Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310454/6/Re/Th

Linz, 04.09.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer (Vorsitzender: Dr. Ewald Langeder, Berichter: Dr. Werner Reichenberger, Beisitzer: Dr. Andrea Panny) über die Berufung des Herrn X, X, vertreten durch die X Rechtsanwälte GmbH, X, vom 25. Juli 2011, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 7. Juli 2011, UR96-11-2010, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2012, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

  II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 7. Juli 2011, UR96-11-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.1 Z7 iVm § 25 Abs.1 AWG 2002 eine Geldstrafe in der Höhe von 3.630 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 200 Stunden verhängt, weil er es als abfallrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH, welche wiederum unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X GmbH & Co KG mit Sitz in X ist, strafrechtlich zu verantworten hat, dass bei einer für den Zeitraum 01.01.2010 bis 31.03.2010 durchgeführten Überprüfung der Sammler- bzw. Behandler-Tätigkeit anhand der im EDM/Bewegungsdatenregister erfassten Begleitscheine festgestellt wurde, dass für die am 21.01., 03.02. und 10.02.2010 von der Fa. X GmbH in X, übernommenen Abfälle der Schlüsselnummer 55503/91, (Lack- und Farbschlamm verfestigt oder stabilisiert) keine Erlaubnis gemäß § 25 Abs.1 AWG bestand, obwohl es für das Sammeln oder Behandeln gefährlicher Abfälle einer Erlaubnis des Landeshauptmannes bedarf.

Weiters wurde dem Bestraften ein Beitrag zu den Kosten des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz in der Höhe von 360 Euro (10 % der verhängten Strafe) vorgeschrieben.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, im Zuge von Auswertungen von Begleitscheinen sei die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung festgestellt worden. Es sei unbestritten, dass die Erlaubnis zur Übernahme von Abfällen der Schlüsselnummer 55503 mit der Spezifizierung 91 vor Genehmigungsumfang des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. Juli 2006 nicht umfasst sei. Hinsichtlich des Vorbringens, dass der von der Firma X stammende Lackschlamm tatsächlich nicht verfestigt gewesen sei, handle es sich offensichtlich um eine reine Schutzbehauptung.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die innerhalb offener Frist durch die X Rechtsanwälte GmbH, X, eingebrachte Berufung vom 25. Juli 2011, mit der beantragt wird, eine mündliche Verhandlung mit Zeugeneinvernahmen durchzuführen und in der Folge das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, in eventu von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG abzusehen, in eventu unter Berücksichtigung des § 20 VStG eine geringere Strafe festzusetzen.

Dies u.a. mit der Begründung, das Unternehmen sei zum Sammeln und Behandeln von Abfällen der Schlüsselnummer 55503 – Lack- und Farbschlamm – berechtigt. Weder der Bescheidspruch noch eine generelle Norm sehen für Abfälle mit der Schlüsselnummer 55503 eine Einschränkung der Erlaubnis auf ausschließlich nicht verfestigte Abfälle vor. Erst seit der ÖNORM S2100 (Ausgabe 1. Juni 2005) seien Schlüsselnummer-Spezifizierungen vorgenommen worden und sei verfestigter Abfall grundsätzlich der Abfallart des ursprünglichen Abfalls zuzuordnen, jedoch als Spezifizierung:  "91 verfestigt" anzugeben.

Weiters wird in der Berufung begründend angeführt, dass es sich bei dem von der Firma X übernommenen Lackschlamm um solchen in nicht verfestigter Form gehandelt habe. Auf den Begleitscheinen zu den übernommenen Lackschlämmen sei lediglich irrtümlich die Spezifizierung 91 eingetragen worden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 7. Kammer berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu UR96-11-2010 und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Juli 2012. An dieser Verhandlung hat neben dem Berufungswerber auch sein rechtlicher Vertreter und auch die von ihm namhaft gemachten und beantragte Zeugen, wie 2 Vertreter der Direktion Umwelt- und Wasserwirtschaft des Amtes der Oö. Landesregierung und Vertreter der abfallerzeugenden und übergebenden Unternehmen X GmbH sowie X GmbH & Co KG, teilgenommen haben.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Mit Anzeige der Direktion Umwelt- und Wasserwirtschaft, Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht vom 20. Mai 2010, UR-2006-4684/58-We, wurde der Bezirkshauptmannschaft Gmunden unter Hinweis auf ein Schreiben der Abteilung Umweltschutz des Amtes der Oö. Landesregierung vom 10. Mai 2010 mitgeteilt, dass vom Zeitraum ab 1. Jänner 2010 bis 31. März 2010 3 Begleitscheine vorliegen, die eine Übernahme der X GmbH & Co KG der Schlüsselnummer 55503-91 ausweisen, obwohl keine Erlaubnis der X GmbH & Co KG für die Sammlung dieser gefährlichen Abfälle im Grunde des § 25 Abs.1 AWG 2002 bestehe.

Die in dieser Anzeige übermittelten Begleitscheine weisen als Übergeber die Firma X GmbH für eine Abfallübergabe am 10. Februar 2010 und am 21. Jänner 2010 sowie die Firma X GmbH& Co KG für eine Abfallübergabe am 3. Februar 2010 auf. Auf allen 3 Begleitscheinausdrucken ist als übergebener Abfall Lack- und Farbschlamm, verfestigt oder stabilisiert, mit der Schlüsselnummer 55503/91, angeführt.

 

Dem Berufungswerber zur Last gelegt wird die Übergabe von Lack- und Farbschlämmen, verfestigt oder stabilisiert, mit der Schlüsselnummer 55503/91, von der Firma X GmbH, X, am 21. Jänner 2010, 3. Februar 2010 und 10. Februar 2010. Diese, dem Berufungswerber mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. August 2010 zur Last gelegten Tatzeitpunkte betreffend Abfallübernahmen von der X GmbH, finden sich auch identisch im letztlich bekämpften Straferkenntnis.

 

Feststeht somit, dass es sich bei den im bekämpften Straferkenntnis mit Übernahmedatum 21. Jänner 2010 und 10. Februar 2010 angeführten Abfällen um Lack- und Farbschlämme der Firma X GmbH in X handelt, und, dass es sich bei den mit Übernahmedatum 3. Februar 2010 übernommenen Abfällen um Lack- und Farbschlämme der Firma X & Co KG, X handelt.

Weiters steht fest, dass sowohl von der X GmbH, X, als auch von der X GmbH & Co KG, X, ausschließlich Lack- und Farbschlämme mit der Schlüsselnummer 55503 übergeben wurden, nicht jedoch verfestigte oder stabilisierte Lack- und Farbschlämme mit der Schlüsselnummer 55503 und der Spezifikation 91.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei, einerseits bereits aus den Unterlagen im erstinstanzlichen Verfahrensakt, andererseits aus den glaubwürdigen, übereinstimmenden und nachvollziehbaren zeugenschaftlichen Aussagen der Vertreter der Firmen X GmbH und X GmbH & Co KG, schließlich auch aus den von diesen im Rahmen der Berufungsverhandlung vorgelegten Unterlagen.

Nach diesen Ermittlungsergebnissen scheidet der Tatvorwurf der Abfallübernahme am 3. Februar 2010 von der X GmbH bereits aus dem Grunde aus, als ein Begleitschein für dieses Datum mit dem Abfallerzeuger X GmbH nicht existiert, somit auch der Anzeige durch die Fachabteilung des Amtes der Landesregierung nicht angeschlossen war.

Für die am 21. Jänner und am 10. Februar 2010 von der X GmbH übernommenen Abfälle ergab das Ermittlungsverfahren zweifelsfrei, dass hier jeweils nicht verfestigte Lack- und Farbschlämme übernommen wurden, dies insbesondere nach den Aussagen und Unterlagen der zeugenschaftlich einvernommenen Vertreterin des Unternehmens. Die Einsichtnahme in die von der Vertreterin der X GmbH mitgebrachten entsprechenden Begleitscheinkopien ergab, dass als Abfallcode jeweils 55503 angeführt ist, und zwar ohne jegliche Spezifizierung. Die Vertreterin verweist ausdrücklich darauf hin, dass im Unternehmen Schlämme nicht verfestigt oder stabilisiert werden. Sie stellt ausdrücklich fest, dass auf ihren Begleitscheinen nirgends die Ziffer 91 als Zeichen der Spezifizierung aufscheint.

 

Letztlich unklar blieb der Umstand, dass einzig und allein auf den von der Abteilung Umweltschutz an die Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht übermittelten Begleitscheinausdrucken die Spezifizierung 91 aufschien, wobei in diesem Zusammenhang festzuhalten ist, dass – so auch die Aussage des Vertreters der Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung – weder von der Abteilung Umweltschutz noch von der Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht die tatsächliche Beschaffenheit des Abfalls überprüft werden kann, sondern lediglich der – offensichtlich elektronisch übermittelte – Begleitscheinausdruck der Kontrolle der Abteilung Umweltschutz unterzogen wird.

Die Kontrolle des Abfalls, ob es sich somit tatsächlich um verfestigte oder nicht verfestigte Lack- und Farbschlämme handelt, konnte somit auch von der belangten Strafbehörde erster Instanz nicht mehr durchgeführt werden, sondern wurden die Vorgaben aus der übermittelten Anzeige übernommen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 45 Abs.2 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

 

Der Verhängung eines Straferkenntnisses hat somit die vollständige Feststellung des Sachverhaltes vorauszugehen, um den Tatvorwurf mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit beweisen zu können. Auch unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Schuldvermutung des § 5 Abs.1 VStG im Bereich der Ungehorsamsdelikte hat die Behörde des objektiven Tatbestandes von Amtswegen zu beweisen (Grundsatz der Amtswegigkeit § 39 Abs.2 AVG; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 412 f). Das damit ausgedrückte Offizialprinzip verpflichtet die Behörde, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amtswegen zu erheben und festzustellen. Es ist daher Aufgabe der Behörde, Erhebungen, die zur Klärung des Sachverhalts benötigt werden, durchzuführen. Sie hat weiters die gepflogenen Erhebungen den Beschuldigten in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen, um diesen in die Lage zu versetzen, auf den Tatvorwurf bezogene konkrete Gegenbeweise anbieten zu können.

 

Dem Berufungswerber wird im bekämpften Straferkenntnis angelastet, entgegen der Bestimmung des § 25 Abs.1 AWG 2002 Abfälle übernommen und somit gesammelt zu haben, ohne hiefür die erforderliche Erlaubnis des Landeshauptmannes zu verfügen.

Dem Berufungswerber wurde vorgeworfen, am 21.01., 03.02. und 10.02.2010 von der X GmbH, X, verfestigte oder stabilisierte Lack- und Farbschlämme mit der Schlüsselnummer 55503/91 übernommen zu haben. Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass von der X GmbH zwar am 21.01.2010 und am 10.02.2010 Abfälle an die X GmbH & Co KG X übergeben wurden, erwiesenermaßen nicht jedoch am 3. Februar 2010. Dies entspricht letztlich auch den von der Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht übermittelten Begleitscheinausdrucken. Der Tatzeitpunkt 3. Februar 2010 war daher bereits aus diesem Grunde für eine Abfallübernahme von der X GmbH nicht weiter  verfolgbar.

Auch für die Tatzeitpunkte 21. Jänner 2010 und 10. Februar 2010 konnte die Tatanlastung letztlich nicht aufrecht erhalten werden, da das durchgeführte Beweisverfahren zweifelsfrei ergeben hat, dass von der X GmbH zu diesen Zeitpunkten ausschließlich Lack- und Farbschlämme, diese jedoch weder verfestigt, noch stabilisiert, übergeben wurden. Für die Übernahme von Abfällen der Schlüsselnummer 55503 ohne jegliche Spezifizierung besteht jedoch unbestritten eine Erlaubnis der X GmbH & Co KG in X zum Sammeln.

Es ist daher davon auszugehen, dass eine Sammlung von gefährlichen Abfällen mit der Schlüsselnummer 55503/91 (Lack- und Farbschlamm, verfestigt oder stabilisiert) zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten nicht stattgefunden hat und somit der Strafvorwurf nicht aufrecht erhalten werden kann.

Viel mehr wird dem Berufungswerber eine – aus welchen Gründen auch immer erfolgte – Übermittlung von zumindest fehlerhaften Daten im elektronischen Begleitschein vorzuhalten sein; dies war jedoch nicht Inhalt des verfahrensgegenständlichen Tatvorwurfs.

In diesem Sinne war der Berufung Folge zu geben, das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsverfahren einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen gemäß § 66 VStG jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Langeder

 

 

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