Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166857/2/Kei/Bb/Eg

Linz, 09.08.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Dr. A. W., geb. x, x, vom 26. März 2012, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 23. März 2012, GZ VerkR96-12304-2011, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Die Berufung wird mit der Maßgabe, dass der Spruch des angeführten Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, im Schuldspruch und hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldstrafe abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich bestätigt.

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 16 Stunden herabgesetzt.

 

Nach "vom 17.11.2011" wird eingefügt ", zugestellt am 21.11.2011," die Wendung "Tatzeit: mit Schreiben vom 24.11.2011" wird gestrichen.

 

II.              Für den Berufungswerber entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens. Für das erstinstanzliche Verfahren beträgt der Kostenbeitrag 8 Euro (= 10 % der verhängten Geldstrafe).

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm

§§ 24, 51, 16 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2 und 65 VStG.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 23. März 2012, GZ VerkR96-12304-1-2011, wurde über Dr. A. W. (den nunmehrigen Berufungswerber) wegen einer Übertretung des § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs. 1 KFG gemäß § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Stunden, verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages erster Instanz in der Höhe von 8 Euro verpflichtet.

 

Dieser Bestrafung liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde (auszugsweise Wiedergabe):

"Sie wurden mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 17.11.2011 als Zulassungsbesitzer aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekannt zu geben, wer das Kraftfahrzeug Kennzeichen x am 10.09.2011 um 08.37 Uhr in Klaus auf der Pyhrnautobahn A 9 bei km 27,950 in Richtung Graz gelenkt hat. Sie haben diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt. Sie haben auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 25. März 2012, richtet sich die rechtzeitig – mit Schriftsatz vom 26. März 2012 – erhobene Berufung, mit der beantragt wird, der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wurde festgehalten, dass nach Einleitung eines Strafverfahrens die Anwendung des § 103 Abs.2 KFG wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen Art. 6 EMRK unzulässig sei.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Kirchdorf an der Krems hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 29. März 2012, GZ VerkR96-12304-1-2011, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung (§ 51 Abs.1 VStG). Gemäß § 51c VStG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels gesonderten Antrages und der Tatsache, dass der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt vorliegt, unterbleiben.

 

4.1. Es ergibt sich folgender rechtlich relevanter Sachverhalt:

 

Am 10. September 2011 um 08.37 Uhr wurde die Fahrgeschwindigkeit des Pkw mit nationalen Kennzeichen x, in Klaus, auf der Pyhrnautobahn A 9, bei Strkm 27,950, in Fahrtrichtung Graz – nach Abzug der entsprechenden Messtoleranz – mit 101 km/h festgestellt (gemessene Geschwindigkeit 107 km/h). In diesem Straßenabschnitt der A 9 ist eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h verordnet und kundgemacht. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels Stand-Radarmessgerät, Type MUVR 6FM 511, Messgerät Nr. 03.

 

Laut Auskunft der Zulassevidenz war der verwendete Pkw zum damaligen Zeitpunkt auf den Berufungswerber zugelassen.

 

Es wurde zunächst gegen den Berufungswerber als Zulassungsbesitzer dieses Pkw wegen der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 21 km/h von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems (Tatortbehörde) zu GZ VerkR96-12304-2011 eine Strafverfügung, datiert vom 8. November 2011, nach § 52 lit.a Z10a StVO erlassen. Dagegen erhob der Berufungswerber fristgerecht am 11. November 2011 einen unbegründet gebliebenen Einspruch.

 

In der Folge wurde sodann an den Berufungswerber mit Schreiben vom 17. November 2011, GZ VerkR96-12304-2011, in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges, Kennzeichen x, ein Auskunftsverlangen zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nach § 103 Abs.2 KFG zur Tatzeit am 10. September 2011 um 08.37 Uhr am gegenständlichen Tatort gerichtet. Gleichzeitig wurde in diesem Schreiben auf die Strafbarkeit bei Nichterteilen oder Erteilen einer unrichtigen Auskunft hingewiesen. Diese Lenkeranfrage wurde nachweislich am 21. November 2011 zugestellt.

Nachdem der Berufungswerber auf die entsprechende Anfrage keine Lenkerauskunft erteilte und in seiner Eingabe vom 24. November 2011 lediglich verfassungsrechtliche Bedenken äußerte, wurde er in weiterer Folge wegen Unterlassung der Beantwortung der Aufforderung vom 17. November 2011 mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 1. Dezember 2011, GZ VerkR96-12304-1-2011, wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG verfolgt, wogegen er fristgerecht Einspruch erhob. 

 

Nach einer an ihn gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Dezember 2011, GZ VerkR96-12304-2011, mit dem Tatvorwurf einer Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG, wurde das gegenständliche Straferkenntnis erlassen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber Folgendes erwogen:

 

5.1. In rechtlicher Beurteilung des dargestellten Sachverhaltes ist anzuführen, dass gemäß § 103 Abs.2 KFG die Behörde Auskünfte darüber verlangen kann, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

5.2. Der Berufungswerber hat als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen x, die von ihm nachweislich im Wege der Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG verlangte Lenkerauskunft nicht erteilt. Dies steht unbestritten fest.

 

Zutreffend ist im konkreten Fall, dass gegen den Berufungswerber im Zeitpunkt der gegenständlichen Lenkeranfrage bereits ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß 52 lit.a Z10a StVO (Grunddelikt) anhängig war. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch, nicht zuletzt auf Grund der Verantwortung des Berufungswerbers im Einspruch vom 11. November 2011, noch nicht klar, ob er überhaupt selbst dieses angefragte Kraftfahrzeug gelenkt hat, zumal er sich im – unbegründet gebliebenen - Einspruch gegen die Strafverfügung zur Täterschaft überhaupt nicht äußerte.

 

Die folgende Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs.2 KFG hatte daher den Zweck, den Kraftfahrzeuglenker festzustellen bzw. einen Verdächtigen zu ermitteln. Diese Lenkeranfrage war nicht mit dem Vorwurf der Übertretung nach der StVO verbunden und der Berufungswerber war keinesfalls verhalten, ein Geständnis hinsichtlich des Grunddeliktes abzugeben. Die Lenkererhebung bezog sich bloß auf die Tatsache, wer dieses Kraftfahrzeug gelenkt hat. Der Berufungswerber wurde damit in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer lediglich verpflichtet, wahrheitsgemäß anzugeben, wer dieses Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat. Dies konnte für ihn nicht belastend sein, weil nicht übersehen werden darf, dass auch nach Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers das Grunddelikt der Geschwindigkeitsüberschreitung weder objektiv noch subjektiv bewiesen gewesen wäre. Zur Klärung des Verdachtes, ob der Lenker zum angeführten Zeitpunkt die in Rede stehende Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO begangen hat, wären noch zahlreiche Fragen zu klären gewesen. Für den bekanntgegebenen Lenker hätte im Verfahren die Möglichkeit bestanden, den Tatvorwurf bzw. den angezeigten Sachverhalt zu bestreiten und sich in jeder Hinsicht zu verteidigen sowie auch die rechtliche Beurteilung zu hinterfragen. Das bloße Lenken eines Kraftfahrzeuges ist an sich jedenfalls kein strafbares Verhalten, weshalb die Auskunft, wer ein bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat, auch keine unmittelbare verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung nach sich zieht. Eine Selbstbezichtigung, die nach Art. 6 EMRK verpönt ist, kann darin nicht erblickt werden.

 

Das Rechtsinstitut der Lenkerauskunft ist gesetzlich in § 103 Abs.2 KFG vorgesehen. Es handelt sich bei der Aufforderung zur Erteilung einer Lenkerauskunft um ein Administrativverfahren und somit um eine vom Vorwurf des Grunddeliktes unabhängige (administrative) Maßnahme (VwGH 23. Februar 2000, 99/03/0314).

 

Der Bestimmung liegt die Absicht des Gesetzgebers zu Grunde, die Ordnung und Kontrolle des Straßenverkehrs zu gewährleisten und sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (VwGH 18. November 1992, 91/03/0294 ua).

Das beträchtliche öffentliche Interesse an der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG wurde dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber die Pflicht zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers in Verfassungsrang erhoben hat. Der im Verfassungsrang stehende letzte Satz des § 103 Abs.2 KFG normiert, dass gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurücktreten. Da sich § 103 Abs.2 KFG konkret nur an die Zulassungsbesitzer von Kraftfahrzeugen richtet, ist die Bestimmung daher als lex specialis zu Art. 6 EMRK anzusehen (vgl. UVS Oberösterreich 7. September 2011, VwSen-166127/5; 19. Jänner 2012, VwSen-166190/5 ua.).

 

Der Verwaltungsgerichtshof stellte bereits wiederholt fest, dass die Auskunftspflicht nach § 103 Abs.2 KFG keine Verletzung des Art. 6 EMRK bzw. Art. 90 Abs.2 B-VG bedeutet (z.B. VwGH 26. Mai 2000, 2000/02/0115) und   erachtete in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG nach bereits erlassener Strafverfügung wegen des sogenannten Grunddeliktes für zulässig. Er hielt in diesem Zusammenhang fest, dass die Erlassung einer Strafverfügung lediglich bedeute, dass die Behörde den Adressaten für den Täter hält; das hindere sie aber nicht, sich im Falle eines Einspruches im Wege der Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG Gewissheit zu verschaffen. In den folgenden Entscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof diesen chronologischen Ablauf wiederholt als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen:

VwGH 15. Jänner 1991, 91/03/0349; 30. Oktober 2003, 2003/02/0139; 18. Mai 2001, 2001/02/0001; 27. Oktober 1997, 96/17/0348; 27. Oktober 1997, 96/17/0425.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof erachtete nach mehrfacher diesbezüglicher Befassung die Verfassungsbestimmung des § 103 Abs.2 KFG in Einklang mit den Baugesetzen des B-VG und erblickte bislang keinen Widerspruch zu Art. 6 EMRK und Art. 90 Abs.2 B-VG (z.B. VfGH 29.09.1988, G72/88).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) entschied in seinem Urteil vom 29. Juni 2007 in den Fällen O`Halloran und Francis gegen das Vereinigte Königreich (Beschwerdenummer 15809/02 und 25624/02) zur (vergleichbaren) britischen Rechtslage betreffend die Lenkerauskunft, dass das System der Lenkerauskunft im englischen Recht keine Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.2 EMRK bedeutet und stellte im Ergebnis fest, dass die Verpflichtung zur Angabe, wer das Fahrzeug gelenkt habe, keine Selbstbezichtigung darstellt. Dies trotz der Tatsache, dass beide Beschwerdeführer auf Grund der polizeilichen Benachrichtigung über die beabsichtigte Strafverfolgung des Lenkers als sie zur Lenkerauskunft aufgefordert wurden, als "angeklagt" im Sinne von Art. 6 Abs.1 EMRK anzusehen waren. Der EGMR betonte, dass das Recht zu schweigen kein absolutes Recht darstellt, sondern die Beurteilung der Frage, ob ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs.1 EMRK vorliegt oder nicht, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Dabei berücksichtigte er den Umstand, dass Art und Ausmaß des Zwanges zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht besonders schwer waren und den Beschwerdeführern als Zulassungsbesitzer die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe von vornherein bekannt war. Der Zwang zur Lenkerbekanntgabe sei zwar straf­recht­­licher Natur, er ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sich jeder Besitzer eines Kraftfahrzeuges (freiwillig) jenen Regeln unterwirft, die in einer Gesellschaft mit dem Besitz eines Kraftfahrzeuges verbunden sind. Niemand ist verpflichtet, Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges zu werden; wer aber ein Kraftfahrzeug hält (und mit diesem am Verkehr teilnimmt), akzeptiert damit auch bestimmte Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen, zu welchen es auch gehört, die Behörden im konkreten Fall über die Identität des Lenkers zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzuklären. 

Weiters führte der EGMR in dieser Entscheidung aus, dass die Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers eine bloße Tatsache darstellt und das Lenken eines Fahrzeuges an sich nichts Strafbares ist. Auch befand er, dass die angedrohte sowie verhängte Strafe moderat war.

 

In den Beschwerdefällen Lückhof und Spanner gegen Österreich (Urteil vom 10. Jänner 2008, Beschwerdenummern 58452/00 und 61920/00) bestätigte der EGMR im Grunde nach diese Rechtsprechung und stellte ausdrücklich zur österreichischen Rechtslage fest, dass auch die Verpflichtung zur Lenkerauskunft nach § 103 Abs.2 KFG nicht gegen Art. 6 Abs.1 der EMRK verstößt. Dabei nahm er auch zu dem in Österreich bestehenden System der Ersatzfreiheitsstrafe Stellung, kam jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Vor allem der Sachverhalt im Fall des Zweitbeschwerdeführers Spanner ist mit dem vorliegenden insofern vergleichbar, als auch der damalige Beschwerdeführer einer Straftat "angeklagt" war, da infolge einer vorangegangen Strafverfügung ein Verwaltungsstrafverfahren wegen eines Parkvergehens gegen ihn anhängig war, als er aufgefordert wurde, die Identität des Lenkers offenzulegen. Nachdem er den Namen und die Adresse des Lenkers nicht bekanntgab, wurde er wegen Verletzung der Auskunftspflicht verurteilt. Der EGMR erblickte in diesem Vorgehen keinen Verstoß gegen Art. 6 EMRK.

 

Aus all diesen Überlegungen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis, dass die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe gemäß § 103 Abs.2 KFG nicht gegen Art. 6 EMRK verstößt, das Nichterteilen der Auskunft strafbar ist und eine erteilte Auskunft kein rechtswidrig erlangtes Beweismittel darstellt und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegt, sondern im Verwaltungsstrafverfahren auch als Beweismittel verwertet werden darf, selbst wenn der Zulassungsbesitzer zum Zeitpunkt der Lenkeranfrage bereits Beschuldigter war, d.h. ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes bereits gegen ihn anhängig war.

 

Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei der Rechtsvorschrift des § 103 Abs.2 KFG um ein unentbehrliches Instrument zur Kontrolle und Überwachung des Verkehrs handelt, ohne das eine effektive Verkehrsüberwachung zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Verkehrssicherheit nicht ausreichend gewährleistet wäre.

 

Es steht im konkreten Fall die Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 103 Abs.2 KFG unzweifelhaft fest. Es sind keine Umstände hervorgekommen, welche den Berufungswerber entlasten hätten können, sodass auch die subjektive Tatseite der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung als erfüllt zu bewerten ist.

 

5.3. Zur Straffestsetzung ist festzustellen, dass gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der anzuwendenden Verwaltungsstrafbestimmung des § 134 Abs.1 erster Satz KFG begeht, wer unter anderem diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

 

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde für das gegenständliche Delikt eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, festgesetzt. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems ging bei der Strafbemessung davon aus, dass der Berufungswerber vermögenslos ist, keine Sorgepflichten hat und ein monatliches Einkommen von ca. 1.400 Euro bezieht.

Strafmildernd wurde kein Umstand gewertet, als straferschwerend wurden zwei einschlägige rechtskräftige Verwaltungsvormerkungen nach § 103 Abs.2 KFG aus dem Jahr 2011 berücksichtigt.

Diesen Annahmen hat der Berufungswerber nicht widersprochen, weshalb auch der Unabhängige Verwaltungssenat von diesen Grundlagen ausgeht.

 

§ 103 Abs 2 KFG schützt das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerungen möglichen Ermittlung von Personen, die in Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung (VwGH 22. März 2000, 99/03/0434). Dieses normgeschützte Interesse wurde durch das Nichterteilen der Lenkerauskunft verletzt, da eine Ahndung des den Anlass für die Lenkeranfrage bildenden Grunddeliktes nicht möglich war und der Lenker verwaltungsstrafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte. Es bedarf daher sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Überlegungen einer spürbaren Strafe, um den Berufungswerber als auch die Allgemeinheit darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Verpflichtung nach § 103 Abs.2 KFG von wesentlicher Bedeutung ist.  

 

Angesichts des Vorliegens zweier einschlägiger Vormerkungen, erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat die von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems verhängte Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro keineswegs als überhöht, sondern ist diese Geldstrafe im Hinblick auf die genannten Umstände eher milde bemessen. Die Geldstrafe (80 Euro) liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und beträgt lediglich 1,5 % der möglichen Höchststrafe (5.000 Euro - § 134 Abs.1 KFG). Eine Herabsetzung der Geldstrafe konnte deshalb nicht in Erwägung gezogen werden, jedoch war eine Anpassung der Ersatzfreiheitsstrafe im Sinne einer Herabsetzung auf 16 Stunden erforderlich.

Es war somit spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch (Spruchpunkt II.) angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r  

 

 

 

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