VStG durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 121 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 in der Fassung vor dem FRÄG 2011 begeht ein Fremder, der sich außerhalb des Gebietes aufhält, in dem er gemäß § 12 Abs. 2 AsylG geduldet ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000,-- Euro bis zu 5.000,- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.

 

Gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Aufenthalt eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dem kein Aufenthaltsrecht zukommt, für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesasylamt lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in dem sich sein Aufenthaltsort im Sinne des § 15 Abs. 1 ZA AsylG befindet, geduldet.

 

4.2. Wie sich dem vorliegenden Verwaltungsstrafakt (siehe Anzeige vom 24. Mai 2011) unbestritten entnehmen lässt, hielt sich die Bw zum vorgeworfenen "Tatzeitpunkt" – 19. Mai 2011, 18.12 Uhr – unmittelbar im Bereich der Erstaufnahmestelle und somit innerhalb des Gebietes auf, in dem sie geduldet war.

 

Dass sich die Bw im späteren Verlauf des 19. bis 24. Mai 2011 nicht innerhalb des genannten Gebietes aufgehalten hat, wurde ihr im Spruch des Straferkenntnisses nicht zum Vorwurf gemacht.

 

4.3. Da die Bw die ihr angelastete Tat nicht begangen hat, war der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

 

5. Bei diesem Ergebnis war der Bw gemäß den §§ 64 ff. VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

6. Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs.2 leg. cit., soweit es die Verfahrensvorschriften nicht anders vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung (siehe diesbezüglich § 23 ZustG) ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

 

Dass die Bw im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung in Kenntnis des fremdenpolizeilichen Verfahrens war, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Entgegen dem § 8 Abs. 1 ZustG hatte es die Bw, welche am 29. Juli 2011 nach unbekannt verzogen ist, jedoch unterlassen, dem Oö. Verwaltungssenat oder der belangten Behörde eine neue Abgabestelle zu nennen. Eine solche konnte auch nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden, zumal die Abfrage des Zentralen Melderegisters vom 11. Juli 2012 ergab, dass die Bw seit 30. Juli 2011 über keinen Wohnsitz in Österreich verfügt.

 

Der gegenständliche Bescheid wird daher gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG (Hinterlegung ohne Zustellversuch) ohne vorherigen Zustellversuch im gegenständlichen Akt des Oö. Verwaltungssenats hinterlegt und für die Bw zur Abholung bereitgehalten.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

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