Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101261/15/Sch/Rd

Linz, 24.01.1994

VwSen-101261/15/Sch/Rd Linz, am 24. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung der R, vertreten durch Dr. Klaus F, Rechtsanwalt in L, vom 20. April 1993 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 1. April 1993, VU/P/3926/91R, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 200 S (20% der verhängten Geldstrafe) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 1. April 1993, VU/P3926/91R, über Frau Renate M, P, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden verhängt, weil sie es am 19. September 1991 um ca. 16.00 Uhr in L, auf dem Radweg entlang des Hochwasserdammes im Stadtgebiet U, Höhe Autobahnkilometer 14,00 (A7), als Lenkerin eines Fahrrades nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, unterlassen habe, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, in dem sie, obwohl es sich um einen Verkehrsunfall mit Personenschaden handelte, bei dem es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes (gemeint wohl: des Sachverhaltes) durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu kommen habe, die Verkehrsunfallstelle vor der amtlichen Aufnahme mit ihrem Fahrrad verlassen habe, obwohl vom zweitbeteiligten Radfahrer die Aufnahme des Sachverhaltes durch die Polizei verlangt worden sei.

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 100 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Parteien gemäß § 51e Abs.3 VStG ausdrücklich verzichtet, seitens der Berufungswerberin mit der Einschränkung, daß dieser Verzicht nur dann gelte, wenn eine allfällige Zeugeneinvernahme des G im Rahmen einer Berufungsverhandlung erfolgen würde. Eine solche Einvernahme wurde von der Berufungswerberin jedoch nicht beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Eingangs wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen.

Zum Berufungsvorbringen ist im einzelnen nachstehendes auszuführen:

Die Behauptung der Berufungswerberin, ihr Verhalten am Unfallort sei nicht ursächlich für das Zustandekommen des Verkehrsunfalles gewesen, kann nicht nachvollzogen werden.

Zur Beantwortung der Frage, ob das Verhalten einer Person am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht oder nicht ist entscheidend, ob das Verhalten dieser Person örtlich und zeitlich unmittelbare Bedingung (conditio sine qua non) für das Entstehen des Verkehrsunfalles ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ihr Tun oder Unterlassen rechtswidrig und schuldhaft ist (VwGH 24.3.1971, 1108/70).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies - und hier schließt sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich den Ausführungen im Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 9. November 1992, GZ: 23C 2545/91-Y/27, bzw. des Landesgerichtes Linz vom 10. Februar 1993, GZ: 23C 2545/91-Y/33, an -, daß nämlich von einem, wenn auch möglicherweise geringfügigen, Auslenken der Berufungswerberin mit ihrem Fahrrad nach links auszugehen war. Solche Lenkbewegungen müssen keinesfalls einen Regelverstoß darstellen, vielmehr sind sie, zumindest in einem gewissen Ausmaß, beim Lenken eines Fahrrades unvermeidlich. Die Kausalität dieses Vorganges für den stattgefundenen Verkehrsunfall kann jedoch nicht bestritten werden. Damit ist nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich die Berufungswerberin als Unfallbeteiligte anzusehen, auch wenn ihr in den abgeführten Gerichtsverfahren kein Mitverschulden angelastet wurde.

Auf die Frage, ob beim gegenständlichen Verkehrsunfall Personenschaden entstanden ist, braucht in Anbetracht der entsprechenden Zeugenaussagen nicht näher eingegangen zu werden, sodaß sich letztlich als entscheidungsrelevant die Frage stellt, ob und aufgrund welchen Verhaltens des Zeugen H die Berufungswerberin allenfalls berechtigt war, davon auszugehen, daß eine amtliche Sachverhaltsfeststellung nicht mehr stattfinden würde. Vom Zeugen Gerhard H wurde in der von der Erstbehörde aufgenommenen Niederschrift vom 3. September 1992 dezidiert behauptet, die Berufungswerberin sei von ihm aufgefordert worden, bis zum Eintreffen der Polizei am Unfallort zu verbleiben. Es sei ihm nämlich vom Gatten der Berufungswerberin lediglich "etwas auf einen Zettel geschrieben" worden, das Verlangen nach Aushändigung des Reisepasses der Berufungswerberin zur Überprüfung der Daten sei ihm aber verweigert worden.

Der Gatte der Berufungswerberin gab anläßlich der von der Verkehrsunfallabteilung der Bundespolizeidirektion Linz am 19. September 1991 aufgenommenen Niederschrift an, daß der zweitbeteiligte Radfahrer angegeben habe, die Polizei zu verständigen und zu diesem Zweck in dieselbe Richtung wie die Radfahrergruppe weitergefahren sei. Auch die am selben Tag polizeilich einvernommene Margret G gab diesbezüglich an, der zweitbeteiligte Radfahrer habe die Adressen des Ehepaares M verlangt, ansonsten würde er die Polizei verständigen. Er sei aufgefordert worden, doch die Polizei zu holen. Hierauf sei er mit seinem Fahrrad weggefahren und habe die Polizei verständigt.

Zu der von der Erstbehörde erstmals über ein Jahr nach dem Vorfall den Zeugen im Rechtshilfewege gestellten Frage, ob allenfalls ein Treffpunkt zwischen den Unfallbeteiligten zum Zwecke der amtlichen Sachverhaltsaufnahme vereinbart worden sei, ist zu bemerken, daß den diesbezüglichen Aussagen im Hinblick auf den relativ großen Zeitraum, der seit dem Vorfall verstrichen ist, nur sehr geringe Bedeutung zukommen kann. Überdies gehen die Aussagen in diesem Punkt diametral auseinander.

In diesem Zusammenhang muß im übrigen zu den weiteren in späterer zeitlicher Folge von den einvernommenen Zeugen getätigten Aussagen bemerkt werden, daß sie unter dem Lichte zu betrachten sind, daß Angaben, die relativ kurz nach einem Vorfall gemacht werden, nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als solchen nach einem längeren Zeitraum. Divergierende Angaben eines Zeugen zwischen einer Aussage kurz nach einem Verkehrsunfall und längere Zeit danach müssen nicht die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen in Frage stellen, unter Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung muß aber den Angaben im kürzeren Zusammenhang zum Vorfall der Vorzug gegeben werden. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß nach der Beweislage einerseits ein Identitätsnachweis zwischen den unfallbeteiligten Personen nicht stattgefunden hat. Ein solcher würde nämlich den gegenseitigen Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten voraussetzen. Das für den anderen unfallbeteiligten unüberprüfbare Angeben der persönlichen Daten einer Person genügt hiefür jedenfalls nicht.

Weiters ist zu bemerken, daß der Umstand, daß sich der Zeuge H nach dem Verkehrsunfall und dem entsprechenden Gespräch mit der Berufungswerberin bzw. der Radfahrergruppe von der Unfallstelle entfernt hat, keinesfalls so ausgelegt werden konnte, daß für ihn nun die Angelegenheit erledigt sei. Der Zeuge hat nach der Aktenlage zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß er eine Unfallaufnahme durch die Polizei wünsche. Hieraus ergab sich für die Berufungswerberin die Verpflichtung, am Unfallort zu verweilen und das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Dazu ist ergänzend zu bemerken, daß sich im Unfallstellenbereich keine Fernsprechmöglichkeit befindet, sodaß dem Zeugen H letztlich gar nichts anderes übrig geblieben ist, als durch Wegfahren von der Unfallstelle die nächstgelegene Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen.

Desweiteren spricht für den Zeugen, daß, nachdem ein Identitätsnachweis ganz offensichtlich nicht erfolgt ist, er ein Interesse hatte, daß, nachdem er sich am Unfall schuldlos fühlte, dieser amtlich aufgenommen würde. Gerade bei unfallbeteiligten Radfahrern, noch dazu wenn diese im Bundesgebiet keinen Wohnsitz haben, kann, sofern kein Identitätsnachweis erfolgt ist, die Ausforschung einer solchen Person mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden bzw. kann sie gänzlich unmöglich sein.

Schließlich wird noch auf die entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage hingewiesen, welcher in seinem Erkenntnis vom 13.10.1976, 1579/75, ausgesprochen hat:

Auch ein stattgefundener Identitätsnachweis entbindet die Unfallbeteiligten dann nicht von der Pflicht zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung, wenn ein Unfallbeteiligter in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt.

Abgesehen davon, daß im konkreten Fall von einem Identitätsnachweis ohnedies nicht auszugehen war, muß nach dem vorliegenden Beweisergebnis das Verlangen des Zeugen H nach Verständigung der Polizei als hinreichend klar angenommen werden.

Wenn die Berufungswerberin vermeint, ihr sei als deutsche Staatsbürgerin die Kenntnis der einschlägigen österreichischen Verkehrsvorschriften nicht zuzumuten, so ist dem entgegenzuhalten, daß von jeder Person, die am Straßenverkehr teilnimmt, die Kenntnis der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen erwartet werden muß.

Abgesehen davon wurde sie laut Ergebnis des erstbehördlichen bzw. des Berufungsverfahrens vom Zeugen H - dieser ist Polizeibeamter beim Verkehrsunfallkommando der Bundespolizeidirektion Linz - auf die entsprechenden Pflichten als Unfallbeteiligte hingewiesen.

Zur Strafzumessung ist folgendes zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Übertretungen des § 4 StVO 1960 gehören zu den gravierendsten Verstößen gegen die verkehrsrechtlichen Vorschriften. Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 liegt nicht primär darin, gleich das Verschulden an einem Verkehrsunfall zu klären, vielmehr sollen einerseits einem Unfallgeschädigten langwierige Nachforschungen nach dem (den) anderen Unfallbeteiligten erspart werden und andererseits soll den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine geordnete Sachverhaltsfeststellung ermöglicht werden.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 beträgt der Strafrahmen für Übertretungen des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 von 500 S bis 30.000 S. Die von der Erstbehörde festgesetzte Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S kann daher als im untersten Bereich des Strafrahmens gelegen angesehen werden.

Erschwerungsgründe lagen nicht vor. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit wurde bereits von der Erstbehörde berücksichtigt. Den aktenkundigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen der Berufungswerberin wurde in der Berufung nicht entgegengetreten, sodaß sie auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt werden konnten. Die Höhe der verhängten Geldstrafe läßt von vornherein erwarten, daß die Berufungswerberin zur Bezahlung derselben ohne Beeinträchtigung ihrer Lebensführung in der Lage sein wird.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den Oö. Verwaltungssenat:

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