Linz, 01.10.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des Finanzamtes X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. November 2009, Zl. 0013416/2009 (mitbeteiligte Partei: X), wegen drei Verwaltungsübertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsrecht – ASVG zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene
Straferkenntnis aufgehoben und die Verwaltungsstrafsache an die
Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung weitergeleitet wird.
II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II: § 66 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. November 2009, Zl. 0013416/2009, wurde die mitbeteiligte Partei X wie folgt schuldig erkannt und bestraft:
"I. Tatbeschreibung:
Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma X, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat und somit als nach § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:
Die oa. Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, ab 02.03.2009 07:00 Uhr bis zumindest 03.03.2009 13:30 Uhr (Kontrollzeitpunkt), nachstehend angeführte Personen, als Dienstnehmer, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt von jeweils € 1.800,00 brutto p.M., im Ausmaß von 8 Std. p.T., 5 Tage Woche, auf der Baustelle X, Neubau Reihenhausanlage, als Arbeiter (Anbringen von Wärmedämmung an der Außenmauer) beschäftigt.
1. X
2. X
3. X
Obwohl diese Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken- Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert sind, wurde hierüber eine, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete, Meldung, bei der OÖ. Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger, nicht vor Aufnahme der Tätigkeit, erstattet.
Die gegenständliche Firma hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.
II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:
§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG
... "
Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde über die mitbeteiligte Partei eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 154 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 100 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.
In der Begründung führte die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass die der mitbeteiligten Partei angelastete Tat von einem Organ des Finanzamtes X, bei einer Kontrolle am 3. März 2009 festgestellt worden sei.
Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Juli 2009, welche ordnungsgemäß am 8. Juli 2009 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, sei gegen die mitbeteiligte Partei das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. Da die mitbeteiligte Partei binnen der gesetzten Frist darauf nicht reagiert habe, sei das Strafverfahren ohne ihre Anhörung durchgeführt worden.
Für die erkennende Behörde sei daher der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen.
Nach Darstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, dass der gegenständliche Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung somit in objektiver Hinsicht erfüllt sei.
Zum Verschulden führte die belangte Behörde aus, dass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge und es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsamkeitsdelikt gehandelt habe. Nachdem sich die mitbeteiligte Partei zum Tatvorwurf nicht geäußert habe, habe ihr Verschulden nicht entkräftet werden können, weshalb die gegenständliche Verwaltungsübertretung auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit erwiesen sei.
Im Zuge der Strafbemessung sei die Anzahl der ungemeldeten Beschäftigten als erschwerend, die bisherige Unbescholtenheit der mitbeteiligten Partei hingegen als mildernd zu werten gewesen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.
2.1. Gegen dieses am 12. November 2009 zugestellte Straferkenntnis erhob die Amtspartei rechtzeitig Berufung.
Darin wurde vorgebracht, dass über die mitbeteiligte Partei im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nur eine Gesamtstrafe verhängt worden sei, obwohl bei dieser Kontrolle drei unangemeldete Arbeitnehmer angetroffen worden seien, weshalb im gegenständlichen Fall tatsächlich drei gesondert zu ahndende Delikte vorlägen. In diesem Zusammenhang verwies die Amtspartei auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nämlich auf die VwGH-Entscheidungen vom 26. November 2008, Zl. 2005/08/0144, und vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0270.
2.2. Der mitbeteiligten Partei wurde das Straferkenntnis am 13. November 2009 zugestellt. Sie hat dagegen kein Rechtsmittel ergriffen.
3.1. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt, hat mit Vorlageschreiben vom 20. November 2009 die Berufung der Amtspartei dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unter Anschluss eines vollständigen Ausdruckes ihres elektronisch geführten Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.
3.2. Mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 22. Jänner 2010, VwSen-252309/2/Sr/Mu/La, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, als im Spruch das Wort "zumindest" zu entfallen habe.
3.3. Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Juli 2012, Zl. 2010/08/0056, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof dazu aus, dass im Beschwerdefall über den Mitbeteiligten insgesamt drei Verwaltungsstrafen wegen Übertretung des § 111 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG in drei Fällen – und nicht bloß eine Strafe – zu verhängen gewesen wären.
4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Da sich bereits aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 Verwaltungsstrafgesetz (in der Folge: VStG) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
4.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen, da in der angefochtenen Entscheidung weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine € 2000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (§ 51c VStG).
5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:
erlassenen Sammelnovelle, die am 30. Dezember 2009 im Bundesgesetzblatt
kundgemacht wurde, in das ASVG eingefügt. Während darin hinsichtlich der
Novellierungen der übrigen Gesetzeskomplexe (nämlich: des
Arbeitsinspektionsgesetzes, des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes und
des Bundesgesetzes über die Verkehrs-Arbeitsinspektion) jeweils im Wege einer
expliziten Inkrafttretensbestimmung der 1. Jänner 2010 als Zeitpunkt des
Wirksamkeitsbeginnes angeordnet wird (vgl. Art. 1 Z. 7, Art. 2 Z. 2 und Art. 4 Z.
2 BGBl. Nr. I 150/2009), findet sich dem gegenüber für das ASVG nichts
Vergleichbares. Daraus folgt wiederum, dass § 111 Abs. 5 ASVG nach der
allgemeinen Anordnung des Art. 49 Abs. 1 B-VG bereits einen Tag früher,
nämlich am 31. Dezember 2009, in Kraft getreten ist.
(explizit oder stillschweigend) abweichende gesetzliche Anordnungen nicht
konstatierbar sind - auch für alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits
anhängigen, d.h., entweder von der 1. Instanz oder von einer
Rechtsmittelbehörde noch nicht entschiedenen Verfahren maßgeblich sind, weil
jede Behörde ganz allgemein jene Rechtslage anzuwenden hat, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung in Geltung steht.
öffentlichen Rechts gilt allerdings in diesem Zusammenhang hinsichtlich
Zuständigkeitsvorschriften jedenfalls im
Für die unter dem Aspekt des (verfassungs-)gesetzlich gewährleisteten Rechts
auf den gesetzlichen Richter maßgebliche und in jeder Lage des Verfahrens von
Amts wegen zu prüfende Frage der gesetzlichen Zuständigkeit einer Behörde zur
Erlassung eines Bescheides ist zwar auch - wenn nicht ausdrücklich anderes
bestimmt ist - jene Rechtslage maßgebend, die zu diesem Zeitpunkt in Geltung
steht (bzw. stand; vgl. die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf,
österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Wien 2004, S. 94, Nr. 13a).
werden
Neuregelung verwirklicht wurden, vom Anwendungsbereich des § 111 Abs. 5
ASVG erfasst. Die neue Bestimmung gilt somit auch für alle zum Zeitpunkt ihres
In-Kraft-Tretens schon anhängigen (offenen) Verfahren". Vom Effekt her
besehen kommt ihr damit in einem gewissen Umfang ein auch rückwirkender
Charakter
Grundgedanke zum Ausdruck gebracht, dass der Materiengesetzgeber die zuvor
dargestellte allgemein maßgebliche Lösungsvariante auch im hier vorliegenden
Fall angewendet wissen will: Denn (1.) aus den Äußerungen des
(2.) aus dem Umstand, dass diese Novelle
31. Dezember 2009 zur Verfolgung jener dem Bw angelasteten Übertretung eben
nicht mehr der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz, sondern vielmehr der
Bezirkshauptmann des Bezirks Urfahr-Umgebung örtlich zuständig war.
§ 66 Abs. 4 AVG in diesem Umfang stattzugeben.
6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Christian Stierschneider