Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310451/2/Re/Th

Linz, 08.10.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des X, vertreten durch die X Rechtsanwälte GmbH, X, vom 25. Juli 2011, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 7. Juli 2011, UR96-18-2010, betreffend eine Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

  II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 7. Juli 2011, UR96-18-2010, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 50 Stunden verhängt.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in der Höhe von 50 Euro
(10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben es als abfallrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH, welche wiederum die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X GmbH & Co KG mit Sitz in X ist, strafrechtlich zu verantworten, dass bei einer am 16.11.2009 im Standort X, durchgeführten Überprüfung gemäß § 75 AWG 2002 festgestellt wurde, dass die Aufzeichnungen nicht fortlaufend geführt wurden, obwohl Abfallbesitzer (Abfallerzeuger, -sammler und –behandler) getrennt für jedes Kalenderjahr fortlaufende Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft und Verbleib von Abfällen zu führen haben.

 

Laut Auswertung der übermittelten Begleitscheine stimmten Input und Output der übernommenen gefährlichen Abfälle nicht überein. Auch nach Ihrer Überarbeitung der Liste, die aufgrund der Auswertung der Begleitscheine erstellt und Ihnen übergeben wurde, ist der Verbleib der übernommenen Abfälle nicht plausibel erklärbar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 79 Abs. 3 Z. 1 Abfallwirtschaftsgesetz - AWG, BGBl. Nr. 102/2002 idF 115/2009"

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber (Bw), vertreten durch die X Rechtsanwälte GmbH, X, mit Schriftsatz vom 25. Juli 2011 innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Begründend wird in dieser Berufung vorgebracht, es sei festgestellt worden, dass die Aufzeichnungen nicht fortlaufend geführt worden wären, obwohl die Aufzeichnungen der Input- und Outputmengen entgegen der Ansicht der Behörde durchlaufend und korrekt geführt worden seien. Der Berufungswerber sei aufgefordert worden, sich zu den Input- und Outputmengen zu äußern, da diese nach Ansicht der Behörde nicht übereinstimmen würden. Die Einvernahme der im Verfahren beantragten Zeugen sei von der belangten Behörde nicht durchgeführt worden. Der Behörde sei eine überarbeitete Liste und Aufstellung von Input- und Outputmengen zugekommen. Weiters hätten Besprechungen mit der für die Anlage zuständigen Abfallbehörde in Linz stattgefunden; dabei sei dargetan worden, dass es sich bei der gegenständlichen Abfallbehandlungsanlage um eine komplexe Anlage handle, in der Abfälle mit zahlreichen Zwischenschritten behandelt würden, was bei einer Anlage, an und in der mehrere 100 unterschiedliche Abfälle behandelt werden, auch nicht verwunderlich sei. Am Ende des Behandlungsprozesses könnten daher alleine bereits denklogisch nicht wieder die gleichen Abfälle bestehen, die zur Behandlung in die Anlagen übernommen worden seien. Der Umstand, dass für die ASV Dipl.-Ing. X die Input- und Outputmengen "kaum noch nachvollziehbar" gewesen seien, zeige, dass die Aufzeichnungen von der ASV letztlich doch nachvollzogen werden konnten und nachvollzogen worden seien. Die Behörde habe nicht berücksichtigt, dass die angelieferten Abfälle teilweise behandelt und teilweise ausgestuft wurden, wozu X berechtigt sei. Aus diesen Behandlungsschritten bzw. Ausstufungen könnten sich Unterschiede zwischen Input- und Outputmengen ergeben. Ein tatbildmäßiges Verhalten sei dem Berufungswerber nicht nachgewiesen worden und läge auch nicht vor. Der Gesetzeswortlaut verlange, Aufzeichnungen zu führen und pönalisiere das Nichtführen von Aufzeichnungen. Tatsächlich würden alle Aufzeichnungen elektronisch und auch in Papierform geführt und Begleitscheine seit Jahren der Behörde zur Verfügung gestellt. Dem Berufungswerber könne nicht zur Last gelegt werden, dass die Abfall Input- und Outputströme von der ASV "kaum" nachvollzogen werden konnten, weil sie die Behandlung bzw. Ausstufung von Abfällen nicht berücksichtig habe. Die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit der vorgebrachten Sachlage auseinandergesetzt, nämlich, dass bei X Abfälle erlaubter Weise auch behandelt bzw. ausgestuft würden, weshalb es zu Differenzen zwischen den Input- und Outputmengen kommen könne. Vorbringen des Berufungswerber sowie Beweisanträge seien schlicht ignoriert worden, dies ohne weitere Begründung.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt samt Berufung zur Berufungsentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, dessen Zuständigkeit gegeben ist.

 

Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zuständig.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und so weit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß § 26 Abs.3 AWG 2002 ist der abfallrechtliche Geschäftsführer verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG und für die fachlich einwandfreie Ausübung der Tätigkeit gemäß Abs.1 und die Einhaltung der diesbezüglichen abfallrechtlichen Vorschriften verantwortlich.

 

Fest steht, dass der Berufungswerber im Zeitraum des durchgeführten Strafverfahrens abfallrechtlicher Geschäftsführer der X GmbH & Co KG im Sinne des § 26 AWG war.

 

Gemäß § 79 Abs.3 Z1 AWG 2002 begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.910 Euro zu bestrafen ist, wer entgegen § 17 Abs.1 den Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Vorlage- oder Melde-, Auskunfts- oder Einsichtspflichten oder Registrierungs-, Mitwirkungs-, Mitteilungs- oder Berichtigungspflichten nicht nachkommt.

 

Gemäß § 17 Abs.1 leg.cit haben Abfallbesitzer (Abfallersterzeuger, -sammler und –behandler) getrennt für jedes Kalenderjahr, fortlaufende Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft und Verbleib von Abfällen zu führen. Bilanzpflichtige Abfallsammler und –behandler haben auch den Branchencode des Übergebers der Abfälle aufzuzeichnen; dies gilt nicht für vereinfachte Aufzeichnungen gemäß einer Verordnung nach § 23 Abs.3. Abfallsammler und –behandler haben diese Aufzeichnungen nach Maßgabe einer Verordnung gemäß § 23 Abs.3 elektronisch zu führen. Für Transporteure gilt die Aufzeichnungspflicht mit Sammlung und Aufbewahrung der Begleitscheine gemäß § 18 Abs.1 oder mit der Übermittlung der Begleitscheindaten durch den Übernehmer an das Register gemäß § 22 Abs.1 als erfüllt.

 

5.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderen die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Danach ist es im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täter und Tatumstände so genau zu umschreiben, dass zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und zum anderen die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 13.6.1984, Slg. Nr.11466/A, sowie VwGH 13.9.1999, 98/09/0084).

Demnach sind zum einen entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Zum anderen nämlich in Bezug auf das unverwechselbare Festhalten der Identität der Tat, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Das bedeutet, dass die den Beschuldigten vorgeworfene Tat unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren.

 

Bezogen auf die dem Bestraften zur Last gelegte Tatzeit bedeutet dies, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechterheblichen Merkmalen nach Wort und Zeit konkretisiert umschrieben werden muss.

 

Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren wurde dem Berufungswerber das nicht fortlaufende Führen von Aufzeichnungen zunächst mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. Juli 2010, UR96-18-2010 zur Last gelegt. Auch diese Aufforderung zur Rechtfertigung bezieht sich lediglich auf eine am 16. November 2009 im Standort X, durchgeführten Überprüfung, im Rahmen welcher festgestellt worden sei, dass die Aufzeichnungen nicht fortlaufend geführt worden seien, obwohl Abfallbesitzer, getrennt für jedes Kalenderjahr, fortlaufende Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft und Verbleib von Abfällen zu führen haben. Konkretisierend wird lediglich ausgeführt, dass laut Auswertung der übermittelten Begleitscheine Input und Output der übernommenen gefährlichen Abfälle nicht übereinstimmen. Der Verbleib übernommener Abfälle sei nicht plausibel erklärbar.

Weder in dieser Aufforderung zur Rechtfertigung, noch im schließlich am 7. Juli 2011 ergangenen und nunmehr angefochtenen Straferkenntnis UR96-18-2010, ist in irgendeiner Art und Weise eine Konkretisierung des zur Last gelegten Verhaltens im Hinblick auf Tatzeit bzw. Tatzeitraum zu entnehmen. Allein das Datum der durchgeführten Überprüfung durch ein Organ der Fachabteilung des Amtes der Oö. Landesregierung kann diese Konkretisierungen jedoch nicht ersetzen. Diese Überprüfung hat im Jahre 2009 stattgefunden, die Verfolgungshandlungen der Strafbehörde beinhalten jedoch keine Hinweise auf den der Prüfung zugrunde gelegten Zeitraum bzw. irgendwelche Datumsangaben von einzelnen, als unrichtig, fehlend oder sonst auffälligen Begleitscheinen.

 

Die der Verwaltungsübertretung zugrunde liegende Bestimmung des § 17 Abs.1 AWG verlangt ausdrücklich die fortlaufende Aufzeichnung über Art, Menge, Herkunft und Verbleib von Abfällen, getrennt für jedes Kalenderjahr. Im Strafverfahren ist jedoch auch das Kalenderjahr der zur Last gelegten, nicht fortlaufend geführten Aufzeichnungen nicht konkretisiert. Diese, im Sinne des
§ 44a Abs.1 VStG jedoch zwingend erforderliche Konkretisierung der Tatzeit ist dem Spruch des Straferkenntnis jedenfalls nicht mit ausreichend konkreter Art und Weise zu entnehmen, weshalb davon auszugehen ist, dass die gegenständliche Verwaltungsübertretung jedenfalls nicht so weit konkretisiert ist, um den Berufungswerber in die Lage zu versetzen, den konkreten Tatvorwurf zu widerlegen.

 

 

 

Der Spruch des Straferkenntnisses entspricht somit nicht den oben dargelegten Erfordernissen des § 44a VStG. Festzuhalten ist dazu auch, dass es dem Unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund der bereits bei Vorlage der Berufung eingetreten gewesenen Verfolgungsverjährung nicht möglich war, Konkretisierungen oder Ergänzungen im Spruch vorzunehmen.

 

Es war daher insgesamt aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Reichenberger

 

 

 

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