Linz, 17.09.2012
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Nigeria, vertreten durch RA X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 12. Juli 2012, Zahl: 1-1020717/FP/12, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von sieben Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, als der Spruch wie folgt zu lauten hat:
"Gemäß § 65b in Verbindung mit § 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 100 in der Fassung BGBl I 2012/87, wird gegen Sie ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Gemäß § 70 Abs. 3 leg cit wird Ihnen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt."
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 53 Abs. 3 Z 1, 65b und 67 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012).
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 12. Juli 2012, Zahl: 1-1020717/FP/12, dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters zugestellt am 16. Juli 2012, wurde gegen den Bw auf Grundlage des § 63 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der geltenden Fassung (im Folgenden: FPG) ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde aus:
2. Gegen den am 16. Juli 2012 dem Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung zugestellten Bescheid erhob dieser durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Telefax vom 26. Juli 2012 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
Im Rechtsmittel führt der Bw Folgendes aus:
3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung "gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid gem. § 63 oder 67" samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 26. Juli 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einholung eines aktuellen Versicherungsdatenauszuges.
Der rechtsfreundlich vertretende Bw hat die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ebenso wenig beantragt wie die belangte Behörde. Von der Durchführung einer solchen konnte aber vor allem deshalb abgesehen werden, weil eine solche, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).
Im Übrigen ist festzuhalten, dass den sachverhaltsbezogenen Vorbringen des Bw in vollem Umfang Glaubwürdigkeit zugemessen wird, weshalb er durch die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der sich seine Aussagen im besten Fall bestätigen könnten, nicht besser gestellt wäre als ohne die Durchführung einer solchen.
3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem in Punkten 1. und 2. dargestellten, unstrittigen Sachverhalt aus. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass sämtlich vom Bw ins Treffen geführten Argumente seine Integration im Inland betreffend in keinster Art und Weise in Zweifel gezogen werden.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
4.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt und sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher wären grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.
Die belangte Behörde übersieht jedoch, dass der Bw – wie im angefochtenen Bescheid explizit angeführt – mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen ist. In diesem Zusammenhang ist auf Art. 13 Unterabsatz 2 der Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004) zu verweisen, wonach die Scheidung des Unionsbürgers das Aufenthaltsrecht seiner Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen, unter anderem dann nicht berührt, wenn die Ehe bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon zumindest ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat.
Der Bw ist daher nach wie vor "Familienangehöriger" im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG. Entgegen der Annahme der belangten Behörde unterfällt er daher nicht dem unter der Überschrift "Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel" stehenden 3. Abschnitt des FPG, sondern ist aufgrund des § 65b FPG (siehe Punkt 4.3.) dem 4. Abschnitt dieses Gesetzes ("Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige sowie Familienangehörige von nicht unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und Österreichern") zu unterstellen.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wurde der Fremde von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt, ist nach § 67 Abs. 3 leg cit die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes möglich.
4.4.1. Nachdem sich der Bw – selbst wenn man die zwischenzeitliche Ausreise aus dem Inland außer Betracht lässt – nach seiner illegalen Einreise am 4. Februar 2004 nicht schon seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält, kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG nicht zur Anwendung. Es ist – im Hinblick auf § 67 Abs. 1 FPG – daher zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden.
In diesem Zusammenhang ist eingangs auf die wegen Suchtgifthandels ergangene Verurteilung des Bw zu einer zehnmonatigen Haftstrafe zu verweisen. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.
4.4.2. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass der belangten Behörde vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht entgegen getreten zu werden vermag, wenn sie im angefochtenen Bescheid zu einer negativen Zukunftsprognose gelangt.
Einleitend ist festzuhalten, dass im Allgemeinen die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß ist (siehe statt vieler VwGH 29.9.1994, 94/18/0370). Bei den konkret vom Bw verübten Verbrechen handelt es sich unzweifelhaft nicht um einen Fall von "Kleinkriminalität", wie dies etwa beim Suchtmittelmissbrauch in Form von Eigenkonsum sogenannter "weicher Drogen" in kleinen Mengen der Fall wäre. Wie sich aus dem strafgerichtlichen Urteil ergibt, hat der Bw um sich zu bereichern über einen Zeitraum von mehreren Monaten große Mengen an Suchtgift an eine Vielzahl verschiedener Personen verkauft. Er hat damit neben der persönlichen Bereicherung beabsichtigt, anderen Personen Suchtmittelmissbrauch zu ermöglichen bzw. diese durch die Verfügbarmachung der verbotenen Substanzen in gewisser Weise auch hiezu animiert. Es zeugt fraglos von immenser krimineller Energie und längerfristigem, eine Unbesonnenheit völlig ausschließendem Engagement, entsprechende Kontakte in die Suchtgiftszene anzubahnen, derartige wie die durchgeführten Verbrechen zu planen und diese dann auch auszuführen. In diesem Zusammenhang ist auch auf den breit gefächerten Kundenkreis des Bw hinzuweisen.
Es liegt bei einem so massiven Missachten der Rechtsordnung auf der Hand, dass der Bw auch gegenwärtig und in Hinkunft eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet darstellt und es eines längeren Zeitraumes bedarf, bis von einer Gefahr durch den Bw nicht mehr ausgegangen werden kann. Dies vor allem auch deshalb, weil der Bw die Verbrechen in einem Zeitraum begangen hat, in welchem er laut aktuellem Versicherungsdatenauszug unselbständig beschäftigt und damit wohl nicht in finanzieller Not war. Andere Beweggründe als sich durch den Suchtgifthandel zu bereichern können vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch nicht als kausal für das Verhalten des Bw angesehen werden. Insofern ist eine Reduktion der Rückfallswahrscheinlichkeit aufgrund der aktuellen Beschäftigung des Bw bei einer Reinigungsfirma nicht zu erwarten. Darüber hinaus kann natürlich auch der sehr kurze Zeitraum des Wohlverhaltens seit der Entlassung aus der Strafhaft nicht für den Bw ins Treffen geführt werden. Die seit dem Zeitpunkt der Tatbegehung (zuletzt 14. Oktober 2011) bzw. dem Zeitpunkt der Entlassung des Bw aus der Strafhaft (14. März 2012) verstrichene Zeitspanne vermag daher nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich die vom Bw ausgehende tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung und sohin Verletzung der öffentlichen Interessen nicht entscheidungsrelevant zu mindern (idS VwGH 11.12.2007, 2007/18/0699).
4.4.3. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich kann angesichts der im vorigen Punkt angestellten Erwägungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschlossen werden, dass das oben beschriebene Gefährdungspotential vom Bw aktuell nicht mehr ausgeht und die unbestritten in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt. Er folgt daher der Ansicht der belangten Behörde, dass sich aus dem Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ergibt.
In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt. Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.
4.5.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
4.5.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
4.6.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Bw unrechtmäßig wäre.
4.6.2.1. Der Bw reiste am 4. Februar 2004 illegal nach Österreich ein und legitimierte seinen Aufenthalt in Folge durch die Stellung eines Asylantrages. Am 21. Dezember 2008 reiste der Bw aus dem Bundesgebiet aus. Mit 12. Mai 2009 wurde dem Bw ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt.
Der Bw ist bei Berücksichtigung seiner zwischenzeitigen mehrmonatigen Ausreise seit etwa 3 ½ Jahren im Bundesgebiet (rechtmäßig) aufhältig. Lässt man die Ausreise außer Betracht ergibt sich eine Aufenthaltsdauer von etwas mehr als 8 ½ Jahren.
4.6.2.2. Der Bw ist unverheiratet, wobei eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin besteht. Kinder hat der Bw keine bzw. besteht auch keine Obsorgeverpflichtung. Es steht jedoch völlig außer Zweifel, dass der Bw durch seinen mehrjährigen Aufenthalt in Österreich, seine seit Juli 2009 wiederkehrende, jedoch nicht durchgehende Teilnahme am Erwerbsleben und dessen Kenntnisse der deutschen Sprache ein nicht unbeachtliches Maß an Integration erworben hat und ein Aufenthaltsverbot in das Recht des Bw auf Privat- und Familienleben eingreift.
4.6.2.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.
Im diesem Sinne geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren, fast durchgehender erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sowie weiterer Integrationsschritte das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).
Der Bw unterschreitet die vom Verwaltungsgerichtshof als Richtmaß herangezogene Aufenthaltsdauer bei weitem, wenn man die Ausreise im Jahr 2008 mitberücksichtigt. Lässt man die zwischenzeitige Ausreise außer Betracht, liegt die Aufenthaltsdauer noch immer klar unter der vom Gerichtshof statuierten Schwelle. Hinzu tritt, dass der Bw den Großteil seines Aufenthalts über keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Die Setzung diverser Integrationsschritte – wie etwa die Aneignung der deutschen Sprache – vermag jedoch im Sinne der Judikatur nicht auszureichen, um (alleine) ein Aufenthaltsverbot hintanzuhalten. Es ist zudem – mangels gegenteiliger Hinweise in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur – davon auszugehen, dass die dargestellte Rechtsauffassung nur dann zur Anwendung gelangt, wenn der oder die betroffene Fremde neben den genannten Kriterien unbescholten ist. Dies ist jedoch aufgrund der Verurteilung des Bw nach dem Suchtmittelgesetz nicht der Fall.
4.6.2.4. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf Punkt 4.6.2.2. verwiesen. Zudem ist festzuhalten, dass der Bw seit Juli 2009 immer wieder erwerbstätig war und auch aktuell einer Beschäftigung nachgeht. Weiters hat er gute Kenntnisse der deutschen Sprache erworben.
Die erworbene Integration wird freilich durch die vom Bw begangenen Verbrechen, bei denen dieser zu erkennen gegeben hat, die im Gastland geltende Rechtsordnung nicht zu akzeptieren, relativiert bzw. wesentlich erschüttert.
4.6.2.5. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Maßnahme in Verbindung mit einer Rückkehr in sein Heimatland ist festzuhalten, dass der X geborene Bw den Großteil seines Lebens (knapp 18 Jahre) dort verbracht hat. Er wurde in Nigeria sozialisiert, ist mit der dortigen Kultur, der Sprache usw. vertraut und hat – laut Asylwerberinformationsauszug – eine Schulausbildung genossen. Zudem lebt die Familie und leben unzweifelhaft auch Freunde und weitere Verwandte in Nigeria. Es ist dem Bw daher nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich daher durchaus zuzumuten, sich im Herkunftsstaat zu reintegrieren.
Wenn der Bw in der Berufungsschrift vorbringt, in Nigeria weder über eine Wohnmöglichkeit noch über einen Arbeitsplatz zu verfügen, ist dem entgegenzuhalten, dass bloße allfällige wirtschaftliche Nöte nicht ausreichen, um in einer Abwägung das staatliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aufzuwiegen.
4.6.2.6. Um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich der Verurteilung zu einer zehnmonatigen Haftstrafe nach dem Suchmittelgesetz nach oben verwiesen. Ansonsten scheinen im Strafregisterauszug des Bw keine Verurteilungen auf. Es ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen, dass der Bw verwaltungsrechtliche Delikte begangen hätte.
Anzumerken ist, dass laut Auszug aus der Personeninformation ein aufrechtes, bis zum 25. Februar 2015 gültiges, Waffenverbot gegeben ist.
4.6.2.7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
4.6.2.8. Das Privat- und Familienleben des Bw entstand zu einem guten Teil nicht während unsicheren Aufenthalts.
4.6.3. Aufgrund der getroffenen Feststellungen gilt es nunmehr, in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Bw am Verbleib im Inland mit dem öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen.
Beim Bw handelt es sich – wie oben dargestellt – gerade nicht um eine Person, die Suchtgift in geringen Mengen zum Eigenbedarf missbraucht hat, sondern um eine solche, die durch den wiederholten und regelmäßigen Verkauf an überwiegend harten Drogen einen hohen Gewinn zu erlangen trachtete. Das öffentliche Interesse an der Unterbindung des Suchtgiftimportes und Suchtgifthandels ist in Relation zur Eigenbedarfskriminalität besonders hoch anzusiedeln, zumal, wie aus dem oben geschilderten Tatgeschehen erkenntlich ist, ein schwerer Fall der Suchtgiftkriminalität vorliegt. Nicht "bloß" der Eigenbedarf als Triebmittel und Auswirkung der Kriminalität, sondern vielmehr ein geplantes Vorgehen mit erheblicher krimineller Energie und dem Potential an weiter Verbreitung der Suchtmittel verletzen genanntes öffentliche Interesse in besonderem Maß.
Ein rigoroses Vorgehen bei derartigen Suchtgiftdelikten ist schon deshalb dringend geboten, da der immer weiter verbreitete Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft führt. Darüber hinaus nimmt die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen.
In die gleiche Kerbe schlägt auch der Oberste Gerichtshof wenn er ausführt, dass die Suchtgiftkriminalität bereits mit besorgniserregenden Wachstumsraten immer mehr zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor ausufert, dessen wirksame Bekämpfung gerade aus der Sicht seiner grenzüberschreitenden Intensivierung auf immer größere Schwierigkeiten stößt (vgl OGH 27.4.1995, 12 Os 31, 32/95-8). Das die notorischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken, die mit Suchtgiftmissbrauch regelmäßig verbunden sind, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten bieten, bedürfe ebenso wenig einer weiterreichenden Erörterung wie die Abhängigkeit der präventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen vom Gewicht ihrer Täterbelastung und ihrem Bekanntheitsgrad in potenziellen Täterkreisen.
Wenn auch nicht verkannt wird, dass ein Aufenthaltsverbot aufgrund der durchaus vorhandenen Integration des Bw in Österreich einen massiven Einschnitt in dessen Leben bedeutet, scheint seine Rückkehr in sein Heimatland (bzw. die Ausreise in ein anderes Land) bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Der Bw hat in Nigeria eine schulische Ausbildung genossen, ist – wie die umgehende Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit nach Entlassung aus der Strafhaft zeigt – durchaus fleißig und daher unzweifelhaft in der Lage, auch abseits von Österreich sein Fortkommen zu sichern. Zudem lebt seine Familie im Herkunftsstaat. Den Kontakt zu den in Österreich lebenden nahestehenden Personen kann er – wenn auch eingeschränkt – für die Dauer des Aufenthaltsverbots durch die Inanspruchnahme von modernen Kommunikationsmitteln aufrecht erhalten. Es ist darüber hinaus diesen Personen nicht verwehrt, das Land mit dem Bw zu verlassen oder diesen zumindest regelmäßig im Ausland zu besuchen.
Bei einer Gesamtabwägung ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie an der Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss.
Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.
4.7. Abschließend ist daher die Befristung des gegen den Bw erlassenen Aufenthaltsverbotes auf die Dauer von sieben Jahren zu prüfen.
Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes sind nach § 67 Abs. 2 FPG zehn Jahre als maximaler Rahmen vorgesehen.
Einerseits ist im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel die Ausschöpfung des vom Gesetzgeber vorgesehenen zeitlichen Rahmens auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das gegenläufige private Interesse des Fremden (idS. VwGH 14.1.1993, 92/18/0475).
Andererseits ist aus immanent zu berücksichtigenden gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen und der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips jedoch eine Beschränkung der Grundfreiheiten von Unionsbürgern oder begünstigten Drittstaatsangehörigen sowie jenen gleichzustellenden Personen jedenfalls möglichst maß- und zurückhaltend vorzunehmen.
Der im gegenständlichen Fall vom Fremdenpolizeigesetzgeber in § 67 Abs. 2 FPG vorgesehene Rahmen für eine Befristung eines zu erlassenden Aufenthaltsverbotes auf maximal zehn Jahre schließt unter anderem Straftaten mit ein, für deren Begehung ein Fremder mit einer unbedingten Freiheitsstrafe bis einschließlich fünf Jahren verurteilt wurde (§ 67 Abs. 3 Z 1 FPG e contrario).
Der Bw wurde "lediglich" zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Deshalb, insbesondere aber auch aufgrund des langen Aufenthalts des Bw´s in Österreich, dessen in letzter Zeit an den Tag gelegtem beruflichem Engagement und den von ihm erworbenen Sprachkenntnissen, geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch davon aus, dass hier gerade noch mit einem auf vier Jahre befristeten Aufenthaltsverbot das Auslangen gefunden werden kann.
In diesem Punkt war daher zugunsten des Bw vom angefochtenen Bescheid abzuweichen.
4.8. Hinsichtlich des erteilten Durchsetzungsaufschubes bedarf es keiner weiteren Erörterungen, da sich dieser unmittelbar aus § 70 Abs. 3 FPG ergibt.
4.9. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der – auch in der Berufung geltend gemachten – sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.
Mag. Christian Stierschneider
Beschlagwortung:
Aufenthaltsverbot; Familienangehörige; Scheidung; Suchtgift; §§ 65b + 67 FPG;
Beachte:
Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.
VwGH vom 13. Dezember 2012, Zl.: 2012/21/0249-4