Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281423/2/Re/Th

Linz, 11.09.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Mag. X, vertreten durch Mag. X, Rechtsanwalt, X vom 21. Mai 2012 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 04. Mai 2012, Ge96-39-1-2011-Kg, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz zu Recht erkannt:

 

 

Anlässlich der Berufung vom 21. Mai 2012 wird der bekämpfte Bescheid vom 04. Mai 2012, Ge96-39-1-2011, behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs. 4 iVm 56 und 60 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) iVm

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 04. Mai 2012, Ge96-39-1-2011-Kg, wurde im Spruchteil II als "Einspruch auf Herabsetzung der mit Strafverfügung vom 31. Oktober 2011,
Ge96-39-1-2011" bezeichneten Eingabe zum Teil stattgegeben und verhängte Geldstrafen auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststrafe reduziert und zum Teil nicht stattgegeben. Im Spruchteil I wurden Teile des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens eingestellt.

Begründend wurde auf § 49 Abs.2 VStG verwiesen wonach das ordentliche Verfahren einzuleiten ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird. Wenn darin ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten wird, habe die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. Der Einspruch sei rechtzeitig eingebracht worden. In der Anzeige des Arbeitsinspektorates seien Überschreitungen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten sowie der nicht ausreichend gewährten täglichen Ruhepausen und Ruhezeiten festgestellt und Strafanträge gestellt worden. Zeugeneinvernahmen hätten ergeben, dass im Unternehmen die Jausen- und Mittagspausen mittels Signalhorn angekündigt und von den im Betrieb anwesenden Arbeitern auch eingehalten würden. Aus diesem Grunde sei die Herabsetzung auf die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe gerechtfertigt. Die unter Punkte 1. und 3. verhängten Geldstrafen betreffend Überschreitung der Tages- und Wochenarbeitszeiten sowie Nichteinhaltung der täglichen Ruhezeiten bleiben aufrecht und werde der Einspruch gegen die Strafe nicht stattgegeben.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Behebung des angefochtenen Bescheides bzw. Einstellungen hinsichtlich einzelner Fakten beantragt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, es sei bereits im Verfahren erster Instanz wahrheitsgemäß dargelegt worden, dass die notwendigen gesetzlichen Arbeitspausen tatsächlich sämtlichen Arbeitnehmern gewährt würden. Die Einhaltung der Arbeitspausen würden vom Einschreiter durch Nachschau kontrolliert. Anfang und Ende der Pause werde mittels Signalhorn, hörbar im gesamten Betriebsareal, angezeigt. Sämtliche Arbeitnehmer nehmen die Pause auch tatsächlich in Anspruch. Zeugeneinvernahmen hätten dies bestätigt. Dieses Ergebnis der Beweisaufnahme sei nicht den Zeugenaussagen entsprechend gewürdigt worden, die diesbezüglichen Punkte und Fakten wären jedenfalls gänzlich einzustellen gewesen. Unrichtigerweise sei lediglich die Strafhöhe auf die Mindeststrafhöhe reduziert worden. Richtigerweise hätte die Behörde eine Einstellung des Verfahrens bewerkstelligen müssen, da die Arbeitspausen tatsächlich eingehalten werden. Dies wirke sich klarerweise auch auf die vorgeworfenen Überschreitungen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten aus und es hätten daher bei den Beschäftigungszeiten die Ruhepausen von täglich mindestens 45 Minuten berücksichtigt und abgezogen werden müssen. In mehreren Fällen ergebe sich daraus keine tägliche Arbeitszeitüberschreitung sowie in der Folge keine wöchentliche Arbeitszeitüberschreitung. Die gewährten und in Anspruch genommenen Arbeitspausen von wöchentlich 4 Stunden hätten von den im Bescheid unrichtig angeführten wöchentlichen Arbeitszeiten in Abzug gebracht werden müssen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat die Berufung mit Schreiben vom 24. Mai 2012 samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser aufgrund der Tatsache, dass keine einzelne, 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat
(§ 51c VStG).

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.3 Z2 und Z3 VStG Abstand genommen werden, zumal sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteineinsichtnahme. Demnach liegt dem Verfahren eine Anzeige des Arbeitsinspektorates Wels vom 24. Oktober 2011 zu Grunde und werden eine Reihe von Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes aufgrund einer Überprüfung der Arbeitszeitunterlagen vom Juli 2011 festgestellt und zur Anzeige gebracht. In Erledigung dieser Anzeige hat die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems auf der Grundlage der angezeigten Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes die Strafverfügung vom 31. Oktober 2011 erlassen. Innerhalb offener Frist hat der nunmehrige Berufungswerber mit Schreiben vom 16. November 2011 Einspruch zur Geschäftszahl Ge96-39-1-2011 erhoben und diesen Einspruch mit folgendem Betreff überschrieben:

"Betrifft: Einspruch gegen Strafanzeige gemäß § 9, § 11 und § 28 Arbeitsinspektionsgesetz

Einspruch gegen Strafhöhe."

Einspruchsbegründend wird in der Folge vorgebracht, dass zur Beschuldigung, dass keine Arbeitspausen gewährt bzw. die Arbeitszeiten überschritten würden, festgehalten werde, dass jedenfalls die Arbeitspausen gemäß § 11 AZG tatsächlich gewährt würden und die Einhaltung der Arbeitspausen auch kontrolliert werde. Es lägen auch entsprechende Unterlagen vor. Für sämtliche Mitarbeiter könnten Monatsjournale nachgereicht werden. Die Pausen würden mit Signalhorn angezeigt, dann sei im gesamten Betrieb Ruhe. Die täglichen Ruhepausen gemäß § 28 würden gewährt. Unter Berücksichtigung der Ruhepausen würden teilweise auch die Wochenarbeitszeiten nicht um mehr als 4 Stunden überschritten werden. Auf leitende Angestellte würde das Arbeitszeitgesetz nicht anwendbar sein. Sozial- und Sanitärräume würden neu gebaut, wie mit dem Arbeitsinspektor vereinbart.

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat in der Folge eine Stellungnahme des anzeigenden Arbeitsinspektorates eingeholt und Arbeitnehmer als Zeugen einvernommen. Die Einvernahmen ergaben die Richtigkeit der Ausführungen im Einspruch, insbesondere auch in Bezug auf Stempeluhr, Jausenpause, Mittagspause und die Einhaltung derselben sowie die Ankündigung (Beginn und Ende) mittels Signalhorn.

Die belangte Behörde hat daraufhin mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 04. Mai 2012 gemäß § 49 Abs.2 VStG das Strafverfahren in mehreren Spruchpunkten eingestellt, in weiteren Punkten die verhängten Geldstrafen aufgrund des Einspruchs auf Herabsetzung reduziert und in den übrigen Punkten nicht stattgegeben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen 2 Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

 

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem aufgrund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden, als in der Strafverfügung.

 

Nach Darstellung der Lehre und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung der Frage, ob im gegen eine Strafverfügung gerichteten Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, auf den Inhalt dieses Einspruches in seiner Gesamtheit an. Maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte auch den Schuldspruch bekämpft hat (VwGH 24.10.2002, 99/15/0172; 22.04.1999, 99/07/0010)

 

Gemäß § 56 AVG hat der Erlassung eines Bescheides, wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen.

 

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

 

Im gegenständlichen Fall wird der vom Berufungswerber eingebrachte Einspruch vom 16. November 2011 zwar auch als Einspruch gegen die Strafhöhe", aber auch als "Einspruch gegen Strafanzeige gemäß § 9, § 11 und § 28" bezeichnet. In der Begründung des Antrages wird ausdrücklich zur Beschuldigung, dass keine Arbeitspausen gewährt bzw. die Arbeitszeiten überschritten worden seien, festgehalten, dass jedenfalls die Arbeitspausen gemäß § 11 AZG tatsächlich gewährt und auch kontrolliert  worden seien. Auf entsprechende Unterlagen wird hingewiesen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Pausen mittels Signalhorn angezeigt werden und das insgesamt die Bestrafung wegen Nichteinhaltung der Ruhepausen nicht gerechtfertigt sei. Weiters wird in Bezug auf einige Arbeitnehmer auf § 1 Abs.2 Z8 AZG verwiesen, wonach die Norm für leitende Angestellte nicht gilt.

 

Wird der Gesamtinhalt dieses Einspruchs betrachtet, so ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass der Berufungswerber nicht lediglich das Ausmaß der verhängten Strafe bekämpfen wollte, sondern insgesamt auch die Schuldfrage begründet anzweifelt bzw. bekämpft. Die Erstbehörde durfte daher nicht von einer Rechtskraft des Schuldspruchs ausgehen und nur mehr über die Strafe bzw. die Kosten entscheiden. Sie nimmt somit eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch, die ihr nicht zusteht.

Da somit mit dem Einspruch des nunmehrigen Berufungswerbers auch die Schuldfrage bekämpft wurde, hatte dies ex lege das Außerkrafttreten der gesamten Strafverfügung zur Folge und wäre es Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen das ordentliche Verfahren einzuleiten. Dies ist jedoch auf Ebene der Bezirksverwaltungsbehörde nicht geschehen sondern hat diese einerseits den eingebrachten Einspruch als "Einspruch gegen die Strafhöhe" dem Arbeitsinspektorat zur Stellungnahme übermittelt, andererseits Zeugen einvernommen, in der Folge jedoch mit der nunmehr bekämpften Entscheidung unter Bezugnahme auf § 49 Abs.2 über einen Einspruch gegen die Strafhöhe entschieden, trotzdem jedoch das Strafverfahren in Bezug auf einzelne Punkte eingestellt, in Bezug auf andere Punkte jedoch über die Höhe der Geldstrafe abgesprochen.

 

Insgesamt war daher aus diesen Gründen der bekämpfte Bescheid zu beheben.

 

Da im bisherigen Verfahren von der belangten Behörde einerseits über einen Einspruch, eingeschränkt auf die Strafhöhe abgesprochen wurde (was gleichzeitig die Rechtskraft der Strafverfügung bedeuten würde) andererseits das Strafverfahren zu mehreren Punkten eingestellt worden ist (was bei einem Einspruch gegen die Strafhöhe nicht möglich ist) bzw. eine Reduzierung der ausgesprochenen Strafe vorgenommen wurde (obwohl laut Zeugenaussagen der Tatvorwurf nicht aufrecht erhaltbar erscheint) war davon abzusehen, das Strafverfahren insgesamt gleichzeitig einzustellen um der belangten Behörde im Rahmen der Verjährungsfristen die Möglichkeit zu eröffnen, aufgrund eines eingebrachten Einspruchs nach Außerkrafttreten der Strafverfügung das ordentliche Verfahren einzuleiten und die Prüfung in Bezug auf aufrechterhaltbare Tatbestände durchzuführen.

 

Aus diesen Gründen war insgesamt wie im Spruch zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

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