Linz, 03.09.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geboren am X, StA von Georgien, gesetzlich vertreten durch X und X, diese wiederum vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 2. August 2012, AZ: 1072986/FRB, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbots in der Dauer von 18 Monaten nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, als das gegen den Berufungswerber erlassene, auf die Dauer von 18 Monaten befristete, Einreiseverbot entfällt.
Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlagen:
§ 52 f iVm § 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/87
§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Aapelaciis gamo gasaCivrebuli gadawyvetileba Seswordes im kuTxiT, rom apelantis winaaRmdeg miRebuli, 18 Tvis vadiT moqmedi, qveyanaSi Semosvlis akrZalva gauqmdes.
gadawyvetileba sxva nawilSi ucvlelad dadasturdes.
samarTlebrivi safuZveli:
§ 52 f iVm § 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/87
§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 2. August 2012, AZ: 1072986/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs. 1 in Verbindung mit 53 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, eine Rückkehrentscheidung und ein auf 18 Monate befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum ausgesprochen sowie gemäß § 55 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieses Bescheides festgesetzt.
Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit Schriftsatz vom 13. August 2012 durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig Berufung.
In der Berufung führt der Bw wie folgt aus:
2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 17. August 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.
2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.
2.2.2. Der rechtsfreundlich vertretende Bw hat die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ebenso wenig beantragt wie die belangte Behörde. Von der Durchführung einer solchen konnte aber vor allem deshalb abgesehen werden, weil eine solche, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).
Im Übrigen ist festzuhalten, dass den sachverhaltsbezogenen Vorbringen des Bw in vollem Umfang Glaubwürdigkeit zugemessen wird, weshalb er durch die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der sich im besten Fall die Aussagen des Bw bestätigen können, nicht besser gestellt wäre als ohne die Durchführung einer solchen.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.
2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
3.1.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 87/2012, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw selbst unbestritten, dass er seit seiner Geburt in Österreich über keinen Aufenthaltstitel verfügt und daher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist.
Prima vista sind daher gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein Einreiseverbot zu erlassen. Es ist jedoch bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung bzw. des Einreiseverbotes auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.
3.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
3.2.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
3.3. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Der Bw wurde am X in Österreich geboren und ist derzeit daher etwa neun Monate alt. Aufgrund des Alters und der damit einhergehenden noch nicht ausgeprägten freien Willensbildung liegt es auf der Hand, dass der weitere Aufenthalt des Bw im Wesentlichen von dem seiner Eltern abhängt.
Mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 29. September 2011, VwSen-730160 und VwSen-730161, wurde gegen den Vater und die Mutter des Bw rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ein Einreiseverbot wurde aufgrund des § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, demnach vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter gelten, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist, nicht erlassen.
Vor diesem Hintergrund obliegt den Eltern des Bw die Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen. Schon aufgrund der völligen Abhängigkeit des wenige Monate alten Bw von seinen Eltern und der diesbezüglichen Bindung zueinander kann die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Bw somit kaum in dessen Recht auf Privat- und Familienleben eingreifen. Weitere Bindungen im Bundesgebiet existieren den vorliegenden Unterlagen zufolge nicht.
Zu Recht hat die belangte Behörde zudem ausgeführt, dass der Bw noch nicht in Österreich sozialisiert wurde und es ihm zuzumuten ist, sich im Heimatstaat zu integrieren.
3.4. § 53 Abs. 1 FPG zufolge ist mit einer Rückkehrentscheidung unter Einem ein Einreiseverbot zu erlassen, welches – Abs. 2 leg cit zufolge – zumindest 18 Monate beträgt. Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Mai 2012, 2012/18/0029, jüngst ausgesprochen, dass "immer dann, wenn auf Grund des die öffentliche Ordnung (oder Sicherheit) bloß geringfügig beeinträchtigenden Fehlverhaltens des Drittstaatsangehörigen fallbezogen die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von achtzehn Monaten nicht gerechtfertigt ist, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist."
Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich handelt es sich im gegenständlichen Fall um einen solchen, der unter die neue Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu subsumieren ist, da dem noch nicht einmal ein Jahr alten Bw nicht mehr als ein die öffentliche Ordnung bloß geringfügig beeinträchtigendes Fehlverhalten angelastet werden kann. Bei materieller Betrachtung würde eine andere Vorgehensweise zudem dazu führen, dass die Eltern des Bw, gegen die nur eine Rückkehrentscheidung ohne Einreiseverbot erlassen wurde, bei Wahrnehmung ihrer Obsorgepflichten aufgrund des gegen ihren Sohn erlassenen Einreiseverbots faktisch ebenfalls ein Einreiseverbot zu gewärtigen hätten.
3.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro Eingabegebühr angefallen.
gadawyvetilebis gasaCivrebis kanoniT dadgenili wesebi:
aRniSnuli gadawyvetilebis winaaRmdeg zogadad dadgenili wesiT sarCelis Setana dauSvebelia.
miTiTeba:
gadawyvetilebis winaaRmdeg SesaZlebelia misi miRebidan eqvsi kviris vadaSi uzenaes administraciul sasamarTloSi iqnas Setanili saCivari. kanoniT dadgenili gamonaklisebis garda, saCivari Seaqvs uflebamosil advokats. saCivris Setanisas gadasaxdelia mosakrebeli 220 evros odenobiT.
Bernhard Pree
Beschlagwortung:
Rückkehrentscheidung ohne Einreiseverbot; §§ 52f FPG;