Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531266/2/BMa/BRe VwSen-531267/2/BMa/BRe

Linz, 24.09.2012

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufungen von X, Dr. X, Ing. X, X, X und X gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Grieskirchen vom 7. Mai 2012, UR30-4-2012, mit dem der X GmbH die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines mit einem Zelt überdachten Lagerplatzes zur Lagerung von Rohleder im Anlieferungszustand, verpackt, von  Leergebinden, Paletten, Abfallmaterial und Verpackungsmaterial beim Lederverarbeitungsbetrieb in X, GstNr. X, KG X, sowie für die Ausdehnung der Betriebszeit durch eine Nachtschicht an zwei Tagen in der Woche im Zeitraum von Montag bis Samstag von 22.00 bis 06.00 Uhr, beschränkt bis zum 31.12.2013, erteilt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben; die Angelegenheit wird zur neuerlichen Augenscheinsverhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Gewerbebehörde erster Instanz zurückverwiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 2 ivm. § 67a Abs. 1 AVG


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Bescheid wurde der X GmbH die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb eines mit einem Zelt überdachten Lagerplatzes zur Lagerung von Rohleder im Anlieferungszustand, verpackt, von  Leergebinden, Paletten, Abfallmaterial und Verpackungsmaterial beim Lederverarbeitungsbetrieb in X, GstNr. X, KG X, sowie durch die Ausdehnung der Betriebszeit durch eine Nachtschicht an zwei Tagen in der Woche im Zeitraum von Montag bis Samstag von 22.00 bis 06.00 Uhr beschränkt bis zum 31.12.2013 unter der Maßgabe erteilt, dass die Tore und Fenster während der Nachtstunden geschlossen zu halten sind und die Fenster an der nördlichen Außenseite gekippt werden können.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Berufung der Familien X und X, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wird, die Behörde gestehe in den rechtlichen Ausführungen des bekämpften Bescheides ein, dass sich durch die beantragten Änderungen das Emissionsverhalten des Betriebes ändere, was durch die vermehrten Lagerflächen zum Ausdruck komme. Auch die für die Nachbarn geänderte Geruchs- und Lärmemission werde eingestanden. Der Amtsachverständige schließe in seiner Stellungnahme zusätzliche Geruchswahrnehmungen bei den Nachbarn durch die Erweiterung nicht aus, er meine aber, diese würden mit großer Wahrscheinlichkeit unter den maßgeblichen 10 % der Jahresstunden (nach der Richtlinie des Landes NRW) bleiben. Tatsächlich sei derzeit schon eine Geruchsbelästigung für die Nachbarn rund um die Uhr gegeben, auch in den Nachtstunden würden die Fenster nicht mehr gekippt werden können. Ein Lüften der Erholungs- und Innenräume sei nicht mehr möglich. Es spiele auch eine Rolle, dass das Anwesen der Bw ein solches mit Innenhofcharakteristik sei, wo sich die Luftströme wie in einem Luftsog nach unten in ihre Wohnumgebung ziehen würden und sich die Luftströme auch an Häuserkanten fangen und direkt in ihrer Wohnumgebung wirken würden. Abschließend wurde der Antrag gestellt, die beantragte Änderung nicht zu genehmigen bzw. die Genehmigung dafür zu untersagen.

 

2.1. Die Berufung wurde dem Oö. Verwaltungssenat von der belangten Behörde gemeinsam mit dem bezughabenden Verfahrensakt ohne Abgabe einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen vorgelegt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt erster Instanz zu  UR30-4-2012 sowie in den Genehmigungsbescheid vom 19. April 2012 für die gegenständliche Betriebsanlage einschließlich der zugehörigen Verhandlungsschrift und die Berufung. Da sich bereits aus diesen Unterlagen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 1 AVG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. Der OÖ. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 77 Abs.1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei  Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten  Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 ZI vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gemäß § 77 Abs.2 leg.cit. ist die Zumutbarkeit der Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen, örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 66 Abs.2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde I. Instanz zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

3.2. Die Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung für die Änderung einer Anlage gegeben sind, ob sich somit grundsätzlich vorhandene Emissionen für die bestehende Situation zum Nachteil der Nachbarn belästigend oder gesundheitsgefährdend auswirken, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben.

Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt der Genehmigungswerberin zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlagen als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang in § 77 Abs.2 GewO enthaltenen Tatbestandsmerkmalen auszuüben vermögen (VwGH 25.9.1990, 90/04/0035; 24.11.1992, 92/04/0119).

 

Die belangte Behörde hat es im Rahmen des Ermittlungsverfahrens unterlassen, entsprechende Sachverständigengutachten zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes einzuholen.

 

 

Es finden sich zwar im Ermittlungsverfahren vom Anlagentechniker getätigte Aussagen zur Lärmsituation. Diesen liegen aber keine nachvollziehbaren, konkret erhobenen Werte zugrunde.

Vom Sachverständigen für Luftreinhaltung wird sogar ausgeführt, dass keine Emissionsdaten, insbesondere Geruchsemissionsdaten, vorliegen. Ergänzend wurde angeführt, dass die fachlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung ohne zeitliche Beschränkung nicht gegeben seien. Aus der Sicht der Luftreinhaltung würden für einen bis zum 31.12.2013 befristeten Betrieb an zwei Tagen auch während der Nachtstunden keine Bedenken bestehen.

Nicht nachvollziehbar ist die Aussage, dass ohne Vorliegen konkreter Daten ein befristeter Betrieb der geänderten Anlage unbedenklich sei.

 

Richtigerweise haben die Berufungswerber daher darauf hingewiesen, dass eine Zunahme der Geruchsemissionen vom Sachverständigen nicht ausgeschlossen wurde.

 

Der bekämpfte Genehmigungsbescheid hält zunächst rechtlich würdigend fest, dass schon alleine durch die Ausdehnung der Betriebszeit während der Nachtstunden die betriebliche Leistungskapazität erhöht und dadurch das Emissionsverhalten der Betriebsanlage verändert werde. Das ergebe sich auch aus der beantragten Ausdehnung der betrieblichen Lagerfläche und der dort zusätzlich gelagerten Werkstücke. Dadurch würden die Nachbarn gegenüber den derzeitigen Verhältnissen möglicherweise eine andere Emissionssituation hinsichtlich Lärm und Geruch erfahren, als diese derzeit vorherrschend sei.

Die belangte Behörde nimmt sodann Bezug auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf die Ausführungen des lärm- und lufttechnischen Amtsachverständigen, wonach durch die Ausdehnung der Betriebszeit während zweier Nächte in der Woche und eine zusätzliche Lagerung von Lederstücken in einem Gebäudezelt die örtlichen Verhältnisse im Zeitraum bis zum 31.12.2012 in keiner solchen Weise geändert würden, die die Nachbarn in unzumutbarer Weise beeinträchtigen würden.

 

Die Durchsicht des vorgelegten Aktes hat ergeben, dass als Projektunterlagen zwar Einreichpläne vorliegen, nicht jedoch Unterlagen, aus denen sich Werte hinsichtlich des geänderten Emissionsverhaltens der Betriebsanlage ergeben würden. Dem Betriebsablauf wurde als Beschreibung die Anzeige vom 24.1.2012 zugrunde gelegt. Dieser ist zu entnehmen, dass nicht alle Anlagenteile während der Nachtstunden in Betrieb gehalten werden sollen. Diesbezüglich finden sich in den erstellten gutachtlichen Äußerungen auch keine Differenzierungen.

 

Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates erscheint zur Vervollständigung der notwendigen Ermittlungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Erlassung des Bescheides im Hinblick auf die gemäß § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen die Durchführung einer mündlichen Augenscheinsverhandlung bzw. die Ergänzung der bereits durchgeführten Verhandlung mit Sachverständigenbeweis betreffend die Stichhaltigkeit der geltend gemachten Belästigungen durch die Geruchs- und Lärmemissionen unter Zuziehung der Nachbarn für unvermeidlich im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG und auch – schon im Hinblick auf die örtliche Nähe der belangten Behörde als Genehmigungsbehörde zu dem in Aussicht genommenen Betriebsstandort – als im Interesse der Zeit- und Kostenersparnis gelegen.

 

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag.a Bergmayr-Mann

 

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