Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167077/2/Br/Ai

Linz, 23.07.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier, über die Berufung gegen das Strafausmaß gerichtete des Herrn X, geb. X, X, X, betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 25. Juni 2012, Zl. VerkR96-16608-2012/U, zu Recht:

 

 

I.       Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 900,-- Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf neun Tage ermäßigt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 100/2011 - AVG iVm § 19, § 20, § 24 § 51e Abs.3 Z2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 100/2011 - VStG.

 

II.     Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich folglich auf 90,-- Euro; für das Berufungsverfahren entfallen die Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis ein Schuldspruch wegen Übertretung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO gefällt und eine Geldstrafe in Höhe von 1.700 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 15 Tagen verhängt, weil er am 13.05.2012 um 04.2 Uhr (gemeint wohl 04:20 Uhr) im Stadtgebiet von Linz, auf der X bis auf Höhe gegenüber Haus Nr. X ein Fahrrad gelenkt habe, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe (Alkoholisierungsgrad 0,99 mg/l).

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:

"Auf Grund der Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz, PI. Hauptbahnhof, wird Ihnen die umseits genannte Verwaltungsübertretung zur Last gefegt.

 

Nach Aufforderung zur Rechtfertigung sprachen Sie am 22.6.2012 bei der hsg. Behörde vor und gaben an, dass Sie die Übertretung eingestehen würden. Allerdings möge die Behörde eine möglichst milde Bestrafung vornehmen, da Ihnen die Bezahlung der im Gesetz vorgesehenen Geldstrafe nicht möglich wäre und Sie „nur" mit einem Fahrrad gefahren sind.

 

Die Übertretung ist somit als erwiesen anzusehen.

Zu Ihrem Ersuchen um Festsetzung einer Geldstrafe unterhalb der gesetzlich festgelegten Mindeststrafe wird folgendes ausgeführt:

 

Grundsätzlich wird darauf hingewiesen, dass den sogenannten "Alkoholdelikten" ein besonderer Unrechtsgehalt, welcher im hohen Potential der Gefährdung der Gesundheit und des Lebens anderer Menschen durch Lenken eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand liegt, beizumessen ist. Der Gesetzgeber hat daher diesbezüglich einen entsprechend strengen Strafrahmen vorgesehen und hinsichtlich der Strafhöhe keine Unterscheidung dahingehend getroffen, ob ein Kraftfahrzeug oder ein Fahrrad gelenkt wird.

 

Im   ggst.   Fall   kann   grundsätzlich   kein   Strafmilderungsgrund,   vielmehr   aber   ein Straferschwerungsgrund festgestellt werden, weil Sie bereits wegen eines Alkoholdeliktes rechtskräftig vorbestraft aufscheinen (Übertr. nach § 99 Abs. 1a StVO).

 

Die außerordentliche Strafmilderung wäre im vorliegenden Fall nur dann zulässig, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen würden oder Sie Jugendlicher wären.

 

In Zusammenschau der dargelegten Gründe, der Berücksichtigung Ihres Geständnisses, aber auch Ihrer Vormerkung, wird durch die gewählte Strafhöhe nach Ansicht der hsg. Behörde den angeführten gesetzlichen Kriterien entsprochen.

 

Aus diesen Gründen war daher wie eingangs im Spruch angeführt zu entscheiden.

 

Auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse konnte nur dahingehend Bedacht genommen werden, als der Beschuldigte diesbezüglich zu einer Stellungnahme nicht verhalten werden konnte und daher nachstehende behördliche Einschätzung erfolgte: keine außergewöhnlichen Umstände, insbesondere keine unverschuldete drückende Notlage vorliegend.

 

Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 2 bis 6 Wochen zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr, oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt."

 

 

2. In der dagegen fristgerecht ausdrücklich nur gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung weist der Berufungswerber sinngemäß durchaus zutreffend darauf hin, mangels Verkehrsaufkommen und vor allem als Radfahrer für andere Verkehrsteilnehmer keine Gefahr dargestellt zu haben, als eine solche  etwa von Lenkern eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss ausgeht. Ferner wurde auf seine Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 20 Stunden, ein  Nettogehalt von nur 700 Euro und der Sorgepflicht für ein Kind verwiesen. Das ausgesprochene Strafausmaß bedeute demnach für ihn eine in keiner Relation zur Straftat stehende finanzielle Belastung. Abschließend strich der Berufungswerber hervor, sich der Straftat voll bewusst zu sein, wobei es ihm eine Lehre sei und  künftighin derartiges bei ihm nicht mehr vorkommen werde. Abschließend ersuchte der Berufungswerber um Reduzierung des Strafausmaßes.

 

 

 

3. Da  keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der  Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte hier mangels gesonderten Antrages iVm der bloßen Strafberufung unterbleiben (51e Abs.3 Z2 VStG).

 

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der für die Strafzumessung wesentliche Sachverhalt.

 

 

 

4.  Der Berufungswerber wurde laut Anzeige am 13.5.2012 um 04:20 Uhr mit einem Fahrrad auf der X auf Höhe des Hauses X von Organen der Straßenaufsicht in unsicherer Fahrweise (Schlangenlinien) wahrgenommen. Der an ihm nachfolgend durchgeführte Alkotest erbrachte ein Ergebnis von 0,99 mg/l Atemluftalkoholgehalt.  Der Berufungswerber zeigte sich offenbar bereits gegenüber den Meldungslegern unrechts- u. schuldeinsichtig.  

Den logischen Denkgesetzen folgend geht die Berufungsbehörde von einem zu dieser Tageszeit äußerst geringen Verkehrsaufkommen aus, sodass insbesondere mit Blick das gelenkte Fahrzeug keine nachteiligen Tatfolgen für Dritte einher gingen. Die mit diesem Tatverhalten verbundenen nachteiligen Auswirkungen sind hier wohl kaum höher einzuschätzen als solche etwa von einem alkoholisierten Fußgänger auf öffentlichen Verkehrsflächen ausgehen, wobei ein solcher derzeit noch straflos bleibt.

 

 

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

§ 5 Abs.1 lit.a StVO 1960 lautet:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1.600 Euro bis 5.900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt, …."

 

 

§ 20 VStG lautet:

"Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden."

 

 

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 Strafgesetzbuch - StGB sinngemäß anzuwenden.

 

 

7.1.   Die Behörde erster Instanz übersieht entgegen der auf den ersten Blick schlüssigen Begründung, dass hier trotz des straferschwerenden Umstandes einer bereits einschlägigen Vormerkung vom April des Jahres 2009, dem Berufungswerber  dennoch zwei Milderungsgründe zu Gute gehalten werden können.

Ein solcher ist einerseits in dem vom Berufungswerber abgelegten reumütigen Geständnis in Verbindung mit der gezeigten Schuldeinsicht, insbesondere aber, dass mit der alkoholisierten Radfahrt in der verkehrsärmsten Tageszeit (um 04:20 Uhr)  keine erkennbare Gefährdung Dritter einhergegangen ist, zu sehen. Vielmehr hatte sich der Berufungswerber als alkoholisierter Radfahrer im Ergebnis nur selbst einer zusätzlichen Gefährdung ausgesetzt. Wenngleich der Gesetzgeber in der StVO keine Differenzierung zwischen den Fahrzeugen vornimmt, so stellt diese Bestimmung in die daran geknüpften Strafsätze typischer Weise auf von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern herbeigeführte Verkehrsgefährdungen ab.

Vor diesem Hintergrund ist bei einem alkoholisierten Radfahrer sehr wohl noch von einem beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe auszugehen. Diese Aspekte waren mit Blick auf die auch im Verwaltungsstrafverfahren analog geltenden Strafzumessungsgründe des StGB (§ 34 Abs.1 Z13 u. Z17) entsprechend zu berücksichtigen.

Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach   § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Der Berufungswerber ist wohl verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten, er  verfügt aber einerseits nur über ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen und seine wirtschaftlichen Verhältnisse scheinen eher ungünstig, vor allem ist hier – wie oben schon ausgeführt - sowohl der Tatunwert als auch die Tatschuld unvergleichlich geringer anzunehmen als sie etwa im Fall einer Alkofahrt mit einem 40 t schweren Gefahrenguttransport vorliegt.

Um 04:20 Uhr geschah die Alkofahrt am Fahrrad darüber hinaus noch in der gänzlich verkehrsarmen Zeit. Es darf doch nicht verschwiegen bleiben, dass sich ein alkoholisierter Radfahrer im Ergebnis bloß selbst und selbst abstrakt besehen sonst niemanden gefährdet (vgl. etwa h. Erk. 10.11.2008, VwSen-163624/2/Br/RSt, sowie h. Erk. 23.12.2008, VwSen-163745/2/Br/RSt mit Hinweis auf die h. Erk. v. 08.02.2005, VwSen-160237/5/Br/Wü, sowie v. 9.2.1998, VwSen-105157/5/BR).

Damit wird einem am Sachlichkeitsgebot orientierte verfassungskonforme  Rechtsvollzugspraxis Rechnung getragen um so unsachliche Ergebnisse in entsprechender Wertung ungleicher Ausgangslagen zu vermeiden (vgl. h. Erk. 19.06.1995VwSen-102913/2/Gu/Atz).

Die Bestimmung des § 20 VStG gelangte nach Aufhebung des § 100 Abs.5 StVO 1960  durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9.10.1997, G 216/96) auch für sogenannte Alkoverfahren wieder zur Anwendung. Bei vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht  darauf ein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH vom 31. 1.1990, 89/03/0027, VwGH 21.5.1992, 92/09/0015 und VwGH 2.9.1992, 92/02/0150).

Von einer Anfechtung wegen Unsachlichkeit dieser sich ohne jegliche Differenzierung auf die Lenker jeglicher Fahrzeuge beziehenden Rechtsnorm mit einer Mindeststrafe von 1.600 Euro kann ob der Anwendbarkeit des § 20 VStG vorläufig noch abgesehen werden.

Bereits mehrfach wurde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat ausgesprochen, dass der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen hat und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen darf. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung dadurch, mit einer schablonenhaften Anwendung einer Bestimmung, Ungleiches (einem alkoholisierten Radfahrer drohen völlig idente Sanktionen wie etwa einem im gleichen Umfang alkoholisierten Lenker eines Gefahrenguttransportes) in den Sanktionsfolgen nämlich gleich zu behandeln (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).

Angesichts der hier vorliegenden Tatumstände schien daher auch in diesem Fall – so wie es bei alkoholisierten Radfahrern den Unwert des Deliktes  zu differenzieren und im Sinne der Sachlichkeit und Gerechtigkeit anders zu werten gilt – das Vorgehen mit dem außerordentlichen Strafmilderungsrecht rechtlich geboten. Dem Berufungswerber kann daher in seinen Ausführungen dem Grunde nach durchaus gefolgt werden.

Ebenfalls stehen dieser für den alkoholisierten Radfahrer reduzierten Geldstrafe keine Aspekte der Prävention entgegen.

Eine volle Ausschöpfung des auf die Hälfte reduzierbaren Strafsatzes war jedoch angesichts der bestehenden einschlägigen Vormerkung jedoch nicht vertretbar. Unter Bedachtnahme auf das geringe Einkommen, die Sorgepflicht des Berufungswerbers für ein Kind, ist selbst die hier auszusprechen gewesene Geldstrafe an den Tatfolgen gemessen für den Berufungswerber  immer noch als Hart zu bezeichnen.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten. 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Radfahrer Unwertgehalt Sachlichkeitsgebot

 

 

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