Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253203/2/Kü/Ba

Linz, 17.07.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn A S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J B, A, L, vom 28. Juni 2012 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Juni 2012, SV96-94-2009, wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF            iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991       idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Juni 2012, SV96-94-2009, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 7 VStG iVm §§ 3 Abs.1 und 28 Abs.1 Z 1 lit.a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vier Geldstrafen in Höhe von jeweils 2.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 72 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben es als Beauftragter der Firma R eU mit Sitz in T, L, gemäß § 7 VStG strafrechtlich zu verantworten, dass diese Firma als Arbeitgeberin zumindest vom 14.7.2009 bis zumindest zum 21.7.2009 die ungarischen Staatsbürger

  1. Herr L P, geb. X
  2. Herr M M, geb. X
  3. Herr S C, geb. X
  4. Herr V S A, geb. X

als Arbeiter, indem diese ua. am 21.7.2009 gegen 14.15 Uhr auf der Baustelle ein Einfamilienhauses in T, O, von Kontrollorganen bei Fassadenarbeiten betreten wurden, jedenfalls im Sinne des § 1152 ABGB entgeltlich beschäftigt haben, obwohl diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, noch diese Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine 'Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt' oder einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt-EG' oder einen Niederlassungsnachweis besaßen."

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter eingebrachte Berufung, in der das Straferkenntnis zur Gänze angefochten wird und als Berufungsgründe die Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrens­vorschriften sowie die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden. Begründend wurde festgehalten, dass die Erstbehörde weder den gestellten Beweisanträgen noch den vorgelegten Urkunden entsprechend Rechnung getragen habe und dadurch den von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalt nur unvollständig erhoben habe. Es würde die Feststellung begehrt, dass die vier Ungarn jeweils über entsprechende eigene Gewerbeberechtigungen verfügt hätten und auch Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft bezahlt hätten und bezahlen würden. Der Bw habe sich vor Beauftragung der Ungarn deren Gewerbescheine und Einzahlungen an die SVA der gewerblichen Wirtschaft zeigen lassen und sich kopiert. Damit sei die Sache für ihn erledigt gewesen. Es sei daher einem nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum erlegen, da er davon ausgegangen sei, dass die gewählte Vor­gangsweise in Einklang mit den Gesetzen stehe, wie es ihm auch von der Wirtschaftskammer mitgeteilt worden sei. Es liege daher weder Vorsatz im Sinne des § 7 VStG vor noch könne er infolge des nicht vorwerfbaren Irrtums bestraft werden.

 

Schließlich stehe noch gar nicht fest, dass die Firma R eU. in dieser Sache tatsächlich gegen das AuslBG verstoßen habe, da diese gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16.5.2012 berufen habe und die Verhandlung vor dem UVS für den 9.7.2012 anberaumt sei.

 

Ab 1.5.2011 gelte die Arbeitnehmerfreizügigkeit jedoch auch für ungarische Staatsbürger und sehe § 1 Abs.2 lit.l AuslBG idF BGBl.I Nr. 25/2011 ausdrück­lich vor, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht auf Ausländer anzu­wenden seien, die aufgrund eines Rechtsaktes der Europäischen Union Arbeit­nehmerfreizügigkeit genießen würden. Gemäß § 34 Abs.38 AuslBG sei diese Bestimmung mit 1.7.2011 in Kraft getreten. Eine Bestrafung des Bw sei daher zum Zeitpunkt der Fällung des Straferkenntnisses am 6.6.2012 schon gemäß § 1 Abs.2 VStG unzulässig. Die Erstbehörde habe daher das bei Fällung in Geltung stehende AuslBG nicht angewendet.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Schreiben vom 3. Juli 2012 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 VStG unterliegt, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

 

Nach § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG (idF. BGBl. I Nr. 78/2007) begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder eine Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt, noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs.5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder eine "Niederlassungs­bewilligung - unbeschränkt" (§ 8 Abs.2 Z3 NAG) oder ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" (§ 45 NAG) oder ein Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG 1997) ausgestellt wurde, und zwar bei ungerechtfertigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2.000 Euro bis zu 20.000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2.000 Euro bis zu 20.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4.000 Euro bis zu 50.000 Euro.

 

Gemäß § 28 Abs.2 AuslBG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 ein Jahr.

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 und 3) vorgenommen worden ist.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

5.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss eine Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, das ihm zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Strafer­kenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungs­vorschrift näher konkretisieren und individualisieren (vgl. VwGH vom 12.5.1989, Zl. 87/17/0152).

 

Wird jemand der Beihilfe zu einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt, so ist im Spruch auch konkret – unter Angabe von Zeit, Ort und Inhalt der Beihilfehandlung – das als Beihilfe gewertete Verhalten zu umschreiben. Der Vorwurf, der Beschuldigte habe die Begehung näher umschriebener Verwaltungs­übertretungen erleichtert, reicht für die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG nicht aus (vgl. VwGH vom 23.2.1995, Zl. 92/18/0277).

 

Dem Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 25. Jänner 2010, welcher dem gegenständlichen Verwaltungsstrafver­fahren zugrunde liegt, ist eine mit dem Bw aufgenommene Niederschrift angeschlossen, in welcher dieser ausführt, dass er Dienstnehmer der Firma R im Zeitraum Mai bis Oktober 2009 gewesen ist und dort für den Aufbau von Innenausbauarbeiten bzw. Vollwärmeschutzarbeiten zuständig gewesen ist. Außer dem Hinweis, dass der Bw für die Lukrierung des konkreten Auftrages, für Vertragsabschluss und die Einteilung der dort vorgefundenen ungarischen Arbeitern, deren Aufsicht und Entlohnung für die Firma R eU. tätig gewesen ist, finden sich im Strafantrag keine näheren Konkretisierungen hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Beihilfehandlung, die vom Bw gesetzt worden sein sollte. Festzuhalten ist, dass aus dem Strafantrag nicht hervorgeht, aufgrund welcher konkreten Tathandlung das anzeigende Finanzamt Grieskirchen Wels von der Verwirklichung des dem Beschuldigten zur Last gelegten Verhaltens ausgeht.

 

Der auf diesem Strafantrag aufbauende Tatvorwurf der ersten Instanz enthält ausschließlich den Hinweis, dass der Bw als Beauftragter der Firma R eU. gemäß § 7 VStG strafrechtlich die Beschäftigung näher bezeichneter ungarischer Staatsangehöriger zu verantworten hat. Im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht allerdings dieser Tatvorwurf nicht dem in § 44a VStG aufgestellten Konkretisierungsgebot, da dem Bw innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine Beihilfehandlung (wann, wo, durch welche Tathandlung) zur Last gelegt wird. Im Hinblick auf den angelasteten Tatzeitpunkt ist zwischenzeitig Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb insgesamt der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z 3 VStG einzustellen war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

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