Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420749/12/Gf/Rt

Linz, 13.08.2012

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Beschwerde der L, vertreten durch RA Dr. M, gegen im Zuge einer Kontrolle in ihrem Lokal in der Straße, in der Nacht vom 15. zum 16. Juni 2012 ab 22.00 Uhr vorgenommene Akte von Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr zu Recht:

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als das Abdecken der Objektive der Videoüberwachungskameras als rechtswidrig festgestellt wird; im Übrigen, nämlich bezüglich der Vorwürfe, dass a) die Mitarbeiter der Rechtsmittelwerberin und die Lokalbesucher in rauem Ton dazu aufgefordert worden seien, den Poker- und Automatenbereich zu verlassen, b) diesen Personen untersagt worden sei, zu rauchen und zu telefonieren sowie c) die Pokertische in schikanöser Weise derart miteinander verbunden und versiegelt worden seien, dass dadurch ein großer Bereich des Lokales pro futuro nicht mehr benützbar ist, wird diese hingegen als unzulässig zurückgewiesen bzw. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Bund hat der Beschwerdeführerin Kosten in einer Höhe von 1.673,90 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

          III. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Kosten in einer Höhe von 1.624,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. In dem mit 21. Juni 2012 datierten, am 2. Juli 2012 (und damit rechtzeitig) unmittelbar beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachten Schriftsatz wird vorgebracht, dass am 16. Juni 2012 in dem in der Straße, situierten Lokal der Beschwerdeführerin von Beamten der Finanzpolizei eine Kontrolle durchgeführt worden sei. Dabei seien 10 Glücksspielgeräte und 7 Pokertische gesetzwidrig beschlagnahmt bzw. versiegelt worden. Außerdem seien die Mitarbeiter der Rechtsmittelwerberin und die Lokalbesucher in rauem Ton dazu aufgefordert worden, den Poker- und Automatenbereich zu verlassen; weiters sei ihnen verboten worden, zu rauchen und zu telefonieren. Zudem seien die Überwachungskameras von den einschreitenden Beamten mit Tüchern verhängt worden. Schließlich seien die Glücksspielautomaten und Pokertische so aneinandergestellt, miteinander verbunden und gemeinsam versiegelt worden, dass man in der Folge einen weiten Bereich des Lokales nicht mehr (habe) benutzen könne(n). Durch diese schikanöse Vorgangsweise sei nunmehr nicht nur die Benutzung der Automaten und der Pokertische, sondern auch der weitere Betrieb des Lokales nicht mehr möglich, wodurch der Beschwerdeführerin nicht nur bereits ein erheblicher finanzieller Schaden zugefügt worden sei, sondern ihr gesamtes Unternehmen in den Ruin geführt werde.

 

Durch diese gesetzlose bzw. gesetzwidrige Vorgangsweise sei sie in unverhältnismäßiger Weise in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden, weshalb die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen beantragt wird.

 

1.2. Der Vertreter des Polizeidirektors der Stadt Linz hat den Bezug habenden Akt zu Zl. S-27850/12 vorgelegt, im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat jedoch die Rechtsmeinung vertreten, dass die BPD Linz im gegenständlichen Verfahren weder als belangte Behörde noch als mitbeteiligte Partei anzusehen sei.

 

1.3. Das Finanzamt Freistadt-Rohrbach-Urfahr hat eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Zurückweisung bzw. Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

 

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass eine selbständige Bekämpfbarkeit der wegen eines hinreichend substantiierten Verdachtes eines Eingriffes in das Glücksspielmonopol erfolgten Beschlagnahme der konzessionslos betriebenen Pokerspieltische (und Glücksspielgeräte) vornehmlich schon deshalb ausscheide, weil insoweit im GSpG ohnehin eine Möglichkeit der Berufung vorgesehen sei und somit eine parallele Maßnahmenbeschwerde zu einer unzulässigen Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes führen würde. Außerdem gehe aus dem Beschwerdeschriftsatz nicht deutlich hervor, inwieweit im gegenständlichen Fall überhaupt konkrete Zwangsakte gesetzt worden sein sollen. Dazu komme, dass die Organe des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr aus eigenem Antrieb eingeschritten seien, sodass im gegenständlichen Maßnahmenbeschwerdeverfahren jedenfalls (auch) deren Dienstbehörde (neben bzw. anstelle des Polizeidirektors der Stadt Linz) Parteistellung erwachse. Schließlich seien die Anordnungen nicht in rauem, sondern vielmehr in einem normalen, amtlich-neutralen Ton ergangen und die zwecks Wahrung des Amtsgeheimnisses erforderliche Unterbindung der Aufzeichnungsmöglichkeit der Amtshandlung durch Überwachungskameras deshalb aus eigenem – durch Verdrehen bzw. Abdecken der Objektive – hergestellt worden, weil sich die Beschwerdeführerin, deren Rechtsmittellegitimation im Übrigen zweifelhaft erscheine, insoweit in keiner Weise kooperativ gezeigt habe.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. S-27850/12 und des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr zu Zl. 052/72700/2012 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 8. August 2012, zu der als Parteien der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, RA Dr. G und Mag. S als Vertreterin des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr, Mag. J als Vertreter des Polizeidirektors der Stadt Linz und die Zeugen Mag. S und Ch (beide Bedienstete des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr) erschienen sind.

 

2.1.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

In der Nacht vom 15. zum 16. Juni 2012 haben Beamte des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr in dem in der Straße, situierten Lokal der Beschwerdeführerin eine auf das Glücksspielgesetz gestützte Kontrolle durchgeführt und in deren Zuge mehrere Glücksspielgeräte und Pokertische in Beschlag genommen. Diese Beschlagnahme erfolgte derart, dass die Glücksspielautomaten und Pokertische zusammengeschoben, gemeinsam versiegelt und in der Folge in den Räumlichkeiten des Lokales belassen wurden. Weiters wurden die Objektive der vor Ort befindlichen Videoüberwachungskameras von den Beamten jeweils mit einem undurchsichtigen Zettel (einem sog. "post-it") abgedeckt, nachdem sich die Rechtsmittelwerberin bzw. deren Bediensteter – auf eine entsprechende Anordnung des Einsatzleiters hin – geweigert hat, diese selbst auszuschalten. 

 

Dem gegenüber haben sich einerseits keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin und die Lokalbesucher in einem rauen Ton dazu aufgefordert worden seien, den Poker- und Automatenbereich zu verlassen, dass diesen Personen untersagt worden sei, zu rauchen und zu telefonieren, sowie, dass die Pokertische in schikanöser Weise derart miteinander verbunden und versiegelt worden seien, dass dadurch nunmehr ein großer Bereich des Lokales nicht mehr benützbar ist.

 

Andererseits ergibt sich nicht nur aus dem Vorbringen der Rechtsmittelwerberin, sondern auch aus der Anzeige des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr vom 10. Juli 2012, Zl. 052/72704/36/2012 (vgl. S. 2, 4 und 6), aus dem Aktenvermerk des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr vom 19. Juni 2012 (vgl. S. 1 und 2)  und aus der Bescheinigung des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr über die vorläufige Beschlagnahme vom 16. Juni 2012, Zl. 52/72700/2012 (vgl. S. 1), dass die belangte Behörde während des gesamten Verfahrens selbst davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin "Betreiberin" des verfahrensgegenständlichen Lokales und damit auch über die in diesem befindlichen Gegenstände verfügungsberechtigt ist; Gegenteiliges ist auch im h. Verfahren nicht hervorgekommen.

 

2.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die jeweils in sich widerspruchsfreien, in jeder Weise glaubwürdigen und im Wesentlichen auch wechselseitig übereinstimmenden Aussagen der beiden in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen und wurden insbesondere auch vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nicht weiter in Zweifel gezogen.

 

2.1.3. Im Übrigen wird das h. Verhandlungsprotokoll zu einem integrierenden Bestandteil der Begründung dieser Entscheidung erklärt.

 

2.2. Gemäß § 67a AVG hatte der Oö. Verwaltungssenat über die vorliegende
Beschwerde durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG i.V.m. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

 

3.1.1. In diesem Zusammenhang ist zunächst vorweg klarzustellen, dass die Exekutivorgane im gegenständlichen Fall auf Grund des Glücksspielgesetzes eingeschritten sind und somit keine "Finanzstrafsache des Bundes" i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG vorlag. Andererseits schließt der Grundsatz der bloßen Subsidiarität der Maßnahmenbeschwerde (vgl. dazu die Judikaturnachweise bei J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. 3, Wien 2007, RN 56) nicht aus, dass sich ein Rechtsmittelwerber – insbesondere auch mit Blick auf den vorliegenden Fall – gegen jene von einer vorläufigen Beschlagnahme – die nach § 53 des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 50/2012 (im Folgenden: GSpG), mit Bescheid zu bestätigen ist, der wiederum im Wege einer Berufung bekämpft werden kann – verschiedenen Zwangsakte, die im Zuge einer finanzbehördlichen Kontrolle gesetzt wurden, mittels Maßnahmenbeschwerde zur Wehr setzen kann. 

 

3.1.2. Das durch ein Exekutivorgan gegen den Willen der Verfügungsberechtigten – dass auch die Beamten selbst davon ausgegangen sind, dass (u.a.) die Beschwerdeführerin hierzu befugt war, ergibt sich schon daraus, dass sie (auch) ihr den Auftrag erteilt haben, "die Überwachungskameras auszuschalten" (vgl. S. 4 des h. Verhandlungsprotokolles und S. 11 der Gegenschrift des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr) – erfolgte Abdecken des Objektives einer Videokamera mittels eines undurchsichtigen Blattes Papier bewirkte eine Beeinträchtigung jener Funktionstüchtigkeit, wie sie mit einem derartigen Gerät üblicherweise intendiert ist. Weil es offenkundig ist, dass die Beschwerdeführerin von den einschreitenden Beamten – letzten Endes auch physisch – daran gehindert worden wäre, die im Sinne des "gelindesten sitzungspolizeilichen Mittels" (vgl. S. 12 ff der Gegenschrift des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr) von ihnen angebrachte Abdeckung wieder zu entfernen, lag daher in dieser Vorgangsweise eine Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

 

3.1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG erfüllt sind, ist die gegenständliche Beschwerde sohin (nur) insoweit zulässig, als sie sich nicht gegen die Beschlagnahme selbst, sondern bloß gegen sonstige, im Zuge der Kontrolle gesetzte Zwangsakte – wie gegen das sachverhaltsbezogen allein verbleibende Abdecken der Videokameras (s.o., 2.1.1.) – richtet.

 

3.2. Gemäß § 53 Abs. 2 GSpG können Organe der öffentlichen Aufsicht u.a. jene Gegenstände, hinsichtlich der der Verdacht besteht, dass mit diesen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen.

 

Zu diesem Zweck ermächtigt § 12 Abs. 1 und 2 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2010 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 111/2010 (im Folgenden: AVOG), die Organe der Finanzbehörden – d.i. die sog. "Finanzpolizei" (vgl. die Überschrift vor § 12 AVOG) – (u.a.) dazu, Grundstücke, Baulichkeiten und Betriebsstätten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, sowie die Identität von Personen festzustellen und Auskünfte zu verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass dort Zuwiderhandlungen gegen die von den Abgabenbehörden zu vollziehenden Rechtsvorschriften begangen werden.

 

Weiters legt § 12 Abs. 4 letzter Satz AVOG zunächst generell fest, dass die Exekutivorgane bei der Durchführung solcher Amtshandlungen jeweils als Organe des zuständigen Finanzamtes anzusehen sind; darüber hinaus ordnet § 12 Abs. 5 AVOG explizit an, dass die zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG notwendigen Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen von allen Finanzämtern vorgenommen werden können.

 

Daraus ergibt sich insgesamt, dass diese (bloßen) Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen so lange, als noch keine bescheidmäßigen Erledigungen erfolgt sind (wie diese z.B. § 53 Abs. 1 GSpG vorsieht), rechtlich jenem Finanzamt, dessen Exekutivorgane faktisch eingeschritten sind, als Behörde zuzurechnen sind. Daraus folgt wiederum, dass im gegenständlichen Fall bis zum 3. August 2012, also bis zum Tag der Erlassung jener die vorläufige Beschlagnahme vom 16. Juni 2012 bestätigenden Bescheide zu Zln. S-27850/12-2 u. S-27851/12-2 – und somit auch zum Vorfallszeitpunkt – nicht der Polizeidirektor der Stadt Linz, sondern das Finanzamt Freistadt-Rohrbach-Urfahr als belangte Behörde dieses Maßnahmenbeschwerdeverfahrens anzusehen ist.

 

3.3. Wie bereits dargelegt (s.o., 3.2.), gewährt das AVOG i.V.m. dem GSpG den Organwaltern der Finanzpolizei weitgehende Eingriffsrechte zur Effektuierung der ihnen zukommenden Kontroll- und Beweissicherungsbefugnisse.

 

Hierzu gehört allerdings keine explizite Ermächtigung zu einer – wenngleich bloß interimistischen – "Unterbrechung der Videoaufnahmen", wie dies auch von der belangten Behörde selbst zugestanden wird (vgl. S. 12 der Gegenschrift des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr).

 

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr lässt sich eine solche Befugnis jedoch auch weder im Wege der Analogie aus entsprechenden  strafprozessualen Bestimmungen noch aus allgemeinen sitzungspolizeilichen Befugnissen einer Behörde ableiten.

 

Denn zum einen beziehen sich § 228 Abs. 4 StPO, § 127 Abs. 9 FinStrG und § 22 MedienG jeweils auf die Durchführung von sowohl öffentlichen als auch gerichtsförmigen Verhandlungen, und zwar mit dem Primärzweck, durch die (konkret darauf beschränkte) Untersagung von Filmaufnahmen die Beeinflussung von Zeugen hintanzuhalten.

 

Gleiches gilt insoweit zunächst auch für die sitzungspolizeilichen Befugnisse nach § 24 VStG i.V.m. § 34 AVG. Wenngleich es andererseits zwar zutrifft, dass die letztgenannte Bestimmung darüber hinaus auch für bloße Beweisaufnahmen einschlägig ist, regelt sie von ihrem inhaltlichen Anwendungsbereich her besehen doch bloß die in diesem Zusammenhang erforderliche Aufrechterhaltung der Ordnung und Wahrung des Anstandes. Selbst wenn man dabei der Behörde u.a. auch die Aufgabe zuerkennt, für die Einhaltung der Bestimmungen des Datenschutzes zu sorgen, so kann dies jedenfalls nicht so weit reichen, es auf diesem Weg einer von der Amtshandlung betroffenen Person zu verunmöglichen, ihrerseits Beweise für allfällige Rechtswidrigkeiten der Amtshandlung anzuferitgen. Unter Bedachtnahme darauf, dass nämlich a priori davon auszugehen ist, dass sich die an einer Amtshandlung kontradiktorisch Beteiligten – nämlich: die Behördenorgane einerseits und die Rechtsunterworfenen andererseits – jeweils in gleicher Weise prinzipiell rechtskonform verhalten, ist kein überwiegendes öffentliches Interesse i.S.d. Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 165/1999, in der gelten Fassung BGBl.Nr. I 51/2012, dafür erkennbar, dem von einer Eingriffshandlung Betroffenen die Herstellung von Film- und Tonaufnahmen der Amtshandlung zu verunmöglichen; denn dass jener hierbei und im Weiteren die datenschutzrechtlichen Vorschriften beachtet, ist einerseits ebenso vorauszusetzen und wäre andernfalls von diesem selbst zu vertreten, sodass deren Verletzung in gleicher Weise wie eine solche urheberrechtlicher Vorschriften objektiv besehen jedenfalls nicht in den Verantwortungsbereich der einschreitenden Behörde fällt.

 

Das Abdecken der Objektive der Videoüberwachungskameras mittels undurchsichtiger "post-it"-Zettel erweist sich sohin im Ergebnis als gesetzlich nicht gedeckt und damit als rechtswidrig.

 

3.4. Aus diesen Gründen war daher der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde gemäß § 67a Abs. 3 AVG insoweit stattzugeben, als das Abdecken der Objektive der Videokameras als rechtswidrig festzustellen war.

 

Im Übrigen, nämlich bezüglich der Beschwerdevorwürfe, dass a) die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin und die Lokalbesucher in rauem Ton dazu aufgefordert worden wären, den Poker- und Automatenbereich zu verlassen, b) diesen Personen untersagt worden sei, zu rauchen und zu telefonieren, sowie c) die Pokertische in schikanöser Weise derart miteinander verbunden und versiegelt worden seien, dass deshalb ein großer Bereich des Lokales pro futuro nicht mehr benützbar ist, war diese hingegen einerseits – nämlich soweit es sich, wie bezüglich des Vorwurfs, dass die Aufforderung in einem rauen Ton erfolgt sein soll, nicht um eine Ausübung von Befehls- oder Zwangsgewalt handelte – als unzulässig zurückzuweisen bzw. im Übrigen jeweils mangels entsprechend belegten Tatsachenvorbringens (s.o., 2.1.1.) als unbegründet abzuweisen. 

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch klarzustellen, dass die Bestimmungen der Richtlinienverordnung, BGBl.Nr. 266/1993 in der Fassung BGBl.Nr. II 155/2012, für das Einschreiten der Finanzpolizei nicht maßgeblich sind (vgl. § 31 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 in der Fassung BGBl.Nr. I 50/2012, wonach unter "Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes" nur die dort taxativ angeführten Organisationseinheiten zu verstehen sind).

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der Beschwerdeführerin gemäß § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 i.V.m. § 1 Z. 1 und 2 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008 (im Folgenden: UVS-AufwVO), Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.673,90 Euro (Barauslagen: 14,30 Euro; Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 922,00 Euro) zuzusprechen.

 

Hinsichtlich des abweisenden Teiles der Entscheidung war die Beschwerdeführerin hingegen dazu zu verpflichten, dem Bund nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 bis 5 der UVS-AufwVO Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.624,80 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand [dreifach: 1.106,40 Euro; Verhandlungsaufwand: 461,00 Euro) zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr.  G r ó f

 

 


 

VwSen-420749/12/Gf/Rt vom 13. August 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

B-VG Art129a Abs1 Z2;

DSG 2000 §1 Abs2;

GSpG §53;

AVOG 2010 §12;

StPO §228 Abs4;

FinStrG §127 Abs9;

MedienG §22;

SPG §5 Abs2;

SPG §31 Abs1;

AVG §34

 

Der Grundsatz der Subsidiarität der Maßnahmenbeschwerde schließt nicht aus, dass sich der von einer finanzpolizeilichen Beschlagnahme Betroffene auf diesem Weg gegen sonstige im Zuge der Kontrolle gesetzten Zwangsmaßnahmen rechtlich zur Wehr setzen kann.

 

Die von einem Exekutivorgan gegen den Willen des Verfügungsberechtigten vorgenommene Abdeckung der Videoüberwachungskameras stellt eine Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt dar.

 

In einem nicht gegen die Beschlagnahme von Eingriffsgegenständen, sondern gegen die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt im Zuge einer finanzpolizeilichen Kontrolle gerichteten Maßnahmenbeschwerdeverfahren ist die belangte Behörde nicht jene Behörde, die den Beschlagnahmebescheid gemäß § 53 Abs 1 GSpG zu erlassen hat, sondern jenes Finanzamt, dem die Kontrollhandlungen der Finanzpolizei zuzurechnen sind.

 

Die Abdeckung der Überwachungskameras ist mangels gesetzlicher Grundlage (keine (analoge) Anwendbarkeit bzw Maßgeblichkeit des § 228 Abs 4 StPO, des § 127 Abs 9 FinStrG, des § 22 MedienG und des § 34 AVG; kein überwiegendes öffentliches Interesse iSd § 1 Abs 2 DSG) rechtswidrig.

 

Die Richtlinienverordnung ist für Handlungen der Finanzpolizei nicht maßgeblich, weil diese Organisationseinheit nicht als ein "Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes" iSd § 5 Abs 2 SPG anzusehen ist.

Beachte:

VwGH vom 27.02.2013, Zln.: 2012/17/0430-5 und 2012/17/0435-6

Zl. 2012/17/0430: Der angefochtene Bescheid wurde insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als damit das Abdecken des Kameraobjektives als rechtswidrig festgestellt worden ist.

Zl. 2012/17/0435: Die Beschwerde wurde als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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