Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750007/2/SR/WU

Linz, 12.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, unbekannter Aufenthalt (seit 10. November 2011 nach unbekannt verzogen), vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 2. September 2011, GZ Sich96-220-2011, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

 

            I.      Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

        II.      Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in Höhe von 100,00 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten. 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

zu II.: § 64 VStG


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 2. September 2011, GZ Sich96-220-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2-4 und 6 iVm. § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 50 Stunden) verhängt, weil er sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens am 1. Juni 2011 als Fremder seit 2. Juni 2011 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, da er weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei, er nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei, ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukomme und er nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sei.

 

Obwohl der Bf mit Schreiben der belangten Behörde vom 3. Juni 2011 zur Ausreise aufgefordert worden war, sei er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

 

Mit Schreiben vom 19. August 2011 sei dem Bw die vorliegende Verwaltungsübertretung angelastet und er zur Rechtfertigung aufgefordert worden.

 

Innerhalb offener Frist habe der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Bw durch den Rechtsvertreter vorgebracht, dass von einem nicht rechtmäßigen Aufenthalt nicht gesprochen werden könne. Beim Verfassungsgerichtshof sei der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers eingebracht worden und es gebiete der Respekt vor dem Höchstgericht, das Ergebnis de Prüfung abzuwarten. Darüber hinaus befinde sich der Bw in einem rechtfertigenden Notstand, da es ihm nicht möglich sei, mangels Dokumente das Bundesgebiet zu verlassen.

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes sehe die belangte Behörde die angelastete Verwaltungsübertretung als erwiesen an. Der Verfahrenshilfeantrag verschaffe kein Aufenthaltsrecht. Selbst eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof begründe ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kein Aufenthaltsrecht. Zum Einwand, dass der Bw über kein Reisedokument verfüge, hielt die belangte Behörde fest, dass der Bw keine Anstrengungen unternommen habe, ein solches zu erlangen.

 

Somit sei dem Bw die Tat sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbar.

 

Strafmilderungs- bzw. Straferschwerungsgründe seien nicht hervorgekommen.

2. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis, das dem rechtsfreundlichen Vertreter des Bw am 6. September 2011 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende rechtzeitige Berufung vom 15. September 2011.

In der Begründung führte der Bw aus, dass ein illegaler Aufenthalt im Hinblick auf den Verfahrenshilfeantrag nicht vorliege. Ob sich der Bw zu Recht oder zu Unrecht im Bundesgebiet befinde, könne erst nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes beurteilt werden.

Darüber hinaus sei es dem Bw nicht möglich, Österreich zu verlassen. Er befinde sich daher in rechtfertigendem Notstand. Der Bw habe keinerlei Dokumente um auszureisen und es gebe auch kein Land, das ihn aufnehme. Ein alternatives rechtmäßiges Verhalten sei ihm daher nicht möglich.

Der Auffassung der belangten Behörde sei entgegen zu treten. Es sei nicht die Frage, ob der Bw ein Aufenthaltsrecht habe, sondern dass das Verwaltungsstrafverfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ausgesetzt werden sollte.

Auch gehe der Vorwurf der belangten Behörde, dass sich der Bw ein Reisedokument beschaffen hätte sollen, ins Leere. Ein Asylwerber, der geflüchtet sei, könne sich von der Botschaft dieses Landes kein Reisedokument beschaffen. Sollte er dies tun, würde er sich wieder unter den Schutz des Verfolgerstaates stellen.

Die verhängte Geldstrafe sei völlig unangemessen. Daher stelle die Ersatzfreiheitsstrafe in Wirklichkeit eine Freiheitsstrafe dar. Es hätte daher mit einer Ermahnung vorgegangen werden müssen.

Abschließend werden zunächst die Anträge auf Aufhebung des in Rede stehenden Straferkenntnisses gestellt, in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung an die belangte Behörde, in eventu auf Freispruch, in eventu auf Herabsetzung der Strafe und Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes.

3.1. Mit Schreiben vom 20. September 2011 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und die Berufungsschrift. Ergänzend dazu wurde am 11. Juli 2012 eine ZMR-Anfrage getätigt und eine EKIS-Abfrage vorgenommen.

Demnach ist der Bw seit dem 10. November 2011 im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet. Da der Bw seit diesem Zeitpunkt auch keine Behördenkontakte hatte und auch polizeilich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, ist davon auszugehen, dass sich der Bw nicht mehr im Bundesgebiet aufhält. Der AI/DGA ist zu entnehmen, dass das Asylverfahren unter der Zahl AI 08 08.030 rechtskräftig negativ abgeschlossen und kein höchstgerichtliches Verfahren anhängig ist.

 

3.3. Dass der Bw über keinen Aufenthaltstitel verfügt und die Voraussetzungen gemäß § 31 FPG für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht vorliegen, ist unstrittig.

 

Der Bw versucht sein "Aufenthaltsrecht" ausschließlich mit der Verfahrenshilfeantragsstellung beim VfGH zu begründen.

 

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststand, im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und auch kein Parteienantrag gestellt wurde, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG verzichtet werden.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 VStG zuständig, über Berufungen im Verwaltungsstrafverfahren zu entscheiden. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 51c VStG durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im   Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die     durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung          bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur          Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für       Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten    Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet   keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen         zukommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländer­beschäfti­gungs-        gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsende­be-­       willi­gung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3     Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit       einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

Gemäß § 120 Abs. 7 liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass das Asylverfahren des Bw mit Wirkung 1. Juni 2011 rechtskräftig negativ entschieden wurde, ihm ab diesem Zeitpunkt keinerlei Aufenthaltsrecht mehr zukam und gleichzeitig die Ausweisung in den Herkunftsstaat verfügt wurde.

 

Weiters ist unbestritten, dass keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG vorliegt.

 

Im Hinblick auf die rechtskräftige negative Asylentscheidung ist dem Einwand des Bw nicht zu folgen, dass die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Tatzeitraum erst nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (abschließend) beurteilt werden könne. Da dem Bw im Tatzeitraum kein Aufenthaltrecht zugekommen ist und er auch keine der Voraussetzungen des § 31 FPG erfüllt, ist die objektive Tatseite im vorliegenden Fall zweifelsfrei gegeben.

 

4.3.1. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

4.3.2. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Der Bw macht ausschließlich geltend, dass er mangels entsprechender Dokumente Österreich nicht verlassen könne und ihn daher kein Verschulden treffe.

 

Im Hinblick auf die Beschaffung eines Reisedokumentes ist den Ausführungen des Bw teilweise zu folgen. Dem Bw war es nicht zumutbar, sich während des laufenden Asylverfahrens von der Botschaft seines Herkunftsstaates ("Verfolgerstaat") ein Reisedokument ausstellen zu lassen. Nach der rechtskräftigen negativen Erledigung seines Asylverfahrens wäre es sehr wohl am Bw gelegen, sich die notwendigen Dokumente für die Ausreise zu besorgen. Der Bw hat zu keinem Zeitpunkt des Verwaltungsstrafverfahrens vorgebracht, dass er sich um die Ausstellung eines Reisedokumentes bei der Vertretung seines Herkunftsstaates bemüht habe oder dass ihm eine Ausstellung verweigert worden wäre. Mit seinem Untätigbleiben und dem Abwarten kann der Bw keinesfalls einen "rechtfertigenden Notstand" begründen oder mangelndes Verschulden glaubhaft machen.

 

Der belangten Behörde folgend ist somit vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite in Form zumindest grob fahrlässigen Verhaltens auszugehen. Der Bw musste sich des Umstandes seines illegalen Aufenthalts in vollem Umfang bewusst sein.

 

Anzumerken ist, dass der Bw den Ausgang des Strafverfahrens nicht abgewartet hat und allfälligen fremdenpolizeilichen Maßnahmen zuvor gekommen ist, indem er entweder in der Anonymität untergetaucht oder (allenfalls mit vor den Behörden versteckt gehaltenen Reisedokumenten) das Bundesgebiet verlassen hat.

 

4.4.1. Hinsichtlich der Strafhöhe ist festzuhalten, dass diese ohnehin mit der gesetzlichen Mindeststrafe am untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelt wurde. Es ergeben sich keine Umstände, von dieser Strafhöhe abzugehen.

 

4.4.2. Mangels Überwiegen der Milderungsgründe, mangels geringem Verschulden, aber auch mangels unbedeutender Folgen der Tat kam eine Anwendung der §§ 20 bzw. 21 VStG nicht in Betracht.

 

4.5. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die in Rede stehende Berufung als unbegründet abzuweisen, das Straferkenntnis zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden war. 

 

5. Gemäß § 64 VStG war dem Bw zusätzlich zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö. in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe somit von 100,00 Euro aufzuerlegen.

.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Christian Stierschneider

 

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