Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730658/2/SR/WU

Linz, 21.08.2012

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, mazedonischer Staatsangehöriger, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 1. September 2009, GZ Sich40-395-2001-Sk, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 1. September 2009, GZ Sich40-395-2001-Sk, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 54 Abs. 5 Z. 1 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG iVm § 30 Abs. 1 NAG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie sind mazedonischer Staatsangehöriger und gehören der albanisch-moslemischen Volksgruppe an.

 

Sie sind erstmals am 27.9.2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist und haben am gleichen Tag beim Bundesasylamt Linz einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt. Dieser Antrag wurde im Berufungsverfahren 1. Instanz mit 3.1.2005 gem. § 7 und 8 AsylG rechtskräftig abgewiesen. Bereits am X, also nur zwei Wochen vor Erlassung des negativen Berufungsbescheides, haben Sie mit der österreichischen Staatsangehörigen X, geb. X vor dem Standesamt X (Nr. 28/2004) die Ehe geschlossen. In weiterer Folge wurde Ihnen aufgrund dieser Eheschließung und mangels anderweitiger Erkenntnisse mit 22.2.2005 erstmals ein Aufenthaltstitel als Familienangehöriger mit einer Gültigkeit bis 22.2.2006 erteilt, welcher sodann mit 8.2.2006 bis 8.2.2008 und dann nochmals mit 9.2.2008 bis 12.7.2009 verlängert wurde.

 

Ihr letzter Aufenthaltstitel Familienangehöriger (mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt) mit der Nr. A13670812 ist somit am 12.7.2009 abgelaufen. Sie haben rechtzeitig am 9.6.2009 einen Verlängerungsantrag auf eine weitere Erteilung eines Aufenthaltstitels Familienangehöriger gestellt und sich dabei wie auch bei den vorherigen Anträgen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK auf die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen X berufen. Da Ihre Gattin in X, X wohnhaft und gemeldet ist, Sie selbst jedoch seit dem 31.8.2009 in X und vorher vom 8.6.2009 bis 31.8.2009 in X und davor vom 31.3.2009 bis 8.6.2009 in X und weiter zurückliegend auch noch an anderen Orten wohnhaft und gemeldet waren lag der dringende Verdacht vor, dass eine eheliche Gemeinschaft (Familienleben) im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht mehr vorliegt. Der letzte gemeinsame Wohnsitz ist im Zentralen Melderegister vom 16.5.2006 bis 6.11.2008 mit der Anschrift X eingetragen.

Aufgrund dieses Sachverhaltes wurde Ihre Ehegattin am 14.7.2009 niederschriftlich befragt und hat diese angegeben, dass Sie beide bereits seit Juli 2007 getrennt leben würden und es seither auch keine Beziehung mehr gäbe. Sie gab an, dass sie nicht wisse, ob Sie die Ehe mir ihr nur wegen des Aufenthaltstitels eingegangen seien, aus jetziger Sicht müsse sie dies aber stark vermuten. Ihre Gattin gab auch an, dass Sie sie von Anfang an betrogen hätten und sie sich zumindest für einige Zeit den gemeinsamen Wohnsitz in X, erkämpfen musste. Sie wisse auch, dass Sie in X und in X eine Freundin hätten. Weiters gab sie an, dass Sie von Ihnen mit einem monatlichen Betrag von 200 € unterstützen würde. Dies sei auch der alleinige Grund, weshalb sie sich nicht scheiden lassen möchte. Sie gab an, dass sie vor der Hochzeit ein Schriftstück habe unterschreiben müssen, wonach sie im Falle einer Scheidung ausdrücklich auf Unterhalt verzichte. Sie würde das Geld aber dringend benötigen, da sie ihre kranke Mutter pflege und dadurch keiner Beschäftigung nachgehen könne und auch nicht mehr so belastbar sei. Sie gab in dieser Niederschrift explizit an, dass sie sich eine weitere Beziehung mit Ihnen nicht mehr vorstellen könne. Sie hätten während der gesamten bisherigen Dauer der Ehe noch nie einen Urlaub mit ihr verbracht und sich die meiste Zeit bei Ihrer Schwägerin bzw. dem Bruder in X aufgehalten. Sie gab auch noch an, dass sie noch während der aufrechten Beziehung mit Ihnen einmal in Geldnot gewesen sei und von Ihnen 300 € verlangt hätte. Dies hätten Sie jedoch verweigert, gleichzeitig aber Ihre Schwägerin mit diesem Betrag unterstützt.

Mit Niederschrift vom 21.7.2009 wurde Ihnen aufgrund dieses Sachverhaltes zur Kenntnis gebracht, dass gegen Sie ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung eingeleitet wird. Es wurde Ihnen dabei auch die Möglichkeit geboten, sich zu diesem Sachverhalt und den beabsichtigten behördlichen Maßnahmen innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu äußern. Sie haben vorweg angegeben, dass Sie die Ehe mit Frau X nicht wegen der Niederlassungsbewilligung eingegangen seien sondern sie vielmehr aus Liebe geheiratet hätten. Ihre Gattin sei jedoch aus Ihrer Sicht krankhaft eifersüchtig und sei daher ein Zusammenleben mit ihr nicht möglich. Die Beziehung sei gescheitert und bestünde seit Jänner 2008 auch kein gemeinsames Familienleben mehr. Bereits vor 2 1/2 Jahren sei eine Scheidung geplant gewesen, nach einen Gespräch mit Ihrem Rechtsvertreter hätten Sie sich jedoch wieder versöhnt und wie bereits gesagt erst im Jänner 2008 endgültig getrennt. Sie hätten auch bei der Übergabe des Hauses Ihrer Schwiegermutter an Ihre Gattin freiwillig auf Ihren Anteil verzichtet. In der Zeit, in welcher Sie bei Ihrer Gattin gelebt hätten, habe Ihre Schwiegermutter die Kosten für Kanal und Strom getragen, Sie seien für den Lebensunterhalt und Kleidung aufgekommen. Seit Ihrem Auszug würden Sie Ihrer Gattin per Dauerauftrag monatlich 200 € überweisen. Sie sage, dass Sie dazu verpflichtet seien. Sie führten nochmals an, dass ein Zusammenleben mit Ihrer Frau unmöglich sei weil diese glaube, dass Sie ein Verhältnis mit anderen Frauen hätten.

 

Sie führten weiters an, dass Sie seit dem 23.3.2009 bei der Bäckerei X in X arbeiten würden, vorher hätten Sie sechs Jahre bei der Bäckerei X in X und ein Jahr bei der Firma X in X gearbeitet. Auf die Frage, weshalb nach dieser Trennung keine Scheidung erfolgt ist gaben Sie an, dass Ihre Gattin kein Geld habe und Sie deshalb noch keine Scheidung wolle und Sie von ihnen ev. mehr Unterhalt verlangen möchte, als sie derzeit bekomme. Sie führten weiters noch aus, dass Ihre Gattin sogar auf ihre Zwillingsschwester eifersüchtig sei.

 

Mit Schreiben vom 23.7.2009 wurde durch Ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter die Vollmacht bekannt gegeben und die Übermittlung des Aktes in Kopie ersucht. Diesem Ersuchen wurde mit 27.7.2009 stattgegeben.

 

Mit Schreiben vom 27.7.2009 haben Sie über Ihren Rechtsvertreter eine schriftliche Stellungnahme übermittelt und darin mitgeteilt, dass Sie seit 2001 in Österreich leben und Ihre Gattin im Jahr 2002 kennen und lieben gelernt haben. Die Eheschließung sei dann am 18.12.2004 erfolgt und sei die Ehe anfangs auch harmonisch verlaufen. Ihre Frau sei jedoch psychisch krank und dadurch grundlos eifersüchtig und habe Ihnen vor 2008 auch deswegen verschiedene Körperverletzungen zugefügt. Aus diesem Grund sei es Ihnen psychisch aber absolut unzumutbar, im gemeinsamen Haushalt zu leben und seien Sie deshalb nach X gezogen. Aus diesem Grund sei von Ihnen auch im Jahr 2006 eine Scheidungsklage eingebracht worden, diese sei jedoch wegen Versöhnung wieder zurückgezogen worden. Inwieweit die Ehe künftig noch zu retten ist, sei nicht absehbar. Dies hänge im wesentlichen davon ab, ob Ihre Ehefrau in der Lage sei, ihre grundlose Eifersucht in den Griff zu bekommen. Aufgrund der angeführten Umstände sei Ihnen jedoch ein gemeinsames Wohnen mit der Ehegattin unzumutbar. Sie gaben an, dass Ihnen nicht bekannt gewesen sei, dass Sie diese geänderten Lebensumstände der Behörde hätten bekannt geben müssen, doch seien diese ausschließlich in der Sphäre Ihrer Gattin gelegen und von Ihnen nicht zu verantworten. Aus diesem Grund würden Sie den Antrag stellen, dass Ihnen auch weiterhin ein Aufenthaltstitel erteilt wird.

 

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus:

 

Wie bereits einleitend ausgeführt normiert § 54 Abs. 5 Zif. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, dass Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn Ihnen eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, um den Familiennachzug zu gewährleisten und die Voraussetzungen hiefür vor Ablauf von fünf Jahren weggefallen sind.

 

Ihr Aufenthalt im Zeitraum von Ihrer Ersteinreise am 27.9.2001 bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" mit 22.2.2005 gilt nicht als Niederlassung, da Sie sich während dieses Zeitraumes nur als Asylwerber im Bundesgebiet aufgehalten haben und Ihnen während der Dauer dieses Verfahrens auch klar sein musste, dass dieser vorläufige Aufenthaltsstatus aufgrund des Asylgesetzes unsicher ist. Letztlich wurde das Asylverfahren auch negativ beendet. Als maßgeblicher Stichtag für die Niederlassung im Bundesgebiet ist daher der 22.2.2005 anzusehen. Bereits seit Juli 2007 (Aussage Ihrer Gattin) bzw. Jänner 2008 (Ihre eigene Aussage) besteht kein gemeinsames Familienleben.

 

Im Verfahren ist eindeutig zutage getreten, das ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art.8 EMRK nicht mehr vorliegt und eine Wiederaufnahme sowohl aufgrund der Aussagen Ihrer Gattin wie letztlich auch Ihrer eigenen Angaben als aussichtslos erscheint.

Sie haben sich jedoch bei der Stellung Ihres Verlängerungsantrages weiterhin auf dieses gemeinsame Familienleben und die Ehe (siehe Antrag) berufen, obwohl ein solches gemeinsames Familienleben bereits seit mindestens eineinhalb Jahren nicht mehr existiert und gemäß § 30 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes die Berufung auf ein gemeinsames Familienleben bei Nichtvorliegen eines solchen unzulässig ist.

 

Ein wesentliches Merkmal und Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels Familiengemeinschaft mit dem freien Zugang zum Arbeitsmarkt ist, dass tatsächlich eine Familiengemeinschaft vorliegt. Besteht diese nicht mehr, so kann - auch bei formellem Fortbestand der Ehe - die Fremdenbehörde, wenn seit diesem Zeitpunkt noch keine fünf Jahre vergangen sind, eine Ausweisung verfügen.

Gemäß § 66 Abs. 1 des FPG ist ein Eingriff in das Privat- oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Ein Familienleben mit Ihrer österreichischen Ehegattin liegt de facto nicht mehr vor. Im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK bleibt somit nur noch zu berücksichtigen, dass - soweit amtsbekannt -Familienangehörige von Ihnen in Österreich wohnen. Sie selbst haben hiezu im Verfahren von sich aus keine Angaben gemacht. Fest steht jedenfalls, dass Sie den Umstand Ihrer derzeitigen Aufenthaltes im Bundesgebiet einer äußerst zeitnahen Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen im Zusammenhang mit der negativen Beendigung des Asylverfahrens zu verdanken haben. Sonstige Angehörige, die zur Kernfamilie zählen sind nicht bekannt und wurden von Ihnen auch nicht namhaft gemacht.

Das Nichtanführen von maßgeblichen Umständen im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Erteilung / Verlängerung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ist als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit anzusehen, da der Gesetzgeber die Erteilung von Aufenthaltstiteln vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, in Ihrem Fall dem Vorliegen eines gemeinsamen Familienlebens, abhängig gemacht hat. Der Umstand, dass bereits seit längerer Zeit kein gemeinsames Familienleben vorliegt wurde erst im amtlichen Ermittlungsverfahren bekannt.

Eine Aufenthaltsbeendigung ist in solchen Fällen unter Wahrung der gesetzlichen Fristen ausdrücklich vom Gesetzgeber vorgesehen und stellt in einer demokratischen Gesellschaft ein zulässiges Mittel dar, um einen Aufenthaltsmissbrauch, welcher als schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit anzusehen ist, zu verhindern.

 

2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 15. September 2009 rechtzeitig Berufung.

Unter Bezugnahme auf die Rechtslage führte der Bw aus:

 

Die Behörde gründet ihren Ausweisungsbescheid auf § 54 Abs. 5 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG). Nach dieser Bestimmung können Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid nur dann ausgewiesen werden, wenn ihnen eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, um den Familiennachzug zu gewährleisten und die Voraussetzungen hiefür vor Ablauf von fünf Jahren nach Niederlassung des Angehörigen weggefallen sind.

 

Nach § 30 Abs. 1 in AG sollten sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8 MRK nicht fuhren, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstitel nicht auf die Ehe berufen dürfen.

Diese Bestimmungen betreffen im Wesentlichen das vom Zusammenführenden abgeleitete Aufenthaltsrecht.

 

Endet das abgeleitete Aufenthaltsrecht vor Ablauf der fünf Jahre, ist nicht sofort auszuweisen, sondern sind jedenfalls die Voraussetzungen für das bestehen weiterer Aufenthaltstitel zu prüfen. Vor allem wird das Aufenthaltsrecht des Familienangehörigen auch vor Ablauf der fünf Jahre von einem abgeleiteten zu einem eigenständigen, wenn die Erteilungsvoraussetzungen Unterhalt, Unterkunft und Krankenversicherung aus eigenem, insbesondere durch Erwerbstätigkeit, erbracht werden können. In diesem Fall ist die Behörde verpflichtet, insbesondere auch im Verlängerungsverfahren, zumindest die gleiche Niederlassungsbewilligung auszustellen, die zuletzt innegehabt oder die ursprünglich vom Zusammenführenden abgeleitet wurde. Das heißt, es kann sich in diesem Fall der Aufenthaltstitel nicht verschlechtern, was auch die Unrechtmäßigkeit der Ausweisung zur Folge haben muss.

 

2. Die Voraussetzung eines Vorliegens eines eigenständigen Aufenthaltsrechts wurden von der Behörde überhaupt nicht geprüft, obwohl diese von der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft ausgeht. Sämtliche notwendigen sonstigen Erteilungsvoraussetzungen wie eben Unterhalt, Unterkunft und Krankenversicherung liegen beim Berufungswerber aus eigenem vor, insbesondere aus dessen amtsbekannter bislang ununterbrochener Erwerbstätigkeit. Zum Nachweis der Unterkunft wird auf beiliegenden aktuellen Mietvertrag hingewiesen.

 

Der Berufungswerber war schon während seines Asylstatus und in weiterer Folge während der Erteilung der Niederlassungsbewilligung praktisch ununterbrochen erwerbstätig und erzielt dieser ein für die Sicherung des Unterhaltes und der Unterkunft jedenfalls ausreichendes Einkommen. Dies wurde von der Behörde offenbar infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung nicht geprüft. Es wird auch darauf hingewiesen, dass mit Schriftsatz des Berufungswerbers vom 27.7.2009 ausdrücklich auch die Ausstellung eines eigenständigen Aufenthaltstitels beantragt wurde. Dieser Antrag wurde nicht behandelt und liegt darin jedenfalls ein schwerwiegender Verfahrensmangel begründet und wird an dieser Stelle für den Fall der Annahme einer endgültigen Trennung dieser Antrag ausdrücklich wiederholt. Im Falle der Genehmigung hätte keinesfalls eine Ausweisung des Berufungswerbers angeordnet werden dürfen. Es liegt hier sowohl eine unrichtige rechtliche Beurteilung als auch ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

 

3. Die Berufung auf eine bestehende Ehe ist jedenfalls bis zur endgültigen Trennung bzw. Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft statthaft und zulässig. Dies wird von der Erstbehörde nicht berücksichtigt und geht diese entgegen verschiedener Indizien aus den Beweisergebnissen und entgegen den Behauptungen des Berufungswerbers ohne genaue Prüfung davon aus, dass bereits eine endgültige Trennung vorliegt. Eine solche kann keinesfalls im Zweifel angenommen werden, sondern ist von einer aufrechten Ehe bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft so lange auszugehen, solange eine endgültige Beendigung nicht objektiviert werden kann.

 

So ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ehegattin vom Berufungswerber nach wie vor mit monatlichen Unterhaltszahlungen von € 200,00 unterstützt wird und ihrerseits auch keine Scheidung angestrebt wird. Ausdrücklich wird angegeben, dass sie ihn noch immer liebe. Es handelt sich auch tatsächlich um eine Liebesheirat und nicht um eine - wie von der Erstbehörde unsubstantiiert unterstellt - um eine Aufenthaltsehe, Der Berufungswerber ist seit 2001 in Österreich und hat er seine Ehegattin X bereits im Jahr 2002 kennen und lieben gelernt. Die Eheschließung war am 18.12.2004 und bestand bereits vorher eine Lebensgemeinschaft. Hiezu wurde die Ehegattin des Berufungswerbers überhaupt nicht befragt, weshalb schon allein aus diesem Grund entsprechende Feststellungen nicht getroffen werden konnten.

Die Ehegattin des Berufungswerbers ist jedoch psychisch krank und deswegen ständig grundlos eifersüchtig und ist der Berufungswerber von seiner Ehegattin wiederholt vorsätzlich am Körper verletzt worden. Allein aus diesem Grund war es dem Berufungswerber absolut nicht mehr zumutbar, im gemeinsamen Haushalt zu leben, weshalb diese schließlich vorübergehend nach X gezogen ist. Aus diesem Grund wurde vom Berufungswerber auch bereits zu 4 C 7/06b des BG Kirchdorf an der Krems im Jahr 2006 eine Scheidungsklage eingebracht, welche jedoch infolge Versöhnung mit der Ehegattin wieder zurückgezogen wurde.

 

Eine endgültige Trennung wurde jedenfalls bislang noch nicht vollzogen. Es ist insbesondere nicht richtig, dass keine Beziehung mehr bestehe und ein weiteres Zusammenleben nicht mehr möglich ist- Voraussetzung dafür ist im Wesentlichen, dass die Ehegattin grundlos Eifersucht aufgrund offensichtlicher psychischer Erkrankung in den Griff bekommt. Solange dies nicht der Fall ist, ist jedenfalls ein gemeinsames wohnen mit der Ehegattin nicht zumutbar und eine gesonderte Wohnungsnahme iSd eherechtlichen Bestimmungen zulässig. Zwischen den Ehegatten besteht nach wie vor Kontakt gelegentlich auch geschlechtlicher Verkehr, lediglich ein regelmäßiges gemeinsames Zusammenleben ist derzeit nicht möglich. Es liegt daher im Wesentlichen eine Ehekrise vor, während derer es durchaus üblich ist, dass derjenige Ehepartner, dem das Zusammenleben nicht mehr zumutbar ist, vorübergehend aus der gemeinsamen Ehewohnung auszieht. Die Option der Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht nach wie vor.

 

Bei richtiger Würdigung der aufgezeigten Umstände hätte daher die Erstbehörde nicht zur Annahme gelangen dürfen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig aufgelöst ist bzw. hätten jedenfalls aufgrund der Behauptungen des Berufungswerbers weitere Erhebungen durchgeführt werden müssen. Tatsächlich liegt lediglich eine vorläufige Trennung vor.

 

4. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe:

Auch besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne der Rechtssprechung wurden von der Erstbehörde nicht überprüft, obwohl hiefür ausreichendes Vorbringen erstattet wurde.

 

Im "Wesentlichen ist der Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung auf die erheblichen Gewalttätigkeiten und tätlichen Angriffe gegen den Berufungswerber sowie auf die krankhafte Eifersucht der Ehegattin zurückzuführen. Beide bekunden jedoch offen, dass sie sich noch lieben würden. Der Berufungswerber ist daher auch als Gewaltopfer zu betrachten und würde wohl im Falle einer streitigen Ehescheidung das überwiegende Verschulden der Ehegattin als Zusammenführende ausgesprochen werden.

 

Der Berufungswerber hat diese berücksichtigungswürdigen Gründe ausreichend dargelegt. Nichts desto Trotz wurden seitens der Erstbehörde keinerlei Erhebungen hiezu angestellt. Diese wäre verpflichtet gewesen, eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, deren Zweck zumindest dem aufenthaltsrechtlichen Status entspricht, der Berufungswerber entweder vom Zusammenführenden abgeleitet hat oder mittlerweile selbst inne gehabt hat. In solchen Situationen wird regelmäßig das Aufenthaltsrecht von ehemaligen Familienangehörigen sogar dann verlängert;, wenn diese die erforderlichen Erteilungsvoraussetzungen nicht aus eigenem erfüllen können.

 

Abschießend beantrage der Bw u.a. die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

 

2.2. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2010, Zl. E1/15952/2009, gab der Sicherheitsdirektor für Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

Nach Wiedergabe der für die Behörde einschlägigen Normen führte diese in rechtlicher Hinsicht aus:

Die Berufungsbehörde schließt sich den treffenden und umfangreichen Ausführungen der Erstinstanz vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

Aus dem vorliegenden Sachverhalt ergibt sich eindeutig, dass die Voraussetzungen gem. § 54 Abs. 5 Zi. 1 FPG vorliegen. Sie selbst haben in keinster Weise bestritten, dass die Familiengemeinschaft bereits nach ca. 3 Jahren gescheitert ist bzw. beendet wurde. Trotzdem haben Sie sich noch zweimal auf eine nicht mehr bestandene Familiengemeinschaft berufen.

Ihr Vorbringen dahingehend, dass ein Zusammenleben mit Ihrer Ehegattin absolut unmöglich gewesen wäre, da diese psychisch krank war, ist schon insofern zu relati­vieren, als Sie selbst ausgeführt haben, dass eine Scheidungsklage zurückgezogen wurde, zumal Sie sich versöhnt haben.

Zweifelsohne wird Ihnen eine der Dauer Ihres Aufenthaltes in Österreich entspre­chende Integration zuzubilligen sein. Dies auch in beruflicher Hinsicht.

Dem ist jedoch gegenüber zu stellen, dass Sie eine funktionierende Familiengemein­schaft vorgegeben haben, obgleich diese nicht bestand. Dies ist vor dem Hintergrund eines geordneten Fremdenwesens als sehr schwer zu gewichten.

Von der Aufnahme weiterer Beweise wurde insofern Abstand genommen, als der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt schien.

 

2.3. Mit Erkenntnis vom 5. Juli 2012, Zl. 2010/21/0450-6 hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

 

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass der von der erstinstanzlichen Behörde herangezogene Ausweisungstatbestand (§ 54 Abs. 5 Z. 1 FPG) seit dem 1. Jänner 2010 nicht mehr existierte. Dennoch habe die belangte Behörde in ihrem vom Oktober 2010 stammenden Bescheid diesen Ausweisungstatbestand – ungeachtet des Fehlens von Übergangsbestimmungen, die dies vorsehen würden – herangezogen. Im Spruch ihres Bescheides finde sich zwar nur eine Bezugnahme auf die §§ 54 Abs.1, 55 Abs. 1 und 66 FPG sowie – vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles nicht nachvollziehbar – auf § 11 Abs. 1 Z. 2 NAG. Aus der Bescheidbegründung gehe unzweifelhaft hervor, dass sich die belangte Behörde auf die nicht mehr in Kraft stehende Bestimmung des § 54 Abs. 5 Z. 1 FPG gestützt habe, weil sie im Wesentlichen auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt habe, dass sich aus dem vorliegenden Sachverhalt eindeutig die Erfüllung der Voraussetzungen des § 54 Abs. 5 Z. 1 FPG ergäbe. Aus diesem Grund habe sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

 

3. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich am 13. August 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt wurde.

 

3.1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

3.1.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2.1 bis 2.3. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unstrittigen Sachverhalt aus.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Gemäß § 125 Abs. 15 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 50/2012, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 54 als Ausweisungen gemäß § 62 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

Die bekämpfte Ausweisung wurde auf Basis des § 54 Abs. 5 Z. 1 FPG in der bis zum 31. Dezember 2009 gültigen Fassung erlassen. Diese ist grundsätzlich als Ausweisung im Sinne des § 62 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 anzusehen und zu beurteilen.

 

4.2. Der von der belangten Behörde herangezogene Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 5 Z. 1 FPG stand im normativen Zusammenhang mit § 27 NAG. Mit dem 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen FRÄG 2009 wurde § 27 NAG neu gefasst. Es wurde nunmehr normiert, dass Familienangehörige mit einer Niederlassungsbewilligung über ein eigenständiges Niederlassungsrecht verfügen und ihnen auch nach Wegfall der Voraussetzungen für den Familiennachzug eine entsprechende Niederlassungsbewilligung auszustellen ist, wenn sie die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 NAG erfüllen. Im Hinblick auf die Neufassung des § 27 NAG wurde mit dem FRÄG 2009 auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 5 Z. 1 FPG beseitigt. Ein inhaltlich vergleichbarer Ausweisungsgrund existiert seit dem 1. Jänner 2010 nicht mehr.

 

4.3. Da die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung nicht (mehr) vorliegen, war der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

5. Im Hinblick darauf, dass der Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 65,- Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

Mag. Stierschneider

 

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