Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730218/6/Sr/ER/WU VwSen-730310/14/Sr/ER/WU

Linz, 23.08.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufungen des X, geboren am X, StA des Kosovo, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen die Bescheide des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 22. September 2010, AZ: 1060250/FRB und vom 1. Februar 2011, AZ: 1060250/FRB, mit denen gegen den Berufungswerber eine Ausweisung sowie ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 23. August 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I:       Den Berufungen wird stattgegeben und die angefochtenen   Bescheide werden ersatzlos behoben.

 

II:     Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 22. September 2010, AZ: 1060250/FRB, wurde der Berufungswerber (im Folgenden Bw) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich auf Basis der §§ 53 Abs. 1 und 66 iVm. § 31 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG idF. BGBl. I Nr. 122/2009 erlassen.

 

Nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde zum Sachverhalt im Wesentlichen begründend aus, dass der Bw am 23. September 2002 illegal über unbekannt nach Österreich eingereist sei und am  24. September 2002 einen ersten Asylantrag gestellt habe, der am 25. September 2002 gem. §§11 AslyG in erster Instanz zurückgewiesen worden sei. Am 7. Juli 2003 habe der Bw einen weiteren Aslyantrag gestellt, der am 16. August 2010 gem. § 11 AsylG rechtskräftig negativ entschieden worden sei.

Mit Schreiben vom 24. August 2010 sei dem Bw mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, ihn auszuweisen. Gleichzeitig sei ihm Gelegenheit gegeben worden, dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

In der Stellungnahme vom 8. September 2010 habe der Bw durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen angegeben, dass er die 1. und 2. Klasse Volksschule in Deutschland und die 3. und 4. Klasse Volksschule im Kosovo besucht habe. Die vier Klassen Hauptschule habe er bereits in X besucht. Nach dem Polytechnischen Lehrgang am X habe er ein Jahr die HAK X besucht. Weiters habe er beim Roten Kreuz 40 Stunden als Praktikant absolviert. Seit einem Jahr absolviere er eine Ausbildung zum Diplomierten Sozialbetreuer - Behindertenbetreuung im X. Der Stellungnahme seien ein Praktikumsbericht sowie Unterstützungserklärungen beigelegt. Auch werde angeführt, dass sich der Bw mit Begeisterung bei der Gewerkschaftsjugend OÖ. engagiere, welche ebenfalls eine Unterstützungserklärung für ihn verfasst habe. Weiters werde angeführt, dass der Bw seit Dezember 2008 in der Wärmestube der X als ehrenamtlicher Mitarbeiter mehrmals in der Woche mitarbeite.

Seit drei Jahren habe der Bw eine Freundin – Frau X, die er zu heiraten beabsichtige. Der Vater halte sich in Österreich auf und sei im Besitz eines beschränken Aufenthaltstitels.

Vor der Einreise nach Österreich habe der Bw mit seinen Eltern und seinem Bruder in X, Kosovo gewohnt. Zurzeit wohne er mit Mutter und Bruder in einer 68 m2 Mietwohnung. Durch die Mutter sei der Bw kranken- und unfallversichert. Für den Unterhalt komme die Mutter auf, zusätzlich zahle der Vater Alimente. Auch sonst sei die Beziehung zum Vater sehr eng. In der Stellungnahme werde hervorgehoben, dass der Bw durch seine langjährige Aufenthaltsdauer bestens integriert sei und zahlreiche Freundschaften zu österreichischen Staatsbürgern aufgebaut habe. Auch spiele er seit Jahren beim Fußballclub X. Auf die Unterstützungserklärung des Fußballclubs für das Bleiberecht werde hingewiesen.

Der Rechtanwalt weise des Weiteren darauf hin, dass der Bw strafrechtlich unbescholten sei und die österreichische Rechtsordnung respektiere. Im Falle einer Rückkehr in den Kosovo würde der Bw in eine Notlage geraten, da er keinerlei Anknüpfungspunkte mehr in seiner Heimat habe. Eine Existenzgrundlage wäre in keiner Hinsicht gegeben.

 

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde an, dass die Ausweisung für den Bw einen nicht unerheblichen Eingriff in sein Privatleben bedeute, nachdem er sich nun seit acht Jahren in Österreich aufhalte und sich hier sozial integriert habe. Dies sei aber dadurch zu relativieren, dass dieser Aufenthalt auf Rechtsgrundlage eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages beruhte.

Am 7. Juli 2003 habe der Bw einen zweiten Asylantrag gestellt, der bereits am 23. September 2004 in 1. Instanz negativ entschieden worden sei. Gegen diese Entscheidung habe der Bw am 11. Oktober 2004 Berufung eingebracht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe dem Bw bewusst sein müssen, dass es sich bei der Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handle.

Zum tatsächlichen Bestehen eines Familienlebens führt die belangte Behörde aus, dass der Bw mit seinem Vater, der in Österreich über einen Aufenthaltstitel verfüge, bereits seit Anfang 2004 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebe. Die finanzielle Unterstützung (Alimente und sonstige freiwillige Zahlungen), die vom Vater für ihn geleistet werde, könne auch von Österreich aus weiterhin erfolgen.

Die Mutter und der Bruder würden ebenfalls aus Österreich ausgewiesen, es könne daher nicht von einem Eingriff in das Familienleben gesprochen werden.

Der Bw sei bereits im Kosovo zur Schule gegangen. Nachdem er nun über eine  abgeschlossene  Grundschulausbildung  verfüge  und  im  Kosovo einer Beschäftigung nachgehen könne um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren,

scheine eine Reintegration in die Heimat als möglich.

Zur behaupteten strafrechtlichen Unbescholtenheit führt die belangte Behörde aus, dass sich der Bw wegen des Verdachts des schweren Raubes in der Justizanstalt X in Untersuchungshaft befinde. Ein Termin für die Hauptverhandlung sei zum Bescheiderlassungszeitpunkt noch nicht festgestanden.

Eine bestehende Integration in Österreich, welche vom Bw behauptet und durch zahlreiche Unterstützungserklärungen untermauert werde, könne hieraus nicht erkannt werden. Dies lasse hingegen eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den österreichischen Gesetzen erkennen.

Der Bw halte sich seit 17. August 2010 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, als ihm seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Auch komme ihm nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht aufgrund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu bzw. sei kein derartiges behauptet worden.

Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Wenn Fremde nach Abschluss des Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen, werde dadurch die öffentliche Ordnung (die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) schwerwiegend beeinträchtigt. Es könne daher nicht hingenommen werden, dass Fremde ihren nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beharrlich fortsetzen und die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen versuchen.

Zusammenfassend könne daher nur festgestellt werden, dass die Ausweisung nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 66 Abs. 1 FPG 2005 zulässig scheine, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 66 Abs. 2 und 3 FPG 2005 zulässig sei.

 

1.2. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 1. Februar 2011, AZ: 1060250/FRB, wurde über den Bw ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf Basis des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG idF. BGBl. I Nr. 122/2009 erlassen.

 

Nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde zum Sachverhalt im Wesentlichen begründend aus, dass der Bw mit Bescheid der BPD Linz vom 22. September 2010 aus Österreich ausgewiesen worden sei. Gegen diese Entscheidung habe er Berufung bei der Sicherheitsdirektion eingebracht - das Beru­fungsverfahren sei nach wie vor dort anhängig.

Am 11. November 2010 sei der Bw vom Landesgericht Linz unter der Zahl 25 Hv 107/10p wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 143 2. Fall StGB, des Vergehens des Diebstahles nach § 127 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zah­lungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, davon 16 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt worden.

 

Dieser Verurteilung liege zugrunde, dass er:

In bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit X am 18.09.2010 in X

1.) X und X durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89) und unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich die Geldbörse des X im Wert von ca. € 15,- samt ca. € 3,- Bargeld sowie ein I-Phone im Wert von ca. € 350,- und die Geldbörse der X im Wert von ca. € 20,- samt ca. € 13,- Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Sie X und X aufforderten ihre Wertsachen heraus­zugeben, wobei X ihnen eine Stahlrute vorgehalten habe und der Bw sinngemäß geäußert habe, X sol­le ihrer Aufforderung nachkommen, da ansonsten „das Blut spritze";

2.) nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegge­nommen habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

a.) X ein Handy der Marke Nokia im Wert von ca. € 600,-;

b.) X eine Geldbörse im Wert von ca. € 30,- samt Bargeld in Höhe von ca. € 25,-

 

3.) unbare Zahlungsmittel über die der Bw nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, dadurch unterdrückt habe, dass er diese im Zuge der unter I.) 1. und 2.) b.) geschilderten Tathandlungen an sich nahm, und zwar:

a.) die Bankomatkarte des X

b.) die Bankomatkarte der X

c.) die Bankomatkarte des X

 

4.) Urkunden über die der Bw nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, dadurch unterdrückt habe, dass er diese im Zuge der zu I.) 1.) und 2.) b.) geschilderten Tathandlungen an sich nahmen und zwar:

a.) die E-Card des X

b.) den Lehrlingsfreifahrtsschein des X

 

Im Einzelnen wurde auf die Ausführungen der schriftlichen Urteilsausfertigung verwiesen, die, um Wiederholungen zu vermeiden, zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben wurde.

 

Mit Schreiben der BPD Linz vom 13. Dezember 2010 sei dem Bw mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, gegen ihn aufgrund der genannten Verurteilung ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gleichzeitig sei ihm Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen und seine Privat- und Familienverhältnisse darzulegen.

In seiner dazu eingebrachten Stellungnahme vom 28. Dezember 2010 habe der Bw im Wesentlichen angegeben, dass er am 28. Februar 2011 bedingt aus der Strafhaft entlassen würde. Über seinen Antrag auf Entlassung unter Anwendung der Fußfessel - zur Absolvierung eines Praktikums - sei noch nicht entschieden worden. Jedenfalls gehe das Strafgericht jedoch von einer positiven Zukunftsprognose aus, da andernfalls eine bedingte Entlassung nicht möglich sei. Aus diesem Grund ersuche der Bw um Abstandnahme von der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes.

Weiters habe er angegeben, dass er sich seit September 2002 in Österreich aufhalte. Er sei illegal nach Österreich gekommen und habe auf Grund einer Blutrachenproblematik in seiner Heimat hier einen Asylantrag gestellt. Seither halte er sich durchgehend in Österreich auf.

Neben den – bereits unter 1.1. dargestellten – Angaben zum Familienleben habe der Bw weiters angegeben, dass er derzeit keiner Beschäftigung nachgehe, sondern die Schule für X absolviere. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch den Unterhalt seiner Mutter sowie durch das während der Praktikumszeit erhaltene Entgelt. Der Bw sei sozial bestens integriert und habe auch eine Freundin. Er verfüge über ausgezeichnete Deutschkenntnisse und strebe einen weiteren Aufenthalt in Österreich an, um seine Ausbildung abzuschließen und in Österreich im Bereich seiner Ausbildung tätig zu werden. Ferner beabsichtige er, ein  Familienleben in Österreich zu führen. Abgehen vom Vorfall der zur Verurteilung geführt habe, sei der Bw in Österreich bestens integriert. Dazu habe er auf beiliegende Empfehlungsschreiben verwiesen.

 

2.1. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2010 erhob der Bw – rechtsfreundlich vertreten – rechtzeitig Berufung gegen den Ausweisungsbescheid. In der Berufung stellte er die Anträge,  die Berufungsbehörde möge eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durchführen, sowie den angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. September 2010, GZ 1060250/FRB, dahingehend abändern, dass festgestellt wird, dass eine Ausweisung auf Dauer unzulässig ist. In eventu die angefochtenen Bescheide der Erstbehörde aufheben und ihnen die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.

Begründend verweist der Bw zunächst auf sämtliche bisherige Vorbringen, insbesondere auf die Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters vom 8. September 2010. Gemäß § 66 FPG dürfe eine Ausweisung, durch die in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur dann erlassen werden, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Abs. 2 des genannten Paragrafen seien bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 MRK, die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts, die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben der Fremden zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen.

Art. 8 Abs. 2 MRK fordere sohin eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und damit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgütern und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn dürfe eine Ausweisung nicht erlassen werden, wenn ihre Auswirkung auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung.

 

Der Bw ersucht zu berücksichtigen, dass er sich bereits seit September 2002 in Österreich aufhalte und hier entsprechend integriert sei. Er spreche ausgezeichnet Deutsch und habe die Schule in Österreich absolviert. Er sei auch im Sozialleben in Österreich bestens integriert, so spiele er Fußball bei der X. Der Bw engagiere sich weiters beim Roten Kreuz und auch bei der Gewerkschaftsjugend, sowie in der Wärmestube der X, sodass von einer gelungenen sozialen Integration gesprochen werden könne. Hinsichtlich des bestehenden Verdachts des Raubes wird ersucht zu berücksichtigen, dass nicht der Bw den Raubüberfall begangen, sondern dabei einen Freund begleitet habe. Dieses Verhalten steht auch im vollkommenen Widerspruch zu seinem bisherigen sozialen Engagement, sodass man im Rahmen einer Gesamtabwägung der Integration trotz dieses Vorfalls von einem überwiegenden Interesse an einem Verbleib in Österreich sprechen könne.

Im Gegensatz zur, trotz dieses Vorfalls, gelungenen Integration in Österreich, verfüge der Bw im Falle einer Rückkehr in den Kosovo über keinerlei Existenzmöglichkeit, keine Arbeitsmöglichkeit, keinen finanziellen Rückhalt und keine Wohnmöglichkeit und auch kein soziales Netzwerk, auf das er zurückgreifen könnte. Die gesamte übrige Familie lebe im Ausland, sodass ihn eine Rückkehr in eine existenzielle Notlage drängen würde. Vor dem Hintergrund der gelungenen beruflichen und auch sozialen Integration überwögen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sämtlicher im § 66 Abs. 2 FPG angeführter Kriterien die Interessen an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Ausweisung. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Integration während eines Asylverfahrens erworben wurde, zumal auf die Dauer des Asylverfahrens keinerlei Einfluss bestanden und sich während der Dauer die Integration entwickelt habe. Auch sei der Bw auf Grund der eingebrachten Berufung bzw. Beschwerde durchaus davon ausgegangen, dass diese zu einem für ihn positiven Abschluss gebracht werden könne, sodass er sich eines unsicheren Aufenthalts nicht bewusst gewesen sei.

Der Gesetzgeber sehe in den §§ 43ff NAG auch die Möglichkeit vor, dass Langzeitasylwerber eine Niederlassungsbewilligung erlangen könnten. Wenn nun aber jede gelungene Integration, die auf ein Asylverfahren zurückzuführen sei, insoweit zu relativieren sei, als im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung mit einer Ausweisung vorgehen sei, würde den Bestimmungen des NAG jeglicher Anwendungsbereich entzogen werden. Insofern zeige sich, dass eine Ausweisung nicht erlassen werden hätte dürfen.

 

2.2. Mit Schreiben vom 11. Februar 2011 erhob der Bw rechtzeitig Berufung gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 1. Februar 2011, AZ: 1060250/FRB, mit dem gegen ihn ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Der Bw ergänzte seine Berufung durch ein weiteres Schreiben vom 17. Februar 2011 und ein mit "Berufung" tituliertes Schreiben seines Rechtsanwalts vom 15. Februar 2011 (Poststempel). Da der Bw innerhalb offener Frist Berufung gegen den Bescheid erhoben hat, sind sämtliche weitere "Berufungen" gegen den selben Bescheid als eine Berufung anzusehen, was auch für spätere, aber noch vor der Entscheidung der Berufungsbehörde eingebrachte Ergänzungen gilt (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Kommentar, S. 813).

In der Berufung stellt der Bw im Wesentlichen die Anträge, den Bescheid, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, ersatzlos zu beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der Erstbehörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Begründend führt der Bw im Wesentlichen aus, dass er sein Fehlverhalten bedaure. Gleichzeitig ersucht der Bw zu berücksichtigen, dass zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden seien und er am 28. Februar 2011 bedingt aus der Haft wegen guter Führung entlassen werde. Ferner sei ihm Ausgang zur Absolvierung eines Praktikums im Rahmen seiner Ausbildung bewilligt worden. Sowohl die bedingte Verurteilung als auch die bedingte Entlassung sowie der gewährte Ausgang wären im Fall einer negativen Zukunftsprognose nicht möglich, sodass trotz der begangenen Straftat von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden könne. Aufgrund der verhängten unbedingten Haftstrafe sei Gewähr dafür geleistet, dass der Bw keinerlei weitere strafbare Handlungen mehr begehen werde, zumal er damit zu rechnen habe, im Fall einer weiteren strafbaren Handlung, den bedingten Teil der ausgesprochenen Strafe verbüßen zu müssen. Auch insofern sei sichergestellt, dass er sich in Hinkunft keinerlei strafbarer Handlungen mehr schuldig machen werde.

Aber auch die gem. § 66 FPG vorzunehmende Interessenabwägung hätte zu seinen Gunsten vorgenommen werden müssen. Der Bw befinde sich bereits seit September 2002 in Österreich und sei hier entsprechend der langen Aufenthaltsdauer integriert. Er habe in Österreich die Schule besucht, spreche ausgezeichnet deutsch und absolviere gerade ein Pflichtpraktikum im Rahmen seiner Ausbildung zum Diplombehindertenpädagogen. Er lebe in Österreich gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder. Durch das gegenständliche Aufenthaltsverbot werde zweifelsfrei in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. In seinem Hei­matland verfüge der Bw über keinerlei soziales Netzwerk. In Österreich habe er eine Lebensgefährtin und sei sozial bestens integriert, was er mit den in der Stellungnahme bereits vorgelegten Unterstützungsschreiben belege. Aufgrund der langen Dauer des Asylverfahrens habe sich der Bw keineswegs eines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. In diesem Zusammenhang verweist der Bw auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, B950-954, in dem dieser wie folgt festhalte: „Wenn nun die belangte Behörde das Gewicht der Integration auf Grund des festgestellten stetigen unsicheren Aufenthaltes der Beschwerdeführer während der Dauer ihres Asylverfahren derart gemindert erachtet, dass sie eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisungen ausschließt, übersieht sie, dass es die Verantwortung des Staates ist, die Voraussetzung zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass den nunmehrigen Beschwerdeführern die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre - sieben Jahre verstreichen." In demselben Erkenntnis führe der Verfassungsgerichtshof auch an, dass die belangte Behörde bei der Interessenabwägung zusätzlich stärker gewichten müsse, dass ein minderjähriger Beschwerdeführer den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht habe, sich mitten in seiner Schulausbildung befinde und sich hier sowohl schulisch als auch gesellschaftlich sehr gut integriert habe. Die Erwägungen dieses Erkenntnis seien auch auf den Fall des Bw anzuwenden. Sein Asylverfahren habe acht Jahre gedauert, er habe den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht und hier die Schule besucht und befinde sich nach wie vor in Ausbildung. Zur beruflichen und sozialen Integration verweist der Bw erneut auf die bereits vorgelegten Unterstützungsschreiben.

 

3. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 4. Juli 2011 übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, ergänzender Schreiben und Unterlagen des rechtsfreundlichen Vertreters, sowie durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und in einen aktuellen Versicherungsdatenauszug.

 

3.2. Am 23. August 2012 wurde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, und auch durch die öffentliche mündliche Verhandlung unbestritten gebliebenen, Sachverhalt aus und stellt fest, dass der Bw an der selben Adresse wie seine Eltern und sein Bruder wohnt. Der Bw hat seine Ausbildung zum Behindertenfachbetreuuer bereits abgeschlossen, zusätzlich beabsichtigt er, im Herbst 2012 die Diplomprüfung für Sozialbetreuungsberufe/Behindertenbegleitung des X abzulegen. Der Bw verfügt über eine Einstellungszusage des X und engagiert sich weiterhin ehrenamtlich in mehreren sozialen Einrichtungen und Vereinen.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

4.1.1.2. Im vorliegenden Fall wurde die Ausweisung auf Basis des § 53 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011) erlassen, weshalb diese Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen im Sinne des § 52 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen sind.

 

4.1.2.1. Gemäß § 60 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011, konnte gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde für die Verhängung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes daher grundsätzlich zu Recht die zitierte Bestimmung herangezogen.

 

Da – sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist – im Berufungsverfahren von der angerufenen Behörde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt deren Entscheidung heranzuziehen ist, sind die durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, vorgenommenen Änderungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in diesem Verfahren zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Aufgrund der klaren gesetzlichen Anordnung darf nunmehr ein Aufenthaltsverbot nur mehr dann erlassen werden, wenn sich der Drittstaatsangehörige auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im gegenständlichen Fall – der Bw war weder im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch ist er derzeit rechtmäßig in Österreich aufhältig – kann daher § 63 FPG nicht angewendet und ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden.

 

4.1.2.2. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige werden nunmehr durch § 52 f FPG geregelt. Die Bestimmungen lauten auszugsweise:

 

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(2) […]

 

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. […]"

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

4.1.2.3. Dass der Bw Drittstaatsangehöriger und im Sinne des § 52 FPG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist (bzw. war), bedarf aufgrund der vom Bw unwidersprochenen Feststellungen der belangten Behörde keiner weiteren Begründung. Es ist daher grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung gegen ihn zu erlassen und diese mit einem Einreiseverbot zu verbinden.

 

4.2.1. Da nunmehr nach geltender Rechtslage die beiden Bescheide des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 22. September 2010, AZ: 1060250/FRB und vom 1. Februar 2011, AZ: 1060250/FRB, mit denen gegen den Berufungswerber eine Ausweisung sowie ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, als Rückkehrentscheidungen anzusehen und zu beurteilen sind, ergeht – aus verfahrensökonomischen Gründen – in beiden Rechtssachen ein gemeinsamer Bescheid.

 

4.2.2. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung sowohl auf Art. 8 EMRK als auch auf § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.1. Da der Vater des Bw, mit dem er an selber Adresse wohnt, in Österreich niedergelassen ist und Rückkehrentscheidungen gegen die Mutter und den Bruder des  Bw, mit denen er ebenfalls an gemeinsamer Adresse wohnt, dauerhaft unzulässig sind, ist eine Interessenabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Bw vorzunehmen, wobei insbesondere auf die Integration, das Asylverfahren, die lange Aufenthaltsdauer, aber auch auf die gerichtliche Verurteilung des Bw Bedacht zu nehmen ist.

 

In Anbetracht des zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet ist dem Bw jedenfalls eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzugestehen.

Dieser Aufenthalt war nachweislich von 24. September 2002 bis zur Beendigung des Asylverfahrens am 16. August 2010, also rund acht Jahre, rechtmäßig.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt des Bw während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, welcher sich letztendlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war. Dem Bw musste bewusst sein, dass er ein Privatleben während eines Zeitraumes, in dem er einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatten, geschaffen hat (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Er durfte nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

 

In Hinblick auf den zehnjährigen Aufenthalt des Bw, bzw. die Tatsache, dass er einen wesentlichen Teil seines bisherigen Lebens hier verbracht hat und hier seine Ausbildung absolviert, ist unter anderem auf die jüngste Rechtsrechung des Verwaltungsgerichtshofs abzustellen.

Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2010/18/0248 dem Umstand, dass die – zwar minderjährigen – Beschwerdeführer den Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht und beinahe auch die gesamte Schullaufbahn in Österreich absolviert haben, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen:

 

"Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011]  nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen.

Im Hinblick auf § 66 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011]  bzw. das von der belangten Behörde gemäß § 53 Abs. 1 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011]  auszuübende Ermessen verweist die Beschwerde u. a. darauf, dass die Dritt- und Viertbeschwerdeführer "mehr oder weniger" in Österreich aufgewachsen seien, hier quasi ihre Kindheit verbracht hätten und zur Schule gingen. Ihre eigene Muttersprache hätten sie mittlerweile verlernt. Die gesamte Familie habe sich mehr als siebeneinhalb Jahre legal im Bundesgebiet aufgehalten, der unrechtmäßige Aufenthalt beschränke sich auf wenige Monate. Da sich die Familie vor der Einreise nach Österreich viele Jahre in Deutschland aufgehalten habe, seien sie von ihrem Heimatland bereits entfremdet.

Dieses Vorbringen ist berechtigt. Die belangte Behörde hat sich mit der besonderen Situation der Dritt- und Viertbeschwerdeführer in keiner Weise auseinandergesetzt. Diese wurden unbestritten in Deutschland geboren und kamen im Alter von fünf bzw. acht Jahren nach Österreich, wo sie nunmehr erfolgreich die Schule besuchen. Ihr Aufenthalt war zwischen April 2002 und November 2009 - und damit fast zur Gänze - auf Grund asylrechtlicher Bestimmungen rechtmäßig.  ...

Mit einer dem Beschwerdefall vergleichbaren Konstellation hat sich der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, B 950 bis 954/10-8, auseinandergesetzt. Auch in diesem Fall sollte die gesamte Familie, die im März 2002 nach Österreich kam und deren Asylanträge erst im Februar 2009 rechtskräftig abgeschlossen wurden, gemäß § 53 Abs. 1 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] ausgewiesen werden. Der Verfassungsgerichtshof erkannte darin eine Verletzung des Art. 8 EMRK, u.a. weil erst nach sieben Jahren eine rechtskräftige Entscheidung über die Asylanträge der beschwerdeführenden Parteien ergangen sei (wobei keine Folgeanträge gestellt wurden) und die Behörde dem Umstand, dass die minderjährigen Beschwerdeführer den Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht und beinahe auch die gesamte Schullaufbahn in Österreich absolviert hätten, zu wenig Gewicht beigemessen habe. In dem Erkenntnis vom 10. März 2011, B 1565/10 u.a., betont der Verfassungsgerichtshofes nochmals, dass sich die belangte Behörde in ihren Abwägungsgründen mit dem Umstand, dass ein Minderjähriger im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern nach Österreich gekommen ist, den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht und beinahe auch die gesamte Schullaufbahn hier absolviert hat, eingehend auseinandersetzen muss.

 

Auch im vorliegenden Fall hat das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Asyl(Erstreckungs)anträge der beschwerdeführenden Parteien etwa siebeneinhalb Jahre gedauert; dass diese Folgeanträge gestellt hätten, wurde nicht festgestellt und ist auch den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Die besonderen Umstände betreffend die Dritt- und Viertbeschwerdeführer hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage gänzlich außer Acht gelassen, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund keinen Bestand haben konnte."

 

4.4.2. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob wegen eines besonders stark ausgeprägten persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich akzeptiert werden muss, dass der Bw mit seinem Verhalten im Ergebnis versucht, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen (Hinweis E 24. Oktober 2007, 2007/21/0361), vgl. 2007/21/0074 17.07.2008.

 

Laut Strafregisterauszug wurde der Bw vom Landesgericht Linz, 458 Hv 107/10p, am 11. November 2010 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten unbedingt und 16 Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt. Weitere gerichtliche Verurteilungen liegen nicht vor. 

In der mündlichen Verhandlung hat der Bw glaubhaft gemacht, dass er die begangene Tat bereut. Er hat glaubhaft dargelegt, dass diese Reue bereits  während der Tat eingetreten ist, indem er ausgeführt hat, dass er während der Tat von weiteren Aneignungen (zB. Handy eines Mädchens) Abstand genommen hat.

Noch vor Antritt der Haft hat sich der Bw bei seinen Opfern entschuldigt und laut seinen glaubhaften Angaben Wiedergutmachung geleistet. Auch Schmerzengeldforderungen hat er beglichen.

Aus dem unbedingten Teil seiner teilbedingten Haft wurde der Bw vorzeitig entlassen. Dies deshalb, da dass das Gericht in seiner Gefährdungsprognose betreffend den Bw von keiner Rückfallsgefahr ausgegangen ist.

Während der Haft war es dem Bw gestattet, die Schule zu besuchen, abends ist der Bw ins Gefängnis zurückgekehrt.

Der Verurteilung steht gegenüber, dass sich der Bw bereits mehrere Jahre vor Begehung dieser Tat umfassend sozial engagiert hat und diesbezüglich etliche Bestätigungs- und Unterstützungsschreiben vorgelegt hat. So ist er seit 2007 Mitglied der X und seit 2008 Vorsitzender des dort angesiedelten "X". Des Weiteren hat er ab Dezember 2008 über mehrere Monate ehrenamtlich in der Wärmestube der X mitgearbeitet und sich dort – laut Unterstützungsschreiben – als besonders engagiert und hilfsbereit hervorgetan. Weiters hat er 2008 ein Praktikum beim Roten Kreuz absolviert. Im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres "Linz09" hat der Bw an einem sozialhistorischen Projekt teilgenommen, wofür er Unterstützungsschreiben der Minderheitenplattform "X" und des Mitveranstalters "X" vorlegte, die sein besonderes Engagement und Interesse bezeugen.

Weiters legte der Bw etliche Unterstützungsschreiben von Freunden und Mitschülern, sowie des Fußballklubs X vor.

Der Bw besucht derzeit erfolgreich die Schule für Sozialbetreuungsberufe/Behindertenbegleitung des X, die er voraussichtlich im Herbst 2012 mit der Ablegung der Diplomprüfung abschließen wird. Aus dem Unterstützungsschreiben des X vom 27. März 2012 geht hervor, dass der Bw einerseits den Lehrgang erfolgreich absolviert, was durch Zeugnisse belegt wird, andererseits abseits des Lehrgangs umfassend sozial engagiert ist. Auch aus einem Unterstützungsschreiben der Lehrerinnen der Schwerstbehindertenklasse der X, in der der Bw ein Praktikum im Rahmen seiner Ausbildung absolviert hat, geht dessen besonderes soziales Engagement und seine Eignung für Sozialberufe – insbesondere mit Schwerstbehinderten – hervor.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bw weiters darauf hingewiesen, dass er über eine Einstellungszusage des X verfügt. Derzeit bereitet er sich auf die Ablegung der Sanitäterprüfung vor, ist Vorsitzender der X und Fußballtrainer. Er steht noch in Kontakt zur Wärmestube, kann dort derzeit aber aus zeitlichen Gründen nicht mehr tätig sein.

In seiner Freizeit begleitet der Bw ehrenamtlich ein behindertes Mädchen zu Kinobesuchen, Einkäufen udgl.

 

Mit zehn Jahren Dauer kann der Bw auf einen langen Aufenthalt in Österreich verweisen, wobei der größte Teil davon aufgrund des rund acht Jahre andauernden Asylverfahrens rechtmäßig war.

Der Bw ist im Alter von zehn Jahren nach Österreich eingereist. Der Bw hat somit die Hälfte seines bisherigen Lebens in Österreich verbracht, wobei der überwiegende Teil seines Aufenthalts aufgrund asylrechtlicher Bestimmungen rechtmäßig war.

 

Der Bw ist nunmehr zwar nicht mehr minderjährig, hat aber dennoch den größten Teil seiner Jugend in Österreich verbracht und hier einen wesentlichen Teil seiner Ausbildung absolviert. Die belangte Behörde hat diese besonderen Umstände gänzlich außer Acht gelassen (vgl. oa.  Erkenntnis des VwGH vom 15. Dezember 2011, Zl. 2010/18/0248) und den bekämpften Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Bw seine integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthalts erworben hätten, der auf einen von Anfang an nicht berechtigten Asylantrag gegründet gewesen sei und er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein hätte müssen. Auch das zweifelsfrei feststellbare, bereits mehrere Jahre vor Begehung der Straftat begonnene, soziale Engagement des Bw und die damit einhergehende soziale Integration hat die belangte Behörde nicht ausreichend gewürdigt.

 

Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen:

"In diesem Sinn ist [...] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte."

 

Gemäß der oben angeführten höchstgerichtlichen Judikatur ist in diesem Fall hinsichtlich der Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände – dabei insbesondere des Umstands, das der Bw einen wesentlichen Teil seines bisherigen Lebens in Österreich  verbracht hat, umfassend sozial engagiert und integriert ist und hier eine Bildungseinrichtung besucht – festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen. Im Sinne des letzten Absatzes des oben wiedergegebenen Zitats des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 2011, GZ 2010/18/0248, hat die belangte Behörde die besonderen Umstände betreffend den Bw nicht ausreichend gewürdigt.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss, zumal das Asylverfahren bis zur rechtskräftigen letztinstanzlichen Entscheidung acht Jahre gedauert hat.   

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sich der Eindruck verfestigt, dass der Bw beruflich, sprachlich, familiär und sozial außerordentlich gut in Österreich integriert ist. Er hat glaubhaft dargelegt und durch Wiedergutmachung bewiesen, dass er seine Tat bereut. In Abwägung mit seinem außergewöhnlich ausgeprägten sozialen Engagement, das er bereits mehrere Jahre vor Tatbegehung begonnen hat, steht für das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich fest, dass die persönlichen und familiären Interessen des Bw an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht verleihen, dass eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig ist.

 

4.5. Im Ergebnis ist eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Bw auf Dauer unzulässig. Über ein allfälliges Einreiseverbot, das sich aus dem bekämpften Aufenthaltsverbot ergeben haben könnte, ist nicht mehr gesondert abzusprechen, da ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung unter einem erlassen wird.

 

4.6. Es war daher der Berufung stattzugeben, die angefochtene Bescheide waren aufzuheben, und es war spruchgemäß zu entscheiden.

5. Da der Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß      § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 28,60 Euro (2 x Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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