Linz, 04.07.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der Russischen Föderation, unbekannten Aufenthalts, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 10. Mai 2012, AZ: 1073460/FRB, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbots in der Dauer von drei Jahren nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§ 1 Abs. 2 iVm 52 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/49
§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Кассационная жалоба удовлетворяется и оспариваемое решение отменяется без возмещения
Юридическое основание:
§ 1 Abs. 2 iVm 52 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/49
§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 10. Mai 2012, AZ: 1073460/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs. 1 in Verbindung mit 53 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, eine Rückkehrentscheidung und ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum ausgesprochen sowie gemäß § 57 Abs. 1 FPG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.
Begründend führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid folgendes aus:
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit am 22. Mai 2012 bei der belangten Behörde eingelangtem Schriftsatz rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
Einleitend stellt der Bw die Anträge, die Rechtsmittelbehörde möge
Im Berufungsschreiben führt der Bw im Anschluss folgendes aus:
2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 23. Mai 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.
2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.
2.2.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt aus.
Im Berufungsverfahren ist zudem Folgendes hervorgekommen:
Im Akt befindlich ist eine Kopie eines auf den Bw lautenden Reisedokuments für subsidiär Schutzberechtigte der Republik Ungarn, welches bis 6. Oktober 2012 Gültigkeit besitzt.
Der Bw ist laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister seit 23. Mai 2012 nicht mehr in Österreich polizeilich gemeldet. Dem Vorlageschreiben der belangten Behörde ist zu entnehmen, dass von der Verhängung der Schubhaft gegen den Bw abgesehen und ihm die freiwillige Ausreise nach Ungarn gestattet wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass der Bw nach Ungarn ausgereist und derzeit in Ungarn aufhältig ist.
2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
3.1.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 49/2012, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
3.1.2. Der Bw bringt in seiner Berufung vor, in Ungarn den Status als subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt bekommen zu haben, und deshalb in Österreich rechtmäßig aufhältig gewesen zu sein. Es bestehe daher nicht die Möglichkeit, mittels einer Rückkehrentscheidung gegen ihn vorzugehen.
3.2. Bereits mit diesem Vorbringen dürfte der Bw, der – wie dem Akt zu entnehmen ist – tatsächlich in der Republik Ungarn subsidiären Schutz erhalten hat, im Recht sein.
3.2.1. § 1 Abs. 2 FPG zufolge sind auf Asylwerber "die §§ 41 bis 43, 52, 53, 57 Abs. 1, 72 und 76 Abs. 1 nicht anzuwenden. […] Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, sind darüber hinaus die §§ 39, 60 und 76 nicht anzuwenden."
Die Bestimmung kann aufgrund des Wortlauts nur so zu verstehen sein, als für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte die §§ 39, 41 bis 43, 52, 53, 57 Abs. 1, 60, 72 und 76 FPG nicht anzuwenden sind.
Geht man davon aus, dass der Fremdenpolizeigesetzgeber nicht differenzieren wollte, welches Land den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hat, dass also der in Ungarn subsidiär Schutzberechtigte auch in Österreich als solcher anzusehen ist, gelangt man im gegenständlichen Fall zum Ergebnis, dass aufgrund des § 1 Abs. 2 FPG die Erlassung einer – in § 52 leg cit geregelten – Rückkehrentscheidung mangels Anwendbarkeit der letztzitierten Norm ausscheidet.
3.2.2. Sollte es jedoch so sein, dass der Fremdenpolizeigesetzgeber, wenn er von "subsidiär Schutzberechtigten" spricht, nur jenen Personenkreis meint, welcher diesen Status von der Republik Österreich zuerkannt bekommen hat, führt dies dennoch zu keinem anderen Ergebnis.
In Bezug auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Bw in Österreich, welcher die Grundvoraussetzung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung darstellt, fehlt im angefochtenen Bescheid jegliche Aussage. Es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher nicht möglich zu rekonstruieren, inwiefern die belangte Behörde von einem unrechtmäßigen Aufenthalt des Bw ausgegangen ist. Es ist für die erkennende Behörde jedenfalls nicht klar ersichtlich, dass der Bw, der im Besitz eines ungarischen Reisedokuments ist, nicht rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen ist.
3.2.3. Selbst wenn man mit der belangten Behörde davon ausgeht, dass der Bw sich nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, steht der Erlassung einer Rückkehrentscheidung noch § 52 Abs. 2 FPG entgegen.
Die Bestimmung normiert, dass ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedsstaates, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben und dies nachzuweisen hat. Nur wenn der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder seine sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.
Wie die belangte Behörde in ihrem Vorlageschreiben selbst anführt, wurde dem Bw die freiwillige Ausreise nach Ungarn, also in einen Mitgliedsstaat, in welchem der Bw als subsidiär Schutzberechtigter eine Aufenthaltsberechtigung besitzt, gestattet. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre daher nur dann zulässig, wenn die sofortige Ausreise des Bw aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich gewesen wäre. Dies hat die belangte Behörde nicht dargelegt bzw. ist dies für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auch nicht ersichtlich. Dass die belangte Behörde dies nicht bedacht hat wird auch dadurch indiziert, als sie den angefochtenen Bescheid nicht auf § 52 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FPG, sondern lediglich auf § 52 Abs. 1 leg cit gestützt hat.
3.3. Aus den dargelegten Gründen ist daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Bw nicht möglich und es war spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Разъяснение права и порядка обжалования:
Обжалование данного решения в обычном порядке не допускается.
Указание:
Данное решение может быть обжаловано в Конституционном и/или в Высшем Административном суде земли в течение 6 недель с момента вручения; аппеляция должна быть подана - за исключением предусмотренных законом случаев - уполномоченным адвокатом. За подачу каждого обжалования взимается пошлина в размере 220 евро.
Bernhard Pree
Beschlagwortung:
subsidiär Schutzberechtigter, Rückkehrentscheidung §§ 1 (2), 52 (1) und (2) FPG
Beachte:
Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.
VwGH vom 18.04.2013, Zl.: 2012/21/0194-15