Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590298/9/Gf/Rt

Linz, 06.07.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des X, vertreten durch die X, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 28. September 2011, Zl. SH, wegen der Vorschreibung von Pflegegebühren für einen Krankenhausaufenthalt (Mitbeteiligte Partei: S) zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 AVG.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 28. September 2011, Zl. SH-240/2011, wurde dem auf § 55 Abs. 1 und 2 des Oö. Krankenanstaltengesetzes, LGBl.Nr. 132/1997, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl.Nr. 60/2010 (im Folgenden: OöKAG), gestützten Antrag des X (im Folgenden: LKH X) vom 20. September 2011, der Mitbeteiligten Partei für anlässlich des Aufenthaltes ihres Vaters im LKH X im Zeitraum zwischen dem 28. März und dem 27. April 2011 entstandenen Aufwändungen einen Ersatz von Pflege-(Sonder-)gebühren in einer Höhe von 272,75 Euro vorzuschreiben, keine Folge gegeben.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Vater der Mitbeteiligten Partei nicht selbsterhaltungsunfähig und Letztere daher ihm gegenüber auch nicht zur Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen sei. Weil die aushaftenden Gebühren bei ihrem Vater selbst hereingebracht hätten werden können, dürfe sie sohin auch nicht zu deren Ersatz herangezogen werden.

 

1.2. Gegen diesen dem LKH X am 27. September 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 10. Oktober 2011 – und damit rechtzeitig – per e‑mail eingebrachte Berufung.

 

Darin wird eingewendet, dass die belangte Behörde nicht berücksichtigt habe, dass der Nachlass des Vaters der Mitbeteiligten Partei überschuldet gewesen sei, sodass daraus offenkundig eine Unterhaltsverpflichtung der Mitbeteiligten Partei resultiere.

 

Daher wird begehrt, dem Antrag des LKH X vom 20. September 2011 Folge zu geben.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den vom Magistrat des Stadt Steyr zu Zl. SH vorgelegten Akt sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung, zu der als Parteien Mag. M als Vertreterin der Beschwerdeführerin und DI Mag. A als Vertreter der belangten Behörde erschienen sind.

 

2.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt, dass das die Rechnung legende LKH X keine weiteren Erhebungen darüber angestellt hat, ob die von ihr per Zahlungsvorschreibung in Anspruch genommene Angehörige des Patienten auch konkret zur Unterhaltsleistung verpflichtet war.

 

Allerdings vertritt der Rechtsträger des LKH X – d.i. die X – die Rechtsansicht, dass die Bestimmung des § 55 Abs. 2 OöKAG dahin auszulegen ist, dass ein Angehöriger dann, wenn der Versuch der Einbringung der Pflegegebühren beim Patienten selbst erfolglos war, jedenfalls in Anspruch genommen werden kann, und zwar unabhängig davon, ob den Angehörigen zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld auch eine konkrete Unterhaltspflicht traf oder nicht.

 

2.3. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die glaubwürdigen und in sich widerspruchsfreien Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Parteienvertreter.

 

2.4. Gemäß § 56 Abs. 8 OöKAG kann gegen Bescheide einer Bezirksverwaltungsbehörde, mit denen nach § 56 Abs. 7 OöKAG einem Verpflichteten Pflege-(Sonder‑)gebühren vorgeschrieben werden, eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden; dieser hat hierüber mangels anderslautender spezieller Anordnung im OöKAG gemäß § 67a Abs. 1 AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 45 Abs. 1 OöKAG kann in öffentlichen Krankenanstalten neben der allgemeinen Gebührenklasse auch eine Sonderklasse errichtet werden.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 OöKAG ist zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere Person z.B. auf Grund gesetzlicher Vorschriften hierzu verpflichtet war oder hierfür Ersatz zu leisten hatte.

 

Können die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst eingebracht werden, so sind nach § 55 Abs. 2 OöKAG zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen, wobei § 47 Abs. 3 Z. 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes, LGBl.Nr. 82/1998, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl.Nr. 41/2008 (im Folgenden: OöSHG) sinngemäß anzuwenden sind, d.h. dass die Großeltern und Enkelkinder des Patienten einerseits und dessen minderjährige Kinder andererseits keinesfalls zur Ersatzleistung verpflichtet werden können. Darüber hinaus sieht § 47 Abs. 1 erster Satz OöSHG allgemein vor, dass "gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Angehörige des Empfängers sozialer Hilfe" nur "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Ersatz zu leisten" haben, wobei eine Ersatzpflicht dann und insoweit nicht besteht, als "der Ersatz wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber der unterhaltspflichtigen Person sittlich nicht gerechtfertigt" oder "wenn durch den Ersatz der Erfolg der Hilfe, insbesondere im Hinblick auf die nach § 2 zu beachtenden Grundsätze, gefährdet" wäre.

 

Nach § 56 Abs. 1 OöKAG sind die Pflege-(Sonder‑)gebühren mit dem Entlassungstag abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall ist zwischen den Verfahrensparteien zunächst die Rechtsfrage strittig, ob die Heranziehung einer unterhaltspflichtigen Person i.S.d. § 55 Abs. 2 OöKAG – wie die belangte Behörde meint – lediglich dann in Betracht kommt, wenn diese Unterhaltspflicht zum Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld bzw. im Zeitraum der Erfüllung der Leistungsverpflichtung auch tatsächlich bestanden hat oder ob diese Möglichkeit – wovon die Beschwerdeführerin ausgeht – davon unabhängig und sohin abstrakt gegeben ist.

 

3.2.1. Die Regelung des § 55 Abs. 1 und 2 OöKAG deckt sich inhaltlich mit § 35 Abs. 1 und 2 OöKAG in der Stammfassung des § 35 Abs. 1 und 2 des Oö. Krankenanstaltengesetzes, LGBl.Nr. 19/1958. Schon von ihrer Textierung her besehen deuten beide Bestimmungen dahin, dass darunter jeweils eine konkrete Unterhaltspflicht zu verstehen ist, wenn explizit darauf abgestellt wird, dass "die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen" sind. Wäre hingegen dem Gesetzgeber daran gelegen gewesen, in diesem Zusammenhang eine bloß abstrakte Unterhaltspflicht ausreichen zu lassen, dann hätte er dies unschwer dadurch zum Ausdruck bringen können, dass er eine Formulierung wie etwa "die für ihn dem Grunde nach zum Unterhalt verpflichteten Personen heranzuziehen" o. Ä. gewählt hätte.

 

3.2.2. In dieselbe Richtung zielt auch der in § 55 Abs. 2 OöKAG enthaltene Verweis auf § 47 OöSHG (bzw. früher: § 51 des OöSHG, LGBl.Nr. 66/1973). Zwar bezieht sich dieser explizit nur auf "§ 47 Abs. 3 Z. 1 und 2" des OöSHG im Sinne eines kategorischen Ausschlusses der Heranziehung von Großeltern, Enkeln und minderjährigen Kindern des Hilfeempfängers; im Kontext besehen ordnet die Bestimmung des § 47 OöSHG jedoch schon in ihrem ersten Satz des Abs. 1 an, dass die gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten Angehörigen des Empfängers sozialer Hilfe nur "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Ersatz zu leisten" haben. Daraus geht jedoch zweifelsfrei hervor, dass im Anwendungsbereich des OöSHG und damit auch im Anwendungsbereich des OöKAG nicht bloß eine abstrakte, sondern – entgegen der Meinung der belangten Behörde und der Mitbeteiligten Partei – jeweils eine konkrete Unterhaltspflicht gemeint ist.

 

Unterhaltspflichtige können daher nur dann und insoweit zur ersatzweisen Leistung der entstandenen Pflege-(Sonder-)Gebühren herangezogen werden, als diese infolge mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit des Patienten im Zeitpunkt der Vorschreibung bzw. Fälligkeit der Gebühren nicht selbsterhaltungsfähig ist.

 

3.2.3. In diesem Zusammenhang trifft es zwar zu, dass der Nachlass des am 25. Mai 2011 verstorbenen Vaters der Mitbeteiligten Partei laut Beschluss des BG Wiener Neustadt vom 9. August 2011, Zl. 23 A 530/11 a, mit dem Betrag von 469,61 Euro überschuldet war. Allerdings hat die Mitbeteiligte Partei – wie ebenfalls aus diesem Beschluss hervorgeht – keine unbedingte Erbserklärung abgegeben; vielmehr wurden ihr die Aktiven dieses Nachlasses lediglich gegen Bezahlung der Passiva überlassen.

 

Allein daraus kann jedoch ohne weitere Belege nicht geschlossen werden, dass ihr Vater (bereits) zum Zeitpunkt der Entstehung bzw. Fälligkeit der Gebührenschuld, also – weil die Pflege‑(Sonder‑)Gebühren gemäß § 56 Abs. 1 OöKAG mit dem Entlassungstag abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben sowie mit dem Tag der Vorschreibung fällig sind – am 27. April 2011, nicht (mehr) selbsterhaltungsfähig und die Mitbeteiligte Partei damit zur Unterhaltsleistung verpflichtet war.

 

Dass die Vorschreibung der Pflege-(Sonder-)Gebühren hier entgegen der insoweit unmissverständlichen Anordnung des § 56 Abs. 1 OöKAG erst zu einem Zeitpunkt – nämlich am 18. August 2011 – erstellt wurde, als der Nachlass bereits abgehandelt war, sodass diese Forderung offensichtlich nicht mehr entsprechend geltend gemacht werden konnte, hat sohin die Antragstellerin, die zudem keine Belege für eine mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit des Vaters der Mitbeteiligten Partei und eine daraus konkret resultierende Unterhaltspflicht vorgelegt hat, im Ergebnis selbst zu vertreten.

 

3.3. Davon ganz abgesehen findet sich im erstbehördlichen Akt auch kein Hinweis darauf, dass hier zuvor eine Hereinbringung der Pflege-(Sonder‑)gebühren beim Patienten selbst – und zwar gegebenenfalls auch im Wege der Exekution – bereits versucht worden wäre.

 

3.4. Aus diesen Gründen war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 22,10 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

 


VwSen-590298/9/Gf/Rt vom 6. Juli 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

Oö. KAG 1997 §55 Abs1;

Oö. KAG 1997 §55 Abs2;

Oö. KAG 1997 §56 Abs1;

Oö. SHG 1998 §47

 

Sowohl aus dem Normtext des § 55 Abs 1 und 2 Oö. KAG als auch aus dem darin enthaltenen Verweis auf § 47 Oö. SHG ergibt sich, dass im Anwendungsbereich des Oö. SHG und damit auch im Anwendungsbereich des Oö. KAG nicht bloß eine abstrakte, sondern jeweils eine konkrete Unterhaltspflicht gemeint ist. Unterhaltspflichtige können daher nur dann und insoweit zur ersatzweisen Leistung der entstandenen Pflege-(Sonder-)Gebühren herangezogen werden, als der Patient infolge mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit im Zeitpunkt der Vorschreibung bzw. Fälligkeit der Gebührenvorschreibung nicht selbsterhaltungsfähig ist.

 

Allein aus der Überschuldung des Nachlasses kann ohne weitere Belege nicht geschlossen werden, dass der Verstorbene (bereits) zum Zeitpunkt der Entstehung bzw Fälligkeit der Gebührenschuld – wobei die Pflege‑(Sonder‑)Gebühren gemäß § 56 Abs 1 Oö. KAG mit dem Entlassungstag abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben sowie mit dem Tag der Vorschreibung fällig sind – nicht (mehr) selbsterhaltungsfähig und die mitbeteiligte Partei damit zur Unterhaltsleistung verpflichtet war. Vielmehr hat die Krankenanstalt den Umstand, dass die Vorschreibung der Pflege-(Sonder-)Gebühren im vorliegenden Fall entgegen der insoweit unmissverständlichen Anordnung des § 56 Abs 1 Oö. KAG erst zu einem Zeitpunkt erstellt wurde, als der Nachlass bereits abgehandelt war, sodass diese Forderung offensichtlich nicht mehr entsprechend geltend gemacht werden konnte, im Ergebnis selbst zu vertreten – ganz abgesehen davon, dass sich im erstbehördlichen Akt auch kein Hinweis darauf findet, dass hier zuvor eine Hereinbringung der Pflege-(Sonder‑)gebühren beim Patienten selbst – und zwar gegebenenfalls auch im Wege der Exekution – bereits versucht worden wäre.

 

 

 

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