Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101243/9/Fra/Ka

Linz, 27.09.1993

VwSen - 101243/9/Fra/Ka Linz, am 27. September 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des M L, B Nr., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. G E, K, E, gegen die Fakten 1 (§ 20 Abs.1 StVO 1960), 2 (§ 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960) und 3 (§ 4 Abs.1 lit.c StVO 1960), nach der am 9. September 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1 und 3 dem Grunde nach als unbegründet abgewiesen. Die verhängten Strafen werden zum Faktum 1 (§ 20 Abs.1) auf 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) und zum Faktum 3 (§ 4 Abs.1 lit.c StVO 1960) auf 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) herabgesetzt.

Der Berufung wird hinsichtlich des Faktums 2 (§ 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960) stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 51, 51e Abs.1 und 45 Abs.1 Z3 VStG.

II. Hinsichtlich des Verfahrens zum Faktum 2 entfällt jegliche Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Hinsichtlich des Verfahrens zu den Fakten 1 und 3 entfällt die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens. Die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz ermäßigt sich hinsichtlich des Faktums 1 auf 150 S und hinsichtlich des Faktums 3 auf 300 S.

Rechtsgrundlage: §§ 64, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft E hat mit Straferkenntnis vom 16. März 1993, Zl.VerkR96/364/9-1992/Pi/Rö, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 20 Abs.1 StVO 1960, 2.) § 31 Abs.1 StVO 1960, 3.) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 4.) § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 über den Beschuldigten 1.) eine Geldstrafe in Höhe von 2.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 84 Stunden), 2.) eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 50 Stunden), 3.) eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 183 Stunden) und 4.) eine Geldstrafe in Höhe von 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt, weil er am 1. Februar 1992 um 1.15 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen E auf der B in Richtung B vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dabei bei Strkm., im Ortschaftsbereich H 1.) seine Fahrgeschwindigkeit von ca. 70 km/h bis 80 km/h nicht den gegebenen Umständen, insbesondere den Straßenverhältnissen angepaßt hat (maximal 60 km/h), weil er in einer leichten Linkskurve schleuderte und in der Folge einen Verkehrsunfall mit eigener Verletzung und Sachschaden (Brückengeländer) verursachte, wobei 2.) auch eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Leitbake) beschädigt wurde. In der Folge hat er es, als mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehende Person, unterlassen, 3.) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er die Unfallstelle verlassen hat und so auch sein körperlicher und geistiger Zustand zum Tatzeitpunkt nicht mehr überprüft werden konnte. 4.) Er hat am 1. Februar 1992 um 8.25 Uhr in Breitenaich Nr.22, obwohl bei ihm aufgrund festgestellter Symptome (leichter Alkoholgeruch in der Atemluft, gerötete Augenbindehäute) und zugegebener Alkoholkonsum einwandfrei vermutet werden konnte, daß er sich zum Tatzeitpunkt in einem alkoholisierten Zustand befand, der Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, keine Folge geleistet.

Ferner wurde der Beschuldigte gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren erster Instanz in Höhe von 10 % der verhängten Strafen, verpflichtet.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung des Beschuldigten. Die Erstbehörde hat keine Berufungvorentscheidung erlassen. Sie legte das Rechtsmittel dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vor. Dieser hat hinsichtlich des Faktums 4 (§ 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960), weil diesbezüglich eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden. Diese Entscheidung wurde bereits erlassen (siehe VwSen-101242/14/Fra/Ka). Hinsichtlich der übrigen Fakten, entscheidet, weil diesbezüglich jeweils 10.000 S übersteigende Geldstrafen nicht verhängt wurden, das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c VStG).

Beweis wurde erhoben durch ein ergänzendes Ermittlungsverfahren, insbesondere durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle am 9. September 1993. An dieser Verhandlung hat der Vertreter des Beschuldigten sowie ein Vertreter der Erstbehörde teilgenommen. Weiters hat der Amtssachverständige für Verkehrstechnik, Ing. M, ein Gutachten im Zusammenhang mit dem Tatbestand des § 20 Abs.1 StVO 1960 erstattet.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Zum Faktum 2 (§ 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960):

Der Berufungswerber wendet hinsichtlich der Strafbarkeit gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 Verfolgungsverjährung ein. Er weist darauf hin, daß ihm mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21. Februar 1992 unter dem Blickwinkel der Beschädigung von Verkehrsleiteinrichtungen lediglich ein Vorwurf zur Rechtfertigung im Hinblick auf § 4 Abs.5 StVO 1960 gemacht wurde. Dieser Vorwurf könne aber nicht als Verfolgungshandlung wegen des Deliktes gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 angesehen werden. Damit ist er im Ergebnis im Recht. Der in Rede stehende Vorwurf der Erstbehörde in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21. Februar 1992 lautet, daß der Beschuldigte eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt und in der Folge es als mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehende Person unterlassen hat, den Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub der nächsten Gendarmeriedienststelle anzuzeigen, obwohl er dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachweislich bekanntgegeben hat. Als verletzte Rechtsvorschrift wird § 31 Abs.1 StVO 1960 und § 4 Abs.5 StVO 1960 zitiert.

Die Verletzung des Gebotes des § 4 Abs.5 StVO 1960 liegt allein darin, daß ein an einem dem Ort und der Zeit nach bestimmten Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang Stehender die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt hat. Strafbefreiend ist somit die Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle. Nach § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 wirkt weiters die Meldung an den Straßenerhalter von der Beschädigung ohne unnötigen Aufschub strafbefreiend. In solchen Fällen ist hauptsächlich eine rasche Verständigung der in Betracht kommenden Stellen und nicht das Strafbedürfnis wesentlich, damit diese Stellen in die Lage versetzt werden, unverzüglich zunächst verkehrssichernde Maßnahme zu treffen und im übrigen die Behebung des Schadens veranlassen zu können (vgl. Anmerkung 11 zu § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 in Benes-Messiner StVO, 8. Auflage). Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt daher die Auffassung, daß auch die Verständigung an den Straßenerhalter wesentliches Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 ist. Anders gesagt: Auch die Unterlassung der Verständigung an den Straßenerhalter und nicht nur die Unterlassung der Verständigung an die nächste Gendarmerie- oder Polizeidienststelle ist als wesentliches Tatbestandsmerkmal in den Schuldspruch aufzunehmen.

Bei einem Vorwurf nach § 4 Abs.5 StVO 1960 muß somit der Umstand, daß die am Verkehrsunfall ursächlich Beteiligten einander ihren Namen und ihre Anschrift nicht nachgewiesen haben, nicht als wesentliches Tatbestandsmerkmal in den Schuldspruch aufgenommen werden, sehr wohl aber der Umstand, daß die am Verkehrsunfall ursächlich Beteiligten die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt haben (Unterlassung der Meldepflicht). Wird somit der Meldepflicht nicht entsprochen, begründet dies die Erfüllung des Tatbestandes nach § 4 Abs.5 StVO 1960. Wird nun im Zuge eines Verkehrsunfalles eine Verkehrsleiteinrichtung im Sinne des § 31 Abs.1 StVO 1960 beschädigt, ist diese Beschädigung nach § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 strafbar. Strafbefreiend wirkt hier wiederum die ohne unnötigen Aufschub vorgenommene Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder an den Straßenerhalter unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates verhält es sich somit bei der Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung hinsichtlich der Strafbefreiung im Grunde genommen nicht anders, als bei einem sonstigen Verkehrsunfall mit Sachschaden. In beiden Fällen wirkt die Meldung strafbefreiend, wobei jedoch bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden nur die Meldung an die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle und bei einer Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung auch die Meldung an den Straßenerhalter strafbefreiend wirkt. Die Wendung "unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers" im § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 hat nun eine andere Bedeutung, als die Wendung "eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Absatz 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben" in § 4 Abs.5 StVO 1960. Während § 4 Abs.5 StVO 1960 keine Verpflichtung zum gegenseitigen Identitätsnachweis normiert, sondern nur eine Meldepflicht, normiert § 99 Abs.2 lit.e leg.cit. auch eine Meldepflicht, jedoch zusätzlich, wenn die Meldung an einen Straßenerhalter erfolgt, auch eine Bekanntgabe der Identität des Beschädigers.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die Unterlassung der Verständigung von der Beschädigung der Verkehrsleiteinrichtung auch an den Straßenerhalter ein wesentliches Tatbestandsmerkmal darstellt und in den Schuldspruch aufzunehmen ist. Da in den während der Verfolgungsverjährungsfrist gesetzten Verfolgungshandlungen eine diesbezüglich ausreichend konkretisierte Tatumschreibung dem Beschuldigten nicht vorgehalten wurde, ist diesbezüglich Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

I.3.2. Zu § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960:

Diesbezüglich wird dem Beschuldigten zur Last gelegt, es unterlassen zu haben, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er die Unfallstelle verlassen hat und so auch sein körperlicher und geistiger Zustand zum Tatzeitpunkt nicht mehr überprüft werden konnte.

Der Beschuldigte wendet einen Begründungsmangel ein, weil die Erstbehörde ausführt, daß er sieben Stunden lang keinen Versuch unternommen hat, den Verkehrsunfall bei der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden, obwohl eine Meldung des Unfalles ohne unnötigen Aufschub und ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre, da Frau P ein Telefon besitzt. Die telefonische Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle vom Telefonanschluß der Frau P aus setze nämlich zwingend das Verlassen der Unfallstelle voraus.

Der Argumentation des Berufungswerbers kann diesbezüglich beigetreten werden, doch kann dieser Begründungsmangel nicht zu einer Behebung des Schuldspruches führen, zumal die Behörde weitere nachfolgende Begründungen zum gegenständlichen Tatbestand wie folgt getroffen hat: "Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Verpflichtung nach dieser Gesetzesstelle dient dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatgeschehens zu erleichtern und zu gewährleisten, daß die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt. Dies beinhaltet die Verpflichtung, das Eintreffen der Organe der behördlichen Sicherheit am Tatort abzuwarten, auch um Feststellungen zur Person des beteiligten Fahrzeuglenkers in der Richtung treffen zu können, ob dieser zum Lenken des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges berechtigt war und äußerlich den Anschein erweckt, sich geistig und körperlich in einem zur Lenkung eines Fahrzeuges geeigneten Zustand befunden zu haben". Diese Ausführungen werden auch zur Begründung dieser Entscheidung übernommen. Im Grunde genommen hat die Erstbehörde hier die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 angewendet.

Es ist unbestritten, daß sich der Beschuldigte der Verpflichtung des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 entzogen hat. Er entfernte sich vom Unfallort, ohne den Unfall zu melden und hielt sich im Anschluß darauf bei der ihm bekannten Frau, namens Maria P, wohnhaft in A Nr. auf, wo er auch nächtigte. Es konnten daher die die Unfallerhebungen durchführenden Beamten auch keine Feststellungen zur Person des Beschuldigten in der oben angeführten Richtung treffen. Der Beschuldigte hätte nach entsprechender Meldung, welche naturgemäß vorerst ein Verlassen der Unfallstelle voraussetzt, zumal er alleine war, das Eintreffen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, nach Rückkehr an die Unfallstelle abzuwarten gehabt, damit diese auch in der Lage gewesen wären, die oben genannten Feststellungen zu treffen.

Der Beschuldigte hat daher den ihm zur Last gelegten Tatbestand zu verantworten.

I.3.3. Zu § 20 Abs.1 StVO 1960:

Der Beschuldigte bringt zu diesem Tatbestand im wesentlichen vor, daß er durch die Glatteisbildung überrascht wurde und aus diesem Grunde den Unfall nicht mehr verhindern konnte. Eine Anfrage an die Flugwetterwarte Hörsching erbrachte, daß zur Tatzeit eine nur geringe Bewölkung (1/8), eine Sichtweite von 2.500 m sowie trockene Fahrbahnverhältnisse herrschten. Daß Bodennebelfelder im fraglichen Bereich der B 134 aufgetaucht seien, habe das Ermittlungsverfahren nicht hervorgebracht. Aufgrund der trockenen Fahrbahnverhältnisse habe er nicht mit einer Glatteisbildung im fraglichen Bereich rechnen müssen. Die Beweiswürdigung der Erstbehörde, bei seiner Verantwortung in der Anzeige, wonach die Fahrbahn vor der Brücke vereist war und der daraus gezogene Schluß, daß die Fahrbahn im gesamten Bereich der B vereist gewesen sein müsse, verstöße jedenfalls gegen die Denkgesetze und belaste den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Aufgrund der Verantwortung des Beschuldigten hat der unabhängige Verwaltungssenat eine Berufungsverhandlung an Ort und Stelle durchgeführt, wobei der Amtssachverständige für Verkehrstechnik Ing. M in seinem schlüssigen Gutachten, welches hier nicht wiederholt wird, da dieses sowohl vom Vertreter der Erstbehörde als auch vom Vertreter des Berufungswerbers zur Kenntnis genommen wurde, zum Schluß kam, daß die Kurvengrenzgeschwindigkeit, bei Vereisung, das ist jene Geschwindigkeit, mit der die Kurve maximal durchfahren werden kann, ohne ins Schleudern zu kommen, bei den gegebenen Verhältnissen knapp 50 km/h beträgt. Der Sachverständige hat weiters ausgeführt, daß der gegenständliche Straßenbereich deshalb besonders anfällig für Vereisung der Fahrbahn ist, weil einerseits der Baumbewuchs und andererseits der Bachlauf mit Brücke ein schnelleres Vereisen ermöglichen, als wenn die Straße über Freiland bzw auf dem Erdreich verläuft, da durch die Erdwärme die Vereisung etwas später eintreten würde. Weiters führt er aus, daß, wenn sich der Beschuldigte mit einer Geschwindigkeit von mehr als 60 km/h der Kurve nähern und auch in diese Kurve einfahren würde, es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät wäre, um die Geschwindigkeit zu verringern (durch Bremsen oder dgl), da auch ein derartiges Bremsmanöver der Grund für ein Schleudern sein könnte.

Wie erwähnt hat der Vertreter des Berufungswerbers das Verhandlungsergebnis bezüglich der erlaubten Geschwindigkeit bei Eis zur Kenntnis genommen. Er führte weiters aus, die erste gutächtliche Aussage im Verfahren erster Instanz inhaltlich nicht bestritten zu haben, doch der Beschuldigte meint nach wie vor, daß er durch plötzlich auftretendes Glatteis überrascht wurde. Das Gutachten habe dargelegt, daß er ab dem Zeitpunkt, ab dem die Kurve durchfahren wird, eine unfallvermeidende Reaktion durch Bremsen nicht mehr möglich ist. Bei trockener Fahrbahn könne unter optimalen Bedingungen die Kurve mit ca. 150 km/h durchfahren werden. Nach Auskunft der Flugwetterwarte H habe zum Unfallzeitpunkt eine Temperatur um den Gefrierpunkt bestanden. Es sei gering bewölkt und trocken gewesen. Wenn man davon ausgeht, daß aufgrund der allgemeinen Wetterverhältnisse zum fraglichen Zeitpunkt mit dem Auftreten mit Glatteis nicht zu rechnen war, sei die Geschwindigkeitsüberschreitung unverschuldet. Gehe man davon aus, daß der Beschuldigte mit Glatteis zu rechnen hatte, komme man zum selben Ergebnis, weil es dem durchschnittlichen Kraftfahrer nicht möglich sei, zu beurteilen, auf km pro Stunde genau, ob er statt möglicher und erlaubterweise 50 km/h eben mit 70 km/h unterwegs ist und daß für ihn diese Geschwindigkeit am Kurveneingang zu hoch sei, zumal sich der Kurvenverlauf gegen Kurvenausgang hin verstärke und aus diesem Grunde die zulässige Geschwindigkeit im Durchfahren der Kurve verringere. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei somit unverschuldet.

Der Vertreter der Erstbehörde brachte vor, daß der Berufungswerber im Nahbereich der Unfallstelle wohnhaft ist und es ihm dadurch durchaus bekannt sein müsse, daß im Tatortbereich ein Bach die Fahrbahn unterquere und er daher die Fahrgeschwindigkeit bereits bei der Annäherung an den fraglichen Bereich reduzieren hätte müssen, um ein gefahrloses Durchfahren dieses Kurvenbereiches durchzuführen. Weiters sei nach allgemeiner Lebenserfahrung bekannt, daß Anfang Februar bei dieser Jahreszeit mit stellenweisen Auftreten von Glatteis zu rechnen ist, insbesondere im Bereich von Waldrändern und Brücken. Die Erstbehörde vertritt daher nach wie vor die Ansicht, daß dem Berufungswerber ein schuldhaftes Fehlverhalten hinsichtlich der Überschreitung der Fahrgeschwindigkeit gemäß § 20 Abs.1 StVO 1960 zur Last zu legen ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat tritt der Auffassung der Erstbehörde bei, wonach zur fraglichen Jahreszeit um 1.15 Uhr in der Nacht mit Auftreten von Glatteis an bestimmten Stellen, insbesondere im Bereich von Waldrändern und Brücken, zu rechnen ist. Zur Tatzeit (1. Februar 1.15 Uhr) hatte es eine Temperatur von knapp unter 0 Grad. Es ist noch einmal auf das unbestrittene Gutachten des KFZ-technischen Sachverständigen zu verweisen, wonach der gegenständliche Straßenbereich deshalb besonders anfällig für Vereisung der Fahrbahn ist, weil einerseits der Baumbewuchs und andererseits der Bachlauf mit Brücke ein schnelleres Vereisen ermöglicht (siehe oben). Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der vorliegenden Umstände (Jahreszeit, Nachtzeit, Außentemperatur, Ortskundigkeit) davon aus, daß der Beschuldigte mit Fahrbahnvereisung zu rechnen hatte und daher seine Geschwindigkeit auf diese Möglichkeit einrichten hätte müssen.

Auch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes besagt, daß die Geschwindigkeit den jeweils gegebenen Umständen nur dann angepaßt ist, wenn der KFZ-Lenker nicht völlig unvermutet und für ihn unvorhersehbar auftauchenden Hindernissen und den sich hieraus ergebenden Gefahren wirksam zu begegnen vermag (OGH 3.6.1982, 8Ob128/82). Daß die Vereisung für den Beschuldigten aufgrund des festgestellten Sachverhaltes und aufgrund der oben genannten Erwägungen für den Beschuldigten nicht völlig unvermutet und für ihn unvorhersehbar sein konnte, gibt sich aufgrund der obigen Darlegungen. Im übrigen wird der Beweiswürdigung der Erstbehörde, wonach davon ausgegangen wird, daß nicht nur der Bereich der Brücke, sondern auch die dort befindliche Linkskurve vereist war, beigetreten.

Der Tatbestand des § 20 Abs.1 StVO 1960 wird daher als erwiesen angenommen, weshalb der Berufung der Erfolg hinsichtlich des Schuldspruches zu versagen war.

I.4. Zur Strafbemessung: Die Strafe war neu zu bemessen, weil die Erstbehörde in ihren Darlegungen zur Strafbemessung lediglich global darauf hingewiesen hat, daß die vom Beschuldigten begangene Verwaltungsübertretungen zu den "verwerflichsten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung" zählen. Diese Aussage bedarf einer Differenzierung und Relativierung.

Zu § 20 Abs.1 StVO 1960 ist festzustellen, daß Geschwindigkeitsüberschreitungen sicherlich zu den gravierendsten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zählen, da das Unfallrisiko durch diese Übertretungen wesentlich verschärft wird und daher zu einer Gefährdung der Sicherheit und körperlichen Integrität anderer Verkehrsteilnehmer führt. Gerade die gegenständliche Übertretung zeigt, daß überhöhte Geschwindigkeiten zu Unfällen führen können. Der Unrechtsgehalt der Übertretung ist daher als nicht geringfügig einzustufen. Legt man nun die vom Beschuldigten angegebene Geschwindigkeit von 70 km/h bis 80 km/h zugrunde, so hätte er laut KFZ-technischem Gutachten 20 km/h bis 30 km/h langsamer fahren müssen, ohne ins Schleudern zu kommen. Zumal eine einschlägige Vormerkung nicht vorliegt, war die Strafe dem geringeren Schuldgehalt der Übertretung entsprechend zu reduzieren. Eine weitere Herabsetzung war jedoch im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Übertretung nicht vertretbar, zumal nachteilige Folgen zu konstatieren sind.

Was die Übertretung nach § 4 Abs.1 lit.c anlangt, war zu berücksichtigen, daß die von der Erstbehörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses zu Recht als erschwerend gewertete Vormerkung zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung bereits getilgt ist, weshalb sie nicht mehr als straferschwerend herangezogen wurde. Mildernde Umstände sind allerdings auch nicht hervorgekommen.

Die nunmehr verhängten Strafen erscheinen unter Bedachtnahme auf die von der Erstbehörde geschätzten Einkommensverhältnisse, wobei zusätzlich vom Vorliegen keines Vermögens und keiner Sorgepflichten ausgegangen wird, tat- und schuldangemessen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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