Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750042/2/SR/WU

Linz, 11.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, StA von Kamerun, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 26. Mai 2012, GZ Sich96-214-2011, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der Strafausspruch durch folgenden Ausspruch ersetzt wird: "Gemäß § 21 VStG wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen."

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 21 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 (AVG);

zu II: §§ 65f VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 26. Mai 2012, GZ.: Sich96-214-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 100,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) gemäß    § 32 Abs. 2 i.V.m. § 121 Abs. 3 Z. 2 FPG i.d.g.F. verhängt, weil er am 22. März 2011, um ca. 10.20 Uhr in X, X, bei StrKm 1,000 kein Reisedokument mitgeführt hat, obwohl er als Fremder verpflichtet ist, sein Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung vom jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einbringung ohne verhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

Zum Verfahrensablauf führte die belangte Behörde aus, dass der Bw gegen die Strafverfügung vom 24. März 2011 fristgerecht einen Einspruch erhoben habe. Darin habe der Bw vorgebracht, dass er sich bei der Kontrolle mit dem Führerschein ausgewiesen und die Fahrzeugpapiere vorgelegt habe. Den Konventionsreisepass hätte er nicht mitgeführt.

 

Der als Zeuge befragte Polizeibeamte sagte aus, dass der Bw der Ansicht gewesen sei, das Reisedokument nur im Falle der Ausreise bei sich führen zu müssen. Einer freiwilligen Mitfahrt habe der Bw nicht zugestimmt und die Beibringung des in X befindlichen Passes hätte eine unverhältnismäßige Verzögerung bedeutet.

 

Im Zuge der Strafbemessung wertete die belangten Behörde einschlägige Vorstrafen als erschwerend.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw vor der belangten Behörde Berufung. Sein Berufungsvorbringen wurde in der am 11. Juni 2012 angefertigten Niederschrift festgehalten.

 

Zum Tatvorwurf führte der Bw aus, dass nach einem Reisedokument aus Kamerun gefragt worden sei. Ein solches habe er nicht besessen. Zum Tatzeitpunkt habe er nur einen Aufenthaltstitel gehabt. Das Konventionsreisedokument sei erst danach ausgestellt worden.

 

Abschließend beantragte der Bw die Einstellung des Verfahrens.

 

3. Mit Schreiben vom 26. Juni 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt und folgenden Sachverhaltsergänzungen aus:

 

Seit dem 2. April 2007 kommt dem Bw der Status eines Asylberechtigten zu. Er verfügt seit diesem Zeitpunkt über ein dauerndes Einreise- und Aufenthaltsrecht.

 

In der Anzeige der GPI X wurde festgehalten, dass im Zuge der Amtshandlung hervorgekommen sei, dass der Bw über eine Aufenthaltsberechtigung verfüge (EKIS-Anfrage). Rechtfertigend habe der Bw angegeben, dass er der Ansicht sei, in Österreich keinen Reisepass mitführen zu müssen und nur im Falle der Ausreise einen benötigen würde.

Mit Strafverfügung vom 24. März 2011, GZ Sich96-50-2011, verhängte die Bezirkshauptfrau von Rohrbach wegen der vorliegenden Tat eine Geldstrafe in der Höhe von 50,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 21 Stunden).

 

Im als rechtzeitig zu wertenden Einspruch brachte der Bw vor, dass er den Beamten erklärt habe, dass ihm ein Konventionsreisepass von der belangten Behörde ausgestellt worden sei. Diesen nehme er nur mit, wenn er sich ins Ausland begebe.

 

In der Stellungnahme vom 10. Mai 2011 führte der Bw aus, dass er bei der belangten Behörde vorgesprochen und um die Ausstellung eines Ausweises ersucht habe. Dies deshalb, da der Reisepass bei der täglichen Mitnahme durch Regen und Sonne beschädigt und er viele Pässe benötigen würde. Die Kosten dafür müsse er tragen. Außerdem stehe auf dem Dokument Reisepass. D.h. dieses sei für die Reise und nicht ein Ausweis.

 

3.3. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 121 Abs. 3 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro zu bestrafen, wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 FPG verwahrt.

 

§ 32 FPG regelt die Pflichten der Fremden zum Nachweis der Aufenthaltsberechtigung.

 

Nach Abs. 2 sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs. 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann [...]. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

1.     das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder

2.     die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

 

4.2. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Dem Grunde nach hat der Bw im Verfahren die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht bestritten. Entgegen seiner bisherigen Verantwortung brachte der Bw in der Berufung vor, dass er zum Kontrollzeitpunkt über kein Reisedokument verfügt habe und das vorliegende ihm erst nach der Kontrolle ausgestellt worden sei. Im Hinblick auf seine Aussagen und dem Ausstellungszeitpunkt des Konventionsreisedokuments ist dieses Vorbringen als Schutzbehauptung zu werten.

 

Der Bw hat sowohl objektiv als auch subjektiv tatbestandsmäßig gehandelt.

 

4.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milde­rungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestim­mungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

Hinsichtlich der verhängten Strafe ist der Bw darauf hinzuweisen, dass deren höhenmäßige Festsetzung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die objektiven und subjektiven Strafbemessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat. .

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Schuld nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Gegensatz zum grundsätzlich typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der übertretenen Normen bleibt die Schuld hier erheblich zurück.

 

Im Hinblick auf die besonderen Umstände dieses Falles (u.a. Verständnis- und Auslegungsprobleme) ist von einem geringfügigen Verschulden des Bw auszugehen. Durch das Verhalten des Bw und dem Umstand, dass die Tat dem Grunde nach folgenlos geblieben ist, bedurfte es aus Gründen der Spezialprävention keiner Geldstrafe und konnte mit einer Ermahnung unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens das Auslangen gefunden werden. Es bestand daher ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG und der unabhängige Verwaltungssenat hatte von der Verhängung einer Strafe abzusehen und die Ermahnung auszusprechen. 

 

Anzumerken ist, dass im vorliegenden Fall bei Nichtvorliegen der besonderen Umstände lediglich die Mindeststrafe von 50 Euro verhängt werden hätte dürfen (§ 49 Abs. 2 VStG). 

 

5. Bei diesem Ergebnis waren dem Bw gemäß § 65 VStG keine Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Kosten des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz haben gemäß § 66 VStG zu entfallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Christian Stierschneider

 

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