Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523212/2/Kof/Kr

Linz, 23.07.2012

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25.06.2012, VerkR21-253-2012 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Lenkverbot, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 26 Abs.3 Z1 iVm § 7 Abs.3 Z4 FSG,

 BGBl. I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2010

§ 32 Abs.1 Z1 FSG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem nunmehrigen Berufungswerber (Bw) gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

-     die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von zwei Wochen – gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides bzw. bei vorheriger freiwilliger Abgabe ab diesem Datum – entzogen

-     für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Recht aberkannt,

    von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen und

-     für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Lenken

    von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invaliden-KFZ verboten.

 

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 28. Juni 2012 – hat der Bw innerhalb offener Frist eine begründete Berufung vom 10. Juli 2012 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ. (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a AVG) erwogen:

 

Gemäß § 67d Abs.1 und Abs.3 erster Satz AVG ist die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (mVh) nicht erforderlich,
da der – durch einen Rechtsanwalt vertretene – Bw diese in der Berufung nicht beantragt hat;  VwGH vom 28.04.2004, 2003/03/0017.

 

Der Bw lenkte am 29.02.2012 um 10.37 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf der A9 – Pyhrnautobahn bei km 27,950 in Fahrtrichtung Graz. Dabei hat er die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 55 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu seinen Gunsten abgezogen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat mit Strafverfügung vom 23. März 2012, VerkR96-3266-2012 über den Bw wegen der Verwaltungs-übertretung nach § 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.2e StVO eine Geldstrafe – im Fall der Uneinbringlichkeit: Ersatzfreiheitsstrafe – verhängt.

 

Diese Strafverfügung ist – mangels Anfechtung – in Rechtskraft erwachsen.

 

Daraufhin hat die belangte Behörde den in der Präambel zitierten Entziehungs- bzw. Verbotbescheid erlassen.

 

In der Berufung wendet der Bw sich im Wesentlichen gegen

die "Bindungswirkung" an die rechtskräftige Strafverfügung.

 

Zum Thema "Rechtskraft – Bindungswirkung" ist allgemein auszuführen:

 

Die eingangs erwähnte Strafverfügung ist – wie dargelegt – mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

 

Der UVS als Behörde II. Instanz in Angelegenheiten der Entziehung der
Lenkberechtigung ist an rechtskräftige Entscheidungen anderer Behörden gebunden;   

VwGH vom 20.9.2001, 2001/11/0237; vom 23.4.2002, 2002/11/0063;

vom 8.8.2002, 2001/11/0210; vom 26.11.2002, 2002/11/0083; vom 25.11.2003, 2003/11/0200; vom 6.7.2004, 2004/11/0046 jeweils mit Vorjudikatur  uva.

Diese Bindungswirkung besteht auch an rechtskräftige Strafverfügungen;

VwGH vom 17.12.2007, 2007/03/0201;  vom 11.07.2000, 2000/11/0126;  

vom 27.05.1999, 99/11/0072;  vom 12.04.1999, 98/11/0255; 

vom 21.05.1996, 96/11/0102; vom 22.02.1996, 96/11/0003 uva.

 

Wird jemand wegen einer Verwaltungsübertretung nach der StVO – mittels                             Strafverfügung, Straferkenntnis oder Berufungsentscheidung – rechtskräftig bestraft, so besteht in Angelegenheiten der Entziehung der Lenkberechtigung   eine Bindungswirkung an diesen Strafbescheid.

VwGH vom 20.9.2001, 2001/11/0237; vom 23.4.2002, 2002/11/0063; vom 8.8.2002, 2001/11/0210; vom 26.11.2002, 2002/11/0083; vom 25.2.2003, 2003/11/0029; v. 25.11.2003, 2003/11/0200; v. 6.7.2004, 2004/11/0046  uva.

 

Diese Bindungswirkung besteht auch dann, wenn gegen den Strafbescheid Beschwerde  an  den  Verwaltungsgerichtshof  erhoben  wurde;

VwGH vom 18.01.2000, 99/11/0333; vom 20.9.2001, 2001/11/0237; vom 25.11.2003, 2003/11/0200;  vom 6.7.2004, 2004/11/0046  jeweils  mwH.

 

Bindungswirkung betreffend einzelne Übertretungen nach der StVO:

 

1. Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO:

Das Ausmaß der Alkoholisierung ist kein Tatbestandsmerkmal,

welches im Spruch des Straferkenntnisses aufzuscheinen hat;

VwGH  vom 12.10.2007, 2007/02/0263; vom 16.12.2005, 2005/02/0236;

       vom 29.5.1998, 98/02/0179 mit Vorjudikatur.

 

Betreffend den Alkoholisierungsgrad besteht jedoch Bindungswirkung

an die angewendete Strafnorm:

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass der Alkoholisierungsgrad 0,8 mg/l oder mehr betragen hat:

VwGH vom 22.1.2002, 2001/11/0408; vom 24.4.2001, 2001/11/0101;

          vom 23.10.2001, 2001/11/0295

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend,            dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,60 mg/l und höchstens 0,79 mg/l betragen hat. VwGH vom 13.12.2001, 2001/11/0298 mit Vorjudikatur

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1b iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend,           dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,40 mg/l und höchstens 0,59 mg/l betragen hat. VwGH vom 30.05.2001, 99/11/0159;  vgl. auch VwGH vom 24.06.2003, 2003/11/0132 und vom 28.6.2001, 99/11/0265

 

2. Verweigerung des Alkotests oder der Blutabnahme:

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO besteht dahingehend, dass die Vornahme des Alkotests verweigert wurde.

VwGH vom 6.7.2004, 2004/11/0046;  vom 25.11.2003, 2003/11/0200;

            vom 20.9.2001, 2001/11/0237

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.c iVm § 5 Abs.6 StVO besteht dahingehend, dass  die  Blutabnahme  verweigert  wurde.

VwGH vom 07.10.1997, 97/11/0264 mit Vorjudikatur

 

3. Sonstige Übertretungen nach der StVO:

Bindungswirkung nach § 99 Abs.2 lit.c (iVm z.B. § 18 Abs.1 oder § 16 Abs.2 lit.a) StVO besteht dahingehend, dass eine Übertretung nach der StVO,  z.B.

-  Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes oder

-  Überholmanöver, obwohl andere Straßenbenützer hätten gefährdet werden können

unter "besonders  gefährlichen  Verhältnissen" begangen wurde;

VwGH vom 24.5.2005, 2005/11/0092 ("Ablehnungsbeschluss"); vom 23.4.2002, 2000/11/0091; vom 27.5.1999 ; 99/11/0035; vom 10.5.1998 ; 96/11/0209;

vom 15.12.1992, 92/11/0145; 

insbes. vom 23.4.2002, 2002/11/0063 –  siehe den ausdrücklichen Wortlaut:

"Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs.2 lit. c  StVO"

 

4. Zwischenergebnis:

Aus den zitierten VwGH-Erkenntnissen geht eindeutig hervor,

dass die Bindungswirkung sich auf die angewendete Strafnorm 

(§ 99  Abs. ....  lit. .....  StVO )  bezieht.

 

5. Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit:

Zur Bindungswirkung bei Überschreitung der jeweils geltenden Höchst-geschwindigkeit § 99 Abs.3 lit.a  iVm  § 20 Abs.2  oder  § 52 lit.a Z10a/Z11a StVO ist auszuführen: Grundsätzlich besteht an das im Straferkenntnis enthaltene Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung  keine  Bindungswirkung;

VwGH vom 27.1.2005, 2003/11/0169; v. 20.2.2001, 98/11/0306; v. 12.4.1999, 98/11/0272; vom 28.6.2001, 99/11/0155; vom 18.12.1997, 96/11/0080 ua.

 

Diese Judikatur ist mittlerweile insofern überholt, da der Gesetzgeber in
§ 99 Abs.2e StVO idF BGBl. I Nr. 93/2009 betreffend Geschwindigkeits-überschreitungen folgende neue bzw. zusätzliche Strafnorm erlassen hat:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 Euro
bis 2.180 Euro – im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden
bis 6 Wochen – zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit 

-        im  Ortsgebiet  um  mehr  als  40 km/h  oder 

-        außerhalb  des  Ortsgebietes  um  mehr  als  50 km/h 

überschreitet."

 

6. Ergebnis:

Erfolgt eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach                    § 99 Abs.2e (iVm § 20 Abs.2 oder § 52 lit.a Z10a oder § 52 lit.a Z11a) StVO, steht                    bindend  fest,  dass  der  Betreffende  die  jeweils  zulässige  Höchstgeschwindigkeit 

-        im  Ortsgebiet um mehr als 40 km/h   oder

-        außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten

      und  dadurch

   (falls diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde)             -    eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z4 FSG verwirklicht hat!

 

§ 26 Abs.3 Z1 FSG lautet auszugsweise bzw. zusammengefasst:

Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs.3 Z4 FSG genannten Übertretung – abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen – hat die Entziehungsdauer zwei Wochen zu betragen.

 

Gemäß § 30 Abs.1 FSG kann Besitzern von – allfällig bestehenden – ausländischen Lenkberechtigungen das Recht aberkannt werden, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen;

VwGH vom 17.3.2005, 2005/11/0057 und vom 20.03.2012, 2012/11/0014.

 

Gemäß § 32 Abs.1 Z1 FSG ist Personen, welche nicht iSd § 7 leg.cit verkehrszuverlässig sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, das Lenken eines derartigen KFZ ausdrücklich zu verbieten.

 

Im Falle einer sog. „Zwei-Wochen-Entziehung“ iSd § 7 Abs.3 Z4 iVm
§ 26 Abs.3 FSG kann auch das Verbot des Lenkens von im § 32 Abs.1 FSG genannten Kraftfahrzeugen ausgesprochen werden;

VwGH vom 23.05.2003, 2003/11/0126 –

der Rechtsvertreter des Bw war Rechtsvertreter des damaligen Bf.

 

 

 

 

Die belangte Behörde hat daher – völlig zu Recht – dem Bw für die Dauer von zwei Wochen

-        die Lenkberechtigung für die Klassen A und B entzogen;

-        das Recht aberkannt, von einem ausländischen Führerschein ist Österreich Gebrauch zu machen;

-        das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invaliden-KFZ verboten.

 

Zur Festsetzung des Beginnes der Entziehungsdauer bzw. Verbotsdauer,

speziell zur Wendung

"bei vorheriger freiwilliger Abgabe (des Führerscheines) ab diesem Datum"

ist auszuführen:

Nach der Rechtssprechung des VwGH ist es nicht zulässig, den Beginn der Entziehungsdauer mit "Abgabe des Führerscheines" festzusetzen;

VwGH vom 22.10.2002, 2001/11/0108.

 

Der Bw hat – offenkundig freiwillig – seinen Führerschein für den Zeitraum von
zwei Wochen, vom 28. Juni 2012 bis 13. Juli 2012, abgegeben.

 

Diese Tatsache kann nicht mehr aus der Welt geschafft werden.

 

Die Aufhebung der Wendung

"bei vorheriger freiwilliger Abgabe ab diesem Datum"

hätte zur Folge, dass dem Bw die Lenkberechtigung neuerlich für den Zeitraum von zwei Wochen – gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides (= Zustellung des Berufungsbescheides) – entzogen und dadurch die Entziehungsdauer insgesamt vier Wochen betragen würde.

 

Der Bw wäre dadurch bedeutend schlechter gestellt;

siehe dazu die Ausführungen des VwGH im Erkenntnis vom 09.11.1999, 99/11/0225 zu § 64 Abs.2 AVG.

 

Die Wendung

"bei vorheriger freiwilliger Abgabe (gemeint: des Führerscheines) ab diesem Datum"  wird somit nicht aufgehoben.

 

Zum Vorbringen des Bw, die Strafverfügung enthalte keinen Hinweis, dass – nach deren Rechtskraft – die Lenkberechtigung entzogen werde, ist auszuführen:

 

Ein derartiger Hinweis ist zwar in § 30a Abs.1 letzter Satz FSG betreffend das "Vormerksystem" verpflichtend vorgesehen.

 

 

Betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Übertretungen der StVO – zB Geschwindigkeitsüberschreitungen in entsprechendem Ausmaß; Alkoholdelikte – ist in den einschlägigen Rechtsvorschriften (z.B. AVG, VStG, StVO und FSG) eine ähnliche Bestimmung nicht enthalten.

 

Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;   diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Rechtskraft – Bindungswirkung

 

 

Beachte:

 

 

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

 

VfGH vom 14.03.2013, Zl.: B 1103/12-6

 

 

 

 

 

 

 

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