Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166938/8/Sch/Eg

Linz, 07.09.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung (Fakten 1. und 2. des Straferkenntnisses) bzw. die ausschließlich auf das Strafausmaß beschränkte Berufung (Faktum 3. und 4. des Straferkenntnisses) des Herrn Dr. H. H., x, vertreten durch die Rechtsanwälte x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. April 2012, Zl. VerkR96-9772-2011, wegen vier Übertretungen der StVO 1960, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 5. Juli 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 1. und 2. des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, dieses in diesen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. 
Im übrigen (Fakten 3. und 4.) wird die Berufung abgewiesen.         
 

II.               Insoweit der Berufung Folge gegeben wurde (Fakten 1. und 2.) entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Als  Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren bezüglich der Fakten 3. und 4. des Straferkenntnisses ist ein Betrag von insgesamt 24 Euro (20 % der diesbezüglich verhängten Geldstrafen) zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 bzw. § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. April 2012, Zl. VerkR96-9772-2011, wurden über Herrn Dr. H. H. als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen x wegen vier Verwaltungsübertretungen nach der StVO 1960 nachstehende Strafen verhängt:

1)               Er habe am 22.10.2011 um 15:12 Uhr in der Gemeinde W., Landesstraße Freiland, Nr. 534 bei km 4.320 ein Fahrzeug überholt, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet wurden. Der entgegen kommende Lenker musste sein Fahrzeug stark abbremsen, um so einen Zusammenstoß zu vermeiden. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung des § 16 Abs. 1 lit. a STVO 1960 begangen.

2)               Er habe am 22.10.2011, 15:12 Uhr in der Gemeinde W., Landesstraße Freiland, Nr. 534 bei km 4.300, Richtung A., vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) ein Fahrzeug überholt und dadurch eine Übertretung des § 16 Abs. 2 lit. b StVO 1960 begangen.        

3)               Er habe am 22.10.2011, 15:12 Uhr, in der Gemeinde W., Landesstraße Freiland, Nr. 534 bei km 4.350, Richtung A., den bevorstehenden Überholvorgang nicht nach § 11 StVO über den Wechsel des Fahrstreifens rechtzeitig angezeigt.

4)               Er habe am 22.10.2011, 15:12 Uhr, Gemeinde W., Landesstraße Freiland, Nr. 534 bei km 4.300, Richtung A., die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrfläche befahren und deshalb eine Übertretung des § 9 Abs. 1 StVO 1960 begangen.

 

Wegen dieser Übertretungen wurde über den Bw folgende Strafen gemäß § 99 Abs. 3 lit.a StVO1960 verhängt:

1)    100 Euro Geldstrafe, 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe,

2)    100 Euro Geldstrafe, 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe,

3)    50 Euro Geldstrafe, 30 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und

4)    70 Euro Geldstrafe, 30 stunden Ersatzfreiheitsstrafe.

 

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von insgesamt 32 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Die Berufung hinsichtlich Spruchpunkt 3. und 4. richtet sich ausschließlich gegen das Strafausmaß. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Vorerst ist festzuhalten, dass im Hinblick auf die dem Berufungswerber zur Last gelegten Übertretungen eine Videoaufzeichnung existiert, die von nachfahrenden Polizeibeamten in einem Zivilfahrzeug angefertigt wurde. Zu einer Anhaltung des Berufungswerbers kam es aus hier nicht relevanten Gründen nicht.

 

Anlässlich der eingangs angeführten Berufungsverhandlung, zu der auch ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger beigezogen wurde, ist in die erwähnte Aufzeichnung Einsicht genommen worden. Dabei ist erkennbar, dass das Fahrzeug des Berufungswerbers damals im Sinne der Kilometrierung der L 534 gelenkt wurde. Die Wiedergabe der Tatörtlichkeiten laut Straferkenntnis  (Fakten 1. und 2.) kann nicht gänzlich den Tatsachen entsprechen, da, nachdem das vorgeworfene Delikt laut Faktum 1. vor jenem gemäß Faktum 2. begangen worden ist, die Tatörtlichkeiten demnach im Bescheidspruch umgekehrt kilometriert sein müssten, also Faktum 1. bei km 4,300, Faktum 2. bei km 4,320.

 

Nach den Berechnungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen stand dem Berufungswerber zu Beginn seines ersten Überholmanövers eine Überholsichtweite von etwa 140 m zur Verfügung, die notwendige Überholsichtweite unter Berücksichtigung eines allfälligen Gegenverkehrs betrug etwa 130 m, sodass diese als gerade noch ausreichend angesehen werden musste.

 

Dazu kommt im gegenständlichen Fall noch, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Übertretung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960, wie dem Berufungswerber zur Last gelegt, dann nicht vorliegt, wenn dem betreffenden Kfz-Lenker ein Gegenverkehr erst im Zuge seines Überholmanövers bewusst wird und er darauf reagiert, um einen Zusammenstoß mit dem entgegen kommenden Fahrzeug zu verhindern (VwGH 10.7.1981, 81/02/0017).

 

Der Inhalt der Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bezieht sich tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende eines Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, sondern auf ein dem Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden oder behindern können bzw. einen Platzmangel (VwGH 30.5.2001, 90/11/0221).

 

Auf der Videoaufzeichnung ist zu erkennen, dass zu Beginn des Überholmanövers ein Gegenverkehr nicht im Sichtbereich des Berufungswerbers war. Als er an ein Fahrzeug im Gegenverkehr erblickte, hat der Berufungswerber sein Überholmanöver sofort abgebrochen und sich wiederum hinter der Zugmaschine samt Anhänger, die er zu überholen gedachte, eingereiht. Dieser entgegen kommende Fahrzeuglenker, laut Berechnungen des Sachverständigen hielt er eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 70 km/h entgegen den dort erlaubten 50 km/h ein, verlangsamte zwar laut Videoaufzeichnung erkennbar seine Fahrgeschwindigkeit, im Hinblick auf den Beginn des Überholmanövers des Berufungswerbers bezogen im Verein mit der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt dieser Umstand demnach allerdings keine Übertretung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 dar.

 

4. In Bezug auf Faktum 2. des Straferkenntnisses ist zu bemerken, dass nach den Berechnungen des Sachverständigen in Auswertung des Videos der Berufungswerber für dieses Überholmanöver einen Zeitraum von 4,8 Sekunden benötigte. Dabei wurde eine Wegstrecke von etwa 43 m zurückgelegt. Danach war das Fahrzeug des Berufungswerbers vor dem Traktor wieder rechts eingereiht gewesen. Dem Berufungswerber stand eine Überholsichtweite von ca. 90 m zur Verfügung, dies schon unter Bedachtnahme auf einen möglichen Gegenverkehr, der mit 50 km/h entgegen kommt. Die eigene Überholwegstrecke, also die schon erwähnten 43 m, konnte der Berufungswerber demnach einsehen, nicht ausreichend wäre die Sichtweite jedenfalls gewesen, wenn man einen möglichen Gegenverkehr in die Erwägungen miteinbezieht, hier kommt der Sachverständige zu einer notwendigen Überholsichtweite von ca. 109 m. Der relativ niedrige Wert in Bezug auf den Überholweg ergibt sich aus der Tatsache, dass das zu überholende Fahrzeug, nämlich ein Traktor mit Anhänger, lediglich mit einer Fahrgeschwindigkeit von 10 – 15 km/h unterwegs war.

 

Auch bezüglich dieses Tatvorwurfes ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, gegenständlich eben zu § 16 Abs. 2 lit. b StVO 1960, zu verweisen. Demnach kommt es darauf an, dass der überholende Kfz-Lenker in der Lage sein muss, das Straßenstück vor Beginn des Überholmanövers zur Gänze zu überblicken, das er für die Maßnahme einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens seines Kfz auf den rechten Fahrstreifen benötigt (VwGH 7.6.2000, 97/03/0120). Bei diesem Tatvorwurf kommt es auf einen allfälligen Gegenverkehr nicht an (VwGH 27.2.1979, 2971/78). Entscheidend ist demgegenüber die Länge der benötigten Überholstrecke (VwGH 26.9.2008, 2008/02/0080).

 

Die obigen Ausführungen belegen, dass der Berufungswerber zu Beginn seines Überholmanövers die dafür benötigte Wegstrecke einsehen konnte. Deshalb liegt gegenständlich auch keine Übertretung des § 16 Abs. 2 lit. b StVO 1960 vor.

 

Nach Ansicht der Berufungsbehörde wäre dieser Überholvorgang des Berufungswerbers wohl unter die Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. c StVO 1960 zu subsumieren gewesen (vgl. dazu VwGH 10.7.1981, 81/02/0108). Einen solchen Tatvorwurf hat die Erstbehörde allerdings nicht erhoben, sodass sich weitere Überlegungen von vornherein erübrigen.

 

5. Im Hinblick auf die Fakten 3. und 4. des Straferkenntnisses richtet sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung, sodass Ausführungen, die darüber hinausgehen, unterbleiben können. Ganz abgesehen davon sind diese Übertretungen auf der Videoaufzeichnung überdeutlich dokumentiert.

 

Die Erstbehörde hat für diese Delikte, also das Befahren einer Sperrfläche und das Nichtanzeigen eines Fahrstreifenwechsels - der Berufungswerber hat genau genommen keinen seiner mehreren Fahrstreifenwechsel angezeigt - mit Geldstrafen in der Höhe von bloß 50 bzw. 70 Euro geahndet. Der Strafrahmen des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960, der bis 726 Euro reicht, wurde also im absolut untersten Bereich in Anspruch genommen. Die verhängten Geldstrafen sind daher nach Ansicht der Berufungsbehörde schon aus diesem Grund nicht als überhöht anzusehen. Im übrigen stellen solche Delikte keine unbedeutenden Verkehrsübertretungen dar, zumal das Befahren einer Sperrfläche der Verkehrssicherheit schon deshalb abträglich ist, da andere Verkehrsteilnehmer mit solchen Fahrmanövern nicht zu rechnen brauchen und es zu gefährlichen Situationen kommen kann. Auf der Videoaufzeichnung ist zu erkennen, dass der Berufungswerber die Sperrfläche wohl deshalb völlig ignoriert hat, da er unbedingt nach dem Überholvorgang knapp vor dem Traktor nach rechts in eine abzweigende Straße einbiegen wollte. Das Gefährdungspotential dieses Vorganges ist auf der Aufzeichnung durchaus nachvollziehbar.

 

Das Nichtanzeigen eines Fahrstreifenwechsels stellt ebenfalls für den übrigen Verkehr eine Gefahrenquelle dar. Der Sinn dieser Bestimmung liegt auf der Hand, geht es doch darum, dass ein Fahrstreifenwechsel zumindest abstrakte Auswirkungen auf den übrigen Verkehr, insbesondere den nachkommenden, haben kann. Deshalb ist das Nichtbetätigen des Fahrtrichtungsanzeigers, wie vom Berufungswerber bei seinen Fahrmanövern dokumentiert, ein grober Verstoß gegen die Verkehrssicherheit.

 

Dem Berufungswerber kommt kein Milderungsgrund zugute, scheint er doch bereits zweimal wegen Verkehrsdelikten vorgemerkt auf.

 

Der Berufung konnte sohin in diesen beiden Punkten keinesfalls ein Erfolg beschieden sein. Auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers war nicht weiter einzugehen, zumal von jedermann, der als Fahrzeuglenker am Straßenverkehr teilnimmt, erwartet werden kann, dass er geringfügige Verwaltungsstrafen, wie gegenständlich verhängt, ohne weiteres zu begleichen in der Lage ist.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

S c h ö n

 

 

 

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