Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-310457/20/Re/Th

Linz, 04.09.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer (Vorsitzender: Dr. Ewald Langeder, Berichter: Dr. Werner Reichenberger, Beisitzer: Dr. Andrea Panny) über die Berufung des Herrn X, vertreten durch die X Rechtsanwälte GmbH, W, vom 25. Juli 2011, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 7. Juli 2011, UR96-1-2010, Spruchpunkt 1., wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2012, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in seinem angefochtenen Spruchpunkt 1. aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

 

  II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 7. Juli 2011, UR96-1-2010, wurde in Spruchpunkt 1. über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.1 Z7 iVm § 25 Abs.1 AWG 2002 eine Geldstrafe in der Höhe von 3.630 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 200 Stunden verhängt, weil er es als abfallrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH, welche wiederum unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X GmbH & Co KG mit Sitz in X ist, strafrechtlich zu verantworten hat, dass bei einer für den Zeitraum 01.07.2009 – 30.09.2009 durchgeführten Überprüfung der Sammler- bzw. Behandler-Tätigkeit anhand der im EDM/Bewegungsdatenregister erfassten Begleitscheine festgestellt wurde, dass für die am 21.07.2009 und 01.09.2009 von der Fa. X GmbH & Co KG in X, übernommenen Abfälle der Schlüsselnummer 55503/91, (Lack- und Farbschlamm, verfestigt oder stabilisiert) keine Erlaubnis gemäß § 25 Abs.1 AWG bestand, obwohl es für das Sammeln oder Behandeln gefährlicher Abfälle einer Erlaubnis des Landeshauptmannes bedarf.

 

Weiters wurde dem Bestraften ein Beitrag zu den Kosten des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz in der Höhe von 363 Euro (10 % der zum Spruchpunkt 1. des bekämpften Straferkenntnisses verhängten Strafe) vorgeschrieben.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, im Zuge von Auswertungen von Begleitscheinen sei die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung festgestellt worden. Es bestehe unbestritten keine Genehmigung zur Übernahme von Lack- und Farbschlamm der Spezifizierung 91. Für diese Spezifizierung "verfestigt oder stabilisiert" sei eine Änderung der bestehenden Genehmigung mit Antrag vom 20.01.2010 beantragt worden. Aufgrund der Eingabe des Amtes der Oö. Landesregierung vom 23.12.2009 sei die Übertretung als erwiesen anzusehen, auch im Zusammenwirken mit der Rechtfertigung des Berufungswerbers.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die innerhalb offener Frist durch die X Rechtsanwälte GmbH, X, eingebrachte Berufung vom 25. Juli 2011, mit der beantragt wird, eine mündliche Verhandlung mit Zeugeneinvernahmen durchzuführen und in der Folge das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, in eventu von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG abzusehen, in eventu unter Berücksichtigung des § 20 VStG eine geringere Strafe festzusetzen.

Dies u.a. mit der Begründung, das Unternehmen sei zum Sammeln und Behandeln von Abfällen der Schlüsselnummer 55503 – Lack- und Farbschlamm – berechtigt. Weder der Bescheidspruch noch eine generelle Norm sehen für Abfälle mit der Schlüsselnummer 55503 eine Einschränkung der Erlaubnis auf ausschließlich nicht verfestigte Abfälle vor. Erst seit der ÖNORM S2100 (Ausgabe 1. Juni 2005) seien Schlüsselnummer-Spezifizierungen vorgenommen worden und sei verfestigter Abfall grundsätzlich der Abfallart des ursprünglichen Abfalls zuzuordnen, jedoch als Spezifizierung: "91 verfestigt" anzugeben.

Weiters wird in der Berufung begründend angeführt, dass es sich bei dem von der Firma X GmbH & Co KG übernommenen Lackschlamm um solchen in nicht verfestigter Form gehandelt habe. Auf den Begleitscheinen zu den übernommenen Lackschlämmen sei lediglich irrtümlich die Spezifizierung 91 eingetragen worden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 7. Kammer berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu UR96-1-2010 und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Juli 2012. An dieser Verhandlung haben neben dem Berufungswerber auch sein rechtlicher Vertreter und auch die von ihm namhaft gemachten und beantragte Zeugen, wie 2 Vertreter der Direktion Umwelt- und Wasserwirtschaft des Amtes der Oö. Landesregierung und ein Vertreter des abfallerzeugenden und übergebenden Unternehmens X GmbH & Co KG, teilgenommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Mit Anzeige der Direktion Umwelt- und Wasserwirtschaft, Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht vom 23. Dezember 2009, UR-2006-4684/41-We, wurde der Bezirkshauptmannschaft Gmunden unter Hinweis auf ein Schreiben der Abteilung Umweltschutz des Amtes der Oö. Landesregierung vom
5. November 2009 mitgeteilt, dass vom Zeitraum ab 1. Juli 2009 bis 30. September 2009 neuerlich festgestellt worden sei, dass die X GmbH & Co KG Abfälle ohne Erlaubnis übernommen habe. Es sei der Straftatbestand des § 79 Abs.1 Z7 iVm § 25 Abs.1 AWG 2002 erfüllt.

Dieser Anzeige angeschlossene Begleitscheine vom 21. Juli 2009 und vom
1. September 2009 weisen als Übergeber die X GmbH & Co KG, X, aus. Auf beiden Begleitscheinausdrucken ist als übergebener Abfall Lack- und Farbschlamm, verfestigt oder stabilisiert, in Form der Schlüsselnummer 55503/91, angeführt. Es handelt sich um die Begleitscheine mit den fortlaufenden Nummern 5409 (21. Juli 2009) und 6489 (1. September 2009).

 

Es steht somit zunächst fest, dass es sich bei den im bekämpften Straferkenntnis mit Übernahmedatum 21. Juli 2009 und 1. September 2009 zur Last gelegten Abfallübergaben um Lack- bzw. Farbschlämme der X GmbH & Co KG, X, handelt.

Weiterst steht fest, dass es sich bei diesen, von der X GmbH & Co KG, X, zur Tatzeit an die X GmbH & Co KG übergebenen Abfälle um Lack- und Farbschlämme mit der Schlüsselnummer 55503 handelt, nicht jedoch um verfestigte oder stabilisierte Lack- und Farbschlämme mit der Schlüsselnummer 55503 und der Spezifikation 91.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der glaubwürdigen und nachvollziehbaren zeugenschaftlichen Aussage des Vertreters der X GmbH & Co KG, sowie auch aus den von diesen vorgelegten Unterlagen.

Dieser stellt im Rahmen der Berufungsverhandlung über Befragen ausdrücklich fest, dass bereits seit mehreren Jahren Lack- und Farbschlämme, welche im eigenen Unternehmen anfallen, von der Firma X übernommen und entsorgt werden. Er schließt gleichzeitig die Übergabe bzw. Übernahme von verfestigten oder stabilisierten Schlämmen aus, da im eigenen Unternehmen die Schlämme weder physikalisch noch sonst irgendwie behandelt würden. Wenn in den Begleitscheinen die Spezifizierung 91 angeführt werde, so könne es sich hier nur um eine irrtümliche Anführung oder um eine aufgrund eines Computerfehlers hervorgerufene fälschliche Anführung handeln. Auch die Einsichtnahme in die vom Vertreter der X GmbH & Co KG vorgelegten Abfallwirtschaftskonzepte der Abfallerzeugerin hat ergeben, dass der X GmbH & Co KG ausschließlich Farb- und Lackschlämme, ohne jede Spezifizierung, übergeben werden bzw. wurden.

 

Letztlich unklar blieb der Umstand, dass auf den von der Abteilung Umweltschutz an die Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht übermittelten Begleitscheinausdrucken die Spezifizierung 91 aufschien, wobei in diesem Zusammenhang festzuhalten ist, dass, so auch die Aussage des Vertreters der Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung, weder von der Abteilung Umweltschutz noch von der Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht die tatsächliche Beschaffenheit des Abfalls überprüft werden kann, sondern lediglich der – offensichtlich elektronisch übermittelte – Begleitscheinausdruck der Kontrolle der Abteilung Umweltschutz unterzogen wird.

Die Kontrolle des Abfalls dahingehend, ob es sich tatsächlich um verfestigte oder nicht verfestigte Lack- und Farbschlämme handelt, konnte somit auch von der belangten Strafbehörde erster Instanz nicht mehr durchgeführt werden, sondern wurden die Vorgaben aus der übermittelten Anzeige übernommen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 45 Abs.2 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

 

Der Verhängung eines Straferkenntnisses hat somit die vollständige Feststellung des Sachverhaltes vorauszugehen, um den Tatvorwurf mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit beweisen zu können. Auch unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Schuldvermutung des § 5 Abs.1 VStG im Bereich der Ungehorsamsdelikte hat die Behörde des objektiven Tatbestandes von Amtswegen zu beweisen (Grundsatz der Amtswegigkeit § 39 Abs.2 AVG; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 412 f). Das damit ausgedrückte Offizialprinzip verpflichtet die Behörde, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amtswegen zu erheben und festzustellen. Es ist daher Aufgabe der Behörde, Erhebungen, die zur Klärung des Sachverhalts benötigt werden, durchzuführen. Sie hat weiters die gepflogenen Erhebungen den Beschuldigten in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen, um diesen in die Lage zu versetzen, auf den Tatvorwurf bezogene konkrete Gegenbeweise anbieten zu können.

 

Dem Berufungswerber wird im bekämpften Straferkenntnis angelastet, entgegen der Bestimmung des § 25 Abs.1 AWG 2002 Abfälle übernommen und somit gesammelt zu haben, ohne hiefür die erforderliche Erlaubnis des Landeshauptmannes zu verfügen.

Konkret wird dem Berufungswerber vorgeworfen, am 21. Juli 2009 und am
1. September 2009 von der X GmbH & Co KG, X, verfestigte oder stabilisierte Lack- und Farbschlämme mit der Schlüsselnummer 55503/91 übernommen zu haben.

Das durchgeführte Beweisverfahren hat ergeben, dass es sich bei den zu den Tatzeitpunkten übergebenen Abfällen nicht um verfestigte oder stabilisierte Lack- und Farbschlämme, sondern um unbehandelte Lack- und Farbschlämme mit der Schlüsselnummer 55503 ohne jegliche Spezifizierung, gehandelt hat. Für die Übernahme von Abfällen der Schlüsselnummer 55503 ohne Spezifizierung, somit ohne Verfestigung oder Stabilisierung, besteht jedoch unbestritten eine Erlaubnis der X GmbH & Co KG in X.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass eine Sammlung von gefährlichen Abfällen mit der Schlüsselnummer 55503/91 (Lack- und Farbschlamm, verfestigt oder stabilisiert) zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten nicht stattgefunden hat und somit der Strafvorwurf nicht aufrecht erhalten werden kann.

Viel mehr wird dem Berufungswerber eine – aus welchen Gründen auch immer erfolgte – Übermittlung von zumindest fehlerhaften Daten im elektronischen Begleitschein vorzuhalten sein; dies war jedoch nicht Inhalt des verfahrensgegenständlichen Tatvorwurfs.

In diesem Sinne war der Berufung zu Spruchpunkt 1. des zitierten Straferkenntnis Folge zu geben, das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsverfahren einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen gemäß § 66 VStG jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum