Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253057/10/BMa/Th

Linz, 29.06.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des Ing. X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in X, vom 13. Februar 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2012 zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

  II.      Die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskosten entfällt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. I 51/1991, idF BGBl. Nr. 100/2011, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. I Nr. 52/1991, idF BGBl. I Nr. 100/2011

zu II.: § 66 VStG


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es als zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer (Geschäftsführerbestellung gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 27.07.2009) und somit Außenvertretungsbefugter der Firma X GmbH, FN 186466 s, mit Sitz in X, gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass diese Firma als Dienstgeber zumindest am 24.8.2009

  1. Herrn X, geb. X und
  2. Herrn X, geb. X, (Arbeitsantritt: 03.05.2009),

als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (€ 1.200,- pro Monat) als Bauarbeiter (Verlegung von Bodenplatten) mit einer täglichen Arbeitszeit von 8,5 Stunden Vollzeit beschäftigt hat, ohne vor Arbeitsantritt eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse mit Sitz in 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger zu erstatten.

 

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr bei einer Kontrolle am 24.08.2009 um 11.30 Uhr auf der Baustelle Bauvorhaben X, festgestellt, bei der Herr X und Herr X bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten betreten wurden.

Die Dienstnehmer waren nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen.

Die Firma X GmbH hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Zu 1. und 2.: § 33 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in der zur Tatzeit geltenden Fassung

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von                  falls diese uneinbringlich ist,         Gemäß

                                      Ersatzfreiheitsstrafe von

jeweils 730,-- Euro            98 Stunden                                § 111 ASVG

(gesamt: 1.460,-- Euro)

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafegesetzes (VStG) zu zahlen:

146,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

         1.606,-- Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, es würden wesentliche Kriterien der Dienstnehmereigenschaft gemäß § 4 Abs.2 ASVG vorliegen, weil die polnischen Arbeiter kein Werk hergestellt hätten, sondern ihre Arbeitskraft geschuldet hätten. Der Bw habe die Verwaltungsübertretung als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH zu vertreten, denn die Bestellung eines Geschäftsführers einer GmbH werde sofort mit Zustandekommen des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses wirksam und sei von der Eintragung im Firmenbuch unabhängig. Die belangte Behörde sei bei der Strafbemessung von geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen ausgegangen.

Straferschwerend oder strafmildernd wurden keine Gründe gewertet.

 

1.3. Gegen dieses dem Bw durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 13. Februar 2012, die durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eingebracht wurde.

 

1.4. Die Berufung ficht das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach an und führt dazu im Wesentlichen aus, eine allfällige Meldeverpflichtung habe zum Tatzeitpunkt ausschließlich den Geschäftsführer X getroffen. X sei weiterhin handelsrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH gewesen, habe er doch gegen den Abberufungsbeschluss, der im Rahmen der außerordentlichen Generalversammlung vom 27. Juli 2009 getroffen wurde, Klage auf Nichtigerklärung eingebracht und er habe in diesem Verfahren (5 Cg 176/09 s, LG Linz) obsiegt. X sei über eigenes Betreiben bis in das Frühjahr 2010 handelsrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH geblieben. Daher sei der Bw niemals verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Geschäftsführer gewesen. Ob X und X Werkunternehmer oder Dienstnehmer i.S.d. ASVG gewesen seien, entziehe sich der Kenntnis des Berufungswerbers.

 

Abschließend wurden die Anträge auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung sowie Stattgabe der Berufung und Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses gestellt.

 

2. Mit Schreiben vom 14. Februar 2012 übermittelte die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat den erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde und am 25. Mai 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Berufungswerber in rechtsfreundlicher Vertretung ebenso wie ein Vertreter der Organpartei gekommen ist. Als Zeuge wurde X einvernommen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevanter Sachverhalt wird festgestellt:

 

X wurde mit Gesellschafterbeschluss in einer außerordentlichen Generalversammlung am 27.07.2009 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma X GmbH abberufen und es wurde Ing. X bestellt.

Nach dieser außerordentlichen Generalversammlung wurden X die Schlüssel zur Firma abgenommen und die relevanten Zeichnungsberechtigungen wurden widerrufen. Anstelle von X wurde Ing. X als handelsrechtlicher Geschäftsführer eingesetzt.

 

Weil der vorgeworfene Tatzeitpunkt nicht einmal einen Monat nach dem Gesellschafterbeschluss am 27. Juli 2009 gelegen ist, hatte der – frisch bestellte – handelsrechtliche Geschäftsführer aus seiner Sicht zu wenig Zeit, um sich um Personalangelegenheiten zu kümmern. Aus diesem Grund wusste er auch nicht, ob die beiden anlässlich der Kontrolle am 24. August 2009 angetroffenen polnischen Arbeiter auf Werkvertragsbasis oder als Arbeitnehmer der Firma X gearbeitet haben.

Von der Firma X wurden eine Reihe polnischer Arbeiter auf Basis eines Leasingvertrags als überlassene Arbeitskräfte beschäftigt.

 

Es kann nicht festgestellt werden, ob X und X Dienstnehmer der X GmbH oder von einem Leasingunternehmen überlassene Arbeitskräfte waren.

 

3.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich die Feststellungen nachvollziehbar aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den Dokumenten, die anlässlich der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2012 vorgelegt wurden, ergeben. Vom Zeugen X wurde in der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2012 dargelegt, dass polnische Arbeiter bei der Firma X GmbH zumeist als Leasingarbeiter beschäftigt wurden (Seiten 5 und 6 des Tonbandprotokolls vom 25. Mai 2012).

 

Dass die polnischen Arbeiter an 8,5 Stunden täglich zu einem monatlichen Lohn von 1.200 Euro beschäftigt wurden, hat die mündliche Verhandlung ebenso ergeben wie dass Arbeiten der polnischen Arbeiter im Arbeitsverbund mit Angestellten der Firma X GmbH erledigt wurden, dass Werkzeuge der Firma X GmbH benützt und Material durch diesen Betrieb  zur Verfügung gestellt wurde und dass die Kontrolle der Arbeiten durch einen Techniker der X GmbH erfolgte. Überdies wurden die Arbeiter mit dem Firmenauto der Firma X zur Baustelle gebracht und sind nach Beendigung ihrer Arbeiten wieder zum Betrieb zurückgefahren. Die polnischen Arbeiter haben gegenüber der Firma X Stundenabrechnungen nachgewiesen und waren gegenüber anderen Mitarbeitern der Firma X weisungsgebunden.

 

Dass nicht festgestellt werden konnte, ob die beiden im Spruch angeführten Polen als Leasingarbeiter oder als Angestellte der X GmbH zu qualifizieren sind, ergibt sich aus der Aussage des X (Seite 4 des Tonbandprotokolls), wonach die beiden polnischen Arbeiter "seines Wissens nach" Leasingarbeiter waren, obwohl er zuvor angegeben hatte, sich an X nicht mehr erinnern zu können.

Diesen glaubwürdigen Aussagen des Zeugen X wurde vom Vertreter der Organpartei nichts entgegengehalten.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 111 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 1 Abs.1 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBL. Nr. 196/1988 idF BGBl. I Nr. 35/2012 gilt dieses Bundesgesetz für die Beschäftigung von Arbeitskräften, die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden.

 

Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend (§ 4 Abs.1 AÜG). Nach § 5 Abs.1 AÜG werden die Pflichten des Arbeitgebers, insbesondere im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften durch die Überlassung nicht berührt.

 

Der Überlasser ist Dienstgeber im Sinne des ASVG. Die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Dienstgebers sind im Normalfall ausschließlich vom Überlasser zu erfüllen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die grenzüberschreitende Überlassung. Allgemein gilt als Dienstgeber derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht (§ 35 Abs.1 ASVG). Dienstnehmer im Sinne des ASVG ist, wer in einem Verhältnis persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird (§ 4 Abs.2 ASVG). Überlässt ein Unternehmen Arbeitskräfte gegen Entgelt an Dritte, so ist der Überlasser Dienstgeber im Sinne der ASVG-Bestimmungen, weil die Tätigkeit auf Rechnung seines Betriebes ausgeübt wird. Den Auftraggebern (Beschäftiger) werden in wirtschaftlicher Hinsicht nicht Arbeitnehmer vermittelt, sondern vielmehr deren Arbeitsleistung unmittelbar "verkauft", womit zugleich auch die wirtschaftliche Verwertung der Arbeitskraft und Arbeitsaneignung der Arbeitskräfte auf eigene Rechnung des Überlassers erfolgt (Sacherer Schwarz2 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz § 5 S 150).

 

3.3.2. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, konnte nicht geklärt werden, ob die beiden polnischen Arbeiter Dienstnehmer der X GmbH waren oder als von einer Leasingfirma überlassene Arbeitskräfte bei der Firma X gearbeitet haben. Es konnte daher nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die bei der Kontrolle angetroffenen polnischen Arbeiter in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit bei der Firma X GmbH beschäftigt waren. Damit aber konnte der objektive Tatbestand nicht erwiesen werden und der Berufungswerber war – in dubio pro reo – freizusprechen und das Verwaltungsstrafverfahren war gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

Ein weiteres Eingehen auf das Berufungsvorbringen erübrigt sich daher.

 

4. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt im Falle der Einstellung eines Strafverfahrens die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag.a Bergmayr-Mann

 

 

 

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