Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550611/4/Kü/Rd/Ba

Linz, 08.11.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Thomas Kühberger über den Antrag der S S A. K L. GmbH, vertreten durch P V & Partner Rechtsanwälte GmbH, C, R, vom 5. November 2012 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren des S Sch betreffend das Vorhaben "Objektreinigung Bezirksalten- und Pflegeheim E", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und dem Auftraggeber S Sch die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis  5. Jänner 2013, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 68/2010.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 2. November 2012, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 5. November 2012, hat die S S A. K L. GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlags­entscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Auftrag­geber die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungs­verfahren und die Fortführung des Vergabeverfahrens, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 1.200 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Ausschreibung des Vergabeverfahrens als offenes Verfahren im Unterschwellen­bereich durchgeführt werde und der Zuschlag nach dem Bestbieterprinzip erfolge. Als Ende der Angebotsfrist wurde der 26. September 2012, 15.00 Uhr, festgelegt und erfolgte die Angebotsöffnung um 15.15 Uhr. Die Antragstellerin habe fristgerecht ein Angebot gelegt. Mit Schreiben der ausschreibenden Stelle vom 29. Oktober 2012 sei die Zuschlagsentscheidung bekanntgegeben worden, wonach beabsichtigt sei, den Zuschlag der Firma G W. F GmbH, mit einer Gesamtvergabesumme von 129.543 Euro, zu erteilen. Die Antragstellerin sei als zweitbeste Bieterin gereiht worden.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines rechtmäßigen Vergabeverfahrens und auf ordnungsgemäße Anwendung der Bestimmungen des BVergG 2006, insbesondere der Bestimmung des § 19 BVergG 2006 sowie in ihrem Recht auf eine ordnungsgemäße Prüfung und Bewertung der Angebote, insbesondere auf eine vergaberechtskonforme Best­bietermittlung, verletzt.

 

Weiters wurde vorgebracht, dass mit der Zuschlagsentscheidung vom 29. Oktober 2012 die G W. F GmbH als Bestbieterin mit einer Gesamtvergabesumme in Höhe von 129.543 Euro bekannt gegeben worden sei. Diese der Zuschlagsentscheidung zugrunde liegende Gesamtvergabesumme von 129.543 Euro sei jedoch bei der Angebotsöffnung vom 26. September 2012 nicht verlesen worden. Aus dem Angebot der präsumtiven Zuschlags­empfängerin sei  hingegen eine Gesamtvergabesumme von 10.604,81 Euro verlesen worden.

Nach der ständigen Judikatur der Vergabekontrollbehörden dürfe ein bei der Angebotsöffnung nicht verlesener Preis bei der Angebotsbewertung nicht berücksichtigt werden.  Das Angebot sei nicht zuschlagsfähig. Die nachträgliche Änderung der Gesamtvergabesumme bei der Bestbieterermittlung und in der Zuschlagsentscheidung von (verlesen) 10.604,81 Euro auf (nicht verlesen) 129.543 Euro sei demnach unzulässig, zumal auch nachträglich jener Gesamtpreis geändert worden sei, zu welchem die präsumtive Zuschlags­empfängerin in Punkt 0.6 der Ausschreibungsunterlagen das Angebot rechts­gültig unterfertig habe. Die verlesene Gesamtvergabesumme von 10.604,81 Euro stelle selbstredend auch keinen angemessenen Preis iSd § 19 Abs.1 BVergG 2006 dar, weshalb das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin an einem unbehebbaren Mangel leide und auszuscheiden sei.

 

Selbst wenn es sich bei der Gesamtvergabesumme von 10.604,81 um einen irrtümlich unter Punkt 0.6 der Ausschreibungsunterlage erklärten Gesamtpreis handle, welcher verlesen und rechtsgültig unterfertigt worden sei, so könne der Umstand, dass sich allenfalls eine andere Gesamtvergabesumme aus den Angebotsunterlagen, welche jedoch nicht verlesen wurden, errechnen lasse, an der Unzulässigkeit der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung nichts ändern. Eine Behebung eines derartigen Widerspruches aus Irrtum sei unzulässig. Auf nicht verlesene Preise dürfe kein Zuschlag erteilt werden. Der Auftraggeber halte in seinen Ausschreibungsunterlagen unter Punkt 1.14 auch selbst fest, dass rechnerisch fehlerhafte Angebote nicht weiter berücksichtigt würden, wenn die Summe aller Berichtigungen 2% oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises ohne Umsatzsteuer betrage. Die Differenz der verlesenen Gesamtvergabesumme von 10.604,81 Euro zur nicht verlesenen Gesamtvergabesumme von 129.543 Euro betrage dabei mehr als 2%.

Vom Auftraggeber sei weiters in Punkt 1.15 festgehalten worden, dass jeder Bieter verpflichtet sei, ihm erkennbare Mängel bei der Verlesung der ihn betreffenden Angebotsteile unverzüglich zu rügen. Der anwesende Vertreter der präsumtiven Zuschlagsempfängerin habe die Verlesung der Gesamtvergabesumme in Höhe von 10.604,81 Euro im Rahmen der Angebotsöffnung nicht gerügt.

Die Verlesung der unangemessenen Gesamtvergabesumme von 10.604,81 Euro sei daher der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zuzurechnen und könne sie daraus keine Rechtsfolgen zu ihren Gunsten ableiten, weshalb das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auch aus diesem Grund auszuscheiden und der Zuschlag der Antragstellerin zu erteilen sei.

 

Der Auftraggeber habe im Rahmen der Angebotsöffnung nachstehende Positionen verlesen:

1.      Gesamtvergabesumme (Gesamtpreis)

2.      Angebotssumme Unterhaltsreinigung

3.      Angebotssumme Zimmerendreinigung

4.      Angebotssumme Glas- und Fensterreinigung

 

Nach Punkt 1.15 der Ausschreibungsunterlagen würde neben Namen und Geschäftssitz des Bieters lediglich der Angebotspreis exkl. USt sowie wesentliche Vorbehalte und Erklärungen der Bieter verlesen.

 

Nach der taxativen Aufzählung in § 118 BVergG 2006 sei zunächst der Gesamtpreis zu verlesen. Darüber hinausgehende Daten seien nur zu verlesen, wenn es sich um wesentliche Erklärungen des Bieters handle, oder dies in den Ausschreibungsunterlagen angekündigt worden sei.

 

Unabhängig davon, ob man zu dem Ergebnis gelange, dass es sich bei den – über die Gesamtvergabesumme (Punkt 1.) hinausgehende – verlesene Angebotssummen für Unterhaltsreinigung, Zimmerendreinigung und Glas- und Fensterreinigung, um wesentliche Erklärungen der Bieter handle oder nicht, so sei die Angebotsöffnung dennoch rechtswidrig erfolgt. Die Nichteinhaltung der Bestimmung über die Öffnung des Angebots stelle einen besonders schwerwiegenden Verstoß dar.

 

Gehe man davon aus, dass es sich bei den (ebenfalls verlesenen) Angebotssummen für Unterhaltsreinigung, Zimmerendreinigung und Glas- und Fensterreinigung um wesentliche Erklärungen der Bieter iSd § 118 BVergG 2006 handle, da diese bei der Beurteilung der Kriterien 1 bis 9 im Rahmen der Angebotsbewertungen herangezogen würden (etwa bei Kriterium 5 (Angebots­summe Glas- und Fensterreinigung) oder Kriterium 9 (Angebotssumme Zimmerendreinigung), so seien in diesem Fall die weiteren im Rahmen der Angebotsbewertung ebenfalls herangezogenen Angebotspreise aus dem Angebotsblatt der Bieter (Beilage 9) gerade nicht verlesen worden: etwa Angebotspreis Grundreinigung Linol (Kriterium 6), Angebotspreis Grundreinigung (Kriterium 7) und Angebotspreis Grundreinigung Stein (Kriterium 8).

 

Unterlässt der Auftraggeber die Verlesung wesentlicher Angebotsteile, so verletze er damit die ihm auferlegten Sorgfaltspflichten. Die Nichtverlesung wesentlicher Angebotsteile stelle jedenfalls einen schweren und unbehebbaren Mangel dar.

 

Würde man davon ausgehen, dass die (ebenfalls verlesenen) Angebotssummen für Unterhaltsreinigung, Zimmerendreinigung und Glas- und Fensterreinigung keine wesentlichen Bietererklärungen darstellen, so  wäre die  Verlesung dieser zusätzlichen Preisangaben entgegen der Bestimmung des § 118 Abs.5 BVergG 2006 und Punkt 1.15 der Ausschreibungsunterlagen des Auftraggebers erfolgt und wäre die durchgeführte Angebotsöffnung aus diesem Grund rechtswidrig, da Preispositionen unzulässigerweise verlesen worden seien, weshalb das abgeführte Vergabeverfahren rechtswidrig sei und der Zuschlag nicht an die präsumtive Zuschlagsempfängerin erteilt werden dürfe.

 

Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erweise sich als spekulativ und sei daher iSd § 129 Abs.1 Z3 BVergG 2006 auszuscheiden. Aus dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei anlässlich der Angebotsöffnung  eine Angebotssumme für den Bereich Glas- und Fensterreinigung in Höhe von 2.183,28 Euro (im Vergleich dazu: Angebotssumme der Antragstellerin 8.038,30 Euro) verlesen worden.

 

Dieser Angebotssumme liege eine zu reinigende Glas- und Fensterfläche von 1.116,43 zugrunde, die nach Punkt 4.2.9. der Ausschreibungsunterlage zweimal pro Jahr zu reinigen sei. Die Angebotssumme basiere sohin auf einer Gesamtreinigungsfläche von 2.232,86 . Nach der Reinigung soll die Glasfläche frei von Streifen, Wolken und sonstigen Rückständen sein. Die durch die Fensterreinigung verursachte Raumverschmutzung sei zu beseitigen. Der Preisermittlung seien die Glasflächen beidseitig gereinigt zugrunde zu legen. Sind gesonderte Geräte, wie Hebebühne, Gerüst etc zur ordnungsgemäßen Fensterreinigung notwendig, so seien diese Kosten in den Durchführungspreisen einzukalkulieren.

Für die Reinigung einer Gesamtfläche von 2.232,86 sei ein durchschnittlicher Arbeitsaufwand von ca. 300 Arbeitsstunden erfahrungsgemäß zu berück­sichtigen. Ausgehend von der angebotenen Auftragssumme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin von 2.183,28 Euro errechnen sich daraus Kosten von ca. 7,30 Euro pro Arbeitsstunde, welche die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihrem Angebot kalkulatorisch zugrunde gelegt habe. Damit decke der kalkulierte Stundensatz nicht einmal die Mindestlohnkosten nach dem Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger in (Lohngruppe 2: 8,14 Euro/Std.) Dabei seien noch nicht die zusätzlich anfallenden Lohnnebenkosten, Betriebsmittelkosten und etwa Kosten für die Steighilfe etc, welche nach den Ausschreibungsunterlagen jedenfalls berücksichtigt werden müssen, berück­sichtigt worden. Die Angebotssumme für die Glas- und Fensterreinigung in Höhe von 2.183,28 Euro sei sohin spekulativ, weshalb das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden sei. Im Falle der Ausscheidung bzw Nichtzuschlagserteilung an die präsumtive Zuschlagsempfängerin komme die Antragstellerin als zweitbeste Bieterin bei der Zuschlagserteilung zum Zug.

 

Die Antragstellerin bekundete ihr Interesse an der Zuschlagsentscheidung und am Vertragsabschluss. Bei Nichterteilung des Zuschlages drohe der Antragstellerin der Verlust eines Referenzprojekts und würde sie durch die entstandenen Kosten für die Ausschreibung von ca. 4.000 Euro sowie der Entgang aus der fehlenden Deckung der Geschäftsgemeinkosten infolge geringerer Auslastung in Höhe von etwa 5.000 Euro je Vertragsjahr einschließlich Gewinnentgang, einen Schaden erleiden.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag. Des Weiteren wurde vorgebracht, dass für die Antragstellerin im Falle einer rechtswidrigen Nichterteilung des Zuschlages nicht nur ein beträchtliches Referenzprojekt verloren ginge, sondern sie auch den bereits oben benannten Schaden erleide. Der Schaden könne nur durch die vorläufige Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens, insbesondere der Zuschlagserteilung, abgewendet werden. Die Rechtsposition wäre nach der Zuschlagserteilung wesentlich beeinträchtigt, da die Chance auf eine Zuschlagserteilung verloren gehe und auf den schadenersatzrechtlichen Weg beschränkt wäre.  Ein besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens sei nicht ersichtlich. Hingegen bestehe ein evidentes Interesse der Antragstellerin an einem rechtmäßigen Verfahren. Im Übrigen würde auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen verwiesen, wonach ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen habe. Es liege zumindest ein überwiegender Nachteil im Falle des Unterbleibens einer einstweiligen Verfügung für die Antragstellerin vor.                          

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat den S Sch als Auftraggeber am Verfahren beteiligt. Mit Schreiben vom 6. November 2012 wurde mitgeteilt, dass die Gebäudereinigung bis Ende Dezember 2012 sichergestellt sei und somit kein besonderes öffentliches Interesse der Erlassung der einstweiligen Verfügung entgegenstehe.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Der S Sch ist ein Gemeindeverband; die Vergabe fällt daher in den Vollzugsbereich des Landes iSd Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006. 

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabe­verfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des dis­kriminier­ten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensab­wägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Thomas Kühberger

 

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