Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240913/2/Gf/Rt

Linz, 20.08.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des A, vertreten durch RA Dr. P, gegen das aus Anlass von drei Übertretungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes ergangene Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 1. August 2012, Zl. SanRB96-97-2011, zu Recht:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. 

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch einen Kostenersatz zugunsten der AGES zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 1. August 2012, Zl. SanRB96-97-2011, wurden über den Beschwerdeführer vier Geldstrafen in einer Höhe von jeweils 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 5 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: insgesamt 14,40 Euro; Untersuchungskosten: insgesamt 78 Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: 236,40 Euro) verhängt, weil er es als Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, dass von dieser am 25. Februar 2011 etikettierte Backwaren mit fehlenden bzw. nicht mehr leicht verständlichen Kennzeichnungselementen in Verkehr gebracht worden seien. Dadurch habe er eine Übertretung des § 3 Abs. 1 lit. a bzw. des § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. a, c und e der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl.Nr. 72/1993, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 165/2008 (im Folgenden: LMKV), i.V.m. § 90 Abs. 3 Z. 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 95/2010 (im Folgenden: LMSVG), begangen, weshalb er nach § 90 Abs. 2 Z. 3 LMSVG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass diese dem Rechtsmittelwerber angelastete Übertretungen auf Grund eines Gutachtens der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien (richtig: der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH [AGES]) als erwiesen anzusehen seien.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 2.500 Euro; keine Sorgepflichten).

 

1.2. Gegen dieses ihm am 6. August 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 8. August 2012 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird vorgebracht, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern an dessen Stelle eine formal korrekt bestellte verantwortlich beauftragte Person für die angelasteten Übertretungen einzustehen habe.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. SanRB96-97-2011; da sich bereits aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 90 Abs. 2 Z. 3 LMSVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der den Bestimmungen der LMKV zuwiderhandelt.

 

Nach § 9 Abs. 2 Satz VStG sind die zur Vertretung einer juristischen Person berufenen Organe u.a. dazu berechtigt, auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragen für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens zu bestellen.

 

Gemäß § 9 Abs. 4 VStG muss ein verantwortlicher Beauftragter u.a. seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben und diesem für den seiner Verantwortung unterliegenden, klar abzugrenzenden Bereich auch eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen sein.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall ist allein strittig, ob zum Tatzeitpunkt eine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten i.S.d. § 9 Abs. 2 letzter Satz i.V.m. § 9 Abs. 4 VStG vorlag.

 

3.2.1. In diesem Zusammenhang hat der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits in seiner Stellungnahme vom 26. Jänner 2012 darauf hingewiesen, dass deshalb, weil die GmbH über mehr als tausend Mitarbeiter verfüge, bereits im Jahr 2009 u.a. auch eine Bedienstete für den konkreten Bereich des "Category Management" bestellt worden sei, wozu auch die korrekte Einspeisung der Lebensmitteldaten in das Waagesystem zähle; diese Bestellung ergebe sich aus dem entsprechenden Dienstvertrag und sei auch dem zuständigen Arbeitsinspektorat angezeigt worden, wodurch den Anforderungen des § 9 Abs. 2 und 4 VStG vollumfänglich entsprochen worden sei. 

 

3.2.2. Die belangte Behörde vertritt dem gegenüber im angefochtenen Straferkenntnis den Standpunkt, dass sich der Verantwortungsbereich der Beauftragten laut Dienstvertrag zwar ausdrücklich auf die ordnungsgemäße Überwachung und Überprüfung der Tätigkeitsbereiche der einzelnen ihr unterstellten Mitarbeiter beschränken solle, dabei jedoch nicht ausgeführt werde, um welche Mitarbeiter es sich dabei genau handeln solle, wenn in der Stellenbeschreibung dem gegenüber darauf hingewiesen werde, dass ihr überhaupt keine Mitarbeiter unterstellt seien.

 

3.2.3. Konkret heißt es unter der expliziten Überschrift "Gesetzliche Verantwortung" zunächst in Punkt 6 des in Rede stehenden Dienstvertrages vom 30. Juli 2009 hierzu u.a.:

 

"..... Sie tragen für ihren Bereich – auch soweit Ihnen dieser über den Rahmen Ihres Aufgabengebietes laut Punkt 3 (inkl. Unterpunkte) übertragen ist – die volle Verantwortung in gesetzmäßiger, organisatorischer und kaufmännischer Hinsicht nach innen und nach außen. Sie haben sich über alle gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen, die Ihren Tätigkeitsbereich berühren, selbst zu informieren und sie genauestens zu beachten. Sie sind gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum Verantwortlichen Beauftragten für den Bereich Profit Center Feinkost bestellt. Sie stimmen Ihrer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG ausdrücklich zu. Ihre Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs. 2 VStG ist jedoch auf die ordnungsgemäße Überwachung und Überprüfung der Tätigkeitsbereiche der einzelnen Ihnen unterstellten Mitarbeiter bzw. von Ihnen beauftragten Mitarbeiter anderer Abteilungen sowie auf deren rechtzeitige und nachweisliche Information betreffend der relevanten gesetzlichen, lebensmittelrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Bestimmungen sowie allfälliger Änderungen beschränkt. Kommen Sie Ihrer diesbezüglichen Sorgfaltspflicht nicht oder nur mangelhaft nach, so sind Sie selbst als gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter voll verantwortlich. ...."

 

Und Punkt 3 dieses Dienstvertrages legt unter dem Titel "Aufgabenbereich" fest:

 

"3.1. Stellenbeschreibung

Die mit Ihrer Position verbundenen Ziele, Aufgaben und Kompetenzen entnehmen Sie der als Anhang beiliegenden Stellenbeschreibung (Anhang I), die einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages darstellen.

 

3.2 Weisungsgebundenheit + Organisation

Sie beachten alle betrieblichen Organisationsvorschriften und kommen Ihren Dienstpflichten entsprechend den jeweiligen Richtlinien und Weisungen Ihrer Vorgesetzten nach."

 

Schließlich ordnet die bezogene Stellenbeschreibung (vom 30. Juli 2009) in ihren Punkten 2 und 4 u.a. an:

 

"2 Instanzen

 

2.1 Bezeichnung der Stelle

Category Manager Profit Center Feinkost Warenbereich 14 (Brot, Backwaren und Coffee & Snack)

 

2.2. Vorgesetzte

LeiterIn Profit Center Feinkost

.....

 

2.3. Unterstellte Mitarbeiter

Keine

 

2.4. Vertritt

Nach Anordnung LeiterIn Profit Center Feinkost, die Ihnen im Einzelfall zugeordneten Aufgaben

 

2.5. Wird vertreten durch

LeiterIn Profit Center Feinkost.

 

.....

 

4.2. Organisation, Durchführung und Kontrolle des Einkaufs in den Warenbereichen/Produktbereichen des Profitcenters Feinkost (Brot, Gebäck und Coffee & Snack)

 

.....

 

4.4. Einhaltung der für Ihren Verantwortungsbereich relevanten gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Bestimmungen sowie der innerbetrieblichen Organisationsrichtlinien"

 

3.2.4. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Behörden nicht verhalten sein sollen, in jedem konkreten Einzelfall umfangreiche Ermittlungen über den Umfang des Verantwortungsbereiches eines verantwortlichen Beauftragten anstellen zu müssen, ist andererseits in gleicher Weise zu beachten, dass dadurch der an einen in der Regel nicht juristisch gebildeten Unternehmer anzulegende Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt werden darf. Unter Abwägung dieser beiden konkurrierenden Gesichtspunkte vermag der Oö. Verwaltungssenat im vorliegenden Fall eine derartige Widersprüchlichkeit, dass daraus der abgegrenzte Tätigkeitsbereich i.S.d. § 9 Abs. 4 VStG nicht mehr eruiert werden könnte, im Ergebnis aus dieser (was zudem zu beachten ist: vorrangig zivilrechtlichen) Regelung bei verständiger Würdigung nicht zu konstatieren.

 

Denn zunächst geht aus der im gegebenen Zusammenhang primär maßgeblichen Anordnung des Punktes 6 des Dienstvertrages unzweideutig hervor, dass die verantwortliche Beauftragte in erster Linie selbst die für ihren Tätigkeitsbereich maßgeblichen Rechtsvorschriften zu ermitteln hat und für deren Einhaltung i.S.d. § 9 Abs. 2 VStG verantwortlich ist (arg. "Sie haben sich über alle gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen, die Ihren Tätigkeitsbereich berühren, selbst zu informieren und sie genauestens zu beachten.").

 

Erst einige Sätze später ist sodann der – gesamthaft betrachtet: bloße – Ausnahmefall, dass der Beauftragten auch andere Mitarbeiter unterstellt sind oder sie solchen gegenüber weisungsbefugt ist, (in objektiv besehen wohl auch durchaus verbesserungswürdiger Form) dergestalt geregelt, dass dann die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit auf eine bloße Informations- und Kontrollpflicht eingeschränkt sein soll (arg. "Ihre Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs. 2 VStG ist jedoch auf die ordnungsgemäße Überwachung und Überprüfung der Tätigkeitsbereiche der einzelnen Ihnen unterstellten Mitarbeiter bzw. von Ihnen beauftragten Mitarbeiter anderer Abteilungen sowie auf deren rechtzeitige und nachweisliche Information betreffend der relevanten gesetzlichen, lebensmittelrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Bestimmungen sowie allfälliger Änderungen beschränkt. Kommen Sie Ihrer diesbezüglichen Sorgfaltspflicht nicht oder nur mangelhaft nach, so sind Sie selbst als gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter voll verantwortlich."). Hierbei handelt es sich jedoch deshalb nur um eine gleichsam "theoretische" Klausel, weil sich aus Punkt 2.1 bis 2.3 der Stellenbeschreibung ergibt, dass der verantwortlichen Beauftragten (vorerst und grundsätzlich) "keine Mitarbeiter unterstellt" sind, sodass eben ihr selbst die vollumfängliche "Einhaltung der für Ihren Verantwortungsbereich relevanten gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Bestimmungen" (vgl. Punkt 4.4 der Stellenbeschreibung) zukommt.  

 

3.3. Da zum Tatzeitpunkt (was seitens der belangten Behörde unbestritten blieb) auch die übrigen Formalvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 VStG erfüllt waren, lag sohin im Ergebnis eine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor, was auf der anderen Seite eine eigenständige verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ausschließt.

 

3.4. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen. 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch i.S.d. § 71 Abs. 3 LMSVG ein Kostenersatz zugunsten der AGES vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 


 

Dr.  G r ó f

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

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