Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101044/7/Br

Linz, 02.03.1993

VwSen-101044/7/Br Linz, am 2. März 1993
DVR.0690392


Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung der Frau C.H. vertreten durch Dr. E.F. Rechtsanwältin, vom 25. Jänner 1993, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft .., Zl. VerkR/.., vom 31. Dezember 1992, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. März 1993 zu Recht:

I. a) Der Berufung wird hinsichtlich der Punkte 1) und 2) des angefochtenen Straferkenntnisses keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich vollinhaltlich bestätigt.

b) Hinsichtlich des Punktes 3) wird der Berufung Folge gegeben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 4 Abs.1 lit.b iVm. § 99 Abs.2 lit.a, § 99 Abs.2 lit.e iVm § 31 Abs.1 und § 23 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a der Straßenverkehrsordnung 1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 615/1991 - StVO 1960; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z 1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 867/1992.

II. a) Für das Berufungsverfahren wird hinsichtlich 1) und 2) ein Kostenbeitrag von je 600 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

b) Zu Punkt 3) entfallen sämtliche Verfahrens- kostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

a) § 64 Abs. 1 und 2 VStG, b) § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft .. hat mit Straferkenntnis vom 31. Dezember 1992 über die Berufungswerberin wegen der eingangs zitierten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung Geldstrafen von 1) 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall 72 Stunden, 2) von 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall 72 Stunden und 3) 500 S und für den Nichteinbringungsfall von 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie am 26. Mai 1992 um ca. 23.45 Uhr den PKW, Mercedes, Kennzeichen ..auf der M.Bundesstr. aus Richtung F. in Richtung L. gelenkt und dabei im Ortschaftsbereich O. bei Str.km 1,1 nach rechts von der Fahrbahn abgekommen sei, wobei sie zwei Leitpflöcke und einen Wildreflektor beschädigt habe und es 1), obwohl als Folge dieses Verkehrsunfalles Schäden für Personen und Sachen zu befürchten gewesen wäre, es unterlassen habe, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, indem sie den Leitpflock ungesichert auf der Fahrbahn habe liegen lassen, 2) habe sie es unterlassen von diesem Unfall die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, 3) habe sie den (ihren) schwer beschädigten PKW ca. 4 km weit bis Lacken gelenkt und diesen dort im Kreuzungsbereich auf der Zufahrtstraße O. nicht am Rande der Fahrbahn, sondern in Kreuzungsmitte abgestellt.

2. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die Übertretungen auf Grund der Unfallaufnahme von Bez.Insp. A. vom GPK O. und und GI E. vom GPK F. erwiesen seien. Die Gendarmeriebeamten seien auch als Zeugen vernommen worden und hätten diese dabei die Anzeigeabgaben aufrecht erhalten.

3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin im Ergebnis aus, daß sie zu 1. nach dem Unfall nicht gewagt habe aus dem Fahrzeug auszugsteigen, da einige Tage vorher einige Kilomter von Unfallort entfernt eine Frau ermordet worden sei und sie nicht gewußt habe ob der Täter schon gefaßt sei.

Zu den diesbezüglichen Vorhalte der Erstbehörde führe sie aus, daß es keine Unfallstelle im engeren Sinne gebe, weil der Unfall an einem bestimmten Punkt geschehen sei und danach das Fahrzeug zum Stillstand gekommen sei. Der Unfall habe sich über eine längere Strecke hingezogen. Bis sie schließlich den Wagen wieder in "ihrer Gewalt" gewalt habe, habe sie sich bereits im Wald befunden und sei sie einfach weitergefahren um möglichst schnell nachhause zu kommen. Einer 22-Jährigen müßte in einem solchen Zusammenhang zugebilligt werden, daß sie sich in der Nacht fürchte. Juristisch liege daher ein entschuldigender Notstand im Sinne des § 6 VStG vor, wobei es sich jedoch um einen Putativnotstand handeln mochte, da sie in ihrer Phantasie den frei herumlaufenden Mörder offenbar nur eingebildet habe. Dies ändere jedoch nichts am Schuldausschließungsgrund. Angesichts dieses Umstandes sei von ihr nicht zu erwarten gewesen, daß sie die Unfallstelle absichere und den durch den Unfall auf der Straße herumliegenden Leitpflock von der Straße entfernt hätte. Hinsichtlich dieses Punktes stelle sie daher den Antrag auf Einstellung des Verfahrens oder in eventu eine deutlich mildere Strafe zu verhängen, da ihr Verschulden gering sei.

Zu 2. führe sie zum Schuldausschließungsgrund wie unter 1. aus. Nach der "Einvernahme" habe sie den Unfall beim Posten (gemeint wohl Gendarmeriepostenkommando) O. gemeldet. Dies habe ja deutlich ihren Willen, daß sie sich den Verkehrsvorschriften entsprechend verhalten habe wollen, gezeigt. Nach diesem Telefonat habe sie auch noch die Polizei in L. angerufen, weil sie sich durch das eigenartige Verhalten des Gendarmeriebeamten verunsichert gefühlt habe. Auch hinsichtlich dieses Punktes stelle sie die Anträge wie zu Punkt 1.

Zu 3. verweise sie auch auf die Einspruchsangaben, daß sie den Wagen nicht abgestellt habe, sondern habe sie diesen nicht mehr von der Stelle bewegen können. Sie habe unverzüglich Hilfe geholt um diesen Zustand zu beseitigen. Vorher sei sie jedoch von der Gendarmerie aufgehalten worden, welche ihr auch nicht geholfen habe den Wagen zur Seite zu schieben. Sie hätte dies nicht zu tun vermocht. Diesbezüglich stelle sie den Antrag auf Verfahrenseinstellung.

4. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Da die Berufung sich gegen Schuld und Strafe richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und durchzuführen (§ 51e Z.1 VStG).

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft .., Zl.: VerkR/96.. und der Darlegung des bisherigen Ganges des Verfahrens am Beginn der Verhandlung, sowie durch Beweisaufnahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung durch Vernehmung der Berufungswerberin als Beschuldigte, und der Gendarmeriebeamten GI E. und Bez.Insp. A. als Zeugen. Die vom Zeugen GI E., von der Unfallsörtlichkeit angefertigten und vorgelegten 21 Farbfotos, wurden als zusätzliches Beweismittel herangezogen.

5. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens gilt folgender Sachverhalt als erwiesen:

5.1. Die Berufungswerberin (folglich kurz Bw genannt) lenkte am 26. Mai 1992 um ca. 23.45 Uhr den PKW mit dem Probefahrtkennzeichen ".." auf der M. Bundesstrraße von F. in Richtung L.. Bei dieser Fahrstrecke handelt es sich im Bereich der Vorfallsörtlichkeit um eine zwei Fahrstreifen aufweisende, kurvenreich verlaufende, etwa 5 bis 6 Meter breite Straße, welche teilweise unmittelbar rechts von einer mit Felsbrocken durchzogenen, steil bergwärts führenden Böschung, begrenzt ist (Foto 9 bis 12). Auf Grund eines Fahrfehlers und einer objektiv überhöhten Geschwindigkeit, geriet die Bw ins Schleudern, kam von der Fahrbahn ab und beschädigte dabei zwei Leitpflöcke, welche ausgerissen und auf die Fahrbahn geschleudert wurden und dort liegen blieben. Das Fahrzeug touchierte in der Folge auch wenigstens einen, der aus der Böschung herausragenden Felsblöcke (Foto 1 u.3). Ihr Fahrzeug wurde dadurch so schwer beschädigt, daß es nach einer Weiterfahrt von ca. vier Kilometer, manöverierunfähig, auf der Zufahrtsstraße O. zum Stillstand gebracht werden mußte.

Die Bw begab sich dann zu Fuß zu ihrem nahegelegenen Elternhaus wo sie ihre Mutter und Herrn R. antraf. Nach Beratung über die weitere Vorgangsweise begab sie sich nach etwa einer viertel Stunde in Begleitung des Herrn R. zum beschädigten Fahrzeug zurück. Zwischenzeitig hatte von diesem Unfall die Gendarmerie bereits Kenntnis erlangt und entsprechende Erhebungen eingeleitet. Noch vor der Rückkehr der Bw zu ihren Fahrzeug, war dieses bereits von Bez.Insp. A. beschädigt vorgefunden worden. Auf Grund der im Zuge dieser Unfallerhebungen durchgeführten Patroullienfahrt des GInsp. E. wurde von ihm mit dem Dienstfahrzeug, einer der von der Bw angefahrenen und auf die Fahrbahn geschleuderten Leitpflöcke, überfahren. Ein Schaden am Dienstfahrzeug entstand dabei jedoch nicht. Die Bw und deren Begleiter, welche sich wieder zum beschädigten Fahrzeug begeben hatten, stellten folglich fest, daß das Fahrzeug abgeschleppt werden müßte, da dieses nicht mehr fahrfähig gewesen war. Die Kennzeichentafeln wurden bei dieser Gelegenheit vom Fahrzeug abmontiert. Die Bw begab sich dann im Fahzeug des Herrn R. zur Firma ihres Vaters um einen LKW zwecks Abschleppung zu holen. Im Zuge dieser Fahrt kam es dann zur Begegnung mit dem Zeugen Bez.Insp. A., welchem von der Bw sogleich erklärt wurde, daß sie den Unfall gehabt habe. Im Anschluß daran wurde die Bw am 27. Mai 1992 um 00.25 Uhr zum GPK-F. gebracht.

Die Bw hat vom Zeitpunkt des Unfalles bis zu ihrer Begegung mit dem Gendarmeriebeamten - dieser Zeitraum ist mit mindestens 30, eher aber 45 Minuten anzunehmen - keinerlei Aktivitäten zur Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle und Ergreifung der nach einem Unfall notwendigen Maßnahmen getätigt. Die Bw wäre daran aber durch kein wie immer geartetes Ereignis gehindert gewesen, eine entsprechende Verständigung der nächsten Gendarmieriedienststelle vorzunehmen und an der Unfallstelle Nachschau zu halten. Ebenso nicht daran, die auf der Fahrbahn liegenden Gegenstände von der Fahrbahn zu schaffen.

Nach Beendigung der Unfallaufnahme am Gendarmerieposten F. verständigte die Bw um 01.40 Uhr den Gendarmerieposten O. Insp. R., vom Verkehrsunfall. Ebenfalls wurde um diese Zeit auch eine derartige telefonische Mitteilung an die Bundespolizeidirektion L. erstattet.

5.1.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die Angaben der Bw in der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Dieses Vorbringen ist inhaltlich ident mit ihrem Berufungsvorbringen. In keinerlei Widerspruch zu diesem Vorbringen stehen auch die Aussagen der einschreitenden Beamten. Der ursprünglichen Verantwortung, daß ein die Fahrbahn überwechselndes Wild den Unfall ausgelöst haben soll, vermochte nicht gefolgt zu werden. Die im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung diesbezüglich gemachten Angaben, waren so unbestimmt, daß davon nicht ausgegangen werden konnte. Die dem Zeugen GI E. gegenüber gemachte Angabe, daß die Bw einem Hirsch ausgewichen habe, verdeutlicht im Zusammenhang mit der diesbezüglich nunmehrigen Angabe, daß es sich hiebei lediglich um einen Erklärungsversuch für das Unfallereignis gehandelt haben dürfte. Die in der Anzeige angeführte Unfallszeit ist mit dem nunmehrigen Aussagen in schlüssiger Weise in Einklang zu bringen. Die Untätigkeit der Bw ergibt sich insbesondere daraus, daß sie, nachdem sie sich zu Fuß nachhause begeben hatte, die Verständigung der Gendarmerie nicht vorgenommen hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müßte sie sich so gefaßt gehabt haben, daß sie dieser Verpflichtung nachkommen hätte können. Immerhin hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits entsprechende Unterstützung durch ihre Mutter und den Herrn R. genossen. Anstatt der Verständigung der Gendarmerie und der Nachschau an der Unfallstelle, wurde von ihr und dem Herrn R. versucht, das Fahrzeug zu bergen, wobei unverständlicher Weise auch die Kennzeichentafeln des beschädigten Fahrzeuges abmontiert wurden. Für diese Handlung bestand jedenfalls kein vernünftiges Motiv. Gemäß den Angaben der Bw war ihr sehr wohl bewußt geworden, daß durch den "Fremdkörperkontakt" ihres Fahrzeuges ein Schaden entstanden sein könnte. Angesichts dieser bereits vorliegenden Einsicht ist es nicht nachvollziehbar, daß nicht spätestens vor der Rückkehr zum beschädigten Fahrzeug, nicht auch Nachschau an der Unfallstelle gehalten worden ist. Wenn die Bw schließlich meinte, sie hätte die Gendarmerie noch vor der Abschleppung des PKW getätigt, so wäre dies bereits etwa eine Stunde nach dem Unfall gewesen. Die Bw räumt anläßlich ihrer Vernehmung in der öffentlichen Verhandlung ein, daß der Zeitraum vom Unfall bis zur Begegnung mit der Gendarmerie in E. "vielleicht eine Stunde" betragen haben könnte. Dies deckt sich auch mit den Angaben des Zeugen GI E., wenn dieser sagt, daß die Bw um etwa 00.20 Uhr bis 00.30 Uhr laut der ihm, vom Zeugen Bez.Insp. A. über Funk gemachten Mitteilung, die Bw bereits im Funkwagen zum Gendarmerieposten unterwegs gewesen ist. Hätte die Bereitschaft zur Meldung bestanden, wäre dies wohl bereits beim Eintreffen der Bw in ihren Elternhaus erfolgt. Der Bw konnte diesbezüglich nicht geglaubt werden. Die Frage der angeblichen Angst vor einen vermeintlich frei herumlaufenden Mörder ist wenigstens für den Zeitpunkt nach der Hilfeholung im Elternhaus nicht mehr tragend. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß die Bw in der zweifellos durch den Unfall bedingten "angespannten Situation", sie sagte sie sei "völlig fertig" gewesen, noch vor dem Anhalten des Fahrzeuges an einen angeblich frei herumlaufenden Mörder gedacht haben sollte. Keinesfalls wäre aber damit die spätere Säumnis zu begründen. Die Tatsache, daß nach der abgeschlossenen Amtshandlung am Gendarmerieposten F., die L. Polizei und der Gendarmerieposten O. von diesem Unfall verständigt worden ist, stellt ein Indiz für das aktuelle Unrechtsbewußtsein hinsichtlich der Unterlassung der Meldung, dar.

5.2. Rechtlich ergibt sich folgendes zu beurteilen:

5.2.1. Grundsätzlich ist gemäß § 5 Abs.1 VStG hinsichtlich des Verschuldens anzumerken, daß wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der "Täter" nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Unkenntnis einer Verwaltungsvorschrift, der der "Täter" zuwiderhandelt, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesernermaßen unverschuldet ist und der "Täter" das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Hinsichtlich des Verhaltens nach einem Verkehrsunfall muß die Kenntnis der Vorschrift erwartet werden. Die Bw hat keinen zutreffenden Umstand darzulegen vermocht, daß sie etwa an der Nichteinhaltung der unten darzulegenden Vorschrift ein Verschulden nicht trifft.

5.2.2. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen (s. E Slg. 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig wurde folglich dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der (die) Handelnde angehört, an seiner Stelle anders Verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Dies muß im gegenständlichen Fall bejaht werden. Die objektiven Sorgfaltspflichten legen immer nur das Mindesmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des "Täters" sogar ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt. Anderseits muß man sich hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. abermals VwGH 12.6.1989, 88/10/0169).

5.2.3. Betreffend den Punkt 3) des Straferkenntnisses war die Übertretung objektiv unvermeidbar. Jedenfalls aber ein weiteres Fortbewegen des schwer beschädigten Fahrzeuges, unzumutbar. Das vorschriftswidrige Abstellen des Fahrzeuges war aus dem technischen Gebrechen heraus "erzwungen". Ein subjektiv vorwerfbares Verhalten ist hieraus nicht ableitbar. Darüber hinaus waren angesichts der, defacto an dieser Örtlichkeit verkehrslosen Nachtzeit, mit dem vorschriftswidrig abgestellten Fahrzeug, kaum nachteiligen Folgen gegeben.

5.2.4. Zu den konkreten Bestimmungen der StVO:

5.2.4.1. Im Sinne des § 4 Abs.1 lit. b haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zususammenhang steht, wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahme zu treffen und lit.c, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken! Dies bedeutet, daß eine durch einen Verkehrsunfall herbeigeführte Gefahrenquelle zu beseitigen ist. Ein auf der Fahrbahn liegengelassener "Leitpflock" ist als solche Gefahrenquelle anzusehen.

5.2.5. Gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 ist mit 500 S bis zu 30.000 S zu bestrafen, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei den, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden! Die Bekanntgabe der Identität dient ua. der Regelung des Schadenersatzes. Wird die Identität des Beschädigers von einer anderen Person als den Beschädiger gemeldet, so hat zwar eine Bestrafung nicht nach § 99 Abs.2 lit.e (der Schadenersatz ist auch durch eine solche Meldung sichergestellt), jedoch unterliegt sein Verhalten - die Fahrerflucht - der Bestrafung nach § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960. Im gegenständlichen Fall wurde die Schadensverursachung jedoch nicht "ohne unnötigen Aufschub", sondern erst zu einem Zeitpunkt (noch) gemeldet, als die Gendarmerie den Schaden bereits von amtswegen festgestellt hatte und schon Erhebungen gegen den Verursacher eingeleitet gehabt hatte. Der Begriff "unnötiger Aufschub" ist streng auszulegen, sodaß der Anruf der Bw beim GPK-O. und bei der BPD-L. und die anläßlich dieser Anrufe getätigte Unfallmeldung, dieser Anforderung nicht mehr genüge zu tun vermochte (VwGH 28.11.1990, Zl. 90/02/0049). Die Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.e ist in Verbindung mit § 31 Abs.1 StVO anzuwenden. Ein "Leitpflock" ist im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung als eine "Verkehrsleiteinrichtung" anzusehen (VwGH 28.9.1988, Zl. 88/02/0133). Da die Beschädigung offenkundig auf Grund eines Fahrfehlers der Bw erfolgt ist, gegenteiligtes wurde nicht behauptet, liegt hinsichtlich der Beschädigung auch ein Verschulden vor. Diesbezüglich sind auch die Ausführungen der Erstbehörde im Straferkenntnis zutreffend.

Entgegen der Ansicht der Bw ist es bei der Beurteilung des zur Last liegenden Verhaltens unbedeutend, daß sich das Unfallgeschehen "quasi im technischen Sinn" über eine längere Wegstrecke ausgedehnt hatte. Die Unfallörtlichkeit steht dessen ungeachtet zweifelsfrei fest. Die Tatortbeschreibung stellt nicht auf einen bestimmten Punkt ab. Es kommt vielmehr auf die in Betracht kommende Fahrstrecke an (siehe auch VwGH 12.6.1986, 85/02/0020 u. 21.6.1989, 87/03/0273).

Anzumerken ist, daß über die in diesem Verfahren angelasteten Übertretungen hinaus, tatbildmäßig auch noch gegen § 4 Abs.1 lit.c zuwider gehandelt worden ist. Laut VwGH 89/02/0164 v. 15.5.1989 zieht nicht nur die Verständigungspflicht nach dem allgemeinen Tatbestand des 4 Abs.5 StVO die Mitwirkungspflicht gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO nach sich. Diese gilt auch für den Fall des besonderen Tatbestandes nach § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960. Gegenständlich war ein Verbleiben der Unfallfallbeteiligten an der Unfallstelle zur Sachverhaltsermittlung wohl nicht erforderlich und nach Lage des Falles auch nicht tunlich gewesen, jedoch wäre zur ausreichenden Mitwirkung an der Sachverhaltsfestellung die Meldung an die nächste Sicherheitsdienststelle, ohne unnötigen Aufschub, erforderlich gewesen, zumal es zu einer amtlichen Unfallaufnahme zu kommen hatte. Es wird dabei jedoch nicht übersehen, daß der Unwertgehalt der unterbliebenen Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung (materiell), bereits durch den Tatvorwurf nach § 99 Abs.2 lit.e weitgehend mitumfaßt zu erachten ist (die unterlassene Meldung hat die Unterlassung der Mitwirkung zur Folge).

5.2.6. Zum Vorbringen des Vorliegens eines Notstandes oder Putativnotstandes ist hier nicht mehr näher einzugehen. Es wird diesbezüglich auf die Ausführungen zur Beweiswürdigung (5.1.2. unten) verwiesen. Diese Frage wäre allenfalls bis zum Zeitpunkt der Ankunft der Bw in ihrem Elternhaus Bedeutung zugekommen. Im Rahmen eines anzuwendenden objektiven Maßsstabes, müßten wohl die gegenständlich nicht näher zu untersuchenden, subjektiv dem gesetzlich vorgeschriebenen Verhalten hinderlichen Umstände, gegenüber dem gebotenen und im öffentlichen Interesse liegenden Verhalten, zurücktreten. Da aber auch dann den genannten Verpflichtungen nicht nachgekommen worden ist, war mit der angeblichen Furcht die Unterlassung nicht mehr entschuldbar.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 Abs. 1 u. 2 VStG Grundlage stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungsund Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde zu 1) und 2) verhängten Strafen durchaus angemessen sind. Durch die auf die Fahrbahn geschleuderten Leitpflöcke wurde insbesonders für einen allfälligen Lenker eines einspurigen Fahrzeuges eine akute Gefahrenquelle geschaffen. Die nicht ehest mögliche Beseitigung dieser Gefahr stellt einen schweren Unwertgehalt dar, indem hiedurch die Verkehrssicherheit nachhaltig negativ beeinflußt worden ist. Konkret ist es sogar zu einem offenkundig unvermeidbaren Überfahren eines auf der Fahrbahn liegenden Leitpflocks gekommen. Aber auch an der der Meldung eines derartigen Schadens, liegt wegen der Wahrung der Möglichkeit der zivilen Rechtsdurchsetzung, eines durch einen derartigen Vorfall Geschädigten, ein bedeutendes Rechtsgut. Durch eine derartige Unterlassung wird der Geschädigte allenfalls in den Möglichkeiten der Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche benachteilgt. Der objektive Unrechtsgehalt der Übertretung ist daher angesichts dieser Beeinträchtigungen groß. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist insbesondere wegen der unterlassenen Beseitigung der auf der Fahrbahn liegenden Gegenstände, der Schluß auf eine mangelnde Vertrautheit oder Verbundenheit mit grundsätzlichen Verhaltensregeln im Straßenverkehr, zulässig. Es scheint daher, sowohl aus Sicht der Spezialprävention (die Bw künftighin von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten) aber auch aus Gründen der Generalprävention (den Unrechtsgehalt derartiger Übertretungen generell zu pönalisieren) die Verhängung einer Strafe von jeweils 3.000 S angemessen. Auf die je von 500 S bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmen sei hingewiesen. Auf das eher unterdurchschnittliche Einkommen, keine Sorgepflichten und kein Vermögen wurde hiebei Bedacht genommen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat

Dr. B l e i e r

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