Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253206/3/Kü/Ba

Linz, 17.07.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung des Herrn A S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J B, A, L, vom 28. Juni 2012 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. Juni 2012, SV96-168-2010, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF            iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991       idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. Juni 2012, SV96-164-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 7 VStG iVm § 33 und § 111 Abs.1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Geldstrafe in Höhe von 2.180 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 144 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben es gemäß § 7 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass das Einzelunternehmen R e. U. (Inhaberin: M W, geb. X) im Standort T, L, mit Ihrer Beihilfe folgende Verwaltungsübertretung begangen hat:

 

Das Einzelunternehmen R e.U. (Inhaberin: M W, geb. X) im Standort T, L, hat als Dienst­geber Herrn T T, geb. X, als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt als Lenker eines KFZ für Personen- und Materialtransport beschäftigt, ohne vor Arbeitsantritt (14.10.2009, 06:20 Uhr) eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse mit Sitz in 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger zu erstatten.

 

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes Grieskirchen/Wels bei einer Kontrolle am 14.10.2009 um 10.20 Uhr in Bad Schallerbach, B137, Schallerbacher-Berg festgestellt, bei der die o.a. Person bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten betreten wurde.

 

Der Dienstnehmer war nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen. Die Fa. R e.U. hat somit gegen die sozialver­sicherungsrechtlichen Meldepflichten des §§ 33 Abs. 1 ASVG verstoßen."

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter eingebrachte Berufung, in der das Straferkenntnis zur Gänze angefochten wird und als Berufungsgründe die Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrens­vorschriften sowie die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die Erstbehörde weder den gestellten Beweisanträgen noch den vorgelegten Urkunden entsprechend Rechnung getragen habe und dadurch den von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalt nur unvollständig erhoben habe. Es würde die Feststellung begehrt, dass der Ungarn über eine eigene Gewerbeberechtigung verfügt hätte und auch Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft bezahlt hätte und bezahlen würde. Der Bw habe sich vor Beauftragung des Ungarn den Gewerbeschein und Einzahlungen an die SVA der gewerblichen Wirtschaft zeigen lassen und sich kopiert. Damit sei die Sache für ihn erledigt gewesen. Es sei daher einem nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum erlegen, da er davon ausgegangen sei, dass die gewählte Vor­gangsweise in Einklang mit den Gesetzen stehe, wie es ihm auch von der Wirtschaftskammer mitgeteilt worden sei. Es liege daher weder Vorsatz im Sinne des § 7 VStG vor noch könne er infolge des nicht vorwerfbaren Irrtums bestraft werden.

 

Schließlich stehe noch gar nicht fest, dass die Firma R eU. in dieser Sache tatsächlich gegen das ASVG verstoßen habe, da diese gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16.5.2012 berufen habe und die Verhandlung vor dem UVS für den 9.7.2012 anberaumt sei.

 

Weiters irre die Erstbehörde, dass bei dem gegenständlichen Vorwurf Fahrlässigkeit genüge, da § 7 VStG ausdrücklich von Vorsatz spreche. Davon könne angesichts der Tatsache, dass der Bw zuvor Erkundigungen eingeholt und sich daran orientiert habe, keinesfalls die Rede sein.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Schreiben vom 3. Juli 2012 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 VStG unterliegt, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

 

Gem. § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.     Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.     Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.     Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.     gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 111 Abs.3 ASVG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.2 ein Jahr.

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 und 3) vorgenommen worden ist.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

5.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss eine Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, das ihm zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Strafer­kenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungs­vorschrift näher konkretisieren und individualisieren (vgl. VwGH vom 12.5.1989, Zl. 87/17/0152).

 

Wird jemand der Beihilfe zu einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt, so ist im Spruch auch konkret – unter Angabe von Zeit, Ort und Inhalt der Beihilfehandlung – das als Beihilfe gewertete Verhalten zu umschreiben. Der Vorwurf, der Beschuldigte habe die Begehung näher umschriebener Verwaltungs­übertretungen erleichtert, reicht für die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG nicht aus (vgl. VwGH vom 23.2.1995, Zl. 92/18/0277).

 

Dem Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 25. Jänner 2010, welcher dem gegenständlichen Verwaltungsstrafver­fahren zugrunde liegt, ist eine mit dem Bw aufgenommene Niederschrift angeschlossen, in welcher dieser ausführt, dass er Dienstnehmer der Firma R im Zeitraum Mai bis Oktober 2009 gewesen ist und dort für den Aufbau von Innenausbauarbeiten bzw. Vollwärmeschutzarbeiten zuständig gewesen ist. Außer dem Hinweis, dass der Bw für die Lukrierung des konkreten Auftrages, für Vertragsabschluss und Einteilung der dort vorgefundenen ungarischen Arbeitern, deren Aufsicht und Entlohnung für die Firma R eU. tätig gewesen ist, finden sich im Strafantrag keine näheren Konkretisierungen hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Beihilfehandlung, die vom Bw gesetzt worden sein sollte. Festzuhalten ist, dass aus dem Strafantrag nicht hervorgeht, aufgrund welcher konkreten Tathandlung das anzeigende Finanzamt Grieskirchen Wels von der Verwirklichung des dem Beschuldigten zur Last gelegten Verhaltens ausgeht.

 

Der auf diesem Strafantrag aufbauende Tatvorwurf der ersten Instanz enthält ausschließlich den Hinweis, dass der Bw gemäß § 7 VStG zu verantworten hat, dass die Firma R eU. mit seiner Beihilfe eine näher beschriebe Verwaltungsübertretung begangen hat. Im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht allerdings dieser Tatvorwurf nicht dem in § 44a VStG aufgestellten Konkretisierungsgebot, da dem Bw innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine Beihilfehandlung (wann, wo, durch welche Tathandlung) zur Last gelegt wird. Im Hinblick auf den angelasteten Tatzeitpunkt ist zwischenzeitig Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb insgesamt der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z 3 VStG einzustellen war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

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