Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301117/10/AB/JK

Linz, 12.07.2012

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 11. Kammer (Vorsitzender: Dr. Weiß; Berichterin: Dr. Lukas; Beisitzer: Dr. Grof) über die Berufung des R H, vertreten durch K & K Rechtsanwälte OG, P,  F, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 7. November 2011, Zl. S-7.069/11-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

 

zu I: § 24, § 45 Abs. 1 Z. 1, § 51, § 51c und § 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) vom 7. November 2011, Zl. S-7.069/11-2, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 3.000 Euro verhängt, weil er im Lokal "S O", F, L, als Lokalbetreiber verbotene Ausspielungen zugänglich gemacht habe, indem er Glücksspielautomaten eingeschaltet und betriebsbereit gehalten habe. Der Bw habe dadurch § 9 Abs. 1 VStG iVm §§ 2 Abs. 1 und 4 Glücksspielgesetz und § 52 Abs. 1 Z 1 3. Tatbild Glücksspielgesetz verletzt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der von der Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle die im Spruch angeführten Geräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden worden seien. Mit diesen Geräten seien Glücksspiele, d.h. Spiele, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich vom Zufall abhänge, in der Form von Ausspielungen durchgeführt worden, obwohl dafür keine Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz oder für eine Landesausspielung vorgelegen habe. Aus diesem Grund handle es sich um verbotene Ausspielungen und sei daher auf diesem Wege in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden.

1.2. Gegen diesen am 9. November 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die am 22. November 2011 per E-Mail bei der belangten Behörde eingebrachte und damit rechtzeitige Berufung.

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufgrund seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig sei. Der Bw beantragt daher sinngemäß, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

1.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 24. November 2011 die Berufung samt bezughabenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

1.4. Mit Schreiben vom 26. April 2012 hat der Oö. Verwaltungssenat gegen den Beschuldigten des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 78 Abs. 1 StPO Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft wegen Verdachts einer gemäß § 168 StGB gerichtlich strafbaren Handlung erstattet und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG ausgesetzt.

1.5. Der beim Oö. Verwaltungssenat entstandene Verdacht einer gemäß § 168 StGB gerichtlich strafbaren Handlung wurde der zuständigen Staatsanwaltschaft mit dem genannten Schreiben wie folgt dargelegt:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) begeht derjenige eine Verwal-tungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu be-strafen, 'wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt'.

Nach § 168 Abs. 1 StGB ist derjenige mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der 'ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstal-tung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu-zuwenden, [...] es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird'.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ist im Falle der Tateinheit einer unter beide Strafdrohungen fallenden Handlung davon aus-zugehen, dass das Delikt des Glücksspieles gemäß § 168 Abs. 1 StGB den Un-rechts- und Schuldgehalt der einschlägigen Verwaltungsstrafbestimmung des GSpG vollständig erschöpft und daher unter Berücksichtigung des Doppelbestra-fungs- und Doppelverfolgungsverbotes gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPzEMRK eine verfassungskonforme Interpretation insofern geboten ist, als eine Bestrafung nach § 168 Abs. 1 StGB eine solche nach dem GSpG wegen desselben Verhaltens ausschließt (vgl. VfSlg 15.199/1998; VwGH 22.3.1999, 98/17/0134; VwGH 8.9.2008, 2009/17/0181).

Mit der Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, wurde in § 52 Abs. 2 GSpG nunmehr eine ausdrückliche, an Wertgrenzen orientierte Zuständig-keitsklausel zur Abgrenzung zwischen verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit eingefügt. Danach handelt es sich dann, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Ausspielung (mit oder ohne Glücksspielautomaten) von einem Spieler vermögenswerte Leistungen von über 10 Euro pro Spiel geleis-tet werden, schon ex lege nicht mehr um 'geringe Beträge' i.S.d. § 168 Abs. 1 StGB, sodass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit gemäß § 168 Abs. 1 StGB zurücktritt. Sobald daher im Verwaltungs-strafverfahren der Verdacht entsteht, dass Einsätze von mehr als 10 Euro pro Spiel tatsächlich geleistet wurden, ist das Verwaltungsstrafverfahren gem. § 30 Abs. 2 VStG auszusetzen und gem. § 78 Abs. 1 StPO Anzeige an die Staats-anwaltschaft zu erstatten (vgl. dazu VwGH 14.12.2011, 2011/17/0233).

Wie dem beigelegten Verfahrensakt zu entnehmen ist, hat sich nicht zuletzt auf-grund der Ermittlungen der einschreitenden Abgabenbehörde ergeben, dass hin-sichtlich der im Strafbescheid der Behörde I. Instanz bezeichneten Glücksspielau-tomaten u.a. Einsätze bis zu 25 Euro pro Spiel möglich waren. Aus diesem Grund ist beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS OÖ) der Verdacht entstanden, dass Einsätze von mehr als 10 Euro pro Spiel auch tat-sächlich geleistet worden sind und somit eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit nach dem StGB zurücktritt.

Selbst wenn jedoch im Strafverfahren nicht eindeutig nachgewiesen werden soll-te, dass Einsätze von mehr als 10 Euro pro Spiel tatsächlich geleistet wurden, kommt nach Auffassung des UVS OÖ angesichts der potentiellen Möglichkeit von Einsatzleistungen in dieser Höhe eine gerichtliche Strafbarkeit jedenfalls wegen versuchter Veranstaltung eines Glücksspiels gem. § 168 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 StGB dennoch in Betracht. Wenngleich nämlich für die Vollendung der Tat-handlung 'Veranstalten' gemäß § 168 Abs. 1 StGB ein Spiel auch tatsächlich stattgefunden haben muss, kann vor dem ersten Spielgeschehen jedenfalls ein strafbarer Versuch gegeben sein (vgl. Rainer in SbgK § 168 Rz. 12; Kirchba-cher/Presslauer in WK² § 168 Rz. 9) und somit die Anwendbarkeit der Verwal-tungsstrafbestimmungen des GSpG zurückgedrängt werden.

Überdies ist eine Strafbarkeit nach § 168 StGB – selbst bei Einsatzleistungen von unter 10 Euro pro Einzelspiel – auch aus anderen Gründen in Betracht zu ziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes – welcher sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134, angeschlossen hat – ist die Frage, ob um geringe Beträge gespielt wird, nämlich nur so lange am Einzelspiel orientiert zu lösen, als nicht der Spielveranstalter vorsätzlich Serienspiele veranlasst oder zu solchen Gelegenheit bietet (vgl. OGH 3.10.2002, 12 Os 49/02; OGH 2.7.1992, 15 Os 21/92; OGH 22.8.1991, 15 Os 27/91). Das diesbezügliche Korrektiv bildet die in § 168 Abs. 1 StGB negativ umschriebene Voraussetzung, dass bloß zum Zeitvertreib gespielt wird. Dies ist etwa dann nicht mehr der Fall, wenn das Gewinnstreben soweit in den Vordergrund tritt (z.B. bei zu Serienspielen verleitender günstiger Relation zwischen Einsatz und Gewinn), dass es dem Spieler darauf ankommt, Geld zu gewinnen, wenn er also in gewinnsüchtiger Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) spielt (vgl. Leukauf/Steininger in StGB3 § 168 Rz. 19; Rainer in SbgK § 168 Rz. 10). Des Weiteren ist eine strafbare Serienspielveranstaltung auch dann anzunehmen, wenn bei Spielautomaten 'für die Höhe des Einzeleinsatzes zugunsten von Beträ-gen außerhalb der Geringfügigkeitsgrenze nicht einmal eine Einwurfmöglichkeit vorgesehen ist' (vgl. OGH 3.10.2002, 12 Os 49/02).

Die im vorliegenden Fall in Aussicht gestellten Höchstgewinne von u.a. 12.500 Euro pro Spiel und die damit verbundene außergewöhnlich günstige Relation zwi-schen dem maximalen Einzeleinsatz und dem höchstmöglichen Gewinn indizieren die Möglichkeit eines besonderen Anreizes für Serienspiele mit gewinnsüchtiger Absicht i.S.d. höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa OGH 20.4.1983, 11 Os 39/83, in welcher das Verhältnis von zehn Schilling Höchsteinsatz zu 600 Schil-ling Höchstgewinn als eine derartige außergewöhnlich günstige Relation erachtet wurde) und bewirkt damit die Zurückdrängung der Strafbestimmungen des GSpG hinter jene des StGB.

Aus all diesen Gründen ist beim UVS OÖ im vorliegenden Fall der begründete Verdacht einer Strafbarkeit gem. § 168 Abs. 1 StGB entstanden. Somit ist der UVS OÖ nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. VwGH 22.3.1999, 98/17/0134; VwGH 14.12.2011, 2011/17/0233) verpflichtet, das anhängige Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG auszusetzen und gem. § 78 StPO Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts einer gerichtlich straf-baren Handlung zu erstatten. Letzterem wird mit diesem Schreiben, welchem der relevante Verfahrensakt beigelegt ist, entsprochen."

1.6. Mit Schreiben vom 11. Mai 2012 wurde der Oö. Verwaltungssenat von der zuständigen Staatsanwaltschaft davon benachrichtigt, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 190 Z 1 StPO aus dem Grund des § 57 StGB (Verjährung) eingestellt wurde.

1.7. Mit Eingabe vom 3. Juli 2012 stellte der Bw einen Antrag auf Einstellung gem. § 45 Abs. 1 Z 2 VStG, worin dieser im Wesentlichen die unter Pkt. 1.5. dargestellte Verdachtslage bestätigte.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – durch eine Kammer zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, "wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt".

Nach § 168 Abs. 1 StGB ist derjenige mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der "ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, [...] es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird".

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist im Lichte des verfassungsrechtlichen Doppelbestrafungs- und -verfolgungsver­botes gemäß Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (ZPzEMRK) von einer stillschweigenden Subsidiarität der allenfalls anzuwendenden glücksspielgesetzlichen Verwaltungsstrafbestimmung gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB auszugehen (vgl. VwGH 8.9.2009, 2009/17/0181; VwGH 22.3.1999, 98/17/0134; VfSlg 15.199/1998). Daraus folgt, "dass eine Bestrafung nach der erstgenannten Norm dann zu unterbleiben hat, wenn sich der Täter nach der zweitgenannten Bestimmung strafbar gemacht hat. Auch der Wegfall der Strafbarkeit nach dem primär heranzuziehenden Tatbestand infolge Eintritt eines Strafaufhebungsgrundes (Verjährung) könnte nicht die Anwendbarkeit des subsidiären Straftatbestandes (neu) begründen, handelt es sich bei dieser Form der Konkurrenz doch um die Verdrängung des subsidiären Tatbestandes durch den vorrangig anzuwendenden" (VwGH 22.3.1999, 98/17/0134).

Mit der Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, wurde nunmehr in § 52 Abs. 2 GSpG eine ausdrückliche Zuständigkeitsklausel zur Abgrenzung zwischen verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit eingefügt. Danach handelt es sich dann, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Ausspielung (mit oder ohne Glücksspielautomaten) von einem Spieler vermögenswerte Leistungen von über 10 Euro pro Spiel geleistet werden, schon ex lege nicht mehr um "geringe Beträge" i.S.d. § 168 Abs. 1 StGB, sodass insoweit "eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz [GSpG] hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück[tritt]".

Da die Wendung "geringe Beträge" lediglich eine der beiden kumulativen Voraussetzungen für die in § 168 Abs. 1 letzter Teilsatz StGB normierte Straffreiheit bildet, ist eine gerichtliche Strafbarkeit auch hinsichtlich jener Glücksspiele denkbar, bei denen die Einsätze pro Einzelspiel zwar unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen, die aber nicht nur "bloß zum Zeitvertreib" gespielt werden. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes – welcher sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134, angeschlossen hat – etwa dann der Fall, wenn der Spielveranstalter vorsätzlich Serienspiele veranlasst oder zu solchen Gelegenheit bietet (vgl. OGH 3.10.2002, 12 Os 49/02; OGH 2.7.1992, 15 Os 21/92; OGH 22.8.1991, 15 Os 27/91). Da somit auch dann eine Strafbarkeit gemäß § 168 StGB gegeben sein kann, wenn zwar Einsätze von unter 10 Euro pro Einzelspiel geleistet werden, es sich aber um Serienspiele i.S.d. OGH-Judikatur handelt, ist in diesen Fällen hinsichtlich des Verhältnisses zu den Verwaltungsstraftatbeständen des GSpG nicht auf § 52 Abs. 2 GSpG, sondern auf die eingangs zitierte hg. Judikatur zurückzugreifen, derzufolge eine allenfalls anzuwendende glücksspielgesetzliche Verwaltungsstrafbestimmung hinter den gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB stillschweigend zurücktritt.

3.3. Da beim Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren – wie unter Pkt. 1.5. dargelegt – der begründete Verdacht einer Strafbarkeit gemäß § 168 StGB entstanden ist, war der Oö. Verwaltungssenat verpflichtet, gemäß § 78 Abs. 1 StPO Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts auszusetzen (vgl. VwGH 14.12.2011, 2011/17/0233; VwGH 8.9.2009, 2009/17/0181).

Aus der in weiterer Folge von der zuständigen Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 1 2. Fall StPO aus dem Grund der Verjährung gemäß § 57 StGB verfügten Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens ergibt sich, dass eine Verfolgung des Beschuldigten wegen des Vergehens nach dem § 168 StGB infolge Eintrittes eines Strafaufhebungsgrundes unzulässig war. Da eine Verjährung freilich nur bei einer dem Grunde nach bestehenden Zuständigkeit der Gerichte eintreten kann, ist nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenat der angelastete Sachverhalt jedenfalls unter § 168 StGB zu subsumieren. (Dies insbesondere vor dem Hintergrund des § 190 Z 1 1. Fall StPO, der ausdrücklich die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung für den Fall vorsieht, dass die Tat "nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist" [vgl. Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz. 12].)

Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall gegebene gerichtliche Strafbarkeit des angelasteten Sachverhalts kann daher gemäß § 52 Abs. 2 GSpG, wonach eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt, bzw. unter Berücksichtigung der von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts judizierten stillschweigenden Subsidiarität der glücksspielrechtlichen Strafbestimmungen keine strafbare Verwaltungsübertretung vorliegen. Selbst der Wegfall der Strafbarkeit nach dem primären Straftatbestand des § 168 StGB (etwa durch den Strafaufhebungsgrund der Verjährung) kann die Anwendbarkeit des subsidiären Straftatbestandes des § 52 Abs. 1 GSpG – nicht zuletzt auch nach Auffassung des VwGH – nicht neu begründen (vgl. die unter Pkt. 3.2. zitierte Judikatur).

4. Infolge dieser – in § 52 Abs. 2 GSpG ausdrücklich normierten bzw. sich im Lichte des verfassungsgesetzlich verankerten Doppelbestrafungs- und -verfol­gungsverbots gemäß Art. 4 des 7. ZPzEMRK stillschweigend ergebenden – Subsidiarität hat somit eine Verfolgung nach dem subsidiären Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu unterbleiben. Schon aus diesem Grund war daher der gegenständlichen Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  W e i ß

 

 

Beachte:

 

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

 

VwGH vom 30.01.2013, Zl.: 2012/17/0330-6

 

 

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