Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531261/2/Re/Th

Linz, 20.07.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung von Frau X und Herrn X, X, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, vom 4. April 2012, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. März 2012, Ge20-36-11-26-2012, betreffend die Zurkenntnisnahme eines Ansuchens um Betriebsanlagenänderungsgenehmigung im Grunde des § 345 Abs.6 GewO 1994, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. März 2012, Ge20-36-11-26-2012, wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§§ 359a und 345 Abs.6 Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. März 2012, Ge20-36-11-26-2012, hat die belangte Behörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens über das Ansuchen der X Handels KG, X, um gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung (Erweiterung) der genehmigten Fleischerei-Betriebsanlage durch einen Zubau bei der bestehenden Verladerampe Nr. 3, Änderung dieses Teilbereiches auf Lagerfläche für die Fleischverpackung sowie Einhausung der Fluchtstiege am Grundstück X, Baufläche .X, KG X, ausgesprochen, dass dieses Ansuchen nach Maßgabe der mit dem Kenntnisnahmevermerk versehenen Projektsunterlagen und der nachstehenden Anlagenbeschreibung zur Kenntnis genommen wird. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der Bescheid stütze sich auf die zitierten gesetzlichen Bestimmungen und die gewerbebehördliche Verhandlung vom 10.11.2011 sowie das schlüssige Gutachten des technischen Amtssachverständigen und die Stellungnahme des Arbeitsinspektorrates Vöcklabruck. Im Zuge der Gewerbeverhandlung habe sich eindeutig herausgestellt, dass die beantragten Änderungen nicht im Sinne des § 81 Abs.1 GewO 1994 genehmigungspflichtig, sondern gemäß § 81 Abs.2 Z9 nur anzeigepflichtig seien. Die Auffassung der alten Verladerampe 3 und die Umnutzung in einen Lagerraum würde keine Verschlechterung der Beeinflussung durch Lärm, Rauch, Geruch, Staub, Erschütterungen oder in sonstiger Weise ergeben, vielmehr stelle der neue Zweck eine Verbesserung für Nachbarn dar. Gleiches gelte für die Sanierung und Einhausung der freien Stiege (Fluchtstiege) beim Altbestand. Die Einwendungen der Nachbarn betreffen im übrigen hauptsächlich den bereits genehmigten Zu- und Neubau für ein Logistik- und Bürogebäude mit Sozialtrakt und Technikgeschoß. Im Übrigen sei im Verfahren nach § 81 Abs.2 Z9 iVm § 81 Abs.3 und § 345 Abs.6 GewO eine Parteistellung der Nachbarn nicht vorgesehen.

 

2. Gegen diesen Bescheid haben die Nachbarn X und X, X, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, mit Schriftsatz vom 4. April 2012, bei der Behörde am selben Tag per Telefax eingelangt und somit innerhalb offener Frist eingebracht, Berufung erhoben. Dies mit den Vorbringen, dass die Konsenswerberin selbst ausdrücklich die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der Fleischereibetriebsanlage beantragt habe. Die Konsenswerberin selbst sei daher von einer Genehmigungspflicht und nicht von einer bloßen Anzeigepflicht ausgegangen. Die Annahme, die geplanten Änderungen seien nicht genehmigungspflichtig, sei daher gesetzwidrig und durch keinerlei Beweisergebnisse gedeckt. Gemäß § 81 Abs.2 Z9 GewO bestehe eine Genehmigungspflicht nur dann nicht, wenn die geplanten Änderungen der Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen. Mit dieser Frage habe sich weder der technische Amtssachverständige, noch die Verwaltungsbehörde erster Instanz auseinandergesetzt. Der Sachverständige hätte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie sich die von der X vorgenommenen Abweichungen von den Genehmigungsbescheiden auf die Immissionssituation bei den Berufungswerbern auswirken. Im ursprünglich genehmigten Projekt seien diverse schallabsorbierende Maßnahmen im Durchfahrtbereich unter dem Bürotrakt sowie im Verladebereich der überdachten Ladezone vorgesehen, diese seien jedoch nicht ausgeführt worden. Die Ausführungen des technischen Amtssachverständigen beschränken sich jedoch darauf, dass durch die geplanten Änderungen keine nachteiligen Einwirkungen im Bereich der benachbarten Objekte im Sinne des § 74 Abs.2 bis 5 zu erwarten seien. Mit den Tatbestandsmerkmalen des § 81 Abs.2 Z9 GewO habe sich der Sachverständige mit keinem Wort befasst. Die Verwaltungsbehörde erster Instanz habe somit kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und ihrer gesetzlichen Feststellungs- und Begründungspflicht nicht entsprochen. Es sei unzulässig, einen Betrieb in Einzelteile zu sezieren, vielmehr müsse der Gesamtbetrieb als solcher zulässig und genehmigungsfähig sein. Die Einwendungen der Berufungswerber hatten sich auf unzumutbare Belästigungen und Beeinträchtigungen sowie Gesundheitsgefährdungen durch Lärmemissionen aber auch durch Emissionen in Form von Abgasen, Staub und sonstigen Luftschadstoffen bezogen. Die konsenslosen Abweichungen vom ursprünglichen genehmigten Projekt und die nunmehr vorgesehenen zusätzlichen Änderungen bewirken, dass für die aktuell bestehende Betriebsanlage keine Genehmigung vorläge und eine völlig neue Beurteilung des Gesamtprojektes erforderlich sei. Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, dass das Vorhaben der Konsenswerberin nicht genehmigungspflichtig sein solle, habe sich die Verwaltungsbehörde erster Instanz mit diesen Einwendungen mit keinem Wort befasst und wäre sie bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und Erledigung ihrer gesetzlichen Feststellungs- und Begründungspflicht zu einem anders lautenden Bescheid gekommen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994 iVm.
§ 67a Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Ge20-36-11-26-2012.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

 

4. Dem vorliegenden Verfahrensakt ist zu entnehmen, dass die Konsenswerberin mit dem an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als Gewerbebehörde gerichteten Ansuchen vom 14. Oktober 2011 um Erteilung der Genehmigung für die Änderung der gegenständlichen gewerblichen Betriebsanlage durch Änderung der Fluchtstiege durch wetterfeste Einhausung (Schneeschutz), Einbau von schalldichter, gekühlter Lagerfläche für die Fleischverpackung in den Bereich der alten Fleischanlieferungsrampe angesucht hat. Über dieses Ansuchen hat die belangte Behörde mit Kundmachung vom 24. Oktober 2011 eine Augenscheinsverhandlung für den 10. November 2011 anberaumt und an diesem Tage durchgeführt. In der Kundmachung zu dieser mündlichen Augenscheinsverhandlung wird als zu bearbeitende Angelegenheit das Ansuchen der X Handels KG, X, um gewerbebehördliche Genehmigung (Erweiterung) der genehmigten Fleischereibetriebsanlage, und zwar für einen Zubau bei der bestehenden Verladerampe Nr. 3 und Änderung dieses Teilbereiches auf Lagerfläche mit Fleischverpackung und Einhausung der Fluchtstiege am Grundstück X, Baufläche .X der KG X, angeführt.

Entsprechend der Rechtsbelehrung für Nachbarn (basierend auf § 42 AVG), wonach Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung der Behörde bekannt gegeben oder während der Verhandlung vorgebracht werden, nicht berücksichtigt werden, haben die Berufungswerber durch ihren rechtlichen Vertreter Einwendungen gegen das Vorhaben vorgebracht und ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass es durch die verfahrensgegenständlichen Änderungen zu gesundheitsgefährdenden, unzumutbaren und unzulässigen Beeinträchtigungen und Belästigungen auf ihren Liegenschaften, insbesondere durch Lärmimmissonen, aber auch durch Immissionen in Form von Staub und sonstigen Luftschadstoffen kommen werde. Verwiesen wird auf ein vor einigen Jahren durchgeführtes Betriebsanlagenänderungsgehmigungsverfahren (Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27. Februar 2008, Berufungsentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. Dezember 2008) welches noch beim Verwaltungsgerichtshof unter GZ 2009/04/0078 anhängig sei. Ungeachtet der anhängigen Beschwerde sei das Vorhaben ausgeführt und die Anlage in Betrieb genommen worden.

Als Gegenstand dieser Verhandlung scheint auf Seite 1 der Verhandlungsschrift vom 10. November 2011 auf: "Zubau bei der bestehenden Verladerampe Nr. 3, Änderung des Teilbereiches auf Lagerfläche mit Fleischverpackung und Einhausung der Fluchtstiege – gew. beh. Genehmigung."

Die Berufungswerber waren bei der mündlichen Verhandlung nicht anwesend, ihre schriftlich eingereichte Stellungnahme wurde der Verhandlungsschrift als Beilage B angeschlossen.

Vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen wurde im Rahmen seiner Beurteilung aus technischer Sicht lediglich festgestellt, dass durch die geplanten Änderungen keine nachteiligen Einwirkungen im Bereich der benachbarten Wohnobjekte im Sinne des § 74 Abs.2 bis 5 zu erwarten seien und dass bei Vorschreibung von 2 Auflagenpunkten zur Wahrung der Schutzinteressen nach GewO aus technischer Sicht kein Einwand gegen die Errichtung und den Betrieb der gegenständlichen Anlage bestünden.

Im daraufhin ergangenen und nunmehr bekämpften Bescheid vom 19. März 2012, Ge20-36-11-26-2012, wird das Ansuchen der X Handels KG um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung dieser Änderung (Erweiterung) der genehmigten Fleischereibetriebsanlage durch Zubau bei der bestehenden Verladerampe Nr. 3, Änderung dieses Teilbereiches auf Lagerfläche für die Fleischverpackung und Einhausung der Fluchtstiege am Grundstück X, Baufläche .X, KG X zur Kenntnis genommen, dies unter Zitierung der Rechtsgrundlagen § 345 Abs.6 iVm §§ 79, 81 Abs.2 Z9 und 81 Abs.3 GewO 1994. Begründend wird unter anderem festgestellt, dass es sich im Zuge der Gewerbeverhandlung eindeutig herausgestellt habe, dass die beantragten Änderungen nicht im Sinne des § 81 Abs.1 GewO 1994 genehmigungspflichtig, sondern gemäß § 81 Abs.2 Z9 nur anzeigepflichtig seien. Der neue Verwendungszweck sei keine Verschlechterung der Beeinflussung durch Lärm etc., sondern stelle eine Verbesserung für die Nachbarn dar.

 

5. Erwägungen des Unabhängigen Verwaltungssenates:

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.    das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

2.    die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.    die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.    die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.    eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 81 Abs. 2 leg.cit. ist eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:

1.    bescheidmäßig zugelassene Änderungen gemäß § 78 Abs.2,

2.    Änderungen zur Einhaltung von anderen oder zusätzlichen Auflagen gemäß
§ 79 Abs.1 oder § 79b,

3.    Änderungen zur Anpassung an Verordnungen auf Grund des § 82 Abs.1,

4.    Bescheiden gemäß § 82 Abs.3 oder 4 entsprechende Änderungen,

5.    Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen; Maschinen, Geräte oder Ausstattungen sind gleichartig, wenn ihr Verwendungszweck den der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen entspricht und die von ihnen zu erwartenden Auswirkungen von den Auswirkungen der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen nicht so abweichen, dass der Einsatz als genehmigungspflichtige Änderung gemäß Abs.1 zu behandeln ist,

6.    Änderungen durch den Einsatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen, die unter Verordnungen gemäß § 76 Abs.1 fallen oder in Bescheiden gemäß § 76 Abs.2 angeführt sind, sofern § 76 Abs.3 nicht entgegensteht,

7.    Aufgehoben von VfGH 2002

8.    Sanierung gemäß § 12 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988,

9.    Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen,

10. Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes (§ 353 Z1 lit.c).

 

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die zur Kenntnisnahme einer Anzeige nach § 345 Abs.6 GewO 1994 liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Dies aus mehreren Gründen:

Gemäß § 345 Abs.6 GewO 1994 hat die Behörde Anzeigen gemäß § 81 Abs.3 binnen zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige mit Bescheid zu Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Eine derartige Anzeige gemäß § 81 Abs.3 GewO 1994 liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Konsenswerberin hat um Erteilung der Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage angesucht und keine Anzeige erstattet. Die belangte Behörde hat ein ordentliches Genehmigungsverfahren, wie es aufgrund eines derartigen Änderungsgenehmigungsansuchens nach den Vorschriften der Gewerbeordnung erforderlich ist, durchgeführt. Die Konsenswerberin hat auch am Abschluss der durchgeführten mündlichen Verhandlung neuerlich ausdrücklich die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung beantragt.

Wäre die Behörde im Zuge des Verfahrens zur Ansicht gelangt, eine genehmigungspflichtige Änderung läge im gegenständlichen Falle nicht vor, sondern eine lediglich anzeigepflichtige und nicht änderungsgenehmigungspflichtige immissionsneutrale Änderung so wäre ein allenfalls aufrecht erhaltener Änderungsgenehmigungsantrag mangels Genehmigungspflicht zurückzuweisen und auf die Anzeigepflicht hinzuweisen gewesen.

 

Selbst wenn die Konsenswerberin, allenfalls aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten mündlichen Verhandlung, ihr Ansuchen um Änderung der gewerbebehördlichen Genehmigung zurückzieht und eine entsprechende Anzeige erstattet, reicht das vorliegende Ermittlungsergebnis nicht aus, eine Anzeige im Grunde des § 81 Abs.3 iVm § 81 Abs.2 Z9 als nicht genehmigungspflichtige, da das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussende, Änderung zur Kenntnis zu nehmen, da diese – gesetzlich geforderte – Eigenschaft der Anlage (Immissionsneutralität) vom Amtssachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht gutachtlich festgestellt wurde, schon gar nicht unter Bezugnahme auf die Einwendungen der Nachbarn.

Der Amtssachverständige hat in seinem Gutachten im Gewerbeverfahren aus technischer Sicht lediglich festgestellt, dass durch die geplanten Änderungen keine nachteiligen Einwirkungen im Bereich der benachbarten Wohnobjekte im Sinne des § 74 Abs.2 bis 5 zu erwarten sind.

Mit den Voraussetzungen für die Anwendung des § 81 Abs.2 Z9 GewO 1994 hat sich dieses Gutachten jedoch – aus welchen Gründen auch immer – nicht auseinandergesetzt. Demnach unterliegen ausdrücklich keiner Genehmigungspflicht lediglich Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen. Schlüssige Sachverständigeäußerungen zur Erfüllung dieser Voraussetzung liegen nicht vor.

 

Die derzeitige gesetzlich genehmigte Ist-Situation ergibt sich aus dem Ergebnis des zuletzt in den Jahren 2008 bis 2012 durchgeführten Änderungsgenehmigungsverfahrens. Entgegen den in den Einwendungen der Berufungswerber als beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahrens wurde dieses in der Zwischenzeit vom Verwaltungsgerichtshof abgeschlossen und wurde die Behandlung der Beschwerde der Berufungswerber gegen die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. Dezember 2008, VwSen-530785/57/Re/Sta, abgelehnt.

 

Insgesamt war somit der Bescheid zu beheben, um der Gewerbebehörde erster Instanz die Möglichkeit der eindeutigen Klärung dahingehend zu ermöglichen, ob es sich im gegenständlichen Falle um eine genehmigungspflichtige Änderung der bestehenden und genehmigten Betriebsanlage oder um eine, dem § 81 Abs.2 Z9 zu subsumierende und aus diesen Gründen in der Folge ausdrücklich nicht genehmigungspflichtige Anlagenänderung handelt. Dahingehend wäre auch der Wille der Anlageninhaberin zu erforschen.

 

Zur Weiterführung des Verfahrens wird darüber hinaus auf die jüngste Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach dieser mit Erkenntnis vom 1. März 2012, B 606/11, ausgesprochen hat, dass in verfassungskonformer Interpretation die Bestimmungen des § 81 Abs.3 iVm § 345 Abs. 6 GewO dahingehend auszulegen sind, dass den Beschwerdeführern ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der Voraussetzungen des § 81 Abs.3 iVm § 81 Abs.2 Z9 GewO und daher eine auf die Beurteilung dieser Frage beschränkte Parteistellung zukommt. In diesem Verfahren, so der Verfassungsgerichtshof weiter, ist in der Folge zwar der Ausschluss der Parteistellung von Nachbarn im Hinblick auf das Erfordernis einer Einzelfallprüfung gerechtfertigt, Parteistellung hinsichtlich der Anwendbarkeit der Bestimmungen über das vereinfachte Verfahren jedoch verfassungsrechtlich geboten. Der Verfassungsgerichtshof führt dabei aus, dass sich seine Rechtsprechung zum Verfahren nach 359b GewO auf Verfahren nach § 81 Abs.3 übertragen lasse; es wäre verfassungsrechtlich bedenklich, den Nachbarn Parteistellung im Anzeigeverfahren nach § 81 Abs.3 iVm § 345 Abs.6 schlechthin, also auch bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des Anzeigeverfahrens überhaupt vorliegen, zu versagen und diese Beurteilung allein der Behörde zu überlassen.

In verfassungskonformer Interpretation sind die Bestimmungen des § 81 Abs.3 iVm § 345 Abs.6 GewO daher dahingehend auszulegen, dass den Nachbarn ein rechtliches Interesse der Überprüfung der Voraussetzungen des § 81 Abs.3 iVm § 81 Abs.2 Z9 und daher eine auf die Beurteilung dieser Frage beschränkte Parteistellung zukommt. Dass § 81 Abs.3 GewO den Nachbarn, nicht wie § 359b Abs.1 GewO, keine Anhörungsrechte einräumt, hindert diese Annahme einer beschränkten Parteistellung nicht.

Das Begründungselement des im gegenständlichen Verfahren bekämpften Bescheides, wonach im Verfahren nach § 81 Abs.2 Z9 iVm § 81 Abs.3 und § 345 Abs.6 GewO eine Parteistellung der Nachbarn nicht vorgesehen ist, wäre daher bei der Fortführung des Verfahrens durch Zuerkennung der oben angeführten beschränkten Parteistellung zu ersetzen.

 

Insgesamt war daher aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden und der bekämpfte Bescheid zu beheben.

 

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

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